Protocol of the Session on June 25, 2020

Damit all das nicht passiert, damit diese drei Fälle, die ich auf geführt habe, nicht eintreten, gibt es den neuen Medienstaats vertrag. Darin sind auch Teile enthalten, die schon in den Rundfunkstaatsverträgen enthalten waren. Das ist aber der Grund, warum wir uns dieser neuen Welt widmen müssen und warum das Wort „Rundfunkstaatsvertrag“ eben nicht mehr zeitgemäß ist.

Medienplattformen und Medienintermediäre, also Websites, Apps, Videoplattformen usw., Video-on-Demand, ausländi sche Nachrichtenseiten haben wirtschaftlich, gesellschaftlich und auch politisch so sehr Einfluss gewonnen, dass wir nicht weiterhin den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die von der Landesanstalt für Kommunikation überwachten privaten Anbieter in unserem Land an die Kandare nehmen können, während wir das Internet einfach außen vor lassen.

(Zurufe)

Wie wichtig das ist, zeigt die aktuelle JIM-Studie – „JIM“ steht für „Jugend, Information, Medien“ –: Neun von zehn Ju gendlichen zwischen zwölf und 19 Jahren nutzen täglich das Internet, und zwar bis zu 200 Minuten lang pro Tag. Natür lich müssen wir uns daher dem Thema Medienkompetenz wid men. Wir müssen diese Jugendlichen aber auch aktiv schützen, z. B. vor Schleichwerbung, vor unlauteren Geschäftsmetho den, und wir müssen ihnen zeigen, was Freiheit heißt.

Wir ziehen Plattformen und Intermediäre in diese Verantwor tung, in diese Regulierungen ab sofort mit ein. Das gilt nicht nur für Angebote aus Deutschland, sondern auch für Angebo te, die aus dem Ausland kommen, die aber aufgrund der Spra che und des Themenbezugs eindeutig für deutsche User be stimmt sind. Diese Anbieter werden künftig kontrolliert. Sie müssen z. B. technisch sicherstellen, dass man als Erziehungs berechtigter bestimmte Inhalte sperren kann, wenn die eige nen Kinder die eine oder andere Plattform nutzen. Im ersten Fall, den ich geschildert habe, kann ich als Papa oder als Ma ma künftig Kategorien freigeben, die man anschauen darf; an dere darf man dann also nicht anschauen.

Die Anbieter müssen zudem sicherstellen, dass der Jugend medienschutz eingehalten wird. Sie müssen bei journalisti schen Inhalten, wie im beschriebenen zweiten Fall, gewisse Standards einhalten. Fake News können also angezeigt wer den, und es ist nicht mehr von Bedeutung, ob der betreffende Server im In- oder im Ausland steht.

Im dritten von mir eingangs geschilderten Fall wird sicherge stellt, dass „Max“ keine Anbieter diskriminiert. Hinzu kommt, dass Geschäftsmodelle überprüft werden müssen, wenn sie auf Schleichwerbung basieren. Das ist schon jetzt so, aber es wird auf Plattformen ausgeweitet, die wir bislang nicht kont rollieren konnten und durften.

Natürlich gibt es, wie immer, auch Kritik. Der eine hatte sich mehr erhofft, der andere hätte vielleicht gern weniger. Natür lich ist so ein erster Wurf nie perfekt. Wir haben inzwischen über 40 Rundfunkstaatsverträge. Aber der Medienstaatsver trag ist auf jeden Fall eine Kampfansage. Und dieses Signal war wichtig.

Vielen Dank.

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Binder.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Kollege Haser: hervorragende Medien kompetenz! Besser kann man die Thematik nicht erklären.

(Beifall)

Herr Hockenberger hat gerade mitgeteilt, er habe es jetzt ver standen. Ich kann daher auf weitere erklärende Ausführungen verzichten.

(Zurufe – Heiterkeit)

Spaß beiseite. Das, was wir heute sehr spät – –

(Zurufe, u. a.: Jetzt geht es auf den nächsten Abstrak tionslevel! – Vereinzelt Heiterkeit)

Jetzt gehen wir eine Liga höher. Deshalb habe ich ihn auch gelobt. Der Spaß war auf den Kollegen Hockenberger bezo gen.

(Zuruf: Ach so!)

Er hat ihn verstanden.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Schade ist, dass wir über diesen Gesetzentwurf erst so spät am Tag

(Zuruf: Wie immer!)

diskutieren – wie immer beim Thema Medienpolitik.

Heute Morgen bin ich darauf eingegangen, welche Rolle das Netz spielt und welche Rollen Informationen im Netz spielen. Wir regeln den Rundfunk, das Fernsehen, machen auch Vor gaben durch Staatsverträge, machen dem öffentlich-rechtli chen Rundfunk Auflagen, was die Qualität der Information angeht – nicht Einflussnahme, sondern Vorgaben an Qualität, und zwar machen wir auch denen Vorgaben, die Lizenzen für privaten Rundfunk und privates Fernsehen bekommen.

Die Einzigen, die wir mit diesem Regelwerk bisher nicht er reicht haben, sind die, die mittlerweile eigentlich so viel Mei nungsmacht bekommen haben, dass sie die anderen fast in die

Tasche stecken können, auch wenn Gott sei Dank die meiste Information nach wie vor noch durch die herkömmlichen Me dien gezogen wird.

Aber auch die herkömmlichen Medien haben das Problem, dass sie teilweise auf den Plattformen und auf „Max“ oder „Mäxchen“ – wie auch immer man sie bezeichnen will – gar nicht mehr gefunden werden. So wird festgelegt, wer zu wel chem Informationsmedium Zugang hat. Dazu gibt es nun Re geln, sodass dieser Qualitätsjournalismus, diese Qualitätsin formationen auch weiterhin zugänglich sind und sie nicht von vornherein aussortiert werden.

Dass wir die Plattformen in den Blick nehmen und darauf hin weisen, welche Möglichkeiten der Regelungen es gibt, ist richtig. Ich finde, wenn 16 Bundesländer jetzt zu dem Ergeb nis gekommen sind, diese – überfälligen – Regelungen zu tref fen, so zeigt dies, dass es im Föderalismus manchmal etwas länger dauert. Es wurde jetzt aber ein Medienstaatsvertrag vor gelegt, der seinem Namen alle Ehre macht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir haben – dies vielleicht zum Abschluss – mit diesem Me dienstaatsvertrag auch Hausaufgaben, weil die LFK in BadenWürttemberg durch die Regelungen, die genannt worden sind, weitere zusätzliche Aufgaben bekommt, aber auch Klarheit in der Ausübung ihrer Lizenzvergabe bekommt, wo sie Lizen zen vergeben kann und wo eben nicht.

Das heißt, wir müssen uns auch darüber unterhalten, wie wir in Zukunft unsere LFK inhaltlich, aber auch personell aufstel len. Ich glaube, dass wir, wenn der Medienstaatsvertrag voll ends ratifiziert ist, sehr zügig darüber reden müssen, wie wir die LFK aufstellen und wie wir unsere eigene Gesetzgebung, das Landesmediengesetz, über das hinausgehend verändern, was die Koalition als Mini-Regelungsänderung vorgeschla gen hat. Denn wir sollten dem, was die 16 Bundesländer jetzt vorgelegt haben, mit unserem eigenen Mediengesetz auch fol gen, weil unser Mediengesetz eher die Steinzeit beschreibt als das, was wir als Zukunft sehen.

In diesem Sinn – ich sehe den Kollegen Salomon und den Kol legen Haser – bekommen wir das vielleicht noch hin. Ein biss chen mehr Zukunft in unserer eigenen Gesetzgebung zum Thema Medien wäre ganz gut.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Merz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Damen und Her ren! Der vorliegende Gesetzentwurf bedeutet in seiner Um setzung mehr Bürokratie sowie einen massiven Eingriff in die freie Meinungsbildung und in die Möglichkeit der freien Mei nungsäußerung.

Was mit Transparenz und Meinungsvielfalt beworben wird, das entpuppt sich bei der Lektüre des immerhin mehr als 120 Paragrafen umfassenden sogenannten Staatsvertrags zur Mo dernisierung der Medienordnung als ein Sammelsurium von Regularien – Regularien, die dafür sorgen, dass für Medienan

bieter und Behörden erheblich mehr Verwaltungsaufwand ent steht; zudem wird auch zukünftig die ungefilterte Verbreitung der eigenen Meinung im Internet massiv eingeschränkt.

Fortan müssen sich beispielsweise erfolgreiche Streamer um eine Rundfunkzulassung bemühen.

(Zuruf: Sehr gut!)

Auch wenn viele regierungsunkritische Unterhaltungsforma te dies zunächst als problemlos erachten, so sollten sich auch diese bewusst machen, dass sie von nun an erheblich stärker vonseiten des Staates überwacht und reguliert werden, also auch zensiert werden. Wer weiter streamen möchte, der hat zunächst Programminhalt, Kategorie und Verbreitungsgebiet zu melden, um dies, bitte schön, zugelassen zu bekommen. Wer so etwas als rein formalen Akt bezeichnet, der ist entwe der naiv oder perfide.

Im Medienstaatsvertrag ist euphemistisch und sinnverdrehend von der Förderung der internationalen Verständigung sowie von einem diskriminierungsfreien Miteinander die Rede. Die viel zitierte Meinungsfreiheit beschränkt sich jedoch auf die „bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaft lichen Kräfte und Gruppen“. Aha! Denn wer diese Kräfte oder Gruppen letztendlich als bedeutsam definiert, das sind Orga ne der Regierenden im Staat.

Schon allein der geplante Ausschluss von Nicht-EU-Teleme dien zeigt, wohin die Reise geht. „Russia Today“ oder „Fox News“ oder womöglich gar auch Schweizer Zeitungen sind im Fall des Falles auch im Internet dann auf einmal nicht mehr zugänglich, falls diese EU-kritisch oder EU-unerlaubt wahr heitsaufdeckend sind.

(Vereinzelt Beifall)

Eine objektive und neutrale Informationsgewinnung für die Bürger ist bei regierungsseitigem Missbrauch der Möglich keiten, die dieser neue Staatsvertrag bietet, dann nicht mehr möglich. In einer freiheitlichen Demokratie ist es jedoch nicht das Recht des Staates, den Bürgern vorzuentscheiden, was re gulariengenehm ist und was eben nicht. In einem freiheitli chen Rechtsstaat dürfen dem informationswilligen Bürger kei ne Regulierung, kein Informationsfilter und keine Zensur vor geschaltet werden. Bürger müssen weiterhin als mündig be trachtet werden und selbst beurteilen können, was sie interes siert und woher sie sich ihre Meinung bilden. Und je vielfäl tiger und internationaler und diversifizierter Informationsquel len sind, umso fundierter und weniger manipulierbar ist eine Meinungsbildung möglich.

Die vom CDU-Kollegen Haser soeben erwähnte Möglichkeit, dass Eltern an- und ausschalten könnten, was ihre Kinder kon sumieren, ist eine Ebene höher nämlich ebenfalls gegeben. Die Regierenden können dies gegenüber den Bürgern nun ebenfalls tun.

Die so gefilterte und zensierte Information, die so manipulier te Meinungsbildung in totalitären Staaten sollte uns eine War nung sein. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf gehen wir einen weiteren Schritt in diese falsche Richtung. Im Sinne ei ner wirklich freien Informationsvielfalt wäre es vielmehr kon sequent, den mittlerweile zigmal als Lügen- und Lückenpres se belegten und durch seine Zwangsbeitragsfinanzierung in

Deutschland die Medien dominierenden sogenannten öffent lich-rechtlichen Rundfunk abzuschaffen.

(Zurufe)

Die nun zudem staatlich-direkten Förderungen für auch so manche privaten Sender oder Presseorgane machen auch diese förderungs- und regierungshörig. Denn wie heißt das Sprich wort? Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.

(Vereinzelt Beifall)