Protocol of the Session on March 11, 2020

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Mit der Änderung des Schulgesetzes brin gen wir gleich mehrere Änderungen auf den Weg.

Erstens – das ist uns sehr wichtig – war die Einführung der regionalen Schulentwicklung schon in der Schulpolitik der letzten Legislaturperiode von Anfang an ein wesentlicher Bau stein. Es hat sich jetzt auch als richtig erwiesen, die Mindest schülerzahl von 16 in der Eingangsklasse beizubehalten. Durch aus sinnvoll ist es in diesem Zusammenhang auch, zu prüfen, ob Härtefälle vorliegen, ob die zumutbare Erreichbarkeit ge währleistet werden kann. Deshalb muss zunächst keine Schule nervös werden, wenn diese Zahl nicht erreicht wird.

Das Schulgesetz, meine Damen und Herren, konkretisiert die regionale Schulentwicklung. Wir wissen natürlich, dass es ins besondere im ländlichen Raum sehr wichtig ist, dass die Schu

len erreichbar sind, dass eine Regelung getroffen wird, die er möglicht, dass es vor Ort die entsprechenden Schulen gibt, um alle Schulabschlüsse zu gewährleisten. Es hilft anderer seits auch dabei, dass möglichst wenig Unterricht ausfällt, was in diesen Zeiten ein vorrangiges Ziel der Bildungspolitik sein muss.

Ein zweiter Punkt ist die Verschiebung des Einschulungsstich tags. Wir alle wissen: Jeder Stichtag bringt Probleme mit sich. Nicht jeder Stichtag passt haargenau auf die Wünsche von al len Eltern und Kindern. Ich bin aber froh, dass die demokra tischen Parteien in diesem Landtag an einem Strang gezogen haben und beschlossen haben, den Stichtag in drei Schritten nach vorn zu verlegen.

Selbstverständlich, meine Damen und Herren, unterstützen wir die Suche nach individuellen Lösungen vor Ort. Wir alle wissen: Kinder entwickeln sich unterschiedlich. Wie bekannt ist, muss das Wohl der Kinder im Mittelpunkt einer guten Bil dungspolitik stehen. Deshalb müssen Rückstellungen oder auch das Auslösen der Schulpflicht möglich sein. Das ist un ser Ziel.

Ein dritter Punkt, den ich noch erwähnen möchte, ist das Bil dungsmonitoring. Das ist nach unserer Meinung ein weiterer Aspekt der Qualitätsentwicklung der Schulen. Eine datenba sierte, wissenschaftsgeleitete Analyse ist Grundvoraussetzung für die Verbesserung der Qualität an unseren Schulen. Die Lehrerinnen und Lehrer und die Schulen sollen eine bessere Unterstützung bei der Entwicklung des Unterrichts erhalten.

Dafür, meine Damen und Herren, brauchen wir eine Daten grundlage, und zwar in einem Format, das unproblematisch weiterverarbeitet werden kann. Bisher – man glaubt es kaum – gab es eine sogenannte Papierstatistik. Da ist die Frage, ob man schon im 21. Jahrhundert angekommen ist. Deswegen sind wir froh, dass wir es jetzt anders machen. Bisher konn ten viele Schulen keine Software verwenden, deshalb sind die Daten zunächst an das Statistische Landesamt gegangen, wo sie von Hand in das System übertragen wurden. Wir sind froh, dass wir da jetzt gemeinsam einen wesentlichen Schritt nach vorn gehen. Deshalb ist es gut, dass es ein einheitliches Sys tem für die Datenerfassung geben wird. Für uns ist klar: Die verpflichtende Einführung von ASV-BW ist überfällig.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Dr. Alexander Becker CDU)

Ich muss wirklich weit in meiner Erinnerung graben, wenn ich wissen will, wann die Diskussion darüber angefangen hat.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Das zeigt, es ist wirklich Zeit, dass wir das jetzt tun.

Ein letzter Punkt, den ich noch erwähnen sollte – die Kolle gin Boser hat das bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs auch schon erwähnt –: Bewährte Schulversuche sollen in die Regelform überführt werden. Dazu zählen vor allem bilingu ale und internationale Angebote – was wir sehr begrüßen –, Hochbegabtenzüge, ein Werkgymnasium oder Hausunterricht bei längerer Krankheit. So passen wir unsere Schulen den Be dürfnissen der Schülerinnen und Schüler noch besser an, da mit sie auf das Leben in der modernen Gesellschaft vorberei tet werden.

Leider – das möchte ich am Schluss noch erwähnen – ist aus gerechnet der Modellversuch, der uns sehr am Herzen lag und noch immer am Herzen liegt, gestrichen worden, nämlich die Grundschule ohne Noten. Den wollen wir aber – wir wollen ja in der nächsten Legislaturperiode das moderne BadenWürttemberg gestalten – noch mal aufrufen. Ich bin ja – –

(Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Kollege Stoch ist auch dafür; das ist schon mal schön.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Sie alle wissen: Nicht nur Kinder, sondern auch Politikerin nen und Politiker wollen differenziert betrachtet werden. Ich gebe Ihnen einmal ein aktuelles Beispiel: Wenn man den Kan didaten Merz nur nach seinen Aussagen zur Bekämpfung des Rechtsradikalismus bewertet hätte, undifferenziert mit einer Note, wäre die Versetzung gefährdet gewesen. Hätte man ihm jetzt aber keine Note gegeben, sondern eine differenzierte Be trachtung angestellt, hätte er noch die Chance, sich auf die An forderungen des 21. Jahrhunderts einzustellen.

(Heiterkeit der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Jetzt kommen Sie aber bit te zum Schluss, Herr Abgeordneter.

(Heiterkeit)

In diesem Sinn sollten wir auch unsere Bildungspolitik gestalten.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD – Zurufe)

Ja, 30 Sekunden zu viel. – Herr Abg. Haser für die CDU, bitte.

(Zurufe, u. a. Abg. Thomas Blenke CDU: Jetzt kommt etwas Gutes!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Walter, was wäre unsere Koalition ohne das Knistern unserer Unterschied lichkeit. Insofern vielen Dank für den Hinweis zum Thema.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der SPD und der AfD – Abg. Andreas Stoch SPD: Diesen Satz sagen die Scheidungsrichter regelmäßig!)

Über das Thema „Grundschule ohne Noten“ werden wir uns irgendwann mal wieder unterhalten, aber Gott sei Dank nicht mehr in dieser Legislaturperiode.

Wir wollten diese zweite Gelegenheit zur Aussprache noch einmal nutzen. Der Kollege Walter hat ein paar Punkte ange sprochen; das möchte ich auch tun. Es ist ein sehr wichtiger und sehr umfangreicher Gesetzentwurf, der hier vorliegt. Wir haben lange darum gerungen. Ich glaube, deswegen gehört es sich auch, dass wir den Menschen noch einmal sagen, um was es geht.

Erstens: Eine wichtige Neuerung in Sachen Qualität war die Gründung des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung

sowie des Instituts für Bildungsanalysen Baden-Württemberg. Das ist eine wichtige Neujustierung in der Qualitätssicherung. Hierbei möchte ich auch nochmals die Bedeutung des ZSL betonen, welches eine Verbesserung der Qualität in den Schu len und eine Verbesserung der Leistungen der Schüler zum Ziel hat.

Da die SPD nach uns spricht, wird sie die Kritik erneuern, die sie im Ausschuss schon geäußert hat – auf eine Art und Wei se, die ich dem Meilenstein nicht angemessen finde.

(Zuruf von der SPD: „Meilenstein“!)

Es gibt einen schönen Spruch, Herr Fulst-Blei, der heißt: Die Menschen lieben das Neue, aber sie hassen die Veränderung. Deswegen glaube ich auch, dass dieses Neue ein Stück weit Zeit braucht, um zu wachsen. Ich glaube, diese Zeit sollte die Politik der Verwaltung auch geben.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen – Zuruf: Sehr gut!)

Ein zweiter zentraler Punkt dieser Schulgesetzänderung ist, dass sie ein an den Bedürfnissen der Kinder ausgerichtetes, differenziertes Bildungssystem stärkt. Die CDU-Fraktion hält an unserem Bildungssystem fest, vor allem an der Schularten vielfalt im Land, weil diese für Baden-Württemberg steht. Wir sind der Überzeugung, dass nur ein differenziertes Bildungs system mit einem hohen Maß an Durchlässigkeit tatsächlich echte Bildungschancen für die Schülerinnen und Schüler im Land bietet.

Insbesondere einige Haupt- und Werkrealschulen, aber auch Gemeinschaftsschulen leiden unter dem ständigen Druck, den das Damoklesschwert der Schulschließung bei zweimaligem Nichterreichen der Eingangsschülerzahl von 16 für sie bedeu tet. Wir haben lange darüber diskutiert, wie man dieses Prob lem löst. Es gab den Vorschlag – den ich persönlich auch be vorzugt hätte –: Wir nehmen die Durchschnittszahl zwischen den Klassen 5 und 9; wenn diese Zahl über 16 liegt, ist die Schule gesichert. Denn auch wenn nur eine kleine fünfte Klas se entstehen sollte, heißt dies nicht, dass nicht in der siebten, achten oder neunten Klasse so viele Schüler da sind, dass es die Bildung einer Klasse rechtfertigt.

Wir haben jetzt die kleinere Lösung. Das schützt leider nur die Werkrealschulen – das muss man so sagen –, weil es um den Abschluss geht. Wir hätten es uns anders vorstellen kön nen. Aber jetzt müssen wir eben hoffen, dass wir das eine oder andere noch über den kleinen Dienstweg und über Ausnah meregelungen verantworten können.

Dass wir den Elternwillen sehr ernst nehmen, sieht man auch an der Gesetzesänderung, mit der wir den Einschulungsstich tag über drei Jahre gestuft vom 30. September auf den 30. Ju ni eines Jahres vorverlegen wollen. Das führt zu Diskussio nen mit den Kommunen, ja; diese müssen wir angehen, und wir müssen sie auch ernst nehmen. Da brauchen wir Lösun gen. Aber im Grundsatz war es eine richtige Entscheidung, nicht nur, weil eine Elterninitiative das wollte, sondern weil es schlicht und einfach auch insgesamt einer veränderten Be treuungssituation in unserem Land entgegenkommt.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Als dritten zentralen Punkt will ich noch erwähnen, dass die Neuerungen des Schulgesetzes ein Bekenntnis zu Innovation in unserem bestehenden System sind. Gerade die nun gefes tigten Schulversuche zeigen die Zukunftsfähigkeit unseres Bildungssystems auf. Es gilt: Offen bleiben für Neues, aber in einem stabilen System. Das heißt, dass wir für Innovatio nen und Neuerungen offen sind, aber nicht jedes Mal am Grundsystem rütteln. Oder – um es mal am Bild der Architek tur aufzuzeigen –: Es geht nicht darum, dass wir jedes Mal das Haus abreißen und neu bauen, es geht auch nicht darum, dass wir Denkmalschutz betreiben, sondern darum, dass wir im den Baustil erhaltenden Charakter unser Bildungssystem den aktuellen Anforderungen anpassen.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Sandra Boser GRÜNE)

Die Neuerungen zur internationalen Abiturprüfung, zum Abi Bac, zum AbiStat, und auch die anderen Änderungen sind letztlich auch Anpassungen an ein zusammenwachsendes Eu ropa und an die Globalisierung. Sie bereichern unser Bil dungssystem, ohne dass wir das Grundgerüst einreißen.

So und nicht anders, meine Damen und Herren, so, wie es mit diesem Gesetzentwurf geschieht, entwickelt man Bildung ver antwortungsvoll weiter. Deswegen möchte ich Sie bitten, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Herr Abg. Dr. Fulst-Blei, bitte, für die SPD.

Frau Präsidentin, Kollegin nen und Kollegen! Wie ich bereits im Februar zur ersten Le sung des Gesetzentwurfs ausgeführt habe, gleicht dieser Ge setzentwurf einem Gemischtwarenladen. Deswegen möchte ich an dieser Stelle wieder nur ein paar Punkte kurz heraus greifen.

Die angestrebte Gesetzesänderung zur regionalen Schulent wicklung ist unseres Erachtens unnötig, da bereits heute Aus nahmeregelungen möglich sind, wenn ein bestimmter Bil dungsabschluss nicht in entsprechender Erreichbarkeit ange boten werden kann. – Heiße Luft, die auch durch die Diskus sion im Bildungsausschuss nicht kühler geworden ist.

Hinsichtlich der gerade gefeierten Verschiebung des Einschu lungsstichtags ist die Landesregierung weiterhin nicht bereit, die Kommunen zu unterstützen. Sie weigert sich, die soge nannte Konnexität anzuerkennen. Kommunen erhalten also weiterhin keine zusätzliche finanzielle Unterstützung beim Ausbau von Kitaplätzen. Die SPD hält das für einen Fehler.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)