Nicht die Parlamente dürfen über die Medienlandschaft ent scheiden, sondern nur die Bürger auf der Grundlage ihrer frei en Entscheidungen. Durch den vorliegenden Medienstaats vertrag wird jedoch klar, dass die Herrschenden auch in un serem Land zunehmend Angst vor Meinungsfreiheit und Mei nungsvielfalt haben.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich versuche noch immer zu verste hen, was wir gerade gehört haben, aber es gelingt mir nicht.
(Heiterkeit – Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Jetzt sind Sie Professor! Wie geht es erst anderen Leuten?)
Der vorliegende Staatsvertragsentwurf ist unter den vielen Entwürfen, die wir schon behandelt haben, sicher einer der bedeutenderen. Man muss sogar sagen, dass die vergleichs weise überschaubare parlamentarische Behandlung, die wir ihm angedeihen lassen, eigentlich im umgekehrten Verhältnis zu seiner Bedeutung steht.
Ich habe mich auch gefragt, warum es eigentlich so schwie rig ist, so viel zu diesem Entwurf zu sagen. Erstens: Wenn man an einem Ende anfängt, könnte man noch ein paar Stunden über den einen oder anderen Punkt diskutieren, weil einfach so viel drinsteht. Zweitens ist es zum Teil auch eine anspruchs volle Regelungsmaterie – das muss man einfach sagen –,
und nicht jeder steckt gerade knietief in dem Thema. Drittens erklärt sich die Bedeutung dieses Gesetzentwurfs nicht da durch, dass er die Medienwelt komplett auf den Kopf stellen würde. Darum geht es nicht, sondern es geht im Grunde ge nommen um etwas ganz anderes: Die Medienlandschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch geändert.
Es ist jetzt banal, aber wenn man es sich einmal vor Augen führt, dann gibt es Gebiete, auf denen wir Fortschritte erzielt haben, die atemberaubend sind: Wir sind zum Mond geflogen, alles Mögliche. Diese Entwicklung hat im Medienbereich na
türlich auch stattgefunden. Eine unglaubliche Veränderung: weg vom guten alten Rundfunk mit seinem Informations-, Bil dungs- und Unterhaltungsauftrag und seinem Monopol. Mitt lerweile haben sich die Angebote vollständig verändert.
Auch die Angewohnheiten unserer Nachfahren – zumindest aus meiner Sicht gesprochen – haben sich komplett verändert. Sie kämpfen mit den Dingen, die ich gut genug kenne, lieber Herr Kollege Haser, und haben das auch anschaulich geschil dert. Für mich ist es eine Schlüsselfrage, wie wir das in der Familie und in der Gesellschaft hinbekommen; denn man kann die Menschen nicht komplett vor sich selbst schützen. Sie werden auch die Erfahrung machen, dass die Kinder – wenn sie denn wollen – leider an alle Inhalte herankommen,
Dieser Medienvertrag enthält jetzt also den Versuch, das Ins trumentarium an die heutigen Gegebenheiten anzupassen. Wir halten diesen Versuch für im Großen und Ganzen geglückt. Jetzt wird man an vielen Stellen mit den neuen Begriffen und Verfahren erst einmal arbeiten müssen, um festzustellen, wo man es schon hinbekommen hat, die Sachen besser zu ma chen, und wo man es noch nicht so hinbekommen hat.
Es gibt Kritik von den Zeitungsverlegern, es gibt Kritik von den Journalistenverbänden. Ich glaube, die hat hier niemand auf die leichte Schulter genommen. Aber auch dort gilt, dass man erst einmal abwarten muss, ob sich die Befürchtungen bewahrheiten. Wenn sich die eine oder andere Befürchtung der Zeitungsverleger oder Autoren bewahrheiten sollte, ist man, glaube ich, sicherlich in der Lage, noch einmal nachzu denken, nachzusteuern; denn wir bewegen uns nicht auf ei nem Feld, auf dem wir alle kontrovers aufeinanderrennen, sondern eher auf einem Feld, auf dem wir gemeinsam nach der besten Lösung suchen. Dafür macht dieser Staatsvertrag einen erheblichen Schritt nach vorn.
(Beifall – Das Redepult wird desinfiziert. – Abg. Karl Zimmermann CDU: Eigentlich könnten wir die Re dezeit jeweils um die Putz-Minuten verringern! – Ge genruf: Und du putzt dann? – Gegenruf des Abg. Karl Zimmermann CDU: Dann brauchen wir nicht fünf Minuten, sondern drei! – Vereinzelt Heiterkeit – Wei tere Zurufe)
Sehr geehrte Frau Prä sidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die Bewerbung von Jimmy Zimmermann, sich in der Abteilung Putzdienst mit an Bord zu begeben, werden wir dann näher ins Auge fassen.
Aber nichtsdestotrotz: Wir beraten heute den Medienstaats vertrag abschließend. Er ist, wie gesagt, im April von den Mi nisterpräsidentinnen und Ministerpräsidenten unterzeichnet worden. Wir hatten schon ein Vorunterrichtungsverfahren und
sind auch schon leidlich mit diesem ganzen doch auch sehr anspruchsvollen Medienstaatsvertrag – nicht nur, was die Dichte und Regelungsbreite anlangt, sondern auch, was in haltlich dahintersteckt – befasst gewesen. Der Ausschuss hat ja auch noch einmal eingehend – wirklich detailliert und in tensiv – beraten.
Aber ich will auch hier sagen: Es handelt sich um eine umfas sende Novellierung des bisher geltenden Rundfunkstaatsver trags. Herr Goll hat zu Recht die anspruchsvolle Regelungs materie angesprochen.
Die Änderungen brauchen eine Einstimmigkeit. Das ist in den gesamten Medienfragen immer erforderlich, und das ist nicht immer ganz einfach. Denn die Interessen sind natürlich unter schiedlich. Manche Bundesländer sind Sitzländer von großen privaten Firmen. Sie haben dort natürlich einen gewissen Ab deckungscharakter. Insofern hat es eine relativ lange Zeit ge braucht – auch aufgrund der Vielzahl dessen, was man umset zen und regeln wollte –, bis diese Fortschreibung nun auf dem Tisch liegt. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir sie ge macht haben.
Manches konnte noch nicht abschließend aufgenommen wer den. Das sind zum einen das Jugendmedienschutzgesetz – das wird ja auf der Bundesebene noch einmal im Bundesfamili enministerium beraten –, zum anderen aber auch die Stärkung der Barrierefreiheit. Das sind Punkte, mit denen wir uns noch einmal befassen werden.
Aber es hat zahlreiche Änderungen und Anpassungen gege ben. Der Rundfunkbegriff – das ist hier ja auch schon deut lich angesprochen worden – hat sich massiv verändert, und die Zulassung, die Plattformenregulierung und die Medienin termediäre sind sozusagen die Kernpunkte dieses Staatsver trags.
Das Mediennutzungsverhalten hat sich ebenfalls massiv ge ändert. Wenn ich erzähle, ich bin mit einem Programm aufge wachsen – gut, in den Bergen im Allgäu hat es nicht zum Emp fang des Zweiten Programms gereicht –,
dann erzeugt das für Kinder und Jugendliche im Vergleich zu heute ein Gefühl, als wäre das in der Steinzeit gewesen.
Das analoge Fernsehen findet vielleicht gerade noch bei der „Tagesschau“ statt. Oftmals ist es noch so, dass sich die Leu te das um 20 Uhr anschauen. Aber insgesamt hat es sich ein fach verschoben, weil man mit einem Klick für sich neue, komfortable Möglichkeiten findet.
Aber auch – das hat Herr Abg. Binder zu Recht betont – die Auffindbarkeit von Angeboten ist ein immens wichtiger Punkt, weil natürlich in dem schier unendlichen Netz auch die Mög lichkeit besteht, Sachen geflissentlich in eine Ecke zu räumen, in der kein Mensch mehr drankäme. Es war uns auf der Län derebene insgesamt wichtig, diese Auffindbarkeit von Pro grammen zu regeln.
Zu den Medienintermediären sind die entsprechenden Bemer kungen sowohl von Herrn Salomon als auch von Herrn Bin der schon gemacht worden. Hier hätten wir uns durchaus
strengere Vorgaben vorstellen können; das gebe ich gern zu. Aber wie es so ist mit 16 Ländern am Tisch, da fragt man sich: Wo gibt man nach, wo bekommt man mehr? Da haben wir dann z. B. beim Diskriminierungsverbot mehr herausgeholt, als ursprünglich auf der Agenda stand.
Auch zur Frage der Kennzeichnungspflicht – das ist ja auch schon in anderen Medienstaatsverträgen zum Tragen gekom men –, der Social Bots – Mensch oder Maschine, mit wem kommuniziere ich? – wurde betont, dass das notwendig ist. Das halte ich auch für einen wichtigen Punkt, den wir hier ge regelt haben.
Die leichte Auffindbarkeit dessen, was wir für notwendig hal ten, ist, wie schon gesagt, ebenfalls wichtig.
Warum haben wir jetzt nicht weiterverhandelt, sondern ge sagt: „Es muss jetzt einmal ein Strich darunter gezogen wer den“? Das war, weil hier die europäische Richtlinie für audio visuelle Mediendienste mit umgesetzt wurde. Da haben wir eine Frist bis zum Herbst. Daher war es jetzt notwendig, dass man einen Haken dahinter setzt.
Viele Dinge, die weiter geregelt werden müssen, werden uns in Zukunft sicherlich noch beschäftigen. Aber dass wir diese AVMD-Richtlinie jetzt umsetzen, ist ebenfalls ein wichtiger Punkt. Denn sonst wären wir in ein Vertragsverletzungsver fahren hineingelaufen. Das will und braucht natürlich kein Mensch.
Insofern würde ich der Conclusio zustimmen: Das Signal war richtig. Man hat drei Jahre lang an dem Medienstaatsvertrag gearbeitet. Ich glaube im Ergebnis wirklich, dass es gut ist. Auch die LFK ist noch einmal entsprechend aufgestellt wor den und erhält fünf neue Stellen, damit man die neuen Mög lichkeiten, die der LFK jetzt zukommen, auch entsprechend umsetzen kann.
Nur noch mal ein letzter Satz auch zu Herrn Merz: Aufsicht im Internet ist keine Zensur, sondern sie ist notwendig.
Dann kommen wir in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 16/8173. Grundlage der Abstimmung ist die Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses, Drucksache 16/8246. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.