Protocol of the Session on October 17, 2019

Mit der Ratifizierung des Staatsvertrags kommen wir unserer Verpflichtung nach, den Sportwettenmarkt in Deutschland ab schließend zu regulieren und so der fortschreitenden Erosion des Glücksspiels als Sonderordnungsrecht entgegenzuwirken. Ferner leisten wir hierdurch auch einen wichtigen Beitrag für den Erhalt des Lotteriemonopols. Wir sorgen für Fair Play nicht nur im Sport, sondern auch am Rande des Spielfelds.

Mit dem Dritten Glücksspieländerungsstaatsvertrag dürfen wir uns auf die Europameisterschaften und andere große Sport ereignisse freuen.

Dafür danke ich Ihnen sehr herzlich.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Meine Damen und Her ren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Zuerst hat das Wort Herr Abg. Frey für die Grünen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ich wette, dass es keine fünf Minuten dauert, Herr Kollege! – Vereinzelt Heiterkeit – Gegenruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Wie ist Ihr Einsatz, Herr Kollege Zimmer mann? – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Das ist il legal!)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen! Ich denke, wir sollten nicht zu illega len Glücksspielen aufrufen. Deswegen stimme ich den Aus führungen unseres geschätzten Staatssekretärs zu. Er hat noch einmal ausführlich die Erläuterungen vorgetragen, die Sie ja alle mit der Drucksache 16/6931 vorliegen haben.

Wir sichern damit ein rechtssicheres System der Sportwetten konzessionen für eine Übergangszeit. Es ist eine Politik der kleinen Schritte. Aber es ist auch richtig, die Konzessionie rungen von Sportwetten nicht an quantitative, sondern an qua litative Voraussetzungen zu knüpfen. Das ist eigentlich die er freuliche Botschaft in diesem Staatsvertrag.

Das bestehende System der Glücksspielregulierung muss aber über die heute diskutierte Änderung hinaus weiterentwickelt werden. Schließlich reden wir im Bereich Glücksspiel über 200 000 pathologische Glücksspielerinnen und Glücksspie ler, die nicht nur sich ins Unglück stürzen, sondern eben auch ganze Familien.

Eine zukünftige Regulierung muss bundeseinheitlich und dem EuGH-Urteil gemäß kohärent sein. Wir sollten es deswegen

vermeiden, dass weiterhin in manchen Bundesländern z. B. Onlineglücksspielangebote legal sind und im Rest der Repu blik nicht. Deswegen muss schon jetzt der Vierte Glücksspiel änderungsstaatsvertrag angegangen werden, damit wir hier rechtzeitig vor 2021 eine kohärente und praktikable Lösung haben. Aber im Augenblick war in den Verhandlungen mit 16 Bundesländern nicht mehr drin.

Wir müssen dann in einem weiteren Schritt – wenn ich hier etwas die Zukunft skizzieren darf – Flickenteppiche vermei den. Wir brauchen in Zeiten der Digitalisierung kein Online angebot, das in Kiel erlaubt und in Lörrach verboten ist, son dern hier müssen wir auch effektiv regulieren. Deswegen brauchen wir eine abgestimmte Regulierung in allen 16 Bun desländern. Genau für diese Aufgabe brauchen wir eine öf fentliche Behörde, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die sachlich und personell so ausgestattet sein muss, dass sie Ju gendschutz, Verbraucherschutz und Suchtprävention effektiv vollziehen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Angebote, die nicht lizenziert sind, sind illegal und müssen aktiv bekämpft werden können. Solch eine Behörde könnte eng mit der Finanzverwaltung zusammenarbeiten, um Zah lungswege zu kontrollieren, Geldwäsche und Steuerbetrug ef fektiv zu verfolgen.

Der Jahresumsatz im Onlineglücksspiel wurde von Professor Becker einmal mit 25 Milliarden € beziffert. Auf die Steuern und Abgaben, die darauf eigentlich anfallen würden, sollten wir nicht verzichten.

Die derzeitigen Regeln beim Onlineglücksspiel kann man nur für unbefriedigend halten. Jeder kennt die Fernsehwerbung für Angebote, die dann mit dem Zusatz versehen sind, dass die betreffenden Glücksspiele nur in Schleswig-Holstein ge spielt werden dürften. Aber ein solches Verbot geht an der Re alität vorbei. Wir müssen dem Schwarzmarkt endlich ein le gales, reguliertes und überwachtes Angebot entgegenstellen, das den Anforderungen des Jugendschutzes und der Suchtprä vention gerecht wird.

Durch eine spieleübergreifende Spielerkarte könnte man in Zukunft eine bundesweite Sperrdatei für suchtkranke Spiele rinnen und Spieler sowie natürlich auch für andere ermögli chen. So könnten sich diese schützen lassen, indem auch bun desweit registriert wird, wenn Spielerinnen und Spieler ge sperrt sind oder gesperrt werden.

Durch Verlustgrenzen und Spiellimits könnte die Spirale des immer höheren Verlusts aufgehalten werden.

Das sind nur einige Beispiele, die in Zukunft in den weiteren Verhandlungen eine Rolle spielen sollten.

Dem hier heute vorliegenden Staatsvertrag stimmen wir als kleinem Zwischenschritt hin zu einer effektiveren Glücks spielregulierung natürlich zu. Wir wünschen auch viel Erfolg bei den weiteren Beratungen für den hoffentlich bald abzu schließenden Vierten Glücksspieländerungsstaatsvertrag.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat jetzt Herr Kollege Gramling für die CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Politik und Gesellschaft müssen der Realität ins Auge blicken, der Realität der Digi talisierung, aber auch der Lebenswirklichkeit der Menschen. Dazu gehört selbstverständlich auch die Digitalisierung des Glücksspiels.

Mit dem Smartphone in der Tasche kann man heute überall online spielen und auch jegliches Angebot abrufen. Der Glücks spielstaatsvertrag war und ist in dieser Lebenswirklichkeit bis her noch nicht angekommen. Das hat dazu geführt, dass der Anteil nicht regulierter, also illegaler Glücksspielangebote, schon heute rund ein Viertel des gesamten Marktes ausmacht. Wenn man sich einmal vor Augen führt, wie hoch die Wachs tumsraten insbesondere im Onlinebereich sind, nämlich im zweistelligen Bereich, dann sieht man, dass das ein Thema ist, bei dem wir seitens der Politik nachsteuern müssen.

Deshalb war es auch zwingend notwendig, einen neuen Glücks spielstaatsvertrag auszuhandeln, in welchem alle Glücksspiel angebote reguliert werden und den Behörden die notwendi gen Kontroll- und Sanktionsmechanismen an die Hand gege ben werden. Das ist insbesondere auch mit Blick auf den Spie ler- und den Jugendschutz von enormer Bedeutung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bedaure, dass sich die Länder bislang nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen konnten. Jedoch ist der Dritte Glücksspieländerungsstaatsver trag ein wichtiger, wenn auch kleiner Schritt, weil er, sollten die Länder ihn ratifizieren, ab dem 1. Januar 2020 im Bereich der Sportwetten für Ordnung und Klarheit sorgen wird.

Es ist gut, dass das Modell der Experimentierphasen bei den Sportwetten weiterentwickelt und durch den Übergang zum Erlaubnisverfahren endlich Klarheit für die Anbieter und alle beteiligten Dritten geschaffen wird.

Den Glücksspielaufsichtsbehörden wird in diesem Bereich ein Weg für eine flächendeckende Untersagung eröffnet. Das ist ein wichtiger Beitrag gegen die fortschreitende Erosion des Ordnungsrechts beim Glücksspiel. Aus diesem Grund hat der Dritte Glücksspieländerungsstaatsvertrag aus meiner Sicht auch unsere absolute Unterstützung verdient.

Besonders wichtig ist mir aber, dass Sportwetten mit dem Dritten Glücksspieländerungsstaatsvertrag aus der Grauzone geholt werden. Die Fragen nach der Regulierung anderer An gebote wie z. B. in Onlinecasinos bleiben jedoch bis dato noch offen. Deswegen ist es umso wichtiger, dass der Flickentep pich geschlossen wird und dass dann beim Vierten Glücks spieländerungsstaatsvertrag der wirklich große Wurf gelingen kann.

Welche Ziele sollte Baden-Württemberg verfolgen? Vier Punk te sind mir und der CDU besonders wichtig: zum Ersten ganz klar die Beibehaltung des Lotteriemonopols, zum Zweiten die Einrichtung einer gemeinsamen bundesweiten Anstalt des öf fentlichen Rechts zur Glücksspielregulierung – am besten na türlich in dem Land, das es am besten kann, nämlich in Ba den-Württemberg –, zum Dritten eine regulierte Öffnung im Bereich des Onlineglücksspiels und zum Vierten im Sinne des

Spieler- und des Jugendschutzes eine bundesweite Sperrdatei mit spieleübergreifender Spielerkarte, Verlustgrenzen und ei ner klaren Werberegulierung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe zu Beginn meiner Rede bereits betont: Wir müssen auch im Bereich des Glücks spiels damit anfangen, die Lebenswirklichkeit anzuerkennen. Die Digitalisierung des Glücksspielmarkts macht auch bei uns in Baden-Württemberg nicht halt. Deswegen ist es natürlich auch wichtig, dass wir dafür sorgen, dass es eine Waffen gleichheit zwischen dem terrestrischen Glücksspielangebot und dem Angebot im Internet gibt. Hierzu verweise ich auf die eingangs erwähnten Wachstumsraten im Onlinebereich.

Es muss auch klar sein, dass alle Angebote bei uns nur dann erlaubt werden, wenn sie wirklich eine Lizenz haben, wenn sie qualitativ die Kriterien erfüllen und nicht nach quantitati ven Kriterien abgestraft werden. Da freue ich mich auf die weiteren Diskussionen mit Ihnen in den Ausschüssen und be danke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Herr Abg. Baron, bitte, für die AfD.

Oh, da hat jemand etwas liegen las sen.

(Der Redner legt einen noch auf dem Redepult lie genden Gesetzentwurf beiseite. – Zurufe, u. a.: Dann lies doch einfach das vor!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Her ren Abgeordnete! Im Glücksspielbereich haben wir es mit zwei verschiedenen Interessen zu tun, die miteinander in Ein klang gebracht werden müssen. Einerseits sind dies die Frei heit und die Selbstbestimmung der Bürger über ihr selbst er wirtschaftetes Einkommen, andererseits müssen wir diesen Gedanken der Freiheit und der Selbstbestimmung mit dem Suchtrisiko des Glücksspiels in Einklang bringen.

Im Jahr 2014 waren ca. 440 000 Menschen in Deutschland krankhaft spielsüchtig, und im Jahr 2016 betraf die Sucht im Segment der Sportwetten fast 13 % der Männer zwischen 18 und 20 Jahren. Zwar droht im Unterschied zur Tabaksucht kein früher Tod durch Krebs und andere Erkrankungen, aber die Familiendramen, die sich bei Spielsüchtigen ereignen, ge schehen im Stillen. Das Elend passiert im Dunkeln. Familien werden zerstört, Kinder verlieren ihre Väter, Haus und Hof werden verspielt.

Und dennoch, auch wenn wir dieses Suchtrisiko betrachten, müssen wir sagen: Weitere gesetzliche Einschränkungen sind für die AfD nicht immer das Gebot der Stunde. Dies sehen wir nicht nur aufgrund der genannten Prinzipien von Freiheit und Selbstbestimmung so. Vielmehr wirft ein zu stark reglemen tierter Markt zahlreiche andere Probleme auf, nicht zuletzt für die Süchtigen. Ich möchte einen Vergleich mit den möglichen und nachgewiesenen Auswirkungen der Alkoholprohibition ziehen. Auch mit dem Alkoholkonsum sind zahlreiche Risi ken verbunden, jedoch hätte ein Verbot überwiegend negati ve Folgen.

Denken Sie an die Situation in den USA in den Zwanziger jahren oder an die gegenwärtige im Iran. Kaum ein Bürger konsumiert wegen solcher Verbote weniger Alkohol. Vielmehr erlebt der illegale Schwarzhandel eine nie da gewesene Blü te, und kriminelle Banden bemächtigen sich des Marktes.

Wäre die Situation im Glücksspiel eine andere? Mitnichten. Immer mehr Spieler würden illegale Wettbüros aufsuchen, die schon jetzt wie Pilze aus dem Boden sprießen. Immer mehr Süchtige würden mittels Proxyservern in Deutschland illega le Portale im Internet nutzen, und immer mehr legal beschäf tigte Arbeitnehmer in der Glücksspielbranche würden in die Illegalität abrutschen. Niemandem wäre mit Verschärfungen geholfen. Vielmehr würde der Staat das Ausbreiten mafiöser Strukturen fördern und seine Kontrollfunktion einfach verlie ren.

(Beifall der Abg. Carola Wolle AfD)

Denn Illegalität lässt sich eben nicht reglementieren, sondern nur mittels schon längst überlasteter Polizei- und Justizres sourcen ermitteln, und während dieser Ermittlungen betreten die nächsten Schwarzmarktanbieter das Spielfeld.

Das staatliche Monopol war sicherlich auch kein Glücksgriff. Märkte funktionieren immer nur mit mehreren Bewerbern, und Kartellbildungen sind zu verhindern. Hierfür sind die rest lichen Landtagsfraktionen ein veritables Beispiel.

Die Art und Weise, in der das Monopol aus dem Weg geräumt wurde, erlangt allerdings sicherlich nicht unsere Zustimmung. Nicht die EU-Gerichte sollen über immer mehr Politikfelder entscheiden. Vielmehr muss der Austausch der Argumente in unseren Landesparlamenten wieder seine ursprüngliche Be deutung erlangen, wie wir es ja heute erleben.

Mit dem Gesetz zum Dritten Glücksspieländerungsstaatsver trag soll die sogenannte Experimentierphase bis zum Auslau fen des Glücksspielstaatsvertrags im Jahr 2021 verlängert wer den, zwar mit Konzessionsvergabe, aber ohne Kontingentie rung der Anbieter. Man kann sich den Ansturm der Spielean bieter leicht vorstellen. Natürlich muss all dies geordnet ver laufen, und hoffentlich wird nicht jeder Bewerber eine Kon zession erhalten.

Der Glücksspielstaatsvertrag gibt dem Gesundheitsschutz schließlich den Vorrang vor der Liberalisierung von Glücks spielangeboten. Eine konsequente und glaubhafte Erfüllung der staatlichen Suchtprävention muss gegeben sein. Auch in Schulen darf die Aufklärung nicht zu kurz kommen, da die meisten Süchtigen junge Erwachsene sind. Die reglementier ten legalen Angebote müssen zudem regelmäßig überprüft werden. Diese legalen Angebote muss es jedoch geben. Die Gründe habe ich bereits dargelegt.

Vielen Dank.