Protocol of the Session on May 7, 2020

Was für den Feinstaub gilt, gilt in gleicher Weise für den ak tuell relevanten Ausstoß von Stickoxiden durch Dieselfahr zeuge. Dabei meinen ja einige hier, einer großen Sache auf der Spur zu sein, weil sie erfahren haben, dass die Stickoxid werte am Neckartor nicht im gleichen Maß zurückgegangen sind wie der durch den Lockdown reduzierte Autoverkehr. Diese Kritiker schlussfolgern daraus, dass Dieselfahrverbote gänzlich überflüssig sind. Ich möchte dazu klar sagen: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sagen aus, dass neben dem motorisierten Verkehr ebenso Wind und Wetter einen entschei denden Einfluss auf die Messwerte haben.

(Zurufe, u. a. Abg. Stefan Räpple AfD: Völlig lächer lich!)

Herr Abg. Selcuk, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Gedeon zu?

(Vereinzelt Heiterkeit)

Das war so, und das wird auch in Zukunft so sein. Maßgeb lich für unsere Entscheidung bleibt daher der Jahresmittelwert – das wurde vorhin ja schon angesprochen –, in dem wetter bedingte Schwankungen über das Jahr hinweg verblassen.

(Zuruf)

Entscheidungen auf Grundlage einer wöchentlichen Datenba sis sind hingegen nicht valide und sind verantwortungslos.

(Vereinzelt Beifall – Vereinzelt Lachen)

Darüber hinaus sind die Abschaffung oder die Anhebung der Grenzwerte der völlig falsche Weg.

(Abg. Anton Baron AfD: Herr Katzenstein, warum reden Sie heute nicht?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch verrückt: Beim Coronavirus unternehmen wir alles, um die Gesundheit der Menschen zu schützen, doch bei den Stickoxiden, welche die Gesundheit ebenso gefährden, sollen wir die Gefahren igno rieren und so tun, als hätte es eine solche Gefährdung nie ge geben?

(Vereinzelt Beifall – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Der richtige Weg ist ein anderer. Wir müssen die Belastung durch geeignete Maßnahmen reduzieren.

(Abg. Andreas Stoch SPD: So ist es!)

Dadurch schützen wir die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger und wenden neuerliche Fahrverbote ebenso ab.

(Beifall – Abg. Anton Baron AfD: Wie sehen die Maßnahmen aus?)

Dass entschlossen handelnde Politik dazu in der Lage ist, möchte ich kurz am Beispiel meiner Heimatstadt Reutlingen darstellen. Noch im Jahr 2017 lag in Reutlingen mit über 60 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter der Schadstoff wert weit über dem zulässigen Grenzwert. Reutlingen gehör

te zu den Städten mit der deutschlandweit höchsten Luftver schmutzung. Klagen der Umwelthilfe waren die Folge, und es drohten einschneidende Fahrverbote im gesamten Stadtge biet. Heute sieht die Lage ganz anders aus: Durch eine mo dernisierte Verkehrssteuerung, die Eröffnung des Scheiben gipfeltunnels, Durchfahrtverbote für Lkws und nicht zuletzt den massiven Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs sind Fahrverbote für Pkws in Reutlingen abgewendet – bei gleichzeitiger Steigerung der Lebensqualität durch saubere Atemluft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ausbau des Stadtbus netzes wäre nicht möglich gewesen, wenn die Bundesregie rung nicht das von uns angebotene 365-€-Ticket für das ge samte Stadtgebiet finanziell unterstützt hätte.

Leider wird es diese Förderung nicht dauerhaft geben. Des halb, Herr Verkehrsminister Hermann – er hört gerade nicht zu –, sind Sie aufgefordert, den öffentlichen Nahverkehr in Baden-Württemberg dauerhaft zu fördern – nicht mit takti schen Manövern, sondern mit klaren politischen Entscheidun gen.

Konkret fordere ich im Namen meiner Fraktion: Unterstützen Sie die Kommunen beim Ausbau ihrer Busnetze, um die Ab hängigkeit der Menschen vom eigenen Auto zu reduzieren, führen Sie ein 365-€-Ticket für ganz Baden-Württemberg ein, damit die Menschen landesweit mit Bus und Bahn mobil sind, und bitte – im Namen aller Fahrgäste – sorgen Sie endlich da für, dass wir in Baden-Württemberg einen geregelten Betrieb der Regionalbahnen haben.

(Beifall)

Herr Abg. Selcuk, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Räpple zu?

(Vereinzelt Heiterkeit – Zurufe)

Herr Dörflinger hat die Entschädigungen angesprochen,

(Unruhe)

die guten Entschädigungen. Erstens werden nicht alle entschä digt, und zweitens, Herr Dörflinger: Die Menschen wollen nicht entschädigt werden, sondern sie wollen sicher von A nach B kommen, sie wollen Sicherheit, sie wollen saubere und schnelle Verbindungen in Baden-Württemberg.

(Zuruf: So ist es!)

Deshalb, Herr Minister: Reduzieren Sie die massive Anzahl der Zugausfälle und -verspätungen, sichern Sie die notwendi gen personellen Kapazitäten, und verbessern Sie die Anbin dung des ländlichen Raums. Als oberster Fahrdienstleiter ist dies keine parteipolitische Aufgabe, sondern Ihre Dienst pflicht.

(Beifall)

An dieser Stelle noch einige Worte an diejenigen, die einwen den, dass gerade der ÖPNV in Zeiten der Coronakrise ein be sonderes Gesundheitsrisiko darstelle. Es ist unstrittig, dass

überall dort, wo sich die Menschen auf einem engen Raum begegnen, das Infektionsrisiko steigt. Da aber aktuell viele Busse und Züge deutlich leerer sind als sonst, kann auch hier der notwendige Abstand häufig eingehalten werden. Die All tagsmasken helfen ergänzend dort, wo es nicht immer mög lich ist.

Die gezielten Ausnahmen bei Dieselfahrverboten in der Lan deshauptstadt schützen zudem besonders gefährdete Men schen. Ich denke also, dass wir hier wirklich pragmatische Lö sungen gefunden haben.

Wer hingegen im Zuge der Coronapandemie am Gesamtkon zept des ÖPNV rüttelt und die Rückkehr zum Individualver kehr beschwört, ist eindeutig auf dem Holzweg.

(Abg. Anton Baron AfD: Da halten wir aber wenigs tens die Sicherheitsabstände ein!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, reißen wir jetzt nicht wieder alle Fortschritte ein, die wir in mühsamer Arbeit erreicht haben, sondern begreifen wir die aktuelle Situation als Chance, um noch besser zu werden. Denn eines ist klar: Das Coronavirus bekommen wir in den Griff, die Herausfor derungen der Klimakrise bleiben jedoch bestehen.

(Zuruf)

Eine Abkehr vom Klimaschutz auf dem Rücken der Corona krise wird es mit der SPD nicht geben.

Vielen Dank.

(Beifall – Abg. Anton Baron AfD: Das war ein Wi derspruch in sich!)

Meine Damen und Herren, auch diese Zwischenpause nutze ich. Nach meinem Kenntnis stand ist unter den Fraktionen vereinbart, dass die Tagesord nungspunkte 6 und 8 ohne Aussprache stattfinden. Das betrifft zwar den heutigen Nachmittag, aber so können Sie sich dar auf einstellen. Vielen Dank.

Jetzt erteile ich für die AfD-Fraktion das Wort Herrn Abg. Stauch.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, meine Damen und Herren! Die Coronakrise bietet einen erhellenden Blick auf die politischen Verhältnisse in diesem Land. Man erkennt deutlich, was aufgeweckten Demokraten schon länger klar ist: Die Demokratie ist auf den Kopf gestellt. Anstelle der Vertretung der Meinungen und Wünsche des Vol kes durch gewählte Volksvertreter ist ein paternalistischer, be vormundender Staat getreten.

(Beifall – Zuruf: Bravo!)

In allen Bereichen wird unserem Volk vorgegeben, wie es sich zu verhalten hat, sich zu schützen hat, kurz gesagt: wie es zu leben hat – natürlich alles nur zu seinem Guten und Besten.

Wissenschaftlichkeit gibt es nicht mehr. Ausgesuchte Exper ten erfinden einen Konsens, welcher allgemeingültig zu sein hat. Es gilt jedoch immer der Grundsatz: Ist es Wissenschaft, dann gibt es keinen Konsens; gibt es Konsens, dann gibt es keine Wissenschaft. Wissenschaft und besonders der Fort

schritt der Wissenschaft lebt von Streit und unterschiedlichen Ansichten und Erkenntnissen sowie dem stetigen Überprüfen von Annahmen und Theorien.

(Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)

Diese grundlegenden Ansichten über Wissenschaft wurden und werden jedoch aus ideologischen Gründen zerstört. Ideo logische Annahmen werden als allgemeingültig manifestiert und durch sogenannten Konsens verfestigt.