Protocol of the Session on June 25, 2020

Sie haben sich in den letzten sechs Monaten also doch heftig bewegt. Das ist gut so.

Ich kann Ihnen jetzt auch schon sagen, dass die SPD-Land tagsfraktion diesem Gesetzentwurf letztlich auch zustimmen wird.

(Zuruf: Sehr gut!)

Aber wir werden sicherlich einige Änderungsanträge stellen, um einen Teil der Schwächen zu beheben.

(Zuruf)

Die erste große Schwäche ist die fehlende Verbindlichkeit und Konkretheit bei verschiedenen Zielen und Festlegungen. Was heißt denn z. B., die Pestizidmenge um 40 bis 50 % zu redu zieren? Bezieht sich das auf die Wirkstoffmenge, die einge setzte Spritzmenge, die Zahl der Spritzungen? Oder wollen wir das an den Verkaufsmengen festsetzen oder im Betriebs messnetz, das noch nicht vorhanden ist und noch aufzubauen ist? Man darf grundsätzlich etwas skeptisch sein, wenn das jetzt ein Landwirtschaftsminister umsetzen soll, der den Pes tizideinsatz vor nicht langer Zeit noch schöngeredet hat, ihn nicht erfassen und auch nicht veröffentlichen wollte.

Die zweite große Schwäche besteht in der Finanzierung. Denn im Vorblatt des Gesetzentwurfs steht sinngemäß lapidar: „Die Kosten für den öffentlichen Haushalt können nicht beziffert werden.“ Das stimmt. In den Jahren 2020 und 2021 geben Sie zwei Mal 30 Millionen € zusätzlich für Naturschutz aus. Das wird aber wahrscheinlich nicht ausreichen – das ist die Sorge sowohl der Landbewirtschafter wie auch der Naturschützer. Denn niemand weiß, wie das in Zukunft finanziell tatsächlich dargestellt werden soll und welche Programme wie ausgestal tet werden. Daran müssen Sie noch arbeiten.

Gut ist, dass der Gesetzentwurf nicht nur die Landwirtschaft in den Blick nimmt, sondern auch die Gärten, die Vorgärten, die schädliche Beleuchtung – diesbezüglich haben wir in der letzten Legislaturperiode auch schon etwas gemeinsam ge macht –, die öffentlichen Grünanlagen, und dass viele Forde rungen der Bauernschaft aus ihrem Volksantrag jetzt auch in diesen Gesetzentwurf eingebracht worden sind. Wir durften ja in der Stellungnahme der Landesregierung dazu schon ei niges lesen.

Eine dritte große Schwäche ist, dass die 2 % Naturschutzge biete noch immer Ackerflächen beinhalten, die konventionell bearbeitet werden dürfen. Eine Positivliste für erlaubte Mit tel ist angedacht. Das ist gut so. Wir wünschten uns da für ei ne Übergangsfrist einen ökologischen Landbau für die Zu kunft.

Wir sind gespannt darauf, wie wir über das alles in den Aus schüssen diskutieren. Wir setzen darauf, dass Sie, Kollegin nen und Kollegen der Regierungsfraktionen, die Umsetzung mit Ernsthaftigkeit angehen. Dieses Gesetz darf kein Papier tiger sein.

Zum Schluss ein Zitat von Charles Darwin:

Alles, was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Be stand.

Vielen Dank.

(Beifall)

Für die AfD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Palka das Wort.

Danke, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Kollegen! Kein Schutz von Bienen und vielen anderen Schätzen unserer Natur ohne den Schutz der bäuerli chen Familienbetriebe. Nur die Familienbetriebe in unserem Land sichern unsere Versorgung mit dem Lebensnotwendigen seit Generationen. Nur die bäuerlichen Familienbetriebe ha ben unsere schöne Landschaft geschaffen. Und nur die Fami lienbetriebe schaffen die Lebensbedingungen für die vielfäl tige Flora und Fauna einer Kulturlandschaft mit viel mehr Ar ten und Abwechslung als im dichten Wald, der ohne Land wirtschaft alles bedecken würde.

(Beifall)

Das war auch der politisch größte Fehler des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“. Das Volksbegehren war unpersönlich und richtete sich gegen den Großteil der Landwirtschaft. In einer Pressemitteilung des Volksbegehrens heißt es:

Dennoch ist der Trägerkreis des Volksbegehrens befrem det über die Grünen Kreuze.

Sie könnten nicht deutlicher sagen, wie wenig sie von der Not der Landwirte wissen, wie weit die vorwiegend städtischen Unterstützer des Volksbegehrens von der Landwirtschaft ent fernt sind und wie wenig sie davon verstehen. Wie bei der Düngeverordnung möchten die urbanen Zentren der Indust riegesellschaft auch ihre Sünden bei den Bauern abladen. Al lein die Bauern sollen mit ihrem Verzicht und ihrer Existenz bezahlen. Die Erfinder der Düngeverordnung in Brüssel und Berlin sind an keiner Stelle zum Verzicht bereit.

Genauso wenig steht bei den Hauptforderungen des Volksbe gehrens etwas darüber, was die Stadtgesellschaft beitragen könnte. Das haben erst der Volksantrag der Bauernverbände und das Eckpunktepapier der Regierung zumindest in Ansät zen berücksichtigt. Auch das Thema „Lichtverschmutzung während der Nacht“ findet sich im Gesetzentwurf wieder.

(Zuruf)

Erst zuhören, und dann können Sie noch einmal etwas sa gen. – Wenn die Landwirtschaft pauschal zum Verzicht auf 50 % ihrer Betriebsmittel gezwungen wird, müssen die Land wirte verzweifeln. Durch die Politik der letzten 60 Jahre sind sie zum immer ausgefeilteren und oft intensiveren Einsatz die ser Mittel gezwungen worden. Wir sagen schon lange: Nicht die Bauern müssen sich ändern. Die Politik muss sich ändern.

(Beifall)

Ein ganz großer Hebel für Artenschutz und Biodiversität durch die Landwirtschaft wird leider nicht in die Hand genommen. Professor Hasselmann aus Hohenheim deutete es in der An hörung in der letzten Woche nur an. Professor Tscharntke aus Göttingen hat ausführlich über die Auswirkung der Schlag größe, der Größe der Äcker, und damit zusammenhängend der Saumlänge, der Länge der Ackerränder, auf die Biodiversität publiziert und geforscht. Wildbienen und viele andere Insek ten und Kleintiere sind so klein, dass sie oft nur wenige Me ter Radius haben. Ein heute üblicher großer Acker mit meh reren Hundert Metern Länge und Breite ist für sie ein unüber windbares Hindernis. Professor Tscharntke sagt: Kleine Fel der fördern die Artenvielfalt genauso stark wie bei einer Um stellung von konventioneller auf organische Bewirtschaftung.

Deshalb ist auch mit dem Rückgang der Zahl der Bienen nicht die Honigbiene, sondern die Wildbiene gemeint. Der Honig biene geht es gut; es gibt immer mehr. Das wird natürlich wie der einmal verschwiegen; da wird einfach über die Biene all gemein geredet, ohne dass diese gemeint wäre.

(Beifall)

Genau da haben wir die Beweise für unsere These vom An fang meiner Rede: Nicht die Bauern müssen sich ändern, son dern die Politik muss sich ändern.

(Beifall)

Außer uns thematisiert nur ein CDU-Bundestagsmitglied auf verlorenem Posten dieses Thema, wenn er die Flächenzahlun gen aus der ersten Säule den Brandbeschleuniger des Struk turwandels nennt. Die Grünen haben im Sommer 2017 im Bundestag danach gefragt – und dieses Thema nie wieder an gefasst. Sie wollten sich die Finger nicht verbrennen.

Auch wir haben im Herbst 2017 für Baden-Württemberg da nach gefragt und eine ausführliche Antwort bekommen. Vie len Dank an das Ministerium.

Wenn das größte 1 % der Bauern bundesweit 22 % der 3 Mil liarden € aus der ersten Säule bekommt, die ganze untere Hälf te der kleinen Bauern hingegen nur 7 %, dann müssen wir nicht lange nach der Ursache des Strukturwandels fragen. Dann wissen wir, warum die Landwirtschaft immer eintöni ger wird, die Bauern immer verzweifelter werden und die Na tur immer ärmer wird. Noch einmal: Betrügen und belügen Sie nicht weiter die Bauern in unserem Land; ändern Sie Ih re Politik.

Danke schön.

(Beifall)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich das Wort Herrn Abg. Karrais.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir heute als Ge setzentwurf beraten, ist letztendlich die Folge und der Kom promiss, der aus dem Volksbegehren entsprungen ist. Zu Be ginn muss man daran erinnern, dass insbesondere in den Rei hen der Grünen einige Fans der ursprünglichen Form des Volksbegehrens waren. Jetzt das hier als den großen Wurf zu verkaufen, das ist schon mutig. Aber es ist ja schon einmal besser als nichts. Allerdings ist es doch auch erstaunlich, dass insbesondere die SPD-Fraktion wohl dem Volksbegehren in seiner Schärfe hinterhertrauert und dort, wo man entschärft hat, wieder schärfen will. Das halten wir für nicht richtig.

(Beifall)

Denn ganz klar ist, dass die Forderungen aus dem Volksbe gehren unausgegoren, untragbar, realitätsfremd und vor allem untauglich waren, um das Thema Artenschutz mit der Land wirtschaft in Einklang zu bringen. Wir haben das von Anfang an erkannt und haben seitens der FDP/DVP von Anfang an zu den Landwirten gestanden und uns klar gegen das Volksbe gehren positioniert. Wir werden auch jetzt sehr genau hin schauen, was in der weiteren Beratung dieses Gesetzentwurfs passieren wird.

(Beifall)

Denn das, was uns vorliegt, ist ein Kompromiss, der zwar ent schärft ist, aber aus unserer Sicht noch immer nicht befriedi gend ist. Denn das Thema „Artenschutz und Biodiversität, Landwirtschaft und Erhalt der Kulturlandschaft“ ist eine ge samtgesellschaftliche Aufgabe, bei der alle Akteure beteiligt sind, die zu dem Thema „Naturschutz und die Natur bedrän gen“ beitragen, und das muss auch in das Gesetz Einzug fin den. Das sehen wir momentan noch nicht. Denn im jetzigen Gesetzentwurf ist ausschließlich die Landwirtschaft der Sün denbock. Das Einzige, was noch hineingenommen wurde, sind die Gärtner und die Privatgärtner. Das halten wir aber für nicht richtig. Denn es gibt auch noch andere Akteure; dazu komme ich später noch.

(Beifall)

Unter dem Damoklesschwert des Volksbegehrens haben dann die Verbände diesem Kompromiss zugestimmt. Denn das ist immerhin besser als das, was im Volksbegehren drinstand. Wenn das gekommen wäre, wäre das nämlich eine totale Ka tastrophe gewesen.

Hervorheben möchte ich an dieser Stelle den Volksantrag, der aus unserer Sicht sehr ausgewogen ist, der das Thema gesamt heitlich betrachtet und der die entsprechenden Anreize und Anstöße setzt und Forderungen aufstellt. Diese finden wir sehr ausgewogen und sehr gut; sie müssen aber auch Einzug in den Gesetzentwurf finden. Wir werden diesen Volksantrag, der mit seinen 85 000 Unterstützern breite Zustimmung gefunden hat, mit seinen entsprechenden Inhalten in die Gesetzesberatun gen einbringen. Denn genau das brauchen wir, um des The mas ganzheitlich Herr zu werden.

(Beifall)

Der Gesetzentwurf ist aus unserer Sicht unbefriedigend, weil die gesetzten Ziele noch immer zu hoch sind. Ich nenne als Beispiel das Ziel der Reduktion des Einsatzes von Pflanzen schutzmitteln. Hier soll der Einsatz um 30 bis 40 % reduziert werden, und zwar bis zum Jahr 2030. Im Volksbegehren war zwar von mindestens 50 % die Rede, dies hätte allerdings bis zum Jahr 2035 gelten sollen. Im Prinzip ist die Größenord nung der Reduktion also in etwa dieselbe; es ist dieselbe Re duktionskurve und dieselbe Geschwindigkeit. Das halten wir für nicht richtig, und wir halten es vor allem für zu ambitio niert. Im Übrigen sagen ja auch die landwirtschaftlichen Ver bände, dass sie da nicht mitgehen können.

Ein Punkt ist auch klar geworden – darauf wurde eben schon hingewiesen; es ist grundsätzlich zwar begrüßenswert, aber es passt noch nicht so ganz –: Uns wurde gesagt, man müsse der Thematik auch mit einer Förderung begegnen und auf die se Weise die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes vo rantreiben. Allerdings sehen wir momentan noch nicht, dass dies im Haushalt abgebildet wäre. Da sind zwar Mittel drin, aber der Haushalt wurde ja zu einem Zeitpunkt verabschiedet, als dieses Gesetz noch gar nicht bekannt war. Man muss also ganz dringend nachlegen. Das sehen wir aber vor der Heraus forderung für die Haushalte momentan nicht. Deshalb ist das, was im Gesetzentwurf steht, extrem schwierig.

Wir wollen, dass die Umsetzung für die Landwirtschaft rea listisch ist. Denn Biolandwirtschaft, Ökolandwirtschaft sind nicht besser oder schlechter als die konventionelle Landwirt schaft, sie sind nur anders. Vor allem muss das Vorgehen dem

Markt und der Nachfrage gerecht werden. Wir können nicht durch ein erzwungenes Angebot versuchen, die Nachfrage zu stimulieren. Das wird schiefgehen, und es wird vor allem zu lasten der jetzigen Biolandwirte erfolgen.

Wir fordern erstens statt starrer Reduktionsziele bei den Pflan zenschutzmitteln eine klare Reduktionsstrategie. Wir fordern zweitens, dass sich die Biolandwirtschaft vom Markt aus ent wickeln kann statt durch Zwang, und wir fordern drittens, die Forschung über die Ursachen des Artensterbens zu befördern, um Klarheit darüber zu gewinnen, was wir für den Erhalt der Biodiversität tun können. Viertens wollen wir eine verstärkte Betrachtung der Flächenkonkurrenz, die die Landwirtschaft im Konfliktfeld Agrar, Bauen, Straßen, erneuerbare Energien hat. Hier muss etwas getan werden.

Wir hoffen, dass der Gesetzentwurf in der weiteren Beratung von einem unbefriedigenden Gesetzentwurf zu einem ausge wogenen Gesetzentwurf wird, damit dieses Gesetz der ge samtgesellschaftlichen Aufgabe des Artenschutzes gerecht wird. Dafür werden wir uns in der kommenden Beratung ein setzen.

Vielen Dank.