Denn nicht nur eine gesundheitliche Ausnahmesituation, wie wir sie jetzt gerade mit der Covid-19-Pandemie haben, son dern auch eine im Durchschnitt immer älter werdende Gesell schaft mit einem Anstieg der Zahl chronischer Erkrankungen verdeutlichen uns, wie viele junge Menschen wir ermutigen und begeistern müssen, einen solchen Ausbildungsweg ein zuschlagen. Deshalb ist es uns Grünen immens wichtig, in die ser Legislaturperiode gute und attraktive Perspektiven und Ausbildungsbedingungen in diesem Bereich zu schaffen, und das werden wir auch tun.
Die Ermittlung eigener Kopfsätze für die Physiotherapie- und Logopädieschulen in freier Trägerschaft – der Minister hat es schon gesagt; ich wiederhole es, damit Sie es verinnerlichen – wurde 2018 von der Landesregierung beschlossen. Dadurch wird die durch das Privatschulgesetz garantierte Finanzierung angepasst. Bislang wurde der Förderbedarf der Ausbildung nicht angemessen abgebildet. Das brachte diese Schulen in ungünstige und absolut nicht tragbare Situationen. Zu hohe Schulgelder mussten verlangt werden.
Das ist mittlerweile nicht mehr so. Eine Übergangsregelung ermöglichte zunächst eine zusätzliche freiwillige Hilfe in Hö he von 2 000 € pro Schüler und Jahr – auch das wurde erwähnt –, bis jetzt die Einführung der Kopfsätze kommt.
In dem vorliegenden Gesetzentwurf garantiert das Land Ba den-Württemberg den Schulen in freier Trägerschaft ein För derniveau in Höhe von 80 % der Kosten einer entsprechen den Schule im öffentlichen Schulwesen. Dies stellt eine deut liche finanzielle Verbesserung im Vergleich mit dem Jahr 2017 dar.
Gleichzeitig vernehmen wir aber natürlich auch die Kritik der Verbände an der Methode der Berechnung der Kopfsätze und auch die Kritik, dass zumindest der Betrag des Kopfsatzes vor allem für Physiotherapieschulen nun niedriger liegt als der Betrag, den sie durch die Übergangslösung erhalten haben.
Ich kann Ihnen hier und heute sagen: Wir Grünen werden uns im weiteren Verfahren dafür einsetzen – das hat auch der Mi nister schon angedeutet –, dass dieser Kopfsatz der Physio therapieschulen um eine durch das Land bereitgestellte finan zielle Übergangslösung ergänzt wird, damit keine übermäßi gen Härten für die Schulen entstehen können.
Ich möchte an dieser Stelle aber schon noch mal deutlich be tonen: Dieser Finanzierungsweg kann und darf keine langfris tige Lösung sein. Oberstes Ziel muss sein, dass es eine Schul geldfreiheit gibt – auch das hat der Minister schon ausgeführt –, die sicherstellt, dass alle Gesundheitsfachberufe kostenfrei erlernt werden können.
Darum befürworten ich und meine Fraktion natürlich eine bundeseinheitliche Regelung zur geplanten Schulgeldfreiheit für diese wichtigen Ausbildungen in Gesundheitsfachberufen. Diese wird gerade im Rahmen von Bund-Länder-Gesprächen konzipiert. Sollte es aber nicht zu einer zeitnahen Einigung mit dem Bund zur Schulgeldfreiheit kommen, dann sollten und müssen wir dieses Thema hier im Landtag noch mal auf machen und noch mal ausgiebig prüfen, ob diese Finanzie rung auskömmlich ist.
Zusammenfassend – kurz: zum Schluss – lässt sich sagen, dass sich durch die Änderung des Privatschulgesetzes in dieser Le gislaturperiode die Situation der Auszubildenden der Gesund heitsberufe verbessert hat. Das gilt eben nicht nur für die Aus zubildenden in der Physiotherapie und der Logopädie, son dern auch in den Ergänzungsschulen für Ergotherapie und Po dologie.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf eine gute Versorgung in der Pflege sowie genügend Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten wird es in Zukunft ankom men. In den letzten Wochen und Monaten haben wir gesehen, wie wichtig Gesundheit ist, welchen Wert sie für jeden Ein zelnen darstellt. Corona hat unseren Blick dafür geschärft, was wirklich wichtig ist.
Deshalb ist der Gesetzentwurf zur Anpassung der Förderung der Physiotherapie- und Logopädieschulen in freier Träger schaft nicht nur für eine kleine Gruppe wichtig. Vielmehr ist die Neuregelung wichtig, um die Versorgung mit Gesundheits dienstleistungen für unsere ganze Gesellschaft nachhaltig zu sichern.
Die Angehörigen der Gesundheitsfachberufe üben verantwor tungsvolle Tätigkeiten aus und leisten einen wichtigen Bei trag für die Gesundheitsversorgung in Deutschland.
Ich bin mir sicher: Wir werden in Zukunft mehr Menschen in diesen Gesundheitsberufen benötigen. Verschiedene Faktoren spielen dabei eine Rolle, beispielsweise der demografische Wandel, veränderte Versorgungsbedarfe der Patientinnen und Patienten, die zunehmende Bedeutung und Notwendigkeit der interprofessionellen Zusammenarbeit sowie fortschreitende technologische und wissenschaftliche Entwicklungen.
All dies bringt aber auch neue Aufgabenfelder mit sich. Da für brauchen wir qualifiziertes Personal, und zwar in ausrei chender Zahl.
Einen wichtigen Beitrag will auch der Bund leisten. Im Koa litionsvertrag wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe festge schrieben – insbesondere Gesundheitsminister Jens Spahn hat dies entschieden vorangebracht –, die an einem Gesamtkon zept für die Gesundheitsfachberufe arbeitet. Diese Arbeits gruppe hat sich in Eckpunkten u. a. darauf geeinigt, die Schul geldfreiheit für alle Gesundheitsfachberufe zu schaffen. Inso fern sprechen wir heute über ein Vorhaben, das klare Rege lungen zumindest für die Physiotherapie- und Logopädieschu len in freier Trägerschaft in Baden-Württemberg schafft.
Später soll dies aber durch eine bundesweit geltende Schul mittelfreiheit für alle Gesundheitsfachberufsschulen abgelöst werden. Diese Schulmittelfreiheit wäre ein wichtiges Signal für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes in der Gesundheits vorsorge.
Mit der vorliegenden Änderung des Privatschulgesetzes wird die Zuschusshöhe für Physiotherapie- und Logopädieschulen in freier Trägerschaft durch die Schaffung eigener Kopfsätze angepasst. Die genauen Zahlen hierzu hat Minister Lucha be reits ausgeführt.
Uns ist bewusst, dass die Physiotherapieschulen mit der Än derung des Privatschulgesetzes vor finanzielle Herausforde rungen gestellt werden. Die Forderungen der Verbände sind berechtigt und nachvollziehbar. Um eine Überforderung aus zuschließen, Planungssicherheit zu erhalten und schützens wertes Vertrauen nicht zu enttäuschen, werden wir zur Sitzung des Sozialausschusses einen Vorschlag für eine finanzielle Übergangsregelung vorlegen und damit einen angemessenen Interessenausgleich sicherstellen. Zudem bitten wir die Lan desregierung, zu prüfen, inwieweit coronabedingte Mehrauf wendungen der Schulen ausgeglichen werden sollen und kön nen.
Ich bin mir sicher, dass wir mit diesem Gesetz der Rechts- und Planungssicherheit für die Gesundheitsfachberufe ein Stück näher kommen.
Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Herr Minister Lucha, bei Ihrer Rede zur Rassismusdebatte habe ich geklatscht, bei Ihrer Rede zu die ser Vorlage leider nicht. Unstrittig ist, dass angesichts der Al terung der Gesellschaft in ganz vielen Gesundheitsberufen mehr Fachkräfte zur Sicherung einer ausreichenden und gu
ten Patientenversorgung und zur Verbesserung der Versor gungsqualität gebraucht werden. Heute sprechen wir von Phy siotherapie und Logopädie. Gedanklich müssen wir auch die Ergotherapie und die Podologie in die Diskussion über die zu künftige Finanzierung mit einbeziehen.
Wir haben Mangelberufe zu verzeichnen. Das wird in der Sta tistik der Arbeitsagentur ausgewiesen. Auf der Internetseite des Verbands Physikalische Therapie findet man für Ausbil dungsinteressierte den Satz:
Die Physiotherapieausbildung ist stark nachgefragt, an den Ausbildungsstätten gibt es entsprechende Wartezei ten.
Wir müssen also gegen den Fachkräftemangel tätig werden und mehr interessierten jungen Menschen die Möglichkeit ge ben, zum Physiotherapeuten oder Logopäden ausgebildet zu werden. Dafür brauchen wir in Baden-Württemberg ganz drin gend die Unterstützung der Privatschulen, denn an diesen gibt es bei uns im Land momentan die meisten Ausbildungsplät ze. Bis auf zwei Ausbildungsstätten für Physiotherapie an den Universitätskliniken Freiburg und Heidelberg sind alle Ge sundheitsschulen in freier, privater Trägerschaft.
Deshalb muss es zwangsläufig unser Ziel sein, die Ausbil dungsplätze an den privaten Gesundheitsschulen in BadenWürttemberg attraktiv zu halten, sie sogar noch attraktiver zu gestalten und sie vor allem überhaupt möglich zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, hätten gemeinsam mit den privaten Schulen Lösungen gefunden werden müssen. Leider passier te bei den Beratungen zu dem heute vorgelegten Gesetzent wurf der Landesregierung genau das Gegenteil. Herr Minis ter Lucha, daher ist heute kein besonderer Tag für die Privat schulen – entgegen dem, was Sie gesagt haben.
Sie haben sich das Vertrauen der privaten Schulen für Gesund heitsberufe gründlich verspielt. Sie haben ihnen ein Gutach ten aufgetischt, das von der anderen Seite nie nachvollzogen, geschweige denn akzeptiert wurde. Dieses Gutachten haben Sie im Verhältnis 1 : 1 in einen Gesetzentwurf übernommen und sind, als Gegenstimmen laut wurden, nicht einen Milli meter vom ersten Entwurf abgewichen. Nicht einmal zu einer Diskussion kam es. Es gab kein Aushandeln. Erst jetzt, auf der Zielgeraden, kommt von Ihnen und den Regierungsfrak tionen die Ankündigung, dass man bis zu den Ausschussbe ratungen noch einmal nachjustieren will. Ich sage: Das ist zu spät.
Es wurden keine alternativen Rechnungsmodelle geprüft. Sie haben sich auch nicht die Frage gestellt, welche alternativen Rechnungen möglich gewesen wären. Nein, es gab dieses ei ne Gutachten. An dem wurde festgehalten, und aus den Er gebnissen des Gutachtens wurde dieser Gesetzentwurf ge macht.
Die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU haben bei der Information durch die Landesregierung im zuständigen Ausschuss am 23. Januar u. a. die Beschlussempfehlung an das Plenum gefasst:
Festzustellen, dass hinsichtlich der Bewertung des vom Sozialministerium in Auftrag gegebenen BruttokostenGutachtens noch Einzelfragen zu klären sind.
Über die konkreten Änderungen des Privatschulgesetzes sollte im Gesetzgebungsverfahren entschieden werden. Herr Minister, ich frage Sie heute: Wann haben denn klärende Gespräche stattgefunden? Mit wem haben Gespräche stattgefunden? Wur den die betroffenen Schulen in die Gespräche überhaupt ein bezogen oder nochmals angehört? Nein, das war nicht der Fall. Daher ist dieser Gesetzentwurf für uns derzeit nicht zustimmungs fähig. Wir werden ihn im Ausschuss weiter beraten.
Ein letzter Punkt, den ich noch ansprechen möchte – auch die Kollegen haben es getan –, ist die Schulgeldfreiheit. Leider gehört Baden-Württemberg zu den Ländern, die in der Frage der Schulgeldfreiheit ganz rückständig sind. Sie haben gesagt, das sei eine Hypothek. Damit haben Sie recht. Aber Bayern, Bremen, Hamburg, Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-West falen, Schleswig-Holstein und nun auch Hessen und SachsenAnhalt haben es geschafft. Dort gibt es die Schuldgeldfreiheit. Bei uns gibt es sie nicht, und es darf doch nicht wahr sein, dass in Baden-Württemberg die Auszubildenden in Therapie berufen nicht nur keine Vergütung bekommen, sondern auch noch 150 € und mehr pro Monat für ihre Ausbildung zu zah len haben.
Erstens: Führen Sie Gespräche, Herr Minister Lucha, auch mit den Schulträgern. Nochmals: Gehen Sie auf die privaten Schu len zu. Hören Sie sich deren Vorschläge mit dem ernsthaften Ziel an, eine gute Lösung für alle zu finden.
Zweitens: Kümmern Sie sich mit Nachdruck um die Schul geldfreiheit an den Gesundheitsfachschulen in Baden-Würt temberg.
Und drittens: Dieser Gesetzentwurf bedarf noch einer öffent lichen Anhörung. FDP/DVP und SPD stehen bereit. Ich for dere die Kolleginnen und Kollegen von Grünen und CDU auf, mit uns für eine Anhörung im Ausschuss einzutreten. Ich ha be schon entsprechende Signale bekommen. Ich bin gespannt, ob dieser Antrag dann auch eine Mehrheit findet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen Abgeordnete! Lan ge hat es gedauert; jetzt ist er da, der Gesetzentwurf mit den darin enthaltenen Anpassungen. Die Entschleunigung scheint ja schon gut zu wirken. Es dauert alles ein bisschen länger – auch bis dieses Pult trocken ist.