Protocol of the Session on May 6, 2020

(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos])

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜ NE, der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP – Gesetz zur Änderung der Ver fassung des Landes Baden-Württemberg – Drucksache 16/7462

Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Ausschus ses – Drucksache 16/8033

Berichterstatter: Abg. Rüdiger Klos

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Frau Abg. Wal ker.

(Unruhe)

Ich fände es schön, wenn wir jetzt wieder etwas ruhiger wä ren. Vielen Dank.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jede Verschuldung ver schiebt Lasten in die Zukunft und macht künftige Generatio nen von Wachstum abhängig, weil sie nur mit weiterem Wachs tum den Schuldendienst ohne Wohlstandseinbußen werden leisten können. Schulden sind deshalb nicht per se falsch oder ungerecht, sie müssen aber in eine Politik eingebettet sein, die gleichzeitig die Chancen und die Gestaltungsspielräume zu künftiger Generationen im Blick hat und erweitert.

Deshalb tun heutige Haushaltsgesetzgeber gut daran, verant wortungsvoll und zurückhaltend mit Kreditaufnahmen umzu gehen. Wir tun gut daran, wo immer möglich, Vorsorge für künftige Krisen, Risiken und Belastungen zu treffen. Von die sem Geist war die Finanzpolitik der letzten Jahre getragen, und sie ist es auch heute noch – trotz neuer Schulden in der Coronakrise. Unser Ziel und unser Leitbild bleibt eine nach haltige Finanzpolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Auch der interfraktionelle Gesetzentwurf von Grünen, CDU, SPD und FDP/DVP zur Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung ist von diesem Grundgedanken der Ver antwortung und des nachhaltigen Umgangs mit den Finanzen getragen. Dafür will ich den Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen, die den Gesetzentwurf eingebracht haben, noch mals sehr herzlich danken.

Die Coronapandemie führt uns allen vor Augen, wie schnell und wie tief greifend sich finanzpolitische Rahmenbedingun gen ändern können, und sie zeigt uns, wie wichtig es ist, Ri sikovorsorge zu betreiben, Haushaltspläne nicht auf Kante zu nähen, um flexibel reagieren zu können – wenn nötig, auch mit dem Instrument der Kreditaufnahme. Deshalb war es gut, dass wir die Ausnahmetatbestände und die Möglichkeiten, von den Bestimmungen der Schuldenbremse abzuweichen, im letzten Jahr schon in der Landeshaushaltsordnung verankert haben. Diese Ausnahmen haben in den letzten Wochen ihre ganz große erste Bewährungsprobe bestanden, liebe Kollegin nen und Kollegen.

(Beifall)

Zu diesem Gesetzentwurf liegt uns nun in der zweiten Lesung das Ergebnis der Anhörung vor. Diese Ergebnisse bestätigen den eingeschlagenen Weg. Ich bedanke mich an dieser Stelle bei den kommunalen Landesverbänden, beim Rechnungshof, beim ifo Institut und beim Bund der Steuerzahler für ihre Rückmeldungen und die sachverständige Auseinandersetzung mit unserem Entwurf.

Neben der großen Zustimmung zur vorgeschlagenen Verfas sungsänderung gab es einige wenige Änderungsanregungen, die aber – da sind wir uns fraktionsübergreifend einig – zu keinen Änderungen am vorliegenden Gesetzentwurf führen müssen.

Meine Damen und Herren, in der ersten Lesung des interfrak tionellen Gesetzentwurfs Anfang Februar haben wir noch un ter gänzlich anderen Vorzeichen debattiert. Durch die Coro napandemie hat sich die Haushaltssituation von einem auf den anderen Tag radikal verändert.

Nach Jahren der Schuldentilgung waren wir auf einmal ge zwungen, in einem hohen Umfang Kreditermächtigungen zu beschließen; vielleicht müssen weitere folgen.

Das zeigt aber: Die Schuldenbremse bewährt sich in der Kri se. Sie ist keine Schönwetterveranstaltung, sondern ist auch für schweren Seegang gestrickt. Sie ist eben nicht die schwar ze Null, sondern ein flexibles und wirtschaftspolitisch kluges Instrument. Dabei ist sie nicht etwa eine Anknüpfung an frü here Zeiten, in denen immer neue Schulden gemacht wurden und der Schuldenstand immer nur weiter und weiter aufwuchs. Nein, die Schuldenbremse zwingt uns heute dazu, Schulden auch wieder abzutragen. Im Aufschwung gibt es klare Schul dentilgungsverpflichtungen; Notfallkredite müssen nach ei nem gesetzlich definierten Tilgungsplan wieder abbezahlt wer den.

Jetzt, in der Pandemiesituation, können wir froh sein, dass wir die Schuldenbremse in der Landeshaushaltsordnung veran kert haben und neue Schulden machen können. Wir können andererseits aber auch froh sein, dass es dazu einen Tilgungs plan mit klaren Tilgungsverpflichtungen gibt.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung der Lan desverfassung gehen wir also folgerichtig den nächsten Schritt und verleihen diesem wichtigen Instrument Verfassungsrang.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Wald.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die vor zehn Jahren im Grund gesetz verankerte Schuldenbremse ist eine wichtige Leitplan ke für die Haushaltspolitik der Zukunft. Die Implementierung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in der Landesverfas sung ist ein Meilenstein in der Geschichte der baden-württem bergischen Haushalts- und Finanzpolitik. Wir Parlamentarier haben bereits Geschichte geschrieben, bevor wir der Landes verfassung die Schuldenbremse ins Stammbuch schreiben konnten. Mitte März, in einer Sternstunde dieses Parlaments, konnten wir im Konsens der demokratischen Parteien das Ge

setz zur Feststellung einer Naturkatastrophe, der Höhe der Ausnahmekomponente und zur Festlegung eines Tilgungs plans entlang der Haushaltsordnung verabschieden.

Die Legislative hat damit die Exekutive in die Lage versetzt, schnell zu entscheiden und Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie und deren Folgen auf den Weg zu bringen – ein wichtiger Schritt. Es war richtig und wichtig, dass wir im Zuge der Planaufstellung des letzten Doppelhaushalts die Grundlagen der Schuldenbremse schon einfachgesetzlich, im Landesrecht korrekt ausgestaltet haben. Dies hat sich nicht nur als richtungweisend erwiesen, sondern auch und vor al lem als vorausschauend.

Es war ein exemplarischer Schulfall der Schuldenbremse, den wir nun wegen der Coronapandemie leider bereits erleben mussten; das hätten wir uns vor wenigen Monaten nicht vor stellen können.

Die wesentlichen Eckpunkte des Gesetzentwurfs zur Ände rung der Verfassung des Landes Baden-Württemberg sind die Vorgabe zum Ausgleich des Landeshaushalts ohne neue Kre dite, die Möglichkeit der Kreditaufnahme in besonderen Aus nahmesituationen – Naturkatastrophen und andere Notsitua tionen –, die Umsetzung einer Konjunkturkomponente nach dem sogenannten Produktionslückenverfahren und der Aus gleich des Kontrollkontos nach dem heutigen Regime.

Hinweisen möchte ich darauf, dass der Ausgleich des Kont rollkontos erfolgen wird.

An dieser Stelle möchte ich den Blick auch auf das Anhö rungsverfahren zum Gesetzentwurf richten. Ich danke den Verbänden und Institutionen, die sich hierzu geäußert haben. Alle Verbände und Institutionen, die zum Gesetzentwurf Stel lung genommen haben, begrüßen die Verankerung der Schul denbremse in der baden-württembergischen Landesverfassung ausdrücklich. Das freut uns. Wir haben uns intensiv mit den Anregungen auseinandergesetzt.

Nach dem Verständnis der CDU-Landtagsfraktion gehören zu den Kommunen als Oberbegriff nicht nur die Städte und Ge meinden, sondern auch die Landkreise und die Zweckverbän de. Für diese gilt die neue Schuldenbremse natürlich nicht. Aus Artikel 109 Absatz 3 des Grundgesetzes ergibt sich, dass die Schuldenbremse nur für Bund und Länder gilt. Der künf tige Ausgleich des Landeshaushalts kann und darf nicht zu lasten der kommunalen Haushalte gehen.

Gerade in Zeiten wie diesen müssen wir, das Land, unseren Kommunen auch weiterhin als starker Partner verlässlich zur Seite stehen, meine Damen und Herren. Wir müssen gerade in diesen außergewöhnlichen Zeiten kurz- und mittelfristig dafür Sorge tragen, dass die Leistungsfähigkeit unserer Kom munen auf weiterhin hohem Niveau bleibt.

Lassen Sie mich noch kurz den Fokus auf die Diskussion um die Schuldenbremse vor Corona richten. Der Staat hatte in den vergangenen Jahren sicherlich kein Einnahmeproblem. Des halb war es ihm auch möglich, Mittel für Investitionen in ei nem hohen Maß zur Verfügung zu stellen. Das haben wir auch getan. Die Forderung nach einer Lockerung der Schulden bremse für Investitionen wurde immer wieder mit dem faden scheinigen Argument untermauert, dass der Staat so zusätzli che Mittel für Investitionen in die Hand nehmen könne.

Meine Damen und Herren, das, glaube ich, ist falsch. Ich bin der vollen Überzeugung, dass dies eben nicht zu mehr Inves titionen führen würde; denn die vorhandenen Mittel würden weniger für investive Maßnahmen als vielmehr für Konsum und andere strukturelle Ausgaben verwendet.

Nach einer Untersuchung des ZEW in Mannheim in diesem Jahr sehen die Finanzmarktexperten nicht in der Schulden bremse selbst das maßgebliche Hindernis für höhere Investi tionen, sondern vor allem in der Bürokratie, in den Kapazi tätsengpässen in der Wirtschaft, beispielsweise der Bauwirt schaft, und in den politischen Widerständen der jeweils Be troffenen.

Meine Damen und Herren, wir werden die Schuldenbremse nicht aufweichen. Wir stehen für eine nachhaltige Haushalts- und Finanzpolitik. Wir nehmen damit Rücksicht auf die nächs ten Generationen. Das ist mir sehr wichtig.

Ich danke den Kolleginnen und Kollegen der Fraktion GRÜ NE, der SPD- und der FDP/DVP-Fraktion für die guten und konstruktiven interfraktionellen Beratungen. Danken möchte ich unserer Finanzministerin Edith Sitzmann, unserer Finanz staatssekretärin Gisela Splett sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Finanzministerium. Sie haben den interfrak tionellen Dialog sehr gut, fachlich fundiert moderiert und na türlich auch begleitet.

Danken möchte ich abschließend auch für die guten Beratun gen im Finanzausschuss, auch Herrn Stickelberger als Vorsit zendem des Ausschusses.

Meine Damen und Herren, wir haben für unser Land eine sehr gute Lösung gefunden. Darauf können wir stolz sein, und da für können wir dankbar sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, wir hatten heute Vormittag, vor der Mittagspause, vereinbart, ei nen weiteren Punkt als neuen Punkt 5 auf die Tagesordnung zu nehmen: Regierungsinformation durch den Ministerpräsi denten. Wie Sie sehen, ist Herr Ministerpräsident Kretsch mann inzwischen anwesend.

Ich würde jetzt vorschlagen, dass wir Punkt 6 nachher in der entsprechenden Redenreihenfolge fortsetzen und jetzt die Re gierungsinformation durch Herrn Ministerpräsident Kretsch mann vornehmen.

Ich rufe jetzt den neuen Punkt 5 auf:

Regierungsinformation – Bericht des Ministerpräsidenten zu den Ergebnissen der Ministerpräsidentenkonferenz

und Aussprache

Heute Vormittag haben wir nicht über die Redezeiten gespro chen. Allerdings würde ich Ihnen aufgrund der Aktualität und der Wichtigkeit des Themas freie Redezeit vorschlagen – au ßer, Sie wollen eine Beschränkung.

Wenn sich jetzt kein Widerspruch erhebt, dann stelle ich – –

(Zurufe, u. a. des Abg. Anton Baron AfD – Unruhe)