Zweitens: Wir stehen vor einer ganz außergewöhnlichen He rausforderung, deren Verlauf wir noch nicht kennen. Für die Politik heißt das – das war das Spannungsfeld, das heute Mor gen beschrieben wurde –, wir müssen einerseits verlässlich sein, aber zugleich flexibel und offen reagieren, auch mit den Förderinstrumenten, die wir jetzt wählen und auflegen.
Dabei geht es auch darum, die richtige Balance zu finden zwi schen der Betroffenheit durch existenzielle Not, den Sorgen vor Veränderung und der Ermutigung zu Innovation und der Erprobung neuer Ideen. Denn auch das ist gerade wichtig.
Gerade dafür, diese Balance auszutarieren und den Mut zu entwickeln, Innovation zu schaffen und Neues zu denken, brauchen wir die Kultur wieder als Teil des öffentlichen Le bens in unserer Gesellschaft.
In dieser komplexen und schwierigen Zeit ermöglicht sie uns die Reflexion dessen, was innerlich und äußerlich mit uns pas siert: Angst, Isolation, Verunsicherung, Momente der Freude in dieser Schwere. Sie nimmt Bezug zu Erfahrungen mit Not zeiten in der Vergangenheit, sie eröffnet neue Perspektiven im Sinne des Experimentellen, Offenen, Unkonventionellen und weist damit über den Alltag hinaus.
Meine Damen und Herren, ich habe in den vergangenen Wo chen und Tagen zahlreiche Gespräche mit den Kulturschaf fenden geführt, am Telefon und natürlich vor allem per Video schalte, in kleinen, internen Runden, aber auch in öffentlichen Diskussionen in Form von Webinaren. Egal, ob Vertreterin nen und Vertreter der Museen oder der kleinen und großen Theater, der Orchester oder der freien Szene, der Filmbran che oder der Amateurkultur: Die Erfahrungen ähneln sich. Viele Kreative und viele kulturelle Einrichtungen haben in den vergangenen Wochen mit Onlineprogrammen im Netz ex perimentiert und dabei gute Erfahrungen gemacht.
Die Krise zeigt, wie wichtig und richtig es gewesen ist, dass wir den Bereich der Digitalisierung in den letzten Jahren wahrnehmbar gestärkt haben und dass wir ihn weiter ausbau en müssen. Deutlich wurde in den Gesprächen aber auch – da rauf haben ja auch schon fast alle Vorredner hingewiesen –: Die Künstlerinnen und Künstler – egal, welcher Sparten –
wollen zurück in ihre Häuser, auf die Bühne, ans Filmset, ins Studio, den Club, auf die eine oder andere Art wieder in Kon takt mit ihrem Publikum kommen.
Die Allermeisten haben Ideen für kleine Formate, für Solo- oder Duoabende, Kammerkonzerte, spezielle Stücke, die die körperlichen Erfahrungen des Abstandhaltens thematisieren, 1:1-Performances, Proben auf der großen Bühne vor Schüle rinnen und Schülern oder im Freien vor Publikum. Die Mu sikvereine, die Theatergruppen, die Chöre – sie alle wollen wieder zusammenkommen, musizieren, proben, aufführen. Hinter diesem Zurückwollen steckt viel Kraft.
Vielen Dank, Frau Staatssekretä rin. – Sie haben gerade erwähnt, Sie haben viele Gespräche geführt. Ich habe Ihnen letzte Woche einen Brief genau zu die sem Thema geschrieben. Wenn ich mir jetzt das Konzept an schaue, das ja auch auf der Homepage des Ministeriums nach zulesen ist, heißt es hier: Konzepte für „Künstlerinnen und Künstler aller Sparten, darunter Profis und Amateure“. Wenn ich aber weiter nach unten scrolle, heißt es: „Probearbeit für professionelle Theater, Orchester und Chöre...“
Ich spreche hier für einen Verband mit Amateuren, einen Blas musikverband. Ich möchte einfach noch einmal darauf hin weisen – Sie haben das gerade auch noch zu Recht angespro chen –: Kultur ist etwas, was sehr breit in der Bevölkerung verankert ist.
Unsere vielen Feste, Hocks, Wein feste können ohne diese Amateurmusikvereine nicht stattfin den. Wir haben ca. 2 000 Vereine mit 100 000 Blasmusikern, die nicht spielen dürfen – vor allem nicht die Kinder, auch nicht im Unterricht in der Schule –, keine Trompete, kein Sa xofon, keine Klarinette, nichts.
Ich glaube, dass die Musikvereine auch im Moment verstan den haben, dass diese Feste nicht stattfinden dürfen. Aber ich habe Sie in meinem Brief gebeten, dass man ihnen die Proben arbeit ermöglicht, und ich bin sehr erstaunt, dass es jetzt bei Profiorchestern ermöglicht wird, aber nicht bei den vielen Mu sikvereinen, und dort ist es mir sehr wichtig.
Ich wäre gleich darauf gekommen, aber ich kann das gern vorziehen. Herr Haußmann hat ja gerade auch schon danach gefragt.
Es gibt dafür tatsächlich einen Grund. Der hat nichts damit zu tun, dass wir grundsätzlich zwischen Profis und Amateuren unterscheiden. Vielmehr macht die Corona-Verordnung im Moment eine Teilnahme von mehr als fünf Personen dann möglich, wenn eine Sicherung zur Aufrechterhaltung des Dienst betriebs vorliegt. Bei professionellen Häusern muss der Dienst betrieb durch Proben gesichert werden.
Jetzt bitte, Herr Haußmann, ganz kurz zuhören, weil das die Antwort auch auf Ihre Frage von vorhin ist. Wenn wir ab dem 1. Juni – das habe ich den Amateurverbänden bei dem Tele
fonat letzte Woche auch gesagt – die Veranstaltungsgröße er weitern, dann sind natürlich auch wieder Proben im Amateur bereich mit über fünf Personen möglich. Bis jetzt sind Proben mit bis zu fünf Personen, Einzelunterricht usw. ja erlaubt mit den Abstandsregeln, die wir kennen.
Genau. Aber das gilt auch für die Vereine. Das steht übri gens in unseren Papieren. Was für die Musikschulen gilt, gilt für die Vereine in der Unterrichtsstruktur, und Proben sind im größeren Rahmen ab dem Moment wieder möglich, wenn wie der mehr als fünf Leute zusammenkommen dürfen. Die pro fessionellen Theater, die Orchester und die sonstigen Profis können das jetzt seit ungefähr zehn Tagen, weil es der Auf rechterhaltung des Dienstbetriebs dient. Für die anderen kommt das dann wieder, wenn das Veranstaltungsrecht in anderer Form greift.
Wir sind jetzt gerade dabei, mit den Amateurverbänden über die Regelungen zu sprechen, unter denen das möglich ist. Wir wissen, besonders gefährdet ist die Blasmusik, besonders schwierig ist es bei den Chören, weil gemäß den Erfahrungen der Wissenschaftler dort besonders viele dieser Aerosole in der Luft sind. Wir sind darüber – auch über den Bund – mit der Charité, der Unfallversicherung und allen, die die Rege lungen aufstellen, im Gespräch. Die Blasmusikverbände – ich habe auch mit Herrn Rapp kürzlich darüber gesprochen – ha ben ein fantastisches Papier aufgelegt, wie Probenarbeit mög lich sein soll – absolut perfekt! Das wird die Grundlage bil den für das, was wir da tun. Ich kann Ihnen sagen: Ab 1. Juni wird auch im Amateurmusikbereich wieder mit mehr Perso nen geprobt werden können.
Vielen Dank, dass ich von der Tri büne aus meine Zwischenfrage stellen kann. – Frau Staatsse kretärin, Sie haben gerade dankenswerterweise sehr schön präzisiert, wo die Problematik liegt. Ich habe aber eine kon krete Nachfrage, weil die CDU-Fraktion vorhin in den Raum gestellt hat, man brauchte eine Studie für das Chorsingen und die Blasmusik, um auf deren Grundlage Entscheidungen zu treffen. Sie haben auch gerade ausgeführt, dass es schon eine Studie der Charité gibt. Es gibt aber auch eine Studie der Uni versität der Bundeswehr in München.
Deswegen frage ich Sie: Weiß die Landesregierung, wie sie umsetzen kann, was in dieser Studie empfohlen wird, und wird sie das dann auch den Amateuren und Profis zur Verfügung stellen?
Wir haben gerade meh rere Studien laufen. Die CDU-Fraktion hat jetzt angeregt, noch einmal speziell mit der Universitätsklinik Freiburg eine Studie in Auftrag zu geben. Auch diese arbeitet bereits an dem Thema. Die Charité arbeitet auch daran. Sie haben die ande ren Beteiligten auch genannt. Die Ergebnisse dieser Studien
werden in der Regel durch Empfehlungen der Deutschen Un fallversicherung zu diesem Thema zusammengefasst, und wir greifen das auf und sind mit denen im Gespräch.
Ich glaube, es ist zehn Tage her, dass bei der Blasmusik noch die Regel von 12 m Abstand war. Das ist jetzt schon auf 3 m Abstand korrigiert, weil man durch neuere Ergebnisse weiß, dass das ein zu großes Abstandsverhältnis war. Wir sind da al so im Gespräch. Wir werden trotzdem den Vorschlag der CDU-Fraktion prüfen, ob es sinnvoll ist, nochmals für BadenWürttemberg eine Extrastudie zu machen. Ich warne nur da vor: Mehr Studien führen nicht dazu, dass man nachher die Ergebnisse hat, die man sich wünscht, sondern möglicherwei se gerade andere.
Wir müssen jetzt schauen, was sinnvoll und richtig ist. Da gibt es eigentlich die Zahlen und die Daten. Wie gesagt, das, was die Blasmusikverbände vorgelegt haben, ist wirklich ein au ßerordentlich detailliertes und gutes Papier, mit dem man sehr gut arbeiten kann und das auch auf andere Bereiche übertrag bar ist.
Frau Staatssekretärin Olschowski, es gibt weitere Zwischenfragen. Sie sehen, das Thema be schäftigt viele Abgeordnete hier. – Herr Abg. Dr. Rapp, war das die Meldung zu einer Zwischenfrage?
Es passt gerade dazu. Frau Staatssekretärin, vielen Dank. Ich habe nur die Nachfra ge, ob ich das richtig aufgenommen habe. Wenn ich Sie rich tig verstanden habe, ist schon jetzt ein Probenbetrieb im Ama teurmusikbereich mit bis zu fünf Personen möglich und ab 1. Juni dann in größerem Stil.
Ich habe aufgehört mit der Aussage, dass hinter diesem Zu rückwollen – das merkt man ja und spürt man auch bei den Fragen – viel Energie und Kraft steckt. Gleichzeitig gibt es natürlich die Sorgen, die zum Teil auch schon genannt wur den. Eine wichtige Sorge ist: Kommt unser bisheriges Publi kum zurück? Es geht aber nicht nur um das Publikum, son dern beispielsweise auch um die Chorsängerinnen und -sän ger, die sich jetzt vielleicht auch angewöhnt haben, abends zu Hause zu bleiben, statt zur Probe zu gehen, insbesondere, weil es sich dabei teilweise auch um die sogenannten Risikogrup pen handelt. Weitere Fragen sind: Wie wird das Publikum auf die Einschränkungen durch die Sicherheitsvorgaben reagie
ren? Was bedeuten die Vorgaben für die Kunst selbst? Wie si chern wir internationale Kontakte? Es gibt mehrere Fragen, die offen sind. Der „Masterplan Kultur“ ist u. a. auf der Basis dieser Fragen entwickelt worden.
Wenn 2,5 Millionen € umgeleitet werden, aber 50 Millionen € an frischem Geld für die Kultur kommen, dann kann man, glaube ich, nicht davon sprechen, dass einfach nur die Mittel, die bereits da sind – –
Genau. – Also: 2,5 Millionen € haben wir tatsächlich um geleitet. Ich glaube, es ist sinnvolles Handeln, wenn man sieht, dass Programmlinien nicht mehr umsetzbar sind, dass man sie neu aufstellt. Aber 50 Millionen € sind frisches Geld. Und im Unterschied zur Gastronomie fördern wir ja den ganzen Be reich weiter so, wie er bisher gefördert wurde. Das heißt, die 50 Millionen € kommen zu der normalen Förderung durch das Land hinzu. Das ist auch ein Unterschied zu allen anderen Wirtschaftsfeldern.