Protocol of the Session on December 13, 2019

Seit vier Jahren ist die Situation aber verändert,

(Lachen des Abg. Tobias Wald CDU)

und darüber müssen wir heute reden. Die Finanzpolitik der Hausspitze wird von vielen als passiv und verschlossen wahr genommen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Sie brüskiert politische Partner – wie jetzt im Verhalten in der Gemeinsamen Finanzkommission mit den Kommunen. Sie steht nicht im wirklichen Austausch mit dem Parlament, schon gar nicht in der Bereitschaft zum offenen Diskurs, und sie ist nicht in der Lage, dem auch inflationären Einfluss des Staats ministeriums – einem sich nach meiner Beobachtung zuneh mend selbst ernährenden System, das wir von den Oppositi onsfraktionen hart kritisiert haben – organisatorisch entgegen zutreten. Ich finde, diese Rolle muss besser gespielt werden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, es war ein Fehler, dass beide Häu ser in einer politischen Hand sind.

Im Übrigen will ich an dieser Stelle nur sagen: Wir sehen auch mit Besorgnis die Ausgaben in diesem Staatsministerium, die aus meiner Sicht nicht Koordinations-, sondern Marketing ausgaben sind, und wollen deutlich sagen, dass wir uns hier ein ganz anderes Amtsverständnis wünschen.

Frau Ministerin, im Ergebnis sagen wir: Sie mögen – auch dank der letzten Steuerschätzung – finanziell im Geld schwim men, aber strategisch müssen Sie sich fragen, ob Sie Ihr Haus unterfordern, und politisch stehen Sie – siehe Kommunen – im zerdepperten Porzellan.

(Beifall bei der SPD)

Gern setze ich mich jetzt in drei Fragen mit dem Einzelplan 06 bzw. mit den Einzelplänen auseinander. Ich schicke voraus, dass wir uns als Oppositionsfraktion im Ausschuss auch wirk lich mit der Sache auseinandergesetzt haben. Ich will das jetzt eher anhand übergreifender Fragen machen.

Erstens: Wie beurteilen wir die finanziellen und die wirtschaft lichen Annahmen in den Plänen? Zweitens: Wo wollen wir, die SPD-Fraktion, eigene Akzente im Finanzhaushalt setzen? Und drittens: Welche Perspektiven braucht unsere Finanzpo litik in den kommenden Jahren?

Zur ersten Frage: Welche Annahmen hat das Finanzministe rium über die finanzielle und die wirtschaftliche Entwicklung? In der mittelfristigen Finanzplanung wird ja ausweislich auch der Einnahmen eine eher stabilisierte und wieder verbesserte Einnahmesituation unterstellt – aus unserer Sicht auch die re alistischere Variante. Wir sind in der jetzigen Phase nach ei ner Investitionskonjunktur auch in einer konsumgetragenen guten Konjunktursituation gewesen. Übrigens, Frau Ministe rin, herzlichen Dank an die deutschen Gewerkschaften, die

dies in den letzten guten Jahren durch ihre Tarifabschlüsse möglich gemacht haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir alle wissen aber: Konjunkturverlauf ist nicht Strukturzu stand. Darüber haben wir geredet. Aber wir trauen der exis tierenden Substanz, dass sie uns auch nach 2021 bei den Staatseinnahmen trägt.

Jetzt kommt aber ein Raunen – der Kollege Reinhart hat da mit begonnen, der Kollege Wald hat es fortgesetzt –: Nun dräuen dunkle Wolken, es kommen schwierige Zeiten, wir müssen Vorsorge bei nachlassender Konjunktur treffen. Das wird man nicht von vornherein abwehren; das ist vollkommen klar. Aber Sie müssen sich schon Ihre Begründung im Land Baden-Württemberg überlegen. Die Finanzministerin wird es nicht ganz so malerisch ausdrücken.

Aber die Überlegung ist doch die: Das, was wir jetzt an Rück lagen haben – 5 bis 6 Milliarden € an Reserven; das wird nun gleich bestritten werden –, ist etwas, was in der jetzigen Zeit angebracht gewesen wäre. Dann, wenn wirklich diese dunk len Wolken kommen, dann wird ein Bundesland überfordert sein, hier sozusagen antizyklisch zu wirken. Das können Sie nicht vergessen. Sie haben auch eine andere Begründung als Frau Walker angeführt, die das für Aufgaben genannt hat, die eigentlich normal im Haushalt finanziert werden müssten. Es wird nicht der Fall sein, dass Sie diese 5 bis 6 Milliarden € wirklich so einsetzen können, dass dem Land dann plötzlich geholfen ist.

Richtig wäre es vielmehr gewesen, in der jetzigen indifferen ten Situation zu sagen: Jetzt muss dieses Geld dafür eingesetzt werden, dass wir dort, wo es notwendig ist, investieren und dafür auch den Menschen Geld geben. Ob es bei dem 365-€-Ticket ist oder beim gebührenfreien Kindergarten, wir müssen den Menschen das Geld auch zurückgeben, damit wir einen Beitrag zu einer Konjunktur leisten, die uns weiterträgt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Am Ende bleibt die profane Feststellung bei all Ihren Gedan kengebäuden: Sie wollen sich ein Vesperpaket für den Ruck sack für die letzten 15 Monate bis zur nächsten Landtagswahl anlegen. Sie wollen im nächsten Haushalt, einem Nachtrags haushalt, weitere Klientelbedürfnisse befriedigen. Es bleibt dabei: Unter Grün-Schwarz und Kretschmann sieht es leider so aus, dass das Parteiinteresse über das Staatsinteresse die Oberhand gewinnt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Abg. Tobias Wald CDU: Bei spiele?)

Dieser Haushalt mit seinen vielen, vielen kleinen Geschen ken, Herr Kollege – –

(Abg. Tobias Wald CDU: Konkret!)

Darauf brauche ich Ihnen doch hier nicht zu antworten.

(Abg. Tobias Wald CDU: Doch!)

Was ist der Weg, den wir für richtig halten? Ich habe gesagt, mehr öffentliche Investitionen, die wir wirkungsvoll einset zen wollen – in Mobilität, in Wohnen, in Klimaschutz, in

Technologie. Das wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, hier mehr zu tun.

Zweite Frage: Was wollen wir, die SPD? Wir wollen, dass das, was wir angestoßen haben, was wir in unserer Regierungszeit begonnen haben, im Finanzhaushalt fortgeführt wird: die Stel lenerhöhungen, die stattgefunden haben und die wir – Herr Kollege Wald – begrüßen, die es aber auch schon in der Ver gangenheit gab, das Technikpaket in der Steuerverwaltung, die außerbetrieblichen Arbeitsplätze, Betriebskindergärten, mit deren Einrichtung begonnen wurde, die Vermögensrech nung, die Staatssekretär Rust eingeführt hat, die Nullneuver schuldung, die wir über Jahre gehabt haben, den Abbau der über Jahrzehnte angehäuften impliziten Verschuldung bei Ge bäuden, Straßen und Brücken, die Nachwuchskampagne, den respektvollen Umgang mit den Arbeiternehmervertretungen, die gleiche Augenhöhe mit der kommunalen Selbstverwal tung. Bei alldem, was begonnen worden ist, wollen wir zu nächst von Ihnen, dass es fortgeführt wird.

(Abg. Tobias Wald CDU: Machen wir doch!)

Sie machen es aber nicht überall, und deswegen mahnen wir Sie an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen aber auch einige Dinge kritisch ansprechen. In der Gemeinsamen Finanzkommission mit den kommunalen Lan desverbänden haben Sie in Stil und Inhalt so viel Arroganz an den Tag gelegt, dass man sagen muss: Jemand, der sich so ver hält, der hat die DNA Baden-Württembergs nicht verstanden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Da komme ich gern auf meine Eingangsbemerkung zurück. Ein Ministerpräsident, der sich in Ehingen bei der Mitglieder versammlung des Gemeindetags hinstellt und 80 % seiner Re dezeit dafür verwendet, die weltwirtschaftliche Lage in allge meinen Sätzen darzustellen, verhält sich nicht so, wie man sich korrekterweise gegenüber den Kommunen verhält. Ich hätte erwartet, dass jemand, der zu diesem Zeitpunkt schon der Verantwortliche für diesen Haushalt war, sich hinstellt und sagt: „Jawohl, hier ist eine Situation gegeben, bei der wir uns ändern werden.“ Das ist aber nicht geschehen. Es hat sich hin geschleppt über Wochen, fast über Monate. Das ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Stephen Brauer FDP/DVP)

Wir wollen auch konkret dort, wo wir eine Möglichkeit ha ben, die Einnahmen des Staates zu verbessern – nicht nur bei internationalen Konzernen, sondern auch eine Etage darunter; aber wohl auch bei den internationalen Konzernen –, mehr Steuergerechtigkeit haben. Deswegen bringen wir in diese zweite Lesung den Antrag ein, dass wir Ihrem Ziel, die Prü fungsdienste zu optimieren, gerecht werden, indem wir die Steuerverwaltung stärken mit der Anhebung von Stellen und in einem zweiten Schritt auch mit der Neuschaffung von Stel len. Wir sind der Meinung, der Staat muss steuergerecht han deln können, und dafür braucht er das nötige Personal, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zu meiner dritten Frage, zu den Perspektiven. Ich will klar sagen, was bisher nicht so richtig angesprochen wor den ist und was Sie vielleicht aus meinem Mund nicht sofort erwartet haben: Wir haben in diesem Doppelhaushalt – das hat auch in der Öffentlichkeit, in der Presse eine Rolle gespielt – eine weitere Personalaufstockung im Landeshaushalt, die uns in schwierigen Zeiten sicherlich noch zum Nachdenken bringen wird. Darüber muss auch geredet werden. Deswegen haben wir seitens der SPD auch den Vorschlag gemacht und den Antrag gestellt, ein klares Zeichen in der Ministerialver waltung zu setzen – also nicht dort, wo draußen die Leistun gen gegenüber der Bevölkerung erbracht werden, sondern dort, wo gesteuert wird –, indem wir sagen: Wir gehen auf den Personalstand des Jahres 2011 – nicht 2016, sondern 2011 – zurück. Das wäre ein wichtiges Signal, um den Willen zum Ausdruck zu bringen, das, was im Jahr 2011 geleistet werden konnte, auch jetzt in diesem Umfang zu leisten.

Das war unser Vorschlag. Er ist uns nicht leichtgefallen, aber das wäre gut gewesen. Sie haben ihn blank abgelehnt, und das ist schade, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen mit Sicherheit aber, was die Aufgaben angeht, in Deutschland eine Diskussion darüber, wie wir im födera len Staatsaufbau in der regionalen Wirklichkeit künftig diese stark personalintensiven Aufgaben finanzieren können, zumal in einem stärker werdenden Europa. Diese Debatte steht uns noch bevor, auch gegenüber dem Bund, meine Damen und Herren.

Wir wollen auch, dass es Beiträge des Landes zur Bundespo litik gibt. Das haben wir gerade eben nur gestreift. Wir haben ein paar Fragen dazu, Frau Finanzministerin, wie sehr Sie sich da wirklich auf dem Berliner Parkett engagieren und wie sehr Sie sich im grünen Geleitzug da tatsächlich auch Gehör ver schaffen können.

Nehmen wir mal die Grunderwerbsteuer. Wir haben gesagt: Die bleibt. Aber wir haben auch gesagt: Wir wollen eine wich tige Differenzierung. Wo stehen wir denn beim Freibetrag für den Ersterwerb von Wohneigentum gerade für junge Famili en, den wir seitens der SPD wollen, meine Damen und Her ren, und der, wenn ich es recht verstanden habe, auch bei der CDU gewollt ist? Da muss man natürlich in Berlin dafür wer ben, doch offensichtlich geschieht das nicht, und das ist sehr schade.

(Beifall bei der SPD)

Das zum Thema Grundsteuer war jetzt gerade ganz nett ge sagt, aber was ist denn die Haltung von Grün-Schwarz zur Grundsteuer? Sie wollen weiter darüber reden, wie Sie es bis her auch gemacht haben. Wollen Sie wirklich erzählen, dass eine dritte Ebene der Einflussnahme weniger Aufwand und Komplexität bedeutet als zwei Ebenen?

(Zuruf des Abg. Tobias Wald CDU)

Und wollen Sie, Herr Wald, uns hier weismachen, dass wir ein Bürokratiemonster haben, das die Unterschrift von Frau Kanzlerin Merkel trägt? Da stimmt doch etwas nicht.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Tobias Wald CDU – Weitere Zurufe)

Ich bin gespannt, wie Sie mit dem Wort „egal“ dann ein paar Etagen höher durchkommen.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der SPD)