Man muss einfach festhalten: Landwirtschaft ist die Voraus setzung für Artenvielfalt und Biodiversität – ohne Landwirt schaft keine Biodiversität mehr. Ohne Landwirtschaft gäbe es Versteppung, gäbe es Verwaldung – das kann die Förster freu en –, was aber Einfalt und keine Vielfalt mehr wäre. Da muss man einfach festhalten: Die Landwirtschaft schafft die Vor aussetzung für Artenvielfalt.
Ich glaube, auch die Naturschutzseite hat eingesehen, dass es nicht ohne die Bewirtschafter geht. Wer mehr Vielfalt und In sekten will, braucht zwingend die Landwirte als Bewirtschaf ter, um dies entsprechend umzusetzen. Damit ergibt sich durch dieses Gesetz nicht nur ein Lösungskonzept, das das Thema für die nächsten zehn Jahre auf jeden Fall ausräumt, sondern das Gesetz kann auch eine Vorwärtsstrategie für die Landwirt schaft bedeuten – eine Vorwärtsstrategie für die Landwirte, die sich durch öffentliche Anwürfe als Bodenverschmutzer, als Überdünger, als Pflanzenvergifter, als Insektenzerstörer und dergleichen mehr gebeutelt sehen. Es ist auch eine Vor wärtsstrategie, zu sagen: Wir machen etwas aktiv für den Na turschutz, aber wir erwirtschaften im begleitenden Zug auch gute, gesunde, hochwertige Lebensmittel. Das ist einmal ein ganz entscheidender Punkt.
Deshalb braucht diese Lösung, dieser Gesetzentwurf – es ist kein Kompromissgesetzentwurf, sondern ein lösungsorien tierter Gesetzentwurf – auch keine großartigen weiteren Ver besserungen.
Wir haben versucht, eine breite Beteiligung zu erreichen. Ich gestehe durchaus zu – das ist auch die Aufgabe einer Landes regierung, die führen soll –, dass man zunächst einmal auf die Initiatoren
des Volksbegehrens zugeht. Kollege Untersteller und ich ha ben dies mit einem klaren Konzept, nämlich einem Eckpunk tepapier, getan. Das ist im Nachgang vielfältig kritisiert wor den: „Über das hätte man einmal breit diskutieren müssen“, „Ist es überhaupt sinnvoll?“, „Ist es überhaupt richtig?“ etc. Aber ich glaube, ohne eine klare Position der Landesregie rung in dieser Frage wären die Initiatoren des Volksbegehrens nicht bereit gewesen, vom Volksbegehren abzulassen. Das war aber der Fall.
Nachdem sie sich bereit erklärt haben und nach acht Wochen intensiver Verhandlungen zwischen allen Seiten – zwischen Naturnutzern, nämlich den Landwirten, und Naturschützern –, haben sich alle Seiten bei diesen Eckpunkten beteiligt. Ich glaube, es wurden gute Beteiligungslösungen gefunden – kei ne Kompromisse, sondern Lösungen. Wir konnten uns dann im vergangenen Jahr – vor Weihnachten – auf die Ausgestal tung der Eckpunkte einigen, die die Grundlage für das jetzt vorliegende Gesetzesvorhaben geworden sind. Im Nachgang gab es dann im März und April die Anhörung, die auch noch einmal Ergebnisse geliefert hat. Auch der Volksantrag hat Er gebnisse geliefert, die nach dem Anhörungsverfahren in den Gesetzentwurf – nicht nur in die Begründung – eingepflegt wurden und die dieser Gesetzentwurf enthält: die Themen zur Regionalität, die Frage zum Flächenverbrauch.
Natürlich kann ich mir beim Flächenverbrauch noch mehr vor stellen. Ich bin sehr dafür, dass wir einen Schutz von landwirt schaftlich produktiven Flächen aufnehmen und nicht immer nur ständig Ausgleichsflächen in der produktiven Landwirt schaft suchen, und dass wir vielleicht mit dem Umweltminis terium einen Kompromiss in der Frage der produktionsinteg rierten Kompensationen im Rahmen des ökologischen Aus gleichs erzielen. Das wird eine Daueraufgabe in der nächsten Runde sein – das heißt, ab dem nächsten Jahr, wahrscheinlich nach den Koalitionsverhandlungen. Es wäre höchste Zeit, dass wir solche vorwärtsgerichteten Lösungen im Prinzip auch für die Landbewirtschaftung hinbekommen.
Das Thema Agrarforschung spielte im Volksantrag explizit ei ne zentrale Rolle. Es ist jetzt auch im Gesetz verankert und verpflichtet im Prinzip damit das Land zur Agrarforschung.
Wir haben also das Beteiligungsverfahren wirklich umfäng lich genutzt, um auch zu beteiligen und nicht nur zu hören – nach dem Motto: es kann nicht jeder erhört werden –, sondern die meisten auch zu erhören. Das ist nicht immer zu 100 % gelungen, aber zu 80, 70 oder 60 % fast immer.
Meine Damen und Herren, deshalb ist am Ende auch ein Ge setzentwurf herausgekommen, der wirklich gut ist, den man in voller Inbrunst nach außen vertreten kann.
Ich hatte gestern Abend eine Telefonkonferenz mit den Agrar ministern – das war eine vorbereitende Telefonkonferenz; da bei habe ich mich gleich für heute für die Sitzung in Berlin entschuldigt, weil hier die Einbringung des Gesetzentwurfs ansteht –, bei der mich alle für die elegante Lösung des Kon flikts beglückwünscht haben.
Das muss man einfach sagen. Das war parteiübergreifend. Das ist ja auch kein Wunder, weil es gelungen ist, alle mit an Bord zu nehmen.
Ich sage auch in Richtung Bund: Kopieren ist ausdrücklich erlaubt. Ich erwarte auch von der Bundesregierung in Deutsch land, dass solche Instrumente, die nicht das Ordnungsrecht betreffen, sondern die die Beteiligung betreffen, in der Frage
der Insektengesetzgebung und all dessen, was von der Bun desumweltministerin angekündigt wurde, mit übernommen werden.
Ich glaube, es ist auch wichtig, dass in diesen Fragen beim Gesetzentwurf ein klarer Schulterschluss zwischen dem Um weltministerium einerseits und dem Landwirtschaftsministe rium andererseits besteht, dass wir auch gemeinsam bereit sind, diese gute Lösung nach außen zu vertreten und für sie entsprechend zu kämpfen.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich Sie sehr herzlich bitten, diesem Gesetzentwurf in den Bera tungen der Ausschüsse nicht nur sehr wohlwollend gegenüber zutreten, sondern ihm im Kern auch unverändert zuzustim men. Denn nach meiner Überzeugung und nach Überzeugung vieler Praktiker ist er wirklich gelungen. Es ist sicherlich ei nes der Spitzengesetzgebungswerke in dieser Legislaturperi ode.
Meine Damen und Herren, während das Redepult desinfiziert wird, gebe ich den Hinweis, dass das Präsidium in seiner Einschätzung komplett richtig lag: Wir brauchten keine zehn Minuten Redezeit je Fraktion vorzusehen, weil wir natürlich wussten, dass die Regierung ihre Redezeit deutlich überschreiten würde.
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kollegin nen und Kollegen! Die Situation ist – das wurde heute so noch nicht gesagt – alarmierend. Neueste Studien bestätigen uns nämlich das gravierende Insektensterben und den allgemei nen Artenrückgang in Baden-Württemberg. Im Grünland ist die Masse an Insekten allein im letzten Jahrzehnt um 60 % gesunken. Besonders prekär ist auch der Rückgang bei den Bodeninsekten, der gerade im Weinbau zentral auf den unnö tigen Einsatz von Herbiziden wie Glyphosat zurückgeht.
Erfreulich ist, dass das Staatsweingut Blankenhornsberg die ses Jahr in der Steillage darauf verzichtet hat und eine rein mechanische Bearbeitung als Beweis dafür durchführt, dass es auch jetzt schon anders geht. Außerdem ist erfreulich, dass das Thema bereits auf der EU-Ebene angekommen ist und dass der EuGH noch in diesem Jahr eine Entscheidung vorle gen wird, inwieweit insektenschädliche Neonicotinoide wie Clothianidin endlich ganz vom Markt verschwinden müssen.
Es kann einfach nicht sein, dass weiterhin Wirkstoffe verwen det werden, die bereits 2008 im Oberrheingraben zum größ ten Bienensterben Europas geführt haben.
In Baden-Württemberg haben wir den Handlungsbedarf früh zeitig erkannt und gehen effektiv gegen das Insektensterben und den allgemeinen Artenrückgang vor. Durch das von un serem Ministerpräsidenten initiierte Sonderprogramm „Bio logische Vielfalt“ sind wir im Artenschutz weit vor Beginn des Volksbegehrens an die Spitze der Bundesländer gerückt. Im Rahmen des Programms investieren wir, liebe FDP/DVP, 36 Millionen € gut angelegtes Geld.
Aufgrund des Rückgangs der Bienenpopulation haben wir, die Grünen, bereits 2018 eine Große Anfrage eingereicht, welche heute ebenfalls Gegenstand der Debatte ist. Die Antwort auf die Anfrage hat uns bestätigt: Auch die Honigbiene ist ein wichtiger Bioindikator für einen funktionierenden Naturschutz, für funktionierende Ökosysteme auch in der Landwirtschaft. Geht es den Honigbienen schlecht, ist auch das Wohlergehen der Bevölkerung in Gefahr.
Um dem Artenrückgang nachhaltig entgegenzuwirken, braucht es in den nächsten Jahren einen tief greifenden Veränderungs prozess in der Landwirtschaft und der Lebensmittelerzeugung, einen Transformationsprozess ähnlich dem der Autoindustrie.
Durch das Gesetzesvorhaben des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ haben sich die Gräben und das Misstrauen zwischen den Umweltschützerinnen und Umweltschützern auf der ei nen Seite und den Bäuerinnen und Bauern auf der anderen Seite sehr stark vergrößert. Das Volksbegehren hat bei der Re duktion der Pestizide – dem entscheidenden Punkt für die Landwirtschaft – den Weg mit dem Ziel verwechselt und sich für ein zeitnahes Verbot von Pflanzenschutzmitteln, auch de nen des Ökolandbaus, auf einem Drittel der Landesfläche aus gesprochen. Hier wurde eindeutig der gemeinsame Weg ver lassen. Das Verbot jeglicher Pflanzenschutzmittel auf einem Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche hätte viele kon ventionelle und ökologische Betriebe in Existenznöte ge bracht, gerade in unserem Sonderkulturland Baden-Württem berg, und dabei Kulturlandschaften zerstört. Meine Heimat, der Kaiserstuhl mit 1 000 ha Rebfläche, wäre nicht mehr wie derzuerkennen gewesen.
Dies haben wir geändert. Denn für uns, die Fraktion GRÜNE, steht fest: Einen Transformationsprozess kann es nur mit den Bäuerinnen und Bauern geben. Umweltschutz und Landnut zung funktionieren am besten zusammen.
Oder anders formuliert: Was gut für die Natur ist, ist auch gut für die Bäuerinnen und Bauern. Auch in Zukunft brauchen wir regionale Lebensmittel. Und die Artenvielfalt braucht unsere über Jahrhunderte gerade von den Bäuerinnen und Bauern ge schaffene Kulturlandschaft.
Die Landesregierung ist auf die berechtigte Kritik aus der Landwirtschaft eingegangen und hat das Volksbegehren pra xistauglich gemacht. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bei den beiden Ministern Untersteller und Hauk bedanken. Sie haben unter hohem Verantwortungsdruck ein politisches Kunst
stück vollbracht, welches uns noch Jahre als Erfolgsgeschich te dieser grün-schwarzen Koalition in Erinnerung bleiben wird und unsere Spitzenposition im Artenschutz bestätigt.
Meine Damen und Herren, mit dem Biodiversitätsstärkungs gesetz ist es uns gelungen, auch außerlandwirtschaftliche Fak toren einzubinden, die das Volksbegehren nicht berücksich tigte. Gerade die Biotopvernetzung sowie die klare Anwei sung, dem Flächenverbrauch entgegenzuwirken, sind hier her vorzuheben.
Liebe FDP/DVP, in dem Gesetzentwurf steht so viel drin, ihr müsst es einfach mal lesen: 40 % Öko, 50 % Pestizidreduktion, 15 % der Fläche für den Biotopverbund, 10 % Refugialfläche im Offenland, Erhalt von Streuobstbeständen, Reduktion des Flächenverbrauchs und, und, und. Da kann man doch nicht so tun, als wäre das nichts.
Hier gilt übrigens der klare Appell an die Bundesebene, nicht den Fehler zu begehen, den irreführenden „Betonparagrafen“, § 13 b des Baugesetzbuchs, zu verlängern. Nur so erreichen wir mittelfristig eine Nettonull beim Flächenverbrauch.