Protocol of the Session on July 23, 2020

(Beifall)

Gespannt sind wir nun auf die Reaktionen von CDU und Grü nen. Die so gut wie identischen Regelungen für den Bund ha ben deren Parteifreunde in Berlin einhellig mitgetragen. Wir sehen es als sinnvoll an, einheitliche Regeln für Bundes- und Landesminister zu schaffen. Die heutigen Gegenargumente sind erkennbar vorgeschoben. Es geht Grünen und CDU le diglich darum, einem Vorschlag der Oppositionsfraktionen nicht zuzustimmen. Da die Regierungsfraktionen bislang nichts Entsprechendes umgesetzt haben, sollten Grüne und CDU wenigstens jetzt die Größe haben, diesem vernünftigen Gesetzentwurf zuzustimmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Frau Staatsministerin Schopper.

Frau Präsidentin, mei ne sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wie ge sagt, die Karenzzeit ist immer wieder ein Thema. Wir stehen der Diskussion offen gegenüber. Allerdings glaube ich, dass es nicht ausreicht, die Regelungen des Bundesgesetzes auf das Land zu übertragen. Ich glaube, da haben wir noch ein paar Aufgaben mehr zu erledigen. Wir müssen auch dort Anpas sungen vornehmen, wo wir sehen, dass bisher etwas fehlt.

Ich glaube, wir brauchen Regelungen, um das Amt und auch den Wechsel „zwischen den Welten“ attraktiv zu halten. Das ist ein wichtiger Punkt. Denn der Wechsel von der Politik in die Wirtschaft ist sicherlich der häufigere Fall, aber ein um gekehrter Wechsel würde uns mitunter nicht schaden und soll te bei uns in der Politik öfter vorkommen. – Frau Reich-Gut jahr scheint so ein Fall gewesen zu sein, weil sie winkt. Herz lichen Glückwunsch, dass Ihnen das gelungen ist.

Ich glaube, wichtig ist: Politikerinnen und Politiker sollen die Kompetenzen, die sie während einer Mandats- oder einer Amtszeit erwerben, auch in andere Bereiche einbringen kön nen. Unter dieser Prämisse prüfen wir eine Karenzzeitrege lung. Wir werden über die Anpassungen, die in der Diskussi on sind, auf jeden Fall noch eine Änderung des Ministerge setzes mit auf die Tagesordnung nehmen.

Denn in unserem derzeitigen Ministergesetz besteht gerade im Hinblick auf die Rentenversicherung eine Lücke. Aus der letzten Legislaturperiode kennen einige das noch aus eigener Erfahrung. Momentan gilt die Regelung, dass nicht entspre chend in die Rentenversicherung einbezahlt wird, wenn Staatssekretärinnen bzw. Staatssekretäre oder Minister nicht die vollen fünf Jahre im Amt sind. Da gibt es weder die Mög lichkeit einer Nachversicherung noch insgesamt einer Anrech nung. In dieser Hinsicht muss eine Regelung gefunden wer den. Wir haben momentan einige Fälle, in denen diejenigen, die Staatssekretärin oder Staatssekretär waren, in keinster Weise von dieser Zeit entsprechend profitieren. Wie gesagt, wir haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Amtszeit nicht umsonst war.

Insgesamt, glaube ich, muss man beim Zungenschlag aufpas sen. Dieser ist jetzt hier auf der Seite nicht gefallen. Und was die Seite da drüben angeht, ist es mir immer wieder vergönnt, dass mir der liebe Gott zwei Ohren gegeben hat. Auf der ei nen Seite geht es hinein, und auf der anderen Seite geht es wieder hinaus.

(Heiterkeit – Beifall)

Ich glaube, wir wollen Durchlässigkeit, wir wollen Menschen, die mitten im Leben stehen – in der Wirtschaft und in der Po litik. Wir müssen wirklich aufpassen, dass wir mit dem Zun genschlag das Vertrauen in die Politik nicht selbst unterminie ren. Denn wenn jemand in die Wirtschaft wechselt, finde ich das per se nicht verwerflich.

Wenn jemand von der Politik in die Wirtschaft wechselt, sind die Kompetenzen, die er sich in der Politik erworben hat, nicht generell unter einem Lobbyaspekt zu diskreditieren. Vielmehr sind das Leute, die gelernt haben, Prozesse zu steuern, politi

sche Prozesse umzusetzen und Themen entsprechend einzu ordnen. Das sind jetzt nur einmal allgemeine Begriffe. Hin sichtlich der Detailkenntnisse, die man aus einem Amt heraus vielleicht noch hat – ob in der Gesundheitspolitik oder in an deren Bereichen –, ist es hier parteiübergreifend wichtig, dass wir in einer Diskussion, in der das Vertrauen in Politikerinnen und Politiker insgesamt im Ranking nicht gerade in der Bes tenliste platziert ist, aufpassen und unsere Argumente entspre chend abwägen.

Die Frage, wie lange die Karenzzeit sein soll, muss natürlich auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten diskutiert wer den. Das darf dann auch kein Berufsverbot auf Zeit sein.

Die Richtschnur für eine Untersagung muss nach meinem Da fürhalten sein, dass Tätigkeiten insbesondere dann schwierig sind, wenn sie das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integ rität der Landesregierung beeinträchtigen können.

Wie gesagt, der Politikbetrieb muss auch eine gewisse Attrak tivität aufweisen. Ansonsten hätten wir – das wird uns oft vor geworfen – ein Beamtenparlament. Es kann eigentlich nie mand wollen, dass man sozusagen aus dem Beamtensessel ins Parlament kommt und dann aus dem Parlament wieder in den Beamtensessel wechselt. Das, glaube ich, will niemand. Das, was hier vorliegt, ist auch nicht dessen würdig, was hier Dis kussionsstand ist.

Zum Fall Ratzmann will ich nur sagen: Ich weiß, da haben Sie coronabedingt Ihren großen Auftritt verpasst.

(Zurufe)

Aber Herr Ratzmann ist aus dem Beamtendienst entlassen worden. Ich glaube, auch da müssen Sie zur Kenntnis neh men, dass es bei den Kosten für die Steuerzahler keinerlei „Einbußen“ gegeben hat. Da ist darüber hinaus nichts gewe sen. Daher ist das soweit geordnet. Mitunter wäre dieser Fall von dem vorliegenden Gesetzentwurf auch gar nicht erfasst. Das hatten Sie aber schon selbst entdeckt.

Daher geht die Diskussion weiter. Wir bleiben dran. Wir se hen uns wieder.

(Beifall)

In der zweiten Runde erteile ich das Wort für die SPD-Fraktion Herrn Abg. Dr. Weirauch.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe sehr wohl ver nommen, dass Frau Staatsministerin Schopper ein gutes Stück auf uns zugegangen ist, was die Bewertung dieses Gesetzent wurfs angeht. Das nehmen wir gern zur Kenntnis. Gleicher maßen sollten wir uns auch darüber einig sein, dass die Cau sa Ratzmann keine Glanzleistung der Landesregierung war. Dabei will ich es aber zu diesem Thema bewenden lassen.

Ich möchte noch etwas zu meinen Vorrednern sagen. Herr von Eyb, Sie haben es so dargestellt, als ob es quasi die morali sche Verantwortung jedes einzelnen Regierungsmitglieds ist, was es nach dem Ausscheiden aus dem Amt macht. Und Herr Kollege Hentschel hat sich dafür feiern lassen, dass er gläser ner Abgeordneter ist. Aber es geht darum, noch einmal klar

zustellen, dass Integrität keine individuelle Kategorie eines Regierungsmitglieds ist. Vielmehr betrifft sie uns alle, weil das im Ergebnis von der Reputation her auf uns alle zurück fällt. Deswegen sind wir in der Verantwortung, dies auch ge setzlich entsprechend zu regeln.

Vier Jahre kam aus dem grün-schwarzen Haus nichts. Es wur de erzählt, was man noch alles machen möchte, aber nicht ein mal den ersten Ansatz hat man hinbekommen. Ich lade Sie wirklich ein, über die Sommerpause – Sie haben ein bisschen Zeit – mit uns in Verhandlungen zu treten. Ich glaube, es wä re ein starkes Signal, würden wir gemeinsam etwas auf den Weg bringen.

An dieser Stelle komme ich auch noch einmal auf Sie, Herr Klos, zurück. Ich weiß nicht, was Sie immer reitet, wenn Sie hier zu diesem Thema reden. Sie sind ja nicht vom Fach. Viel leicht wäre es gut, Sie führten sich einmal vor Augen, dass auch Regierungsmitglieder Grundrechte haben. Vielleicht bie tet es sich auch an, über die Sommerpause einmal eine Som merschule zum Thema Verfassungsrecht zu besuchen, damit Sie in nächster Zeit vielleicht, vorsichtig gesagt, etwas Ge haltvolleres zu dem Thema beizutragen haben.

(Beifall)

Auch möchte ich noch sagen: Ich habe versucht, keine Na men zu nennen, und ich glaube, dies ist mir auch recht gut ge lungen. Es war klar, dass einige hier versuchen, billige Punk te zu sammeln, indem sie Namen in die Arena werfen. Aber wenn Sie ordentlich recherchiert hätten, hätten Sie gesehen, dass das Karenzzeitgesetz auf Bundesebene bei den Personen, die Sie genannt haben, schon gegriffen hat. Das zeigt, dass es valide und gut ist. Deswegen bin ich der Meinung, BadenWürttemberg würde es gut anstehen, auch auf Landesebene ein Karenzzeitgesetz zu beschließen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir – – Sieben Sekunden, Herr Klos.

(Zuruf: Stoppt die Zeit! – Weitere Zurufe)

Frau Präsidentin! Um es kurz zu machen: Wenn wir zehn Jahre Zeit hätten, würde dies nicht reichen, um sämtliche Skandale der Altparteien seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland hier aufzulisten. Das ist die Wahrheit.

(Vereinzelt Beifall – Zurufe – Unruhe)

Jetzt liegen mir keine weite ren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/8322 zur weiteren Beratung an den Ständigen Ausschuss zu überwei sen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so be schlossen. Vielen Dank.

Punkt 6 unserer Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Eu ropa und Internationales zu der Mitteilung des Ministeri ums der Justiz und für Europa vom 9. Juli 2020 – Bericht über aktuelle europapolitische Themen – Drucksachen 16/8450, 16/8468

Berichterstatter: Abg. Josef Frey

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Abg. Frey das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herzlichen Dank an die Landes regierung für diesen europapolitischen Bericht. Wir befinden uns gerade in einer besonders ereignisreichen europäischen Woche. Es ist eine gute Nachricht, dass sich die Staats- und Regierungschefs endlich auf den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 bis 2027 und auf einen gemeinsamen Corona-Wieder aufbaufonds geeinigt haben. Dies zeigt, dass die Europäische Union in der Krise handlungsfähig ist.

(Beifall – Zuruf)

Finde ich auch.

Die erstmalige gemeinsame Schuldenaufnahme der Mitglieds staaten ist ein Fortschritt gegenüber den konditionierten Aus teritätsprogrammen für die südeuropäischen Länder während der Eurokrise.

(Unruhe)

Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung europäischer Soli darität, die auch die Herren in der ersten Reihe interessieren kann.

Aber die Einigung ist Ergebnis eines harten Deals zulasten ge meinsamer Werte wie der Achtung des Rechtsstaatsprinzips. Das nationale und kurzsichtige Geschachere der letzten Tage hat deutlich gezeigt, dass der Rat nicht zu einer Katharsis fä hig ist. Es ist fraglich, ob mit der beschlossenen qualifizierten Mehrheit im Fall von Verstößen gegen das Rechtsstaatsprin zip jemals Sanktionen verhängt werden können. Wir dürfen nicht tatenlos hinnehmen, dass Mitgliedsstaaten wie Polen und Ungarn die Presse- und Meinungsfreiheit und demokratische Grundwerte aushebeln.