Protocol of the Session on May 6, 2020

Die nächste Frage kommt von Herrn Abg. Weber.

Sehr geehrter Herr Minister, Sie ha ben in Ihrer doch sehr knappen Antwort leider keine Zeit ge funden, sich intensiv zu den Erzeugerpreisen zu äußern. Das fand ich ein bisschen schade. Aber an einem Punkt muss ich doch widersprechen und auch nachfragen, ob Sie das wirklich ernst meinen.

Sie sagen, rechtlich sei das alles in Ordnung, was da in dem fleischverarbeitenden Betrieb los sei, und Sie hätten alles da für getan. Ich frage Sie ganz konkret: Warum haben wir kei ne Regelung, wie sie in Niedersachsen vorhanden ist, was die Größe der Wohnungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbei ter betrifft? Sie können das alles ja in bundesweiten Medien nachlesen. Warum können wir offensichtlich nicht Schritt hal ten mit Regelungen anderer Bundesländer, um die Mitarbei terinnen und Mitarbeiter ausreichend vor Infektionen zu schüt zen?

Da bin ich der falsche Adressat. Deshalb würde ich die Frage auch ungern beantworten, da die Gefahr, dass ich sie unvollständig oder gar unrichtig beantworte, groß wä re. Der richtige Adressat wären nämlich der Sozialminister oder die Wohnungsbauministerin. Die beiden sind für die Fra gen des Wohnungsbaus und der Sozialstandards zuständig.

Ein fleischverarbeitender Betrieb ist ein Arbeitgeber wie je der andere auch. Wenn er direkt Mitarbeiter beschäftigt, dann heißt das nicht, dass er auch für deren Wohnungsgestellung zuständig ist. Das machen manche. Wenn er dann aber gar, wie das häufig gerade im Schlachtgewerbe der Fall ist, Sub unternehmer beschäftigt, die dann wiederum Arbeitnehmer beschäftigen, dann ist er für deren Unterbringung eben nicht selbst verantwortlich, sondern Dritte.

(Zuruf)

Das ist keine Verantwortungsverlagerung, das ist freie Markt wirtschaft, soziale Marktwirtschaft. Jeder muss sich an Re geln halten. Die Regeln sind vorgegeben. Meines Wissens, nach Auskunft der Behörden vor Ort, hat sich dieser Betrieb an die Regeln, an die Gesetze gehalten. Es gibt also keinen Grund, da noch mal weiter nachzubohren oder nach Unrich tigkeiten zu suchen. Wenn Sie Hinweise haben, dass sich ein Betrieb nicht an Regeln gehalten hat, dann bitte ich Sie, dies einfach weiterzugeben. Dem gehen wir selbstverständlich nach.

Vielen Dank. – Ich habe zwar noch weitere Wortmeldungen, aber unsere halbe Stunde ist genau um, und wir haben noch weitere Themen. Deshalb las se ich jetzt keine Fragen mehr zu diesem Thema zu. – Vielen Dank, Herr Minister Hauk.

Ich rufe das nächste Thema auf, während der Tisch hier des infiziert wird, und zwar gemeldet von der Fraktion der FDP/ DVP:

V e r a n t w o r t u n g s v o l l e G a s t g e b e r u n d m ü n d i g e G ä s t e a l s G a r a n t d e r W i e d e r e r ö f f n u n g v o n H o t e l s , d e r G a s t r o n o m i e u n d d e s T o u r i s m u s s e k t o r s

Ich darf das Wort Herrn Abg. Dr. Schweickert erteilen.

(Abg. Anton Baron AfD: Eigentlich war das Thema von uns, aber sie haben es kopiert! – Oh-Rufe – Wei tere Zurufe)

Wenn ich einmal an fange, bei Ihnen zu kopieren, Herr Baron, dann gebe ich Ih nen einen aus.

(Abg. Anton Baron AfD: Die Partei der Wirtschaft!)

Der frühe Vogel fängt den Wurm. – Frau Ministerin, liebe Kol leginnen und Kollegen! „Verantwortungsvolle Gastgeber und mündige Gäste als Garant der Wiedereröffnung von Hotels, der Gastronomie und des Tourismussektors“ ist hier das The ma dieser Regierungsbefragung. Denn die wirtschaftliche Si tuation von Gastronomen, von Hoteliers und von weiteren im Tourismussektor tätigen Personen sowie der Arbeitnehmerin nen und Arbeitnehmer ist absolut alarmierend.

Vor drei Monaten von der Landesregierung noch als Leitöko nomie gelobt, hat man jetzt ein bisschen den Eindruck, dass die Branche zumindest von manchen Teilen dieser Landesre gierung eher als „Leidökonomie“ gesehen wird. Viele Betrie be wissen, dass mit der Soforthilfe seit März in absehbarer Zeit der Schlüssel für eine etwaige Wiedereröffnung gar nicht mehr in die Hand genommen werden muss, wenn jetzt keine Öffnungsperspektive da ist. Wenn Sie sehen, was in diesem Bereich an Einnahmen ausfällt, können Sie das selbst nach rechnen.

Und an der Gastronomie hängt viel. Hotels ohne Verköstigung funktionieren nicht. Tourismus ohne Verköstigung wird nicht funktionieren. Auch viele vorgelagerte Wirtschaftszweige – wir hatten es gerade vom Spargel, von Obst und Gemüse, aber Sie können auch mal die Hausbrauereien oder die Winzer in Ihrem Wahlkreis fragen, denen hiermit ein Absatzkanal ver schlossen wird – haben ein Problem.

Es ist schon interessant: Mecklenburg-Vorpommern, ein Bun desland in Deutschland, öffnet Gastronomie und Hotellerie ab dem 9. Mai. Niedersachsen, auch ein Bundesland in Deutsch land, öffnet Gastronomie und Hotellerie ab dem 11. Mai. Sachsen, auch ein Bundesland in Deutschland, öffnet Gastro nomie und Hotellerie am 15. Mai. Sachsen-Anhalt, Schles wig-Holstein und Thüringen – alles Bundesländer in Deutsch land – öffnen Gastronomie und Hotellerie am 22. Mai. Bay ern, ein Freistaat, öffnet Gastronomie und Hotellerie stufen weise ab dem 18. Mai.

Und was machen wir in Baden-Württemberg? Baden-Würt temberg, ein Bundesland in Deutschland, öffnet, wenn man Herrn Schwarz nimmt, zu Pfingsten, vor Pfingsten; es kann dann auch alles sein, es kann morgen sein.

(Zurufe)

Da können wir dann die Spalterei der Worte betreiben. Herr Hauk spricht von Johanni, die Finanzministerin hat noch kei

ne Öffnungsstrategie, der Fraktionsvorsitzende Reinhart sagt: „wie Niedersachsen“, also ab nächstem Montag, und die Frau Wirtschaftsministerin sagt: „zwischen dem 9. und dem 22. Mai“.

Meine Damen und Herren, wenn ich mir manchmal ansehe, wie der Klub der Umsichtigen – also Herr Söder und Herr Kretschmann – da agiert, dann muss ich sagen: Wir brauchen in Baden-Württemberg keinen Sonderweg. Die Infektionszah len rechtfertigen es in keinster Weise, dass wir hier zu einer Gastronomie- oder Kneipenprohibition kommen.

Deswegen frage ich jetzt den zuständigen Minister: Wann ge nau – mit Datum – gedenkt die Landesregierung der Gastro nomie wieder Öffnungen der Bewirtschaftung zu erlauben? Wie sehen die genauen Termine nach dem zusammen mit Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen vorgelegten Stufen plan aus? Verdient die ehemalige baden-württembergische Leitökonomie Tourismus nicht mehr als eine Landesregierung des Hinterherwackelns, die sich gemeinsam mit dem Saarland abstimmt? Und schließlich: Wie bewertet die Landesregierung die aktuelle Diskussion einer möglichen Öffnung der Gastro nomie nur unter strikten Auflagen zur Wahrung des Abstands gebots, und wie sieht es da bei den Einschränkungen z. B. beim Thema „Ausschank von alkoholischen Getränken“ aus?

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Wolf.

(Abg. Anton Baron AfD: Herr Minister, ich hoffe, Sie haben sich mit der Frau Wirtschaftsministerin abge stimmt!)

Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Pro fessor Schweickert, ich finde es völlig richtig und danke Ih nen, dass Sie die Entwicklung im Tourismus und in der Gas tronomie angesichts der Pandemie zum Thema machen. Al lerdings sind die von Ihnen gestellten Fragen angesichts des sen, was aktuell heute passiert, natürlich teilweise überholt. Aber das werfe ich Ihnen nicht vor, sondern ich bin froh dar über, dass wir in dieser Situation schon mehr wissen als noch vor einigen Tagen. Das ist gut so.

Sie haben darauf hingewiesen, dass wir in der Tourismuskon zeption noch davon gesprochen haben, dass der Tourismus ei ne Leitökonomie für Baden-Württemberg ist – auch ange sichts der damit verbundenen Zahl sozialversicherungspflich tig Beschäftigter in Baden-Württemberg und der damit ver bundenen Wertschöpfungsketten. Daran hat sich nichts geän dert.

Die Pandemie und deren Auswirkungen haben aber die Tou rismusbranche bis ins Mark getroffen. Diese Branche ist ge beutelt wie möglicherweise keine andere. Damit will ich nicht verniedlichen, dass die Pandemie gerade viele in irgendeiner Weise trifft. Aber die Tourismusbranche ist in besonderer Wei se hart und schwer gebeutelt.

Das liegt auch daran, dass etwas, was heute in der Tourismus branche – etwa in der Gastronomie – nicht verkauft wird, eben nie mehr verkauft werden wird. Das unterscheidet die Gast

ronomie etwa vom Handel. Deswegen ist es auch eine Bran che, um die wir uns jetzt in ganz besonderer Weise kümmern müssen.

Aus diesem Grund haben wir frühzeitig diesen Dreischritt auf gezeigt: Wir brauchen ein psychologisches Signal für die Gas tronomie auch für die Zeit nach der Krise. Das ist mit dem Be schluss gelungen, die Mehrwertsteuer für die Gastronomie auf 7 % abzusenken. Das hilft nicht heute, und es hilft sowieso nicht, solange die Betriebe noch nicht wieder öffnen dürfen. Aber es ist ein psychologisches Signal, dass man dann, wenn es wieder losgeht, aus dieser Krise herauskommt und man von dem, was man dann verkaufen kann, auch mehr an Erlös in der Tasche behält.

Zweitens brauchen wir ein weiteres Hilfsprogramm. Die Wirt schaftsministerin hat das heute Morgen in der Aktuellen De batte angesprochen. Wir haben das Programm gemeinsam konzipiert und auch mit der Gastrobranche diskutiert. Das muss jetzt kommen – ungeachtet der Frage, wie schnell die se Betriebe jetzt wieder an den Start gehen können.

Ein Hilfspaket im Umfang von etwa 330 Millionen €, das je dem Betrieb eine Grundförderung von 3 000 € und dann pro Mitarbeiter jeweils 2 000 € an weiteren Zuschüssen zuweist, kann helfen, die weitere Durststrecke zu überbrücken.

Denn eines ist klar: Wenn die Gastronomie wieder an den Start geht, wird sie es noch über längere Zeit schwer haben, die Er löse zu erzielen, die sie braucht, um angesichts der Restrikti onen, die sich aus der Coronakrise zwingend ergeben, dauer haft überleben zu können.

Der dritte Schritt: Ja, wir haben in Baden-Württemberg früh zeitig diesen Dreistufenplan entwickelt – auch hier haben Wirtschaftsministerium und Tourismusministerium Hand in Hand gearbeitet. Dieser Plan kommt übrigens initial aus Ba den-Württemberg und wurde dann mit Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen abgestimmt, um auch in einem größe ren Verbund argumentieren zu können.

Das Hauptziel dieses politischen Vorgehens war, diese Bran che überhaupt auf den Schirm der Politik zu bringen. Denn wenn eines die Branche frustriert hat, dann war es die Tatsa che, dass weder die Kanzlerin noch die Ministerpräsidenten im Anschluss an die bisherigen Gespräche über diese Bran che auch nur ein Wort verloren haben. Das hat sie bis ins Mark erschüttert.

(Beifall)

Deswegen war es zwingend notwendig, diese Thematik jetzt auch auf den politischen Schirm zu bringen. Das ist mit die sem Dreistufenplan gelungen, wenngleich ich einräumen will, dass es da in der weiteren Abfolge auch Verschiebungen in nerhalb der einzelnen Stufen geben kann.

Wir in Baden-Württemberg haben uns davon leiten lassen, da mit zu beginnen, die Veranstaltungen unter freiem Himmel an den Anfang zu stellen. Es sagen auch alle Experten, dass die Infektionsgefahr unter freiem Himmel weit geringer ist als in geschlossenen Räumen. Und dann haben wir aber sehr schnell die Gastronomie, die Hotellerie, die Ferienwohnungen, Ur laub auf dem Bauernhof, die Dauercamper. Das alles muss dann schnell kommen. Nach allem, was wir auf den heutigen

Tag vorbereitet haben und wovon ich ausgehe, wird es die Per spektive geben, dass die Gastronomie rechtzeitig auf Pfings ten – – Der 25. Mai scheint mir als Tag so unrealistisch nicht zu sein.

Es war immer unser Ziel, im Bereich der Außenbewirtschaf tung einen Probelauf vorschalten zu können. Die Gastrono men sagen mir: „Wir brauchen Zeit zur Vorbereitung. Wir wol len auch keinen Start, der nicht professionell ist.“ Die Gast ronomen brauchen den Vorlauf, um die Betriebe für die erneu te Öffnung entsprechend vorzubereiten.

Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang eine Anmerkung, die für die ganze Diskussion derzeit gilt: Ich glaube, der Staat muss verstärkt dazu übergehen, den Menschen auch wieder mehr Eigenverantwortung zu übertragen und ihnen mehr zu zutrauen.

(Beifall – Zurufe, u. a.: Bravo!)

Ich vertraue den Gastronomen dieses Landes, dass sie in der Lage sind, die Betriebe so zu organisieren,

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

dass die Hygienevorschriften eingehalten werden.

(Abg. Anton Baron AfD: Richtig!)

Wenn es im Einzelfall nicht klappt, dann muss man ein Ex empel statuieren und gegebenenfalls einen Betrieb auch wie der einstellen.