Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, wenn wir wollen, dass sich die Menschen in Baden-Württemberg für eine andere Mo bilität entscheiden, wenn wir wollen, dass sie ihr Auto stehen lassen und den öffentlichen Personennahverkehr benutzen, dann dürfen wir nicht über Verbote, sondern müssen wir über Angebote kommen, und dann müssen wir über den Preis spre chen.
Andere Länder sind da schon ein Stück weiter. Deswegen for dern wir: Wir müssen den öffentlichen Nahverkehr attrakti ver machen, und wir wollen in einem ersten Schritt, dass ein 365-€-Ticket für alle Schüler, Azubis, Studenten, Senioren und als Sozialticket in Baden-Württemberg eingeführt wird.
Ich habe aus den grünen Reihen gehört, dass so etwas bejaht wird. Wir wollen, dass zukünftig Menschen in diesem Land den öffentlichen Personennahverkehr als Chance sehen und ihr Auto stehen lassen. Die neue Mobilität muss angetrieben werden; sie passiert nicht nur durch Handauflegen.
(Beifall bei der SPD – Abg. Andreas Schwarz GRÜ NE: Das ist doch mein Vorschlag! Du hast meinen Vorschlag einfach kopiert! – Abg. Dr. Wolfgang Rein hart CDU: Das ist ein Plagiat! – Gegenruf des Abg. Sascha Binder SPD)
Wir reichen – das sollte die Grünen jetzt nicht erschrecken – euch bei diesem wichtigen Zukunftsthema die Hand und kön nen dieses Thema hier im Landtag gemeinsam voranbringen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir sollten, wenn wir die Herausforderungen in ihrer Dimension ernst nehmen, nicht glauben, dass das Land allein die Möglichkeiten hätte, diese zu bewältigen. Deswegen ist es aus meiner Sicht umso wider sinniger, dass die Landesregierung sich immer weiter von ih ren Partnern, die sie benötigt, isoliert. Ich spreche auf der ei nen Seite vom Bund und auf der anderen Seite von den Kom munen.
Wir seitens der SPD haben – Beispiel „Gute Kita“-Gesetz – im Bund dafür plädiert, die Finanzierung über 2022 hinaus zu garantieren. Es war jedoch der CDU im Bund wichtig – das ist ein Kompromiss –, dass die Zusagen im „Gute Kita“-Ge setz nicht über 2022 hinaus garantiert werden sollten. Aber gleichzeitig ist kein Ministerpräsident im letzten Jahr derart gegen Eingriffe in die föderale Selbstbestimmung und Einmi schungen aus Berlin auf die Barrikaden gegangen wie unser Ministerpräsident hier in Baden-Württemberg.
Er sagte teilweise: „Wir wollen gar kein Geld.“ Aber im nächs ten Satz wurde dann gesagt: „Und außerdem ist es zu wenig.“
Das Land pocht auf die eigenen Hoheiten, und das ist richtig. Aber, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir sollten uns kei ne Illusionen machen: Die Menschen schauen, wenn etwas nicht funktioniert, nicht darauf: „Ist da jetzt die Kommune schuld, ist das Land schuld, oder ist der Bund schuld?“, son dern sie wollen Lösungen von der Politik, vom Staat, und ih nen ist es egal, was für ein verfassungsrechtlicher Streit hier darüber ausbricht, wer zuständig ist.
Deswegen geht auch die Diskussion über die Frage: „Ist der Beitrag des Landes zur Schulsozialarbeit ein freiwilliger Bei trag?“ an der Lebenswirklichkeit der Menschen in diesem Land vorbei.
Die Menschen wollen – und das zu Recht – einen funktionie renden Staat und damit eine Partnerschaft zwischen allen Ebe nen.
Deswegen ist es hoch problematisch – das kann man auch nicht kleinreden –, dass diese Landesregierung bereits zum zweiten Mal hintereinander in der Gemeinsamen Finanzkom mission keine Einigung mit den Kommunen hinbekommen hat. Wenn wir uns die Positionen anschauen, stellen wir ganz schnell fest, dass gerade beim Bundesteilhabegesetz und auch im Bereich der Integrationskosten – das sind ja nun wahrlich keine Themen, die die Kommunen erfunden haben – das Land die Kommunen wieder einmal zu Bittstellern degradiert.
Es geht auch nicht darum, dass wir jetzt jedes Mal vor einem Doppelhaushalt mit den Kommunen schachern, sondern wir brauchen eine klare gesetzliche Regelung, die den Kommu nen garantiert, dass die Umsetzung bundesgesetzlicher und landesgesetzlicher Regelungen und Entscheidungen auf der kommunalen Ebene auch finanziert ist, und zwar durch eine adäquate Unterstützung durch die Landesregierung von Ba den-Württemberg, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.
Ich muss zu der Dimension noch einmal sagen: In der Ge schichte des Landes Baden-Württemberg ist es historisch, dass man zum zweiten Mal hintereinander eine Einigung nicht hin bekommt. Aber ich sage auch ganz klar: Maximalforderun gen auf beiden Seiten werden nicht funktionieren. Man wird aufeinander zugehen müssen.
Es ist nun einmal so, dass über Monate hinweg verhandelt wurde und zuletzt die Vertreter der kommunalen Landesver bände aufgestanden sind, weil sie gesagt haben, das, was das Land anbiete, sei nicht akzeptabel. Deswegen kann ich an die ser Stelle nur ganz deutlich in Richtung der Landesregierung und der Regierungsfraktionen appellieren: Gehen Sie auf die Kommunen zu! Die Kommunen leisten in diesen Bereichen eine wichtige Arbeit für den Zusammenhalt unserer Gesell schaft. Reden Sie hier nicht immer nur vom Zusammenhalt der Gesellschaft! Durch eine ordentliche Finanzierung der Kommunen können Sie garantieren, dass es draußen auch wirklich funktioniert, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.
Ich habe so den Verdacht, dass Sie gerade nicht verstanden haben, wie das Land funktioniert und wie zentral vor allem die Kommunen sind, wenn es um die Lebenswirklichkeit der Menschen geht. Wenn Kommunen dann aus Leistungen aus steigen oder nicht mehr planen können und die Landesregie rung auf Jahre hinaus dieser Situation nachtrauern wird, wenn es an Schulsozialarbeit und an Integration fehlt, wenn die Krankenhäuser in unserem Land nicht mehr ordentlich aus gestattet sind, wenn all diese Leistungen in Gefahr geraten und die Bürger das spüren, treten Sie dann vor die Leute und sagen: „Wir haben aber tolle Rücklagen auf unserem ‚Spar büchle‘“?
Es ist eine Riesenaufgabe für unser Land, für die alle noch besser zusammenarbeiten müssen. Partnerschaft ist das Stich wort, nicht Konkurrenz. Stattdessen müssen wir endlich da für sorgen, dass wir nicht mehr im Gegeneinander denken, sondern dass Kommunen, Land und Bund diese großen Zu kunftsherausforderungen gemeinsam angehen.
Noch einmal: Das Land hat Tausende von Millionen Euro zu sätzlich im Budget und riskiert trotzdem einen nie da gewe senen Streit und damit nicht nur einen Gutteil der Leistungs fähigkeit unserer Kommunen, sondern auch den Verlust des Vertrauens der öffentlichen Akteure zueinander.
Es darf nicht sein, dass Minister Lucha immer wieder auf die Freiwilligkeit der Leistungen des Landes verweist – z. B. bei der Schulsozialarbeit. Wir kommen so nicht weiter, weil der Beschluss zur Schulsozialarbeit – wir hatten in der letzten Le gislaturperiode beschlossen, dass sich das Land daran wieder beteiligt; es war damals auch die Regierung aus SPD und Grü nen, die das beschlossen hat – genau auf der Einsicht beruh te, dass dadurch eine große Entlastung für die Lehrkräfte an unseren Schulen eintritt. Diese Entlastung ist auch für das Land Baden-Württemberg sehr wichtig.
Wenn Sie heute an die Schulen gehen, und zwar an alle Schu len, dann sagen die Ihnen ganz deutlich, dass Schulsozialar beit nicht mehr wegzudenken sei. Wenn das Land BadenWürttemberg seinen Landeszuschuss nunmehr seit mehreren Jahren nicht erhöht hat und damit nicht mehr ein Drittel, son dern nur noch weniger als 25 % der Gesamtkosten trägt, dann ist das letztlich ein Aufkündigen der Solidarität mit der kom munalen Ebene, aber vor allem auch mit denen, die an der Schule sind, nämlich mit den Schülerinnen und Schülern und Lehrerinnen und Lehrern. Das ist kein gutes Bild, das das Land Baden-Württemberg an dieser Stelle abgibt.
Ich möchte auch noch etwas zum Thema „Öffentliche Verwal tung“ sagen. Ich habe etwas zu den Polizeistellen und zu den Stellen in der Justiz gesagt. Wir müssen auch im Bereich der Verwaltung, und zwar gerade dort, wo es um die Realisierung der Steuergerechtigkeit geht, etwas tun. Die Finanzbeamtin nen und -beamten, die die Landesregierung nun einstellen möchte, werden nicht nur für die Bewertung der Grundstücke gebraucht, die wir nach der Grundsteuerreform vorzunehmen haben. Wenn Sie sich die Auslastung und vor allem die Be lastung unserer Steuerbeamtinnen und -beamten anhand der Fallzahlen ansehen, spricht das eine eindeutige Sprache.
Ich glaube, wir sollten uns nicht damit schmücken, dass Ba den-Württemberg im Bereich der Steuerverwaltung die we
nigsten Beschäftigten pro Kopf hat. Die Beschäftigten in der Steuerverwaltung und der Finanzverwaltung sind nämlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, die dafür garantieren, dass wir Steuergerechtigkeit umsetzen und gleichzeitig Einnahmen erzielen, die sonst der öffentlichen Hand verloren gingen. Deswegen gilt an dieser Stelle ganz be sonders: Der Ehrliche soll nicht der Dumme sein. Steuerge rechtigkeit setzt voraus, dass wir eine gut ausgestattete Fi nanzverwaltung haben, und das fordern wir von der Landes regierung von Baden-Württemberg ein.
Deswegen dreht sich die Diskussion über den Haushalt nicht nur um die Frage von Mehrausgaben oder Minderausgaben, sondern auch um die Frage, ob wir an der richtigen Stelle in vestieren. Uns allen ist klar – ich habe die Herausforderungen skizziert –: Es wird in diesem Land nicht so weitergehen wie bisher, nicht beim Klima, nicht bei der Umwelt, aber eben auch nicht bei der Wirtschaft, den Arbeitsplätzen und der Mo bilität. Es steht die größte Veränderung unserer Gesellschaft seit Jahrzehnten an. Diese Veränderung fordert uns alle, die Politik, aber vor allem auch die Menschen im Land. Wer be greift, dass wir alle der Staat sind, der merkt, dass jetzt auch der Staat und damit in unserem Land auch die Landesregie rung gefordert ist. Es ist klar, dass die Landesregierung und auch die Landespolitik in diesem Bereich nicht alles in der Hand haben, was weltpolitische Fragen und was die Weltkon junktur angeht.
Aber wir müssen eben alles tun, was in unserer Macht steht. Wir wissen auch, was wir tun können: Initiativen starten, Transformation stärken, Land, Bewohner, Arbeitnehmer und Firmen fit für die Zukunft machen, vor allem für Bildung und Infrastruktur, für Pflege, Mobilität und bezahlbaren Wohn raum sorgen. Leider finden sich in viel zu vielen dieser Berei che keine wirklichen Initiativen der Landesregierung, sondern an manchen Stellen nur Überschriften, aber keine wirklich tief greifenden Konzepte.
Der Ministerpräsident klagt – in Teilen zu Recht – über das „Klimapäckchen“ der Bundesregierung. Er muss sich dann aber auch anhören, dass diese Landesregierung trotz dringen dem Handlungsbedarf und trotz finanzieller Spielräume in dem vorliegenden Haushalt auch nur ein „Zukunftspäckchen“ schnürt. Für Transformation, für Bildung und für Digitalisie rung ist zu wenig da. Die Grünen setzen beim Haushalt eben keine Impulse. Es geht hier nicht vorwärts. Stattdessen ver nehme ich bei der Finanzministerin eher die Mentalität einer Kleinsparerin.
Wer die Transformation unserer Wirtschaft nicht begreifen kann, ist aus meiner Sicht nicht geeignet, ein Land ins nächs te Jahrzehnt zu führen. Wer behauptet, eine Landesregierung könne nicht viel mehr tun, um dieses Land fit für eine ande re, aber immer noch gute Zukunft zu machen, der redet nicht nur den Staat klein, der redet am Ende auch unser Land Ba den-Württemberg klein.
Wenn Baden-Württemberg eine Firma wäre, dann könnte man feststellen, dass diese Firma erfolgreich wurde, weil sie einst
nicht an Rücklagen dachte, sondern an eine Wasser- und Strom versorgung, an den Ausbau von Schienenwegen, an Telefon netze und Rundfunkempfang dachte, weil sie das Schul- und Bildungssystem weiterentwickelte, weil man in großem Stil neue Wohnungen baute, wenn sie nötig waren.
Wir haben nicht weiter das Wasser im Eimer aus der Quelle geholt, wir sind nicht weiter mit der Kutsche gefahren, und wir haben auch nicht weiter Brieftauben gebraucht, um zu kommunizieren, wir haben die Dampfmaschinen abgeschafft. Wenn wir das nicht getan hätten, hätten wir vielleicht aller hand Rücklagen, aber Baden-Württemberg wäre heute nur noch ein Freilichtmuseum.
Baden-Württemberg ist ein starkes Land. Das sorgt für den Rekordhaushalt und sorgt für eine starke Ausstattung auf fi nanzieller Seite. Aber mit dieser Stärke müssen wir auch die richtigen Akzente setzen. Wir müssen vor allem in die Men schen in diesem Land investieren, in Bildung und Bildungs chancen – darum unsere Forderung nach Kostenfreiheit. Wir brauchen Weiterbildung – deswegen unsere Forderung, dass Weiterbildung und Weiterqualifizierung durch den Staat, durch diese Landesregierung unterstützt werden müssen. Wir brauchen gegen den Wohnungsmangel einen intensiven Wohnungsbau, und diesen eben nicht nur durch private Investoren, sondern auch durch Wohnungsbaugesellschaften, die bezahlbaren Wohn raum schaffen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir brauchen in diesem Land, um die großen Herausforderungen bewältigen zu kön nen, endlich eine Politik, die handelt. Wir brauchen eine Re gierung, die die großen Initiativen entfaltet und nicht nur zu schaut. Die Regierung sagt, sie will das, die Kassenlage sagt, sie kann das. Warum handelt sie dann nicht?
Genau hier steckt das Grundproblem dieser Regierung. Die Grünen sind erst in den guten Zeiten der Bundesrepublik ent standen, mit dem Fokus auf die unbestrittenen ökologischen Schattenseiten dieser guten Zeiten. Dass wir ökonomisch an der Weltspitze stehen, schien immer fast wie ein Naturgesetz. Diese Vorstellung ist inzwischen weit verbreitet, aber sie ist falsch.
Die CDU wiederum hat spätestens in der Ära Kohl das gute Miteinander von Staat und Wirtschaft verlernt und meint, es sei konservativ, wenn sich der Staat auf wenige Aufgaben zu rückzieht und ansonsten von der Besuchertribüne aus dem Spiel der Märkte und der freien Wirtschaft zuschaut. Dass die ses Land auf die Vorstellung gegründet wurde, dass der Staat immer mitspielt, war einst auch jedem CDU-Mitglied klar. Heute gilt diese Idee als links. Dies war für uns Sozialdemo kraten schon immer ein schlechter Zustand. Jetzt droht das Ganze zu einem untragbaren Zustand zu werden; denn auf die ses Land kommen Herausforderungen zu, die wir alle – die Gesellschaft, die Wirtschaft und eben auch ein handlungsfä higer Staat – gemeinsam angehen müssen.
Gefragt ist deswegen ein Staat, der begreift, dass ihm seine Bürgerinnen und Bürger Geld an die Hand gegeben haben, das er in die Zukunft dieses Landes investieren muss, anstatt es aufs „Sparbüchle“ zu legen. Nachhaltiger Verkehr ist mehr als ein Strategiedialog mit den Chefs der Automobilfirmen. Es geht um öffentliche Verkehrsmittel, auch um Klima und
Umwelt für ein funktionierendes Land. Stau aus E-Mobilen bleibt ein Stau. Darum braucht es endlich eine Initialzündung zur Umsetzung einer echten Mobilitäts- und Verkehrswende.
Deswegen, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ist es wichtig, dass wir in diesen Standort Baden-Württemberg investieren, in die Menschen investieren. Das bedeutet einen Weiterbil dungsfonds für die Menschen, die heute arbeiten und morgen noch arbeiten wollen, und auch für die, die übermorgen arbei ten wollen; es bedeutet gleiche Bildungschancen von Anfang an.
Deswegen brauchen wir eine Initiative, mit der diese Landes regierung endlich handelt. Dazu zitiere ich den Literaturno belpreisträger des Jahres 2016, der Bob Dylan hieß. Herr Mi nisterpräsident, bei den katholischen Bischöfen haben Sie uns auch mit einem Bob-Dylan-Zitat und nicht mit einem Han nah-Arendt-Zitat beglückt. Bob Dylan hat ein bekanntes Lied geschrieben, das den Titel trägt „The Times They Are A-Chan gin’“. Mancher von Ihnen hat es noch im Ohr. Darin gibt es die berühmte Liedzeile: