Protocol of the Session on June 24, 2020

Wichtig ist, dass die Aufgabenträger die Mittel auch tatsäch lich weiterreichen und nicht irgendwelche Reserven einbehal ten, damit die Verkehrsbetriebe die Mittel vollumfänglich er halten.

Es gab im Ausschuss schon die Anregung, die Regelungen im ÖPNV-Gesetz so zu ändern, dass für Maßnahmen wie Liqui ditätshilfen keine Gesetzesänderung benötigt wird. Das kann man in der Tat, glaube ich, etwas unbürokratischer machen. Es geht nicht um die Änderung eines Gesamtvolumens, son dern um einen zeitlichen Vorschub. Insofern würden wir mit Sicherheit auch zustimmen, wenn man in der nächsten Novel le auch vorsieht, dass solche Maßnahmen ohne eine Gesetzes änderung durchgeführt werden könnten.

Ich will aber noch einen Punkt ansprechen, weil er in dieser Woche auch in der Zeitung angekündigt wurde: die neuen Ausschreibungen. Wir wissen natürlich nicht, wie sich der Personenverkehr und die Fahrgastzahlen im ÖPNV entwi ckeln, wie sich die Coronapandemie weiterentwickelt bzw. wie sich auch neue Technologien oder Homeoffice nieder schlagen. Wir wissen aber andererseits, dass die finanziellen Rahmen des Landes nicht so bleiben, wie sie momentan sind. Die Situation wird deutlich schwieriger.

Es hat uns überrascht, dass man jetzt im Zuge der Ausschrei bung einen 30 Jahre laufenden Vertrag über 130 und eventu ell noch einmal weitere 100 Doppelstockwagen machen möchte. Dazu möchte ich schon einmal sagen, dass wir das im Hinblick auf die Veränderung noch einmal sehr genau in den Blick nehmen sollten, damit wir uns nicht über zwei Ge nerationen hinweg in ein Risiko begeben, das man vermeiden kann. Dass man dies genau in den Blick nehmen sollte, ge hört an dieser Stelle auch dazu.

Ansonsten wird die FDP/DVP dem Gesetzentwurf zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Herr Minister Hermann, es ist alles vorbereitet. Sie haben das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein solcher Augenblick ist selten in der Verkehrspolitik – ich möchte kurz innehalten und ihn genießen –: Alle sind sich ei nig, kein Streit, alle finden es richtig. Das freut mich. Es freut mich, dass die Koalitionsfraktionen diesen Gesetzentwurf ein gebracht haben. Es freut mich, dass die Opposition die Ziel setzung der Gesetzesnovelle gut findet. Insofern ist, glaube ich, heute festzustellen: Uns ist es wichtig, dass man an die Unternehmen im öffentlichen Verkehr, auch die kleinen und mittleren Unternehmen, denkt. Diese sind in der Krise tatsäch lich in eine schwierige Situation geraten.

Was haben wir gemacht? Wir haben zum 1. April die ersten 100 Millionen € der 200 Millionen €, die wir regelmäßig pro Jahr an den öffentlichen Verkehr ausgeben, um Schülerver kehre entsprechend gut und günstig zu machen, ausbezahlt. Wir haben das machen können, weil es gesetzlich so vorge schrieben ist.

Wir wollen jetzt aber zum 1. Juli die nächsten 50 Millionen € vorzeitig ausreichen und dann zum 1. Oktober die letzten

50 Millionen €, sodass wir insgesamt den Unternehmen das Geld frühzeitiger geben. Es geht also nicht um mehr Geld, sondern um ein frühzeitigeres Überweisen.

Von mehreren Rednerinnen und Rednern ist es gesagt wor den: Das Geld muss auch ankommen. Ja, wir können es nicht direkt an die Unternehmen geben, sondern wir geben es an die Landkreise und kreisfreien Städte. Die müssen es dann schnell weiterreichen. Darauf bestehen wir auch, und darauf werden wir achten. Denn es soll ja wirklich bei denen ankommen, die es brauchen.

Wir haben das Gesetz ändern müssen, weil die Termine im Gesetz stehen. Daran hat man – so muss ich sagen – damals nicht gedacht, dass es irgendwann einmal eine Coronakrise gibt und man es dann anders machen muss. Aber jetzt wollen wir ja auch den § 15 ändern, indem nun gesagt wird: In Kri sensituationen kann man andere Termine wählen. Dann brau chen wir nicht jedes Mal, wenn eine Krise ist und ein Termin geändert werden soll, das Gesetz zu ändern.

Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, mich auch an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich bei den Unternehmen und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu bedanken, die im öffentlichen Verkehr – ob in Bussen oder in Bahnen, in Stra ßenbahnen – in den letzten Monaten ihren Dienst getan haben und trotz Krise wirklich pünktlich waren, pünktlich gefahren sind. Wir haben in den letzten Monaten einen pünktlichen ÖPNV gehabt wie schon lange nicht mehr. Das ist bemerkens wert. Ich möchte mich deshalb bei allen sehr herzlich bedan ken, die das möglich gemacht haben.

(Beifall)

Das ist nicht selbstverständlich. Ich habe nämlich schon ge hört: Ja, das ist ja keine Kunst, wenn weniger fahren. Aber es gibt natürlich auch in diesen Betrieben Menschen, die krank sind, die in Quarantäne müssen oder die wegen ihrer Kinder zu Hause bleiben müssen. Es war nicht einfach. Aber es war gut, dass wir uns frühzeitig mit der gesamten Branche ver ständigt haben: Wir wollen in der Krise den öffentlichen Ver kehr aufrechterhalten; wir wollen keinen Shutdown im öffent lichen Verkehr. Wir sind auch in der tiefsten Phase der Krise mit 50 % des Angebots sowohl auf der Schiene als auch auf der Straße, mit den Bussen, gefahren. Das war auch gut; denn so konnten die Abstände eingehalten werden.

(Beifall – Zuruf)

Das war zu einem Zeitpunkt, als es noch keine Maskenpflicht gab. Wir haben immer großen Wert darauf gelegt: Die öffent lichen Verkehrsmittel sind keine Virenschleudern, sondern sie sind sauber, sie werden deutlich häufiger als vorher an den entscheidenden Stellen gereinigt. Wir können auch festhalten, dass die Regeln der Hygiene von den Unternehmen eingehal ten worden sind. Auch die Fahrgäste haben sich daran gehal ten, den Abstand zu wahren, und sie halten jetzt das Masken gebot ein. Auch hierfür herzlichen Dank.

(Beifall)

Umso wichtiger war es, dass wir gerade bestimmte Regeln wie die Maskenpflicht durchgesetzt haben, damit eben nicht eine besondere Gefahr gegeben ist. Man kann bis heute sa

gen: Es gibt keinen Beleg dafür, dass die öffentlichen Ver kehrsmittel Virenschleudern sind, dass man dort besonders gefährdet ist. Deswegen möchte ich alle Menschen, die gern die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, einladen, sie auch jetzt zu nutzen. Vorsorge ist getroffen; wir haben auch Platz.

(Zuruf: Die Maske nervt!)

Es ist tatsächlich so: In der harten Shutdown-Phase ist die Zahl der Fahrgäste um 90 bis 95 % gesunken. Inzwischen sind wir wieder bei 40 bis 60 %. Das ist unterschiedlich: Im ländlichen Raum sind es eher 40 %, in den städtischen Räumen, in den S-Bahnen, sind es eher schon 60 %. Auch im Fernverkehr der Deutschen Bahn nehmen die Fahrgastzahlen sukzessive zu. Aber es ist klar, dass dann, als nur ein Teil der Fahrgäste mit fuhr und noch nicht einmal überprüft worden ist, ob alle eine Fahrkarte haben, die Einnahmeausfälle wirklich gravierend waren. Umso wichtiger war es, dass wir schnell gehandelt ha ben. Das hat geholfen.

Es war auch gut, dass wir nicht nur die 100 Millionen € gleich ausgezahlt haben, sondern dass wir uns entschieden haben, z. B. alle Züge zu bezahlen, auch wenn sie nicht gefahren wer den – also dass wir das bezahlt haben, was wir bestellt haben, damit die Grundfinanzierung gesichert bleibt. Denn auch die Grundfinanzierung des halben Verkehrs kostet natürlich auf grund hoher Fixkosten mehr als die Hälfte.

Das hat es uns auch ermöglicht, einen stabilen öffentlichen Verkehr zu praktizieren. Der ist wichtig, wenn man nicht will, dass sich im Laufe dieser Coronazeit das ganze Gefüge ver ändert und die Leute wieder auf das Auto umsteigen, der ÖPNV also der Verlierer ist. Das war uns wichtig: Der ÖPNV muss stabilisiert werden, damit wir die Verkehrswende schaf fen.

(Beifall – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Lassen Sie mich noch einmal sagen, was wir alles gemacht haben. Wir haben nämlich nicht nur in diesem Bereich gehol fen, sondern wir haben eine ganze Reihe von Maßnahmen er griffen. Es sind schon die 40 Millionen € für die Bustouristik erwähnt worden. Wir haben gestern im Kabinett noch einmal bestätigt, dass wir das machen.

Ich möchte an dieser Stelle auch aufzeigen: Es war schon wichtig, dass wir als Koalition gehandelt haben. Denn wir wa ren in der Republik die Schnellsten. Wir haben damit aber auch Druck auf die anderen Länder und auf den Bund ausge übt, Kofinanzierungsprogramme zu machen. Diese gibt es jetzt sowohl im bustouristischen Verkehr als auch im ÖPNV. Das hätten wir so nicht geschafft, wenn wir nicht selbst in die Vorleistung gegangen wären. Wir haben z. B. 200 Millionen € für den ÖPNV zur Verfügung gestellt, wir haben 40 Millio nen € für die Bustouristik zur Verfügung gestellt. Wir haben übrigens auch die Trennscheiben in den Bussen mit 15 Milli onen € gefördert. Und wir haben den Elternanteil der Schü lerabos – das haben Sie auch schon erwähnt – berücksichtigt und ausgezahlt.

Das alles war zur Stabilisierung des ÖPNV absolut wichtig und richtig. Ich freue mich, dass das im Grunde genommen alle anerkannt haben. Es ist auch wichtig, dass der ÖPNV so wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Busfahrer, die

Bahnfahrer und die Lokomotivführer wissen: Hier steht die ses Parlament auch hinter einem guten ÖPNV.

(Beifall)

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Weber zu?

Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank für das Zulassen der Zwischenfrage. – Sie haben gera de zu Recht angesprochen, dass Sie Trennscheiben fördern. Das ist ein wichtiger Baustein des Infektionsschutzes. Jetzt haben mir Busunternehmer aus meiner Region, die auch im Linienverkehr unterwegs sind, gesagt, dass sie Probleme ha ben, für ihre Bustypen entsprechende Trennscheiben zu be kommen, weil es von der Verkehrssicherheit her nicht ganz so einfach ist, was man in einem solchen Fahrzeug einbaut.

Können Sie vom Ministerium da Hilfestellung leisten, bzw. können Sie vielleicht auch auf die Hersteller zugehen und das Thema noch einmal prominent platzieren, damit es da eine baulich zugelassene Lösung geben kann?

Vielen Dank für den Hinweis. Bisher ist das bei mir so nicht angekommen. Ich war ja auch mit den Unternehmen zusammen, wir haben auch ein Modell vorgestellt. Mir haben die Unternehmen gesagt, eigentlich sind die Lieferanten dieser Trennscheiben sehr fle xibel und können diese auf die verschiedenen Bustypen an passen. Es ist ja nicht so, dass 100 verschiedene Typen im ÖPNV unterwegs wären, sondern es sind ganz wenige. Es gibt unterschiedliche Techniken: Glas oder Plexiglas.

Bisher war es also kein Problem, aber ich nehme es gern mit, und wir gehen der Sache nach. Vielen Dank.

(Beifall – Abg. Jonas Weber SPD: Danke!)

Ich will zum Schluss noch ein anderes Thema ansprechen, das auch Herr Haußmann angesprochen hat: die Bestellung der Doppelstockzüge für 2025 und danach. Nur weil Sie es jetzt direkt angesprochen haben, will ich Ihnen auch antworten. Wir reden über eine Zeit nach der Fertigstellung von Stutt gart 21, aber wir müssen die Züge jetzt bestellen. Diese Züge sind für die Zeit danach, wenn wir die Ziele – die Verdopp lung des Schienenpersonennahverkehrs auf unseren Strecken und im Bahnhof Stuttgart 21 – erreichen wollen.

Dies werden wir nur schaffen, wenn wir dort mit Doppelstock zügen fahren, weil der Bahnhof mit seiner Technik als Durch fahrtsbahnhof zwei Doppelstockzüge ertragen oder nutzen kann und damit die Leistungsfähigkeit gesteigert wird. Wir könnten das mit Singledecks so nicht schaffen. Das ist sozu sagen auch eine Konsequenz von Stuttgart 21. Es wäre aber nicht besonders sinnvoll gewesen, diese Züge, die man frü hestens in fünf Jahren braucht, schon vor fünf Jahren zu kau fen.

Was die Zeitspanne anbelangt, ist die Antwort sehr einfach: Man kann keine Züge für fünf Jahre kaufen, sondern Züge ha ben eine Lebensdauer von 30 Jahren, manche leben sogar 50 Jahre. Sie haben ja bei den alten Silberlingen gesehen, wie lange man die am Leben erhalten kann.

(Unruhe)

Alle Fahrzeuge, die gebaut werden, werden für einen Lebens zyklus von 25 bis 30 Jahren gekauft. Der Vorteil unseres Mo dells ist, dass wir, das Land, bestimmen können, dass die Zü ge weiter benutzt werden, auch wenn der Betreiber wechselt. Das ist einer der wesentlichen Gründe, warum wir gesagt ha ben: Wir müssen ein Modell fahren, bei dem die Züge nicht herumstehen, weil die neuen Betreiber mit anderen Zügen kommen. Das haben wir jetzt wunderbar in der Hand, und des wegen machen wir das so. Bisher ist es sehr gut gelaufen, so gar so gut, dass uns andere Länder kopieren.

Vielen Dank.

(Beifall)

Meine Damen und Her ren, mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit kommen wir in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 16/8123. Ab stimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Aus schusses für Verkehr, Drucksache 16/8258. Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Ich rufe auf

Artikel 1

Änderung des Gesetzes über die Planung, Organisa tion und Gestaltung des öffentlichen Personennahver