Protocol of the Session on October 17, 2019

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Lage der Haupt- und Werkreal schulen in unserem Land erfüllt uns Freie Demokraten mit großer Sorge. So hat sich die Zahl der Haupt- und Werkreal schulen in den vergangenen zehn Jahren von 1 176 im Schul jahr 2008/2009 auf nur noch 458 im Schuljahr 2018/2019 dra matisch reduziert. Ein Rückgang um über 61 % dieser in Ver gangenheit und Gegenwart sehr erfolgreichen Schulart muss alle Bildungspolitiker aufrütteln.

Für uns Freie Demokraten ist diese Entwicklung ein Alarm zeichen für das gegliederte und leistungsorientierte Schulwe sen in Baden-Württemberg. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um dieser Schulart eine stabile und verlässliche Zukunft zu sichern.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, es ist bezeichnend, dass Sie für diese Schulart keinen Applaus üb rig haben.

(Abg. Daniel Born SPD: Die CDU hat auch nicht ge klatscht! – Heiterkeit)

Die Ursachen für diese dramatische Entwicklung sind sicher nicht in einem einzigen Grund zu suchen. Richtig ist aber auch, dass es im Wesentlichen zwei politische Beschlüsse in diesem Hohen Haus waren, die die Haupt- und Werkrealschu len in eine existenzbedrohende Lage brachten.

Der erste Schlag gegen diese Schulart erfolgte mit der über stürzten und verheerend schlecht vorbereiteten Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung durch die da malige, grün-rote Landesregierung.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD)

Um ihr ideologisches Ziel der einen Schule für alle zu errei chen, erhoffte sich die grün-rote Koalition mit dieser Maßnah me, einen möglichst schnellen Niedergang der Haupt- und Werkrealschulen zu erreichen.

Den zweiten Schlag bedeutete die Einführung der regionalen Schulentwicklung, auch durch die damalige, grün-rote Lan desregierung. Entscheidender Inhalt dieses Schulschließungs beschleunigungsgesetzes war, dass eine weiterführende Schu le bei zweimaliger Unterschreitung der Mindestanmeldezahl 16 in zwei aufeinander folgenden Schuljahren nach dem Wil len der Landesregierung geschlossen werden musste.

Diese zwei politisch gewollten und durchgesetzten Maßnah men beförderten und beschleunigten das Sterben der Haupt- und Werkrealschule in erheblichem Maß.

(Unruhe)

Ja, das hören Sie von SPD und Grünen sicher nicht gern. Aber nur, weil Sie das nicht gern hören, kann ich es Ihnen zu liebe doch nicht verschweigen.

Die aktuelle Kultusministerin mit CDU-Parteibuch wies nun in einem Bericht der „Schwäbischen Zeitung“ vom 22. Juni dieses Jahres darauf hin, dass die Schülerzahlen an den Haupt- und Werkrealschulen mittlerweile im Laufe der Schuljahre er heblich steigen. Zum Schuljahr 2013/2014 seien 12 000 Schü ler in der fünften Klasse dieser Schulart gestartet, bis zur Klas se 9 im Schuljahr 2017/2018 sei die Schülerzahl aber dann auf knapp 17 500 gestiegen, was einer Steigerung von knapp 46 % entspricht. Angesichts dieser Entwicklung lasse die Kultus ministerin einen Gesetzentwurf zur Änderung des Schulge setzes ausarbeiten, durch den die Mindestschülerzahl 16 im Durchschnitt der Klassen 5 bis 9 ermittelt würde. Frau Kul tusministerin – auch wenn sie gerade im Moment nicht da ist –: Bravo!

(Zurufe der Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP und Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Der Applaus und die Zustimmung der FDP/DVP-Fraktion zu diesem Vorhaben sind Ihnen sicher. Denn für uns sind, wie bereits ausgeführt, die Haupt- und Werkrealschulen auch in Zukunft unverzichtbarer Bestandteil des gegliederten Schul wesens, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD)

Die Kultusministerin kann sich sicher sein: Wir Freien Demo kraten werden auch zukünftig alle Maßnahmen unterstützen und ihnen zustimmen, die geeignet sind, fundamentale Fehl entwicklungen der Vorgängerregierung im Bildungsbereich zu korrigieren, im Interesse der Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg.

Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen – es war ja zu befürch ten –: Die Regierungsfraktion des Ministerpräsidenten, die Grünen, hat das Vorhaben der Kultusministerin kurzerhand in die Tonne gehauen. In einem Bericht der „Stuttgarter Zeitung“ vom 4. Juli dieses Jahres stand zu lesen, dass die bildungspo litische Sprecherin der Grünen in einem Brief an die Kultus ministerin die ablehnende Haltung ihrer Fraktion gegenüber dem Gesetzesvorhaben der Kultusministerin erläuterte – Zi tat –:

Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Sandra Boser, meint, „die aktuell gültigen Richtlinien tragen da zu bei, stabile Standorte in der Fläche zu halten“. Sie ver weist auf die Schwierigkeiten in der Lehrerversorgung und sagt, „Personalengpässe können an stabilen Schulen besser ausgeglichen werden“.

Sie verteidigt die Regelung mit mindestens 16 Schülern in den Eingangsklassen als einen „wichtigen Baustein, damit die Qualität an Schulen gewährleistet werden kann“. Die Mindestgröße der Schulen trage auch dazu bei, die Wahlfreiheit bei den Profilfächern zu sichern.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Richtig!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Aussagen der Grünen überzeugen uns Freie Demokraten in keiner Weise. Angesichts der Bedeutung der Haupt- und Werkrealschulen für unser Bil dungssystem und angesichts der Entwicklung der Schülerzah len steht für unsere Fraktion der Erhalt der Haupt- und Werk realschulen ganz oben auf der bildungspolitischen Agenda.

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Carola Wolle AfD – Abg. Sandra Boser GRÜNE: Um jeden Preis! Lieber schlechtere Schulqualität im Land, als Struk turen zu verbessern!)

Deshalb legen wir heute einen Gesetzentwurf vor, der das An liegen der Kultusministerin aufgreift, um den Haupt- und Werkrealschulen wieder eine echte Zukunftsperspektive zu ermöglichen. Die Haupt- und Werkrealschulen sind unver zichtbar für dieses Land, weil sie unverzichtbar für die Schü lerinnen und Schüler in unserem Land sind.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Deshalb erwarten wir von der Kultusministerin auch: Kämp fen Sie für diese Schulart! Der Verlauf der heutigen Debatte wird zeigen, was der Kultusministerin bzw. dem Staatssekre tär und der CDU-Landtagsfraktion wichtiger ist: der Erhalt der Haupt- und Werkrealschulen und damit ein vielfältiges und leistungsorientiertes Schulsystem in Baden-Württemberg, oder der Machterhalt unter dem Pantoffel der grünen Land tagsfraktion.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Na ja!)

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich das Wort Frau Abg. Bogner-Unden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist Fakt: El tern schicken ihre Kinder nicht mehr auf die Haupt- und Werk realschulen.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Wenn es keine mehr gibt, können sie das ja auch nicht! – Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP: Auf die Gemeinschaftsschu len wollen auch nicht so viele, wie ihr es gern hättet!)

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht und wie es bei Ihren Kin dern ist.

Wir Grünen setzen uns schon immer für Qualität in der Bil dung, passgenaue Bildungsangebote und Bildungsgerechtig keit in der Fläche ein. Das ist nicht ideologisch; darauf haben alle Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern ein Recht.

(Beifall bei den Grünen)

Aus wissenschaftlichen Untersuchungen wissen wir, was Qua lität in der Bildung ausmacht. Es ist erstens die Fachlichkeit der Lehrkräfte, es ist zweitens eine ausreichende Wahlmög lichkeit zwischen den Fächern für die Schülerinnen und Schü ler, und drittens sind es ausreichend Lehrkräfte

(Abg. Stefan Räpple AfD: Das ist unbewiesen! Das Gegenteil ist der Fall!)

und eine sinnvolle Vertretung beim Ausfall einer Lehrkraft.

(Abg. Stefan Räpple AfD: Studien zeigen genau an deres!)

Jetzt habe ich Rederecht, Sie nicht. – Diese Qualitätsfakto ren sind an zu kleinen Schulen nur schwer realisierbar.

Die regionale Schulentwicklung dient nach § 30 a des Schul gesetzes – ich zitiere –

... der nachhaltigen Sicherung eines regional ausgewo genen, alle Bildungsabschlüsse umfassenden Bildungs angebots in zumutbarer Erreichbarkeit.

Die Regelung, dass Eingangsklassen mindestens 16 Schüle rinnen bzw. Schüler vorweisen müssen, ist deshalb ein wich tiger Baustein, damit die Schulen die Qualität gewährleisten können. Dies sieht übrigens auch Herr Brugger vom Bildungs dezernat des Städtetags so. Ich zitiere ihn:

Wir sehen keinen Änderungsbedarf. Die geltenden Be stimmungen haben sich bewährt.

(Beifall bei den Grünen)

Kleine Schulen brauchen erhebliche Ressourcen, die an ande ren Standorten fehlen. Deshalb scheint uns der Erhalt von Kleinstschulen beim derzeitigen Lehrkräftemangel unverant wortlich.

(Beifall bei den Grünen)

Ihre Bedenken, dass im ländlichen Raum kein passgenaues Bildungsangebot vorhanden sein könnte, entkräftet der § 30 b Absatz 2 des Schulgesetzes, der bereits heute Ausnahmerege lungen für kleinere Standorte zulässt, wenn Schulabschlüsse nicht in zumutbarer Nähe angeboten werden können. Außer dem können Schulträger regionale Schulentwicklungsmaß nahmen einleiten wie z. B. den Zusammenschluss von Schul standorten oder den Verbund von Schularten. Auch auf diese Weise können Härten vermieden werden.

(Beifall bei den Grünen)

Ihr Vorschlag geht davon aus, dass insbesondere in den Klas sen 6, 7 und 8 Schülerinnen und Schüler von den Realschu len auf die Haupt- und Werkrealschulen wechseln. Dieses kal kulierte Abschulen ist für mich pädagogisch untragbar. Es ist unverantwortlich gegenüber den Schülerinnen und Schülern sowie den dort unterrichtenden Kolleginnen und Kollegen,