Protocol of the Session on December 12, 2019

Hier werden wir uns zu gegebener Zeit konstruktiv-kritisch in die weiteren notwendigen Diskussionen einbringen. Aber – der Beitrag soeben hat es gezeigt –:

Kunst hat die Aufgabe, wachzuhalten, was für uns Men schen so von Bedeutung und notwendig ist.

Das schreibt uns Michelangelo ins Stammbuch.

(Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Deswegen – das stelle ich gleich voran – sprechen wir uns auch im Rahmen der Haushaltsberatungen in aller Deutlich keit gegen jeden Versuch politischer Zensur aus, ebenso wie gegen das Bestreben, beispielsweise beim Thema „Internatio nale Belegschaft unserer Staatstheater“ einen Spaltpilz bei der Frage zu setzen, welche Staatsangehörigkeit Balletttänzer oder Orchestermitglieder haben.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der SPD)

Der größte Teil des Haushalts betrifft indes unsere Hochschu len und Universitäten. Die Zahl der Studierenden an den Hochschulen in Baden-Württemberg ist seit 2007 um über 50 % gestiegen. Die Nachfrage wird weiterhin hoch bleiben. Bisher haben die Hochschulen und Universitäten die gestie genen Studierendenzahlen vor allem mit temporären Program men und unter Zusatzbelastungen bewältigt. Dadurch haben sich die Rahmenbedingungen für die Studierenden und für die Forschung verschlechtert, und die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind deutlich erschwert wor den.

Die Leuchttürme der Exzellenz – auf die wir unbestritten und zu Recht stolz sind – überlagern dabei die Situation in der Breite.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Vor diesem Hintergrund haben die Universitäten und Hoch schulen unisono Alarm geschlagen. Ohne ausreichende Finan zierung müssen spätestens im Jahr 2021 Einsparungen durch die Reduktion von Leistungen erfolgen, und es müssen signi fikante Qualitätseinbußen und die Streichung von Studienplät zen in Kauf genommen werden.

Sie, Frau Ministerin Bauer, wollten oder konnten die Studie renden und die Rektorenkonferenz mit ihrer Forderung nicht erhören, die Sie in seltener Einigkeit erreichte. Nachvollzieh bar wurde Ihnen vorgerechnet, dass mittlerweile eine erkleck liche Finanzierungslücke von 1 000 € pro Studierendem und Studienjahr aufgewachsen ist. Dazu kommt ein beträchtlicher Aufgabenzuwachs, der idealerweise mit Personal zu unterfüt tern wäre, das eben nicht in befristeten Arbeitsverhältnissen verharren soll. Hier aber, bei der erforderlichen Erhöhung der jährlichen Grundfinanzierung, dem wohl wichtigsten Aspekt, bleibt der Haushaltsansatz für das Jahr 2021 weit hinter den Erwartungen und weit hinter den realistischen Möglichkeiten zurück, obwohl dieser den weiteren Verlauf des Hochschulfi nanzierungsvertrags maßgeblich bestimmen wird. Kollege Brauer wird hierauf nachher noch genauer eingehen.

Wir müssen uns also Gedanken machen, wie wir eine zu kunftsgewandte, eine auskömmliche Hochschulfinanzierung gestalten können. Einen Ansatz hierfür sehen wir in allgemei nen, nachlaufenden Studiengebühren. Jetzt kommt regelmä ßig der Einwand, Kinder aus ärmeren Familien könnten sich dann ein Studium möglicherweise nicht leisten. Dieser Ein wand ist aber unbegründet und überholt; denn es muss nicht zum Zeitpunkt des Studiums bezahlt werden, sondern erst, wenn die Studierenden auf den Arbeitsmarkt kommen. In der Regel gehören sie dann zu den Besserverdienenden. Eben auch nur dann, wenn entsprechend höhere Einkommen erzielt werden, müssen Gebühren nachträglich gezahlt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, findet eine Entkopp lung von der finanziellen Lage des Elternhauses statt, nicht aber von der zukünftigen finanziellen Lage der Studierenden selbst. Die Erfolge in England und Australien belegen das. Im Übrigen sagen auch bei uns zwischenzeitlich laut einer Um frage des ifo-Bildungsbarometers 66 % der Befragten, dass sie darin eine hervorragende Chance für Qualitätsverbesse rungen sehen und auch den Gerechtigkeitsaspekt erfüllt sehen – also gute Gründe, hieran festzuhalten.

Klar ist aber auch, dass die Studiengebühren für EU-Auslän der nicht für eine Finanzierung reichen. Wir erinnern uns: Die Einnahmen aus den Studiengebühren sollten originär dazu bei tragen, Einsparungen im Wissenschaftsbereich zu vermeiden. Doch die Einnahmen bleiben weit hinter dem zurück, was ori ginär geplant war: 2017 wurden 5,4 Millionen € eingeplant – Ist: 3,3 Millionen €; für 2018: 14,7 Millionen € – Ist: 10 Mil lionen €. Für 2019 liegen noch keine validen Zahlen vor, aber klar ist, dass die 23,5 Millionen €, die eingestellt wurden, nicht erreicht werden können.

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass erst vor we nigen Tagen die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen erklärt hat, dass sie Überlegungen zu einer Prüfung, es BadenWürttemberg bei den Studiengebühren für EU-Ausländer nach zutun – das war im Koalitionsvertrag bereits verankert –, ei

ne deutliche Absage erteilt hat. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen kommt zu dem klaren Ergebnis – ich zi tiere aus der Pressemitteilung –:

Diese Ausnahme- und Befreiungsregelungen wiederum bringen einen erhöhten Bürokratieaufwand für die Hoch schulen mit sich, der die zu erwartenden Einnahmen aus den Studienbeiträgen faktisch reduziert.

Deutlicher, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann ein Votum

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das trifft auf die nachgelagerten Studiengebühren ebenfalls zu!)

nicht ausfallen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD)

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das trifft auf die nachgelagerten Studiengebühren ebenfalls zu!)

Ein vernünftiger erster Schritt wäre, wenn schon die Frage der diskriminierenden Studiengebühren nicht umfassend korri giert wird,

(Abg. Anton Baron AfD: Das kommt, wenn man tau send Ausnahmen macht!)

den Hochschulen zumindest die Gebühren in Gänze zu belas sen, um die Internationalisierungsbemühungen weiter zu för dern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Stärke in BadenWürttemberg liegt im Know-how, in den exzellent ausgebil deten Fachkräften, die unsere prominente Position bei Inno vationen und hochtechnologischer Expertise sichern. Dazu passen weder die Äußerungen der Frau Wissenschaftsminis terin, die der DHBW – sicherlich unglücklich formuliert – die Forschung abspricht, noch die Wirkung einer Transparenz klausel, die die Bereitschaft in der Wirtschaft schmälert, in die wirtschaftsnahe Forschung an den Hochschulen zu investie ren.

Dieses Bedürfnis aber bildet die Erfolgsgeschichte der Inno vationsgutscheine ab, die jungen Forschern Spielräume schaf fen, um ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse marktreif zu be kommen. Dessen ungeachtet ist auch die nicht wirtschaftlich geprägte Forschung im Land stark und breit aufgestellt.

Darin liegt gerade die Chance, das fraktionsübergreifend im Rahmen der Handlungsempfehlungen des Untersuchungsaus schusses „NSU II“ geforderte Institut für Extremismusfor schung nicht im luftleeren Raum zu schaffen, sondern ganz konkret an einer Hochschule zu verorten, wo bereits die ein schlägigen Forschungsstrukturen existieren. Die damit einher gehenden Synergieeffekte darf man nicht ignorieren, wie es die Regierungsfraktionen mit ihrem Vorstoß nun tun – ganz zu schweigen davon, dass die Chance versäumt wird, den For schungs- und Dokumentationsauftrag gleich auch auf andere Formen des Extremismus, beispielsweise des politischen oder religiösen Extremismus und Terrorismus, auszuweiten, wie es

ebenfalls fraktionsübergreifend in den Handlungsempfehlun gen vorgesehen ist. Mit unserem Entschließungsantrag wer fen wir diese Frage nochmals auf.

Insofern, Herr Kollege Salomon, ist es unzutreffend, zu sa gen: „Hier gehen wir einen ersten Schritt“, wenn man den zweiten schon öffentlich proklamiert hat, jetzt aber auf hal bem Weg stehen bleibt. Das ist symptomatisch für den Haus halt, den wir heute zu bescheiden haben.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Das trifft mich jetzt aber ein bisschen!)

Grün-Schwarz bleibt deutlich – das ist exemplarisch für den gesamten Haushalt – hinter den eigenen Ansprüchen und den möglichen Chancen zurück. Der Wissenschaftsstandort Ba den-Württemberg hätte Besseres verdient.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD – Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Dann müsst ihr euch mal einer Koalition öffnen!)

In der zweiten Runde erteile ich das Wort für die Fraktion GRÜNE Herrn Abg. Kern, der noch seinen letzten Satz schreibt.

(Heiterkeit)

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Da men und Herren! Auch ich beginne mit einem Zitat:

Kultur ist kein Luxus, sie ist eine Notwendigkeit.

Dieses Zitat habe ich vor Jahren schon verwendet und Lyonel Feininger zugerechnet. Der hat das zwar auch gesagt, aber ur sprünglich stammt es von dem chinesischen Erzähler Gao Xingjian aus seinem Buch „Der Berg der Seele“.

(Zuruf von der SPD: Ach! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das glauben wir mal!)

Ein guter Haushalt lebt nicht allein von großen Zahlen bei den Einnahmen und Ausgaben, ein guter Haushalt enthält vor al lem die Bestandteile, die unsere Gesellschaft braucht, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Neben vielem anderem sind Kunst und Kultur solche wesentlichen Bestandteile. Kunst ist der Kitt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ohne Kul tur würden wir Menschen uns nicht von allen anderen Ge schöpfen auf dieser Erde unterscheiden.

Dabei ist es völlig unbedeutend, wer woher kommt und wel che Kultur er oder sie von dort mitgebracht oder auf dem per sönlichen Weg erworben hat. Es ist ein Irrsinn, Kultur danach zu klassifizieren, ob sie zu uns passen möge oder nicht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ich freue mich, dass mit dem vorliegenden Doppelhaushalt einige wichtige Weichenstellungen im Kunst- und Kulturbe reich vollzogen werden. Dieser Haushalt ist ein Haushalt der Verantwortung. Das gilt für den Kunstbereich in mehrfacher Hinsicht.

Erstens: Wir tragen Verantwortung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Landesmuseen, den Archiven, den Bi

bliotheken, den Theatern, auf den Landesbühnen und in allen anderen Kunst- und Kultureinrichtungen. An sie darf ich an dieser Stelle meinen Dank für ihre Arbeit richten. Denn sie sind es, die Tag für Tag unsere vielfältige Kulturlandschaft pflegen und sichern.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Die Anpassung der Aufwendungen für die staatlichen Kultureinrichtungen zur Berücksichtigung gestiegener und voraus sichtlich weiter steigender Lohnkosten ist dabei eine Selbst verständlichkeit. Schwieriger wird es bei den freiwilligen Zu schüssen an solche Einrichtungen, die von den Kommunen oder freien Trägern unterhalten werden. Soweit es hier eine Subsidiarität gibt, haben wir ebenfalls Vorsorge getroffen.

Aber auch alle anderen, insbesondere die zahlreichen freibe ruflich Beschäftigten, die zwangsläufig ebenfalls mit steigen den Lebenshaltungskosten konfrontiert sind und für die die Kommunen im Rahmen der Daseinsvorsorge verantwortlich sind, verlieren wir nicht aus dem Blick.