Protocol of the Session on April 29, 2020

(Beifall)

Allerdings – das ist einzuräumen – haben uns nach gewisser Zeit auch Rückmeldungen aus den Kommunen erreicht, in de nen die Sorge und die Zweifel an uns herangetragen wurden, ob im Verordnungsweg über einen längeren Zeitraum hinweg grundsätzliche Verfahrensfragen in der Gemeindeordnung und in der Landkreisordnung rechtssicher geändert werden dürfen bzw. können.

Wenn man insbesondere an die Rechtssicherheit von Satzun gen – ich nenne die Bebauungspläne und die Haushaltssat zung – und auch an die gerichtlichen Verfahren denkt, die sich zur Überprüfung von deren Rechtmäßigkeit mitunter anschlie ßen, dann muss man sagen: Das ist eine nachvollziehbare Sor ge, auf die wir mit dem heutigen Artikelgesetz reagieren. Wir schaffen mit den entsprechenden Regelungen die Vorausset zung, dass künftig Gemeinderatsitzung und Kreistagssitzung – die anderen Gremien sind genannt – ohne persönliche An wesenheit der Mitglieder im Sitzungsraum stattfinden können.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Beteiligten bedan ken, die es uns ermöglicht haben, dieses Gesetzesverfahren relativ zügig zu gestalten. Es hätte sonst nicht so kurzfristig Wirklichkeit werden können.

Ich danke auch ausdrücklich den parlamentarischen Beratern, die unsere Intentionen auch unter einem gewissen Zeitdruck engagiert umgesetzt haben.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr gut!)

Und ich danke dem Haus des Innenministers für die juristi sche Begleitung unserer wichtigen parlamentarischen Arbeit.

Gern hätte ich an dieser Stelle auch den Kolleginnen und Kol legen der SPD-Fraktion und der FDP/DVP-Fraktion gedankt, weil wir uns im intensiven Ringen hatten darauf verständigen wollen, diese Initiative wegen der Bedeutung und der Signal wirkung in die Kommunen hinein gemeinsam vorzutragen. Das ist uns leider nicht gelungen. Wir sind aber nach wie vor der Überzeugung, dass der Versuch es wert war.

Wir werden nachher hören, welche Gründe dazu vorgetragen werden. Ich kenne zwei, die ich an dieser Stelle noch nennen will: Das ist zum einen die Frage, ob die Beschlussfassung auch durch eine rein telefonische Mitwirkung ordnungsgemäß gewährleistet werden kann. Dieser Auffassung sind wir nicht.

Die andere Frage ist, ob eine solche Sitzung rein in einer Livestream-Debatte stattfinden kann. Dieser Auffassung schlie ßen wir uns auch wegen der überragenden Bedeutung des Öf fentlichkeitsgrundsatzes nicht an. Der Öffentlichkeitsgrund satz wirkt ja nicht nur in die Gremien, sondern auch in die

Bürgerschaft und in die Medien hinein. Und wir wollen, dass Transparenz gewährleistet wird – deswegen auch die gleich zeitige Übertragung in einen Saal, in dem die Bürgerschaft und die Presse das Ganze mitverfolgen können.

Wir lesen in diesen Tagen viel von Expertenmeinungen. Ich habe dieser Tage auch eine Expertenmeinung gelesen, wonach nur 40 % des Verständnisses eines anderen über die Sprache vonstattengehe. Viel wichtiger seien Mimik und Körperspra che und das, was das Gesicht vermittelt.

Ich kann jetzt nicht genau erkennen, wie viel Prozent des Ver ständnisses ich bei Ihnen erreichen kann. Ein Blick in die Ge sichter zeigt mir da unterschiedliche Prozentzahlen. Deswe gen verweise ich dazu ergänzend auf die Gesetzesbegründung.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Herr Abg. Hockenberger, las sen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Karrais zu?

Vielen Dank, Herr Kollege, für das Zulassen der Zwischenfrage. – Wir hatten ja im Land tag bekanntlich mehrere Sitzungen, die rein als Videositzung abgehalten wurden. Insofern würde mich doch Ihre Begrün dung interessieren, warum das bei einem Gemeinderat so nicht funktionieren soll.

Außerdem finde ich die Frage der telefonischen Zuschaltung nach wie vor interessant; denn es ist ja – das kann ich auch als Digitalpolitiker sagen – in vielen Gegenden in Baden-Würt temberg durchaus immer noch so, dass man beispielsweise keine stabile Videoverbindung aufrechterhalten kann. Inso fern würde mich noch mal genauer interessieren, was Ihre Be weggründe sind, sich dagegen auszusprechen. Denn ich wür de es für sinnvoll halten, das so zu tun.

(Zurufe)

Meine Beweggründe habe ich versucht, darzulegen. Ich will sie gern noch einmal nen nen, Herr Karrais: Eine Videokonferenz ist nichts anderes als eine analoge Gemeinderatssitzung, übertragen in einen Sit zungssaal, wobei alle teilnehmen können, die teilnehmen wol len. Diese Möglichkeit sollte gegeben sein. In einer Video konferenz sollte man auch sehen, was der Gegenüber sagt und wie er es vorträgt.

(Zuruf: Und wenn die kein Netz haben?)

Das ist in einer Telefonkonferenz nicht möglich. Deswegen halte ich es nur für richtig, dass wir das in einer Videokonfe renz machen und das sozusagen auch ordnungsgemäß dem Öffentlichkeitsgrundsatz Rechnung trägt.

Zur Situation der Breitbandversorgung: Das ist in der Tat ein Thema, mit dem man sich in anderem Zusammenhang noch beschäftigen muss. Ich sage das ganz deutlich, meine Damen und Herren – wir haben es doch heute gehört, wir diskutieren hier –: Ich habe eine Meinung, Sie haben eine Meinung. Und am Schluss gehen Hände hoch, und dann gibt es ein Gesetz.

(Heiterkeit – Zurufe)

Meine Meinung ist, dass das nicht ausreicht. Vielmehr beste he ich darauf, dass das in einer Videokonferenz gemacht wird, weil der Öffentlichkeitsgrundsatz von überragender Bedeu tung ist. Das verliert sich bei einer Telefonkonferenz. Und am Ende des Tages können wir im Zusammenhang mit der Än derung der Gemeindeordnung nicht das letzte Loch oder den letzten weißen oder grauen Fleck zum Maßstab unserer Ent scheidung machen. Ich glaube, dass die Gemeinden damit ver antwortlich umgehen.

Noch ein Weiteres: Wir zwingen ja die Gemeinden nicht, die ses Mittel in Anspruch zu nehmen. Wir schaffen eine Mög lichkeit. Ob der Gemeinderat das macht oder nicht, entschei det er – bis zum 31. Dezember gar nicht und danach mit Hauptsatzung.

Es gibt durchaus – ich sage Ihnen das aus meiner eigenen Er fahrung – viele Gemeinderäte und Bürgermeister, die in den letzten vier Wochen alles ohne Videokonferenz hinbekommen haben. Und wer die Videokonferenzen der letzten Wochen mitgemacht hat, der hat Sehnsucht nach einer analogen Prä senzsitzung.

(Zuruf)

Das ist nicht mehr zum Aushalten, weil Sie das dann gar nicht anders transportieren können.

(Beifall)

Deswegen haben wir auch gemeinsam hineingeschrieben, dass diese Regelung nur in absoluten Ausnahmefällen gilt.

Herr Abg. Hockenberger, Ih re Redezeit ist zu Ende.

Nein, nein, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Aber der Überweisung an den Innenausschuss darf ich noch zustimmen. Und ich darf auch dafür stimmen, dass wir das Gesetz am 7. Mai beschließen. Und wenn wir es beschlossen haben, dann habe ich die Hoff nung, dass wir die praktische Anwendung des Gesetzes nach der Coronakrise nicht mehr brauchen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Binder das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Ich will mich meinen Vorrednern anschlie ßen und mich bei den kommunalen Verantwortungsträgern – und zwar sowohl bei denen im Hauptamt als auch bei denen im Ehrenamt – sehr herzlich bedanken. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass Land und Bund hier und da Lücken las sen, und in diese Lücken müssen die Kommunalen hineinge hen. Dafür herzlichen Dank hier in Baden-Württemberg.

(Beifall)

Kollege Hockenberger, an Ihrer Stelle hätte ich nicht die Fra ge gestellt, warum wir nicht auf diesem Gesetzentwurf ste hen. Jetzt muss ich es erklären; ich hätte die Erklärung gern weggelassen.

(Abg. Ulli Hockenberger CDU: Das glaube ich nicht!)

(Heiterkeit)

ich hätte es gern weggelassen. – Aber wissen Sie, auf Augen höhe gemeinsam einen Gesetzentwurf einzubringen heißt nicht, dass die Regierungsfraktionen einen Tag brauchen, um sich irgendwie auf einen Text zu einigen, um 20:15 Uhr einen Text verschicken, der am nächsten Tag um 9 Uhr mit den Opposi tionsfraktionen unter dem Motto diskutiert werden sollte: Friss oder stirb. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall – Zuruf)

Sie können die Blaupause bei der letzten Änderung der Ge meindeordnung sehen. Da waren alle Fraktionen gleichbe rechtigt. Da gab es nicht vorher einen Entwurf. Vielmehr hat man sich gemeinsam an einen Tisch gesetzt. Das wäre ein ge meinsamer Gesetzentwurf gewesen – nicht nur darum zu bit ten, eine Unterschrift unter den Entwurf der Regierungsfrak tionen zu setzen.

Meine Damen und Herren, wir wissen alle: Videokonferen zen – das erleben wir auch in unseren Ausschusssitzungen – ersetzen eine ordentliche Präsenzsitzung nicht. Das erleben wir; man kann sich unsere letzten Sitzungen vergegenwärti gen. Bei Videokonferenzen ist die Kontrolle eingeschränkt, weil bei dieser Form Zwischenfragen, Nachfragen und eine wirklich aktive Sitzung nicht möglich sind.

Aber in dieser Notsituation müssen wir das, was wir jetzt im Landtag einüben, auch den Gemeinderäten in diesem Land endlich ermöglichen. Wir hätten schon – einige Kollegen er innern sich – 2015 so weit sein können. Der Gemeinderat ist im Unterschied zum Parlament nämlich nicht nur Kontrollor gan, sondern Hauptorgan und Teil der Verwaltung der Städte und Gemeinden, was die Kolleginnen und Kollegen Bürger meister und Oberbürgermeister im Eifer des Gefechts manch mal zu vergessen scheinen. Deshalb ist es wichtig, dass das Hauptorgan der Gemeinden jetzt die Möglichkeit zu einer or dentlichen Beratung bekommt.

Ich möchte an dieser Stelle sagen: Es ist auch wichtig, dass das Sparkassengesetz geändert wird, dass auch diese Entschei dungen gerade in diesen Krisen schnell und gut getroffen wer den können, meine Damen und Herren.

Ich darf Ihnen zu unseren Änderungsvorschlägen etwas sa gen. Ich glaube, dass es gerade in dieser Pandemie doch gro tesk ist, den Bürgerinnen und Bürgern, nur, um dem Öffent lichkeitsgrundsatz gerecht zu werden, nur anzubieten, sich im Rathaus einzufinden. Das Rathaus ist in vielen Gemeinden dieses Landes gerade geschlossen, und durch vorherigen An ruf werden nur Notmaßnahmen umgesetzt. Sie sagen den Bür gerinnen und Bürgern, um den Öffentlichkeitsgrundsatz zu wahren: Ihr sollt euch in so großer Zahl, wie ihr wollt – – Sie