Protocol of the Session on October 17, 2019

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Schwei ckert das Wort.

Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wenn in Sonntagsreden immer Dinge gefordert werden und gesagt wird, was man tun sollte, wenn gute Absichten ins Schaufenster gestellt werden und hinterher nichts passiert – vielleicht gar nicht, weil man nicht will, sondern weil es schwierig ist, weil wir durch verschiedene Zuständigkeiten komplexe Problemstellungen erhalten.

Die Frau Vizepräsidentin hat gestern Abend beim Schlacht fest der Handwerkskammer sehr deutlich gesagt, dass es ge rade in einer Zeit, in der es in der Weltwirtschaft schwieriger

wird, darum geht, darüber nachzudenken, wie man die Unter nehmen entlasten kann.

Wenn wir in die Medienlandschaft schauen, dann müssen wir feststellen, dass der Handelskonflikt zwischen den USA und China die Weltwirtschaft eintrübt, dass der IWF, der Interna tionale Währungsfonds, wie aus dessen Prognose vom letzten Dienstag hervorging, seine Wachstumsvorhersage für das Jahr 2019 – jetzt schon zum vierten Mal in Folge – auf nunmehr 3 % gesenkt hat. Auch für Deutschland wurden die Konjunk turprognosen leicht nach unten korrigiert.

Die Stimmung an den Märkten ist also aufgrund der wachsen den geopolitischen Spannungen eingetrübt. Auch das Thema Brexit ist noch lange nicht vom Tisch. Wir haben vorhin in der europapolitischen Debatte von den verschiedenen Frakti onen etwas dazu gehört. Diese Themen sind schwierig.

Auch der Klimawandel stellt insbesondere die von ihm be drohten Länder vor neue Herausforderungen, mit Folgen auch für die Wachstumsaussichten der Wirtschaft.

Wenn dann die Nachfrage nach „Made in Germany“ in der ersten Jahreshälfte geringer gewesen ist als erwartet, muss man schon einmal nachdenken.

Nachdenken sollte man auch über das, was die L-Bank in ih rem Konjunkturbericht von Oktober 2019 schreibt. Dort heißt es – ich zitiere –:

Konjunkturstimmung im Südwesten sinkt auf den tiefsten Stand seit der Finanzkrise

Der seit genau einem Jahr anhaltende Stimmungsabschwung in der baden-württembergischen Wirtschaft hat sich also fort gesetzt. Im dritten Quartal sank der Geschäftsklimaindex auf den tiefsten Stand seit 2010. Die Unternehmen im Südwesten beurteilen die gegenwärtige Lage also deutlich schlechter als noch im Sommer, im Juni. Der Index sank von 29 auf 18 Punkte, und die Geschäftserwartungen für die kommenden Monate liegen mit 13 Punkten klar im negativen Bereich. Das heißt, wir müssen von schlechter werdenden Geschäftsent wicklungen ausgehen.

Die Auftragsrückgänge sind auch bei den Unternehmen in Ih ren Wahlkreisen spürbar. Gerade beim Maschinenbau sieht es teilweise düster aus.

Jetzt ist die Frage: Welche politischen Impulse kann gerade in so einer Situation eine Landesregierung aussenden – ins besondere in einem Umfeld, das dadurch geprägt ist, dass das Arbeitsprogramm der Landesregierung zum Bürokratieabbau noch immer auf sich warten lässt, Frau Ministerin? Man könn te ja nun auch mal nach Berlin schauen und fragen: Was kommt denn von dort? Aber das auf Bundesebene angekün digte neue Bürokratieentlastungsgesetz ist zurzeit noch in der Expertenanhörung, und es wird absehbar nicht das halten kön nen, und zwar sowohl zeitlich als auch vom Inhalt her, was es verspricht.

Deswegen bin ich schon der Meinung: Wenn man jetzt über zehn Jahre hinweg der Wirtschaft immer wieder neue Steine in den Rucksack gepackt hat, die die Unternehmen tragen müssen, wenn sie ins internationale Rennen gehen, sollte man doch einmal überlegen, welche Dinge man hier vor Ort, im

Land Baden-Württemberg, tun kann. Meine Damen und Her ren, es gibt zwei Gesetze, bei denen man ansetzen kann, es gibt Themen, für die wir den Bund nicht brauchen – da müs sen Sie sich also nicht im Bundesrat irgendwie einsetzen; da sind ja auch die Kommunen nicht vertreten –; dort können Sie etwas tun. Und wenn man etwas tun kann, meine Damen und Herren, dann sollte man das auch tun.

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Carola Wol le AfD)

Ich möchte betonen – nicht, dass es hinterher wieder heißt, wir wollten ja schon seit jeher einfach nur abschaffen –: Wir haben am Anfang der Legislaturperiode aufgrund Ihrer Äuße rungen einen Kompromissvorschlag vorgelegt – da ging es beispielsweise um das Bildungszeitgesetz –, der hier im Haus aber keine Mehrheit bekommen hat. Denn wir waren der Mei nung, es braucht klare Regelungen. Wenn wir jetzt die Evalu ierung des Landestariftreue- und Mindestlohngesetzes sowie des Bildungszeitgesetzes – beide mehrere Hundert Seiten – auf dem Tisch haben, dann müssen wir uns anschauen, was da drinsteht, dann müssen wir uns anschauen, zu welchem Er gebnis die Gutachter kommen – noch einmal: es sind Gutach ter, die die Landesregierung selbst bestellt hat –,

(Abg. Carola Wolle AfD: Ja!)

und dann müssen wir schauen, inwieweit das Ganze dazu bei tragen kann, die baden-württembergische Industrie von Bü rokratie zu entlasten. Das ist unser Vorschlag. Da muss man nicht auf andere schielen, da kann man selbst etwas tun. Und dann könnte man Sonntagsreden auch an Donnerstagen hier im Parlament halten und könnte zu Ergebnissen gelangen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Carola Wol le AfD – Abg. Claus Paal CDU: Sie wollen es nicht anschauen, Sie wollen es abschaffen! – Unruhe)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich das Wort Herrn Abg. Schoch.

Sehr geehrte Frau Präsi dentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war natürlich schon etwas erstaunt, liebe Kollegen und liebe Kollegin von der FDP/DVP, über diesen Antrag. Denn dieser kommt zu einem Zeitpunkt, da uns die Evaluation gerade auf dem Tisch liegt. In dieser Evaluation werden im Übrigen nicht unbedingt die von Ihnen angeführ ten Konsequenzen gezogen.

Herr Dr. Schweickert, Bürokratieabbau muss natürlich auch Sinn machen. Zum Bürokratieabbau gehört Aufgabenkritik, und dazu gehört natürlich auch ein Abwägungsprozess. Dies werden wir in vernünftiger Weise diskutieren.

Wir hatten die Diskussion um das Tariftreue- und Mindest lohngesetz unter Berücksichtigung der Tariftreuegesetze der anderen Bundesländer sehr intensiv geführt. Wir haben das LTMG eingeführt, um den Wettbewerb nicht zulasten der Ar beitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu betreiben. Gerade vor dem Hintergrund der Möglichkeit, dass wir nun tatsächlich mit einem Abschwung in der Wirtschaft zu rechnen haben, ist es wichtig, dass solche Leitplanken geschaffen werden und dass die vorhandenen Leitplanken auch in der Zukunft Be stand haben, wie eben das Tariftreue- und Mindestlohngesetz.

Interessant in diesem Zusammenhang: Wenn man sich einmal die Stellungnahme des BDA zum Thema Bürokratieabbau an schaut, dann sieht man: Diese enthält 60 Vorschläge zum Bü rokratieabbau. Aber in keinem einzigen dieser 60 Vorschläge, die der BDA gemacht hat, kommt zum Ausdruck, dass das Ta riftreue- und Mindestlohngesetz oder auch das Bildungszeit gesetz entsprechend Probleme bereiten bzw. abgeschafft ge hören.

Wir, eine der die grün-schwarze Landesregierung tragenden Fraktionen, haben den Auftrag, in Baden-Württemberg gleich wertige Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen. Grüne und CDU haben 2016 den Koalitionsvertrag mit dem Titel „Baden-Württemberg gestalten: Verlässlich. Nachhaltig. In novativ.“ geschlossen. Hierzu gehört auch, Baden-Württem berg zu einem Musterland der guten Arbeit weiterzuentwi ckeln.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Stets haben wir die Verlässlichkeit nachhaltig und innovativ in den Mittelpunkt unserer Politik gestellt und wollen sie auch weiterhin in den Mittelpunkt stellen. Wir leben in einer Zeit gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungen. Die Globalisierung und die digitale Revolution, der demografi sche Wandel und der Fachkräftemangel haben großen Einfluss auf die Arbeitswelt. Diese Transformation benötigt Stabilität und Verlässlichkeit, die wir u. a. mit den Instrumenten des Ta riftreue- und Mindestlohngesetzes sowie mit dem Bildungs zeitgesetz geschaffen haben. Das haben sowohl Baden-Würt temberg als auch 13 andere Bundesländer, die ebenfalls sol che Gesetze haben, so gesehen. Daher kann das eigentlich gar nicht so schlecht sein, Herr Dr. Schweickert.

Die Schaffung solcher Rahmenbedingungen kann auch dazu beitragen – das habe ich vorhin schon verdeutlicht –, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt wird, insbesondere auch hinsichtlich der Problematik „Unternehmenswettbewerb und Arbeitnehmerrechte“.

Sehr geehrte Damen und Herren, auch die Evaluation des Ta riftreue- und Mindestlohngesetzes kommt zu dem Ergebnis, dass die Umsetzung des Gesetzes zur Tariftreue und zum Min destlohn weder den ausschreibenden Stellen noch den Betrie ben und Unternehmen Schwierigkeiten bereitet; die Anwen dung wird als verständlich und gut bewertet. Weiter wird fest gestellt, dass lediglich 10 % der Befragten Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Landestariftreue- und Mindestlohnge setzes haben.

Zudem wird von den Vergabestellen ein geringer bis mittlerer Mehraufwand in der Umsetzung des Landestariftreue- und Mindestlohngesetzes festgestellt. Rund die Hälfte der Unter nehmen beurteilen die Verständlichkeit und Anwendbarkeit des Landestariftreue- und Mindestlohngesetzes als „sehr gut“. Lediglich 4 % der befragten Unternehmen bekundeten Schwie rigkeiten im Bereich der Bereitstellung von Ressourcen und der Bearbeitung der neuen Anforderungen oder Berichte von Informationslücken.

Meine Damen und Herren, es ließen sich weitere positive Eva luationsergebnisse aufzählen. Im Ausschuss werden wir be stimmt noch sehr intensiv darüber diskutieren. Zusammenfas send kann jedoch festgestellt werden, dass das Gesetz insge

samt dazu beiträgt, gerade in der schriftlichen Festlegung und Verpflichtung, dass Mindest- und Tariflöhne von Auftragneh mern eingehalten werden. Daher haben wir es mit einem wich tigen Gesetz zu tun.

Ich denke also, die Diskussion im Ausschuss wird deutlich machen, dass wir dieses Gesetz – vielleicht mit der einen oder anderen Novellierung – für die Zukunft brauchen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Daniel Born SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Paal.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin und Kollegen der FDP, wir alle haben den Wunsch und Drang in uns, Dinge schnell voranzubringen. Dadurch besteht auch immer ein Stück weit die Gefahr, dass man einen vermeintlich einfachen Weg beschreitet. Sie versuchen das heute.

Wir Politiker wissen: Politik ist nicht einfach, auch wenn man che dies den Menschen weismachen wollen. Mit dem von Ih nen vorgelegten Gesetzentwurf zur Abschaffung des Landes tariftreue- und Mindestlohngesetzes und auch des Bildungs zeitgesetzes machen Sie es sich zu einfach. Wobei ich jetzt auch etwas verwirrt bin. Kollege Schweickert sprach gerade von Anschauen. Man muss nichts anschauen, wenn man es abschaffen will. Da haben Sie sich ja schon Ihre Meinung ge bildet.

(Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Die Themen Klimawandel, Brexit und Handelshemmnisse als Begründung heranzuziehen ist bei einer Nutzung des Bil dungszeitgesetzes von 1 % in Baden-Württemberg ein biss chen weit hergeholt.

Die politischen Impulse, die wir vielmehr setzen müssen – das werden Sie beim Haushalt erleben –, sind Innovation, Tech nologie, neue Mobilität, Wasserstofftechnologie, Batteriefor schung usw. Dort sind die Chancen, die wir ergreifen müssen. Da ist das Bildungszeitgesetz mit Sicherheit die falsche Bau stelle, liebe Kollegen der FDP.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Wirtschaftspolitik zu betreiben heißt nicht nur, Politik für die Wirtschaft zu machen, sondern vielmehr für die gesamte Ge sellschaft, also für die Wirtschaft und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Land. Die CDU-Landtagsfraktion hat alle im Blick. Die CDU als Volkspartei hat immer Gesprä che mit allen Seiten geführt, mit Arbeitnehmern, mit Unter nehmern, mit Gewerkschaftern, mit Arbeitgeberverbänden, mit Selbstständigen, mit Familienunternehmen, mit dem Mit telstand und auch – ganz wichtig – mit den Ehrenamtlichen, beispielsweise mit den Landfrauen. Das ist arbeitsreich und anspruchsvoll, aber es wird diesem Thema mit Sicherheit ge recht.

Danke, dass Sie in Ihrem Gesetzentwurf den Normenkontroll rat loben. Der Normenkontrollrat geht auf die Initiative der

CDU in den Koalitionsverhandlungen zurück. Bürokratieab bau war und ist uns wichtig. Deshalb danke ich Ihnen, dass Sie ihn loben.

Sie haben einen Ergebnisbericht des Normenkontrollrats aus dem Jahr 2018 vorliegen, den ich jedem nur zur Lektüre emp fehlen kann. Sie alle kennen den Bericht. Darin sind 51 Maß nahmen mit einem Einsparpotenzial in zweistelliger Millio nenhöhe aufgeführt.

Der Normenkontrollrat hat beide Gesetze, das Tariftreue- und Mindestlohngesetz sowie das Bildungszeitgesetz, angeschaut und auch Änderungen empfohlen, aber eine Empfehlung für eine Abschaffung kann ich dort nicht herauslesen.

(Beifall des Abg. Alexander Schoch GRÜNE – Abg. Alexander Schoch GRÜNE: Genau!)

Zum Bildungszeitgesetz: Beim Bildungszeitgesetz sind uns die Aspekte berufliche und betriebliche Weiterbildung und auch die Unterstützung des Ehrenamts viel zu wichtig, als dass wir dieses Gesetz einfach mit einem Wisch vom Tisch fegen werden. Wir befinden uns mitten in einem konjunkturellen Abschwung – Sie haben es erwähnt – und erleben eine Struk turveränderung in einer der wichtigsten Branchen unseres Landes. Hier ist und kommt viel in Bewegung. Viele neue Me thoden, Prozesse, Geschäftsfelder, auch Produkte aus dem Be reich Digitalisierung verlangen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine permanente Weiterbildung, und auch das ist natürlich im Sinne der Wirtschaft. Das Thema Weiterbildung hat dadurch in den letzten Jahren, seit das Gesetz eingeführt wurde, nochmals eine wesentlich größere Bedeutung erlangt. Weiterbildung ist ein zentraler Faktor, um den Erfolg unseres Landes auch in Zukunft sicherzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)