Das ist die Gefahr. Das fängt damit an, dass nicht einmal die größten Verbrecher in der DDR – Honecker, Mielke usw. – verurteilt worden sind. Und das hört damit auf, dass die An tifa, eine politkriminelle Vereinigung, regelmäßig Veranstal tungen der rechten Opposition verhindert. Das ist nicht nur ei ne Störung des Demonstrationsfriedens, das ist ein politisches Verbrechen. Dagegen geschieht nichts, und das ist aufziehen der rot-grüner Faschismus.
Wenn wir also wieder Geld in die Hand nehmen – – Die 1,45 Millionen €, die wir ausgegeben haben, sind schon mehr als genug. Wenn wir jetzt noch neues Geld für diesen Zweck ge ben, ist das rausgeschmissenes Geld. Wenn wir die Sachen al so untersuchen wollen, dann sollten wir bitte der Frage nach gehen: Welche Gefahr geht vom Antifa-Terrorismus für die deutsche Demokratie aus?
(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Reinhold Gall SPD: Herr Gögel klatscht da auch noch! – Ge genruf des Abg. Bernd Gögel AfD: Ja, Wahrheit tut weh! – Gegenruf des Abg. Winfried Mack CDU: Sagt Gedeon die Wahrheit?)
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolle ginnen und Kollegen im Landtag! Die Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung bewusst: Die NS-Geschichte ist auf zuarbeiten. Wir haben uns der Geschichte zu stellen. Das Ka pitel ist nicht abgeschlossen. Wir haben die Aufgabe, Lehren daraus zu ziehen und dies der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wir haben die Aufgabe, Orte und Anlässe zu schaf
fen, um gemeinsam darüber nachzudenken, um das Bewusst sein zu schärfen und um Lektionen für die Zukunft zu lernen.
Diese Überzeugung hatten wir und haben wir. Es hätte der Präsenz von Abgeordneten wie den Vorrednern hier im Raum gar nicht bedurft, aber sie machen mit ihren Auftritten und ih ren Reden noch einmal umso deutlicher, wie wichtig es ist, sich an dieser Stelle darauf zu konzentrieren, dass wir ernst haft aufarbeiten, nachdenken und beim Thema bleiben
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Vereinzelt Beifall bei der SPD und der FDP/DVP – Abg. Bernd Gögel AfD: Absoluter Quatsch!)
und nicht, sobald es um das schmerzliche Kapitel geht, einen Umweg zu suchen, um vom Thema abzulenken.
Bis heute beschäftigen uns die Fragen: Wie konnte es dazu kommen? Wie war es möglich, dass eine verbrecherische Ideologie wie der Nationalsozialismus die Demokratie zer stört? Wie hat diese Ideologie einen Staat mit seinen Normen, seinen Institutionen und Verfahrenspraktiken, wie hat sie ei ne ganze Gesellschaft durchdringen können? Wie konnte sie sie in so kurzer Zeit in den Abgrund stürzen?
Um sich mit diesen Fragen ernsthaft auseinanderzusetzen, müssen sich auch Institutionen gewissenhaft mit den Ereig nissen, den Personen und der politischen Praxis des National sozialismus beschäftigen und sich damit auseinandersetzen, wie diese die jeweils eigene Geschichte geprägt haben.
Diese Verantwortung bleibt auch uns, der Landesregierung. Das war der Grund dafür, dass wir 2014 ein Forschungspro jekt initiiert haben – das ist ja bemerkenswert: 2014! – zu der damals noch weitgehend unerforschten Rolle der Vorgänger institutionen der Landesministerien in Baden und Württem berg in den Jahren 1933 bis 1945.
Die Forscher haben uns erzählt, wie sie in den Archiven Ak ten geöffnet haben, die noch mit einem Bändchen verschlos sen waren und seither noch nie geöffnet wurden. Da wurde wirklich Grundlagenforschung betrieben, weil sich noch nie mand die Mühe gemacht hatte, nachzuschauen. Deswegen ist es wichtig, dass wir das getan haben.
Das ist wichtig – neben anderen Formaten und Aktivitäten, die wir betreiben, z. B. die Landesförderung von Gedenkstät ten und Erinnerungsorten, bei denen die Opfer der Diktatur im Mittelpunkt stehen. Bei diesen Forschungsprojekten geht es um die andere Perspektive, nämlich eher um die Täter bzw. darum, die Strukturen und Institutionen, die die Täter in ih rem Tun begünstigt haben, in den Fokus zu nehmen.
Das Forschungsprojekt verfolgte einen kulturgeschichtlichen Ansatz, der uns auch allgemeinere Erkenntnisse über die Wech selwirkungen von Bürokratie, Identität und Herrschaft er schließt und dies in einen größeren Erklärungszusammenhang einordnet.
Die in den beiden Bänden vorgestellten Ergebnisse bewegen und verstören. Mir persönlich ging es jedenfalls so; ich habe den Eindruck, bei Ihnen war das zum Teil durchaus ganz ähn lich. Gerade für uns Kolleginnen und Kollegen aus der Regie
rung, die wir unsere Beamten in den Ministerien kennen und die wir wissen, wie sie arbeiten, auch mit welchem Engage ment und welcher Loyalität sie arbeiten, ist eine solche Rück meldung eine durchaus negativ beeindruckende. Man nimmt solche Erkenntnisse in einer demütigen Weise auf und ver sucht, seine Lehren daraus zu ziehen.
Ein zentrales Ergebnis dieses Forschungsprojekts ist, dass 1933 erstaunlicherweise keine massiven personellen Eingrif fe der Nationalsozialisten in die Ministerialbürokratie nötig waren, um die Funktionstüchtigkeit im Sinne der Diktatur her zustellen.
Bis dahin war die gängige Auffassung der Wissenschaft, dass Berlin nach der sogenannten Gleichschaltung der Länder fort an alle wesentlichen politischen Aufgaben steuerte. Nach den Ergebnissen dieses Forschungsprojekts wissen wir heute, dass man das anders sehen muss, denn im Umfeld der sogenann ten Machtergreifung stellten sich gerade auch die funktiona len Eliten der Gesellschaft bereitwillig in den Dienst der he raufziehenden Diktatur und ihres mörderischen Programms.
Die Ministerialbürokratie der Länder stand an einer besonde ren Schnittstelle zwischen dem politischen Vollzug der Dik tatur und einer rationalen fachlichen Verwaltung. Sie war Teil eines zentralistischen Führerstaats, aber sie war eben doch auch regional verwurzelt und auch verpflichtet, und sie ver fügte auch im Dritten Reich über Entscheidungs- und Hand lungsspielräume.
Man dachte ja früher, es sei einfach in der Linie durchregiert worden. Auch diese Sichtweise muss man ein Stück weit kor rigieren.
Leider – so hat es sich ergeben – scheint sich dieser Hand lungsspielraum, der auf der regionalen Ebene bestand, keines wegs als Resistenz gegenüber dem NS-Regime ausgewirkt zu haben, sondern eher als ein Raum, in dem mit eifriger Unter stützung die ideologischen Kernziele auch ohne einschneiden den Elitenwechsel vollzogen wurden. Oftmals wurden die Handlungsspielräume zur verschärften Umsetzung der Reichs direktiven genutzt. Und es zeigten und verdichteten sich Ver haltensrepertoires, über die Menschen unter autoritären Be dingungen zu verfügen scheinen: Es gab die Scharfmacher, die Schreibtischtäter, die opportunistischen Mitläufer, es gab die unpolitischen Bürokraten, aber eben auch die passiven und die aktiven Widerständler.
Ich versuche, in eigenen Worten und sicher vereinfacht zu sammenzufassen, was man in diesen beiden wirklich sehr le senswerten und empfehlenswerten Bänden nachlesen kann.
(Die Rednerin hält einen der beiden Bände „Enge hausen/Paletschek/Pyta: Die badischen und württem bergischen Landesministerien in der Zeit des Natio nalsozialismus“ hoch.)
Insgesamt herrschte in den Ministerien eine Haltung vor, die ganz auf den geordneten Behördenbetrieb ausgerichtet war, die aber nicht infrage stellte, zu welchen politischen Zwecken die Behörden arbeiteten. Eine staatsloyale Leistungsbereit schaft, der persönliche Gestaltungswille, vielleicht auch Kar riereambitionen führten dazu, dass vage Handlungsanleitun gen auch für die Umsetzung der persönlichen Vorstellungen von Volksgemeinschaft genutzt wurden.
So kommt die Forschung zu dem Ergebnis: Die Landesbe diensteten machten die Durchführung der Repressionspolitik durch ihr persönliches Verhalten vielfach erst möglich. Minis terien und ihre Ministerialbeamten waren an der Vollstreckung der diktatorischen Politik der Entrechtung, der Verfolgung und des Völkermords direkt und indirekt beteiligt. Durch die Ak tivierung solcher bürokratischen Mentalitäten sicherte sich das NS-Regime größere Akzeptanz bei der Bevölkerung, als wenn es seine eigene Radikalität auf einem unverhüllten Weg selbst offenbart hätte.
Also noch einmal: Ich möchte Ihnen die Lektüre dieser bei den Bände sehr ans Herz legen. Demnächst wird der dritte Band erscheinen, der die Frage des Umgangs mit Schuld und Entschädigung in der Zeit nach dem Nationalsozialismus be leuchtet.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, heute auch allen For schenden zu danken, die zum Gelingen des Projekts und zum Erstellen dieser Abschlussbände beigetragen haben, auch al len Bürgerinnen und Bürgern, die sich an der Plattform betei ligt, selbst mitgesammelt und Rückmeldung gegeben haben, um das Kapitel zu erhellen.
Mein besonderer Dank gilt natürlich den Mitgliedern der zur Durchführung des Projekts eingesetzten wissenschaftlichen Kommission, die umfangreiche Quellenrecherchen vorgenom men und sorgfältig ausgewertet haben. Es ging auch um Ma terial, das oft noch nie zuvor gesichtet worden ist. In diesem Zusammenhang ist wirkliche Kärrnerarbeit geleistet worden.
Mein herzlicher Dank gilt auch der Kommission für geschicht liche Landeskunde in Baden-Württemberg für das Zugäng lichmachen dieser Forschungsergebnisse in Form dieser Buch bände.
Nicht zuletzt möchte ich auch der Baden-Württemberg Stif tung dafür danken, dass sie sich von der Wichtigkeit dieses Projekts hat überzeugen lassen und die Finanzierung des Pro jekts ermöglichte.
Die Forschungsergebnisse geben uns einen klaren Hinweis darauf, dass es nicht nur 1933, sondern auch in der Nach kriegsgeschichte zu keinem Bruch in der Besetzung der Ver waltungselite kam. Deswegen ist es gut, dass wir schon jetzt an dem Nachfolgeprojekt arbeiten lassen, das auch wiederum dank der Unterstützung der Baden-Württemberg Stiftung schon jetzt in der Abschlussphase ist.
Ich habe es eben schon gesagt – und Sie haben es in Ihren Re den auch unterstrichen –: Die Ergebnisse sind uns ein mah nendes Beispiel und machen uns auch ein Stück weit demü tig vor dem, was passiert ist und wie es passiert ist. Ich bin mir sicher: Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie kann und sollte uns ein mahnendes Beispiel geben, wie schnell und wie effektiv der Nationalsozialismus Zugriff und Kontrolle über zentrale staatliche Funktionen errang. Das zeigt uns: Auch unsere Freiheit, unsere Demokratie, unsere Rechtsstaat
lichkeit heute sind fragile Güter, die ständig neu gewonnen und gesichert werden müssen. Deswegen sind wir alle aufge fordert, alles dafür zu tun, den Verführungen der simplen Lö sungen entgegenzutreten. Das gilt für unser Land, und es gilt auch für unser heutiges Europa, das vor nationalen Egoismen und Spaltungen nicht so sehr gefeit ist, wie wir uns das ge wünscht hätten.
Die Bedeutung der Beamtenpolitik bei der Transformation de mokratischer Ordnungen in autoritäre Systeme tritt heute in ternational in unterschiedlichen Facetten offen zutage. Des wegen machen uns die Ergebnisse noch einmal deutlich, dass die Rolle der Verwaltung keine unwichtige ist. Es stellt sich die Frage, wie Leitbilder für unsere Verwaltungen beschaffen sind und beschaffen sein sollen und wie diese zeitgemäß wei terzuentwickeln sind. Wie verhalten sich beamtenrechtliche und staatsbürgerliche Pflichten zueinander? Welchen Stellen wert hat diese Frage in der Ausbildung unserer Beamtinnen und Beamten? Zu fragen ist aber auch: Wie können wir unse re Verwaltungsbeamtinnen und -beamten stärken? Wir brau chen deswegen dringend die aufklärerische Kraft solcher wis senschaftlichen Ergebnisse, wie sie dieses Forschungsprojekt hervorgebracht hat, und wir brauchen die offene Debatte über diese schwierigen Themen.
Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit bestärkt uns darin, uns weiter für eine starke Demokratie und die freiheit lichen Werte unserer Verfassung einzusetzen und dies auch aktiv von unseren Beamten zu fordern und es bei ihnen zu för dern.
Dann kommen wir zur geschäftsordnungsmäßigen Behand lung des Antrags Drucksache 16/2162. Er ist ein reiner Be richtsantrag, der mit der Aussprache für erledigt werden kann. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.
Antrag der Fraktion der AfD und Stellungnahme des Staats ministeriums – Beendigung der EU-Beitrittsgespräche und der EU-Heranführungshilfen für die Türkei – Drucksache 16/2175