Protocol of the Session on October 16, 2019

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Heinrich Fiecht- ner [fraktionslos])

Es ist allerdings zu erkennen, dass Sie nach wie vor jede Ha kenkreuzschmiererei – auch an einem AfD-Büro –, wenn Sie den Täter nicht ermitteln können, automatisch dem Extremis mus von rechts zuordnen. So müssen Sie leider auch erken nen, dass es in den letzten Jahren von links null antisemiti sche Taten gab. – Das werden nicht einmal Sie selbst noch glauben.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Bereits in den Jahren 2002 und 2008, in wirtschaftlich schwie rigen Situationen, in rezessiven Phasen, trat der versteckte An tisemitismus in diesem Land hervor und suchten sich viel leicht abgehängt fühlende Menschen einen Schuldigen, einen Sündenbock. Dagegen müssen die Regierenden energisch vor gehen.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos] – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rül ke FDP/DVP: Möglichst aber auch die Opposition!)

Die etablierten Parteien – Ihre gehört ja dazu, Herr Rülke – hatten über Jahrzehnte hinweg, speziell ab den 1970er-Jahren, Zeit, die Juden in Deutschland vor Antisemitismus zu schüt zen und überhaupt Antisemitismus zu bekämpfen. Sie wollen doch nicht sagen, dass Sie damit erst 2013 hätten anfangen können. Sie haben aber in diesem Bereich kläglich versagt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Gesellschaftspolitische Themen wie Respekt, Anstand und To leranz gegen Andersdenkende und gegen Andersgläubige müssen Sie an die erste Stelle der Bildungspolitik stellen.

(Beifall des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD – Abg. Ca rola Wolle AfD: Ja, genau!)

Sie müssen einmal in den Spiegel schauen und sich selbst überprüfen, ob Sie diesen Ansprüchen gerecht werden.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Die Alternative für Deutschland hat heute einen Beschlussan trag eingebracht. Sie können nun beweisen, dass Sie gegen je de Art von Extremismus in diesem Land vorgehen wollen, dass Sie ihn bekämpfen

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Ganz genau!)

und nicht nur mit 120 € pro jüdischem Mitbürger in BadenWürttemberg präventive Maßnahmen einführen wollen.

Unterstützen Sie unseren Antrag. Stimmen Sie dafür.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Das Land Baden-Württemberg, dieser Landtag, hat im vergangenen Jahr einen Antisemitismusbe auftragten ernannt. Ich darf an dieser Stelle für meine Frakti on Herrn Dr. Blume für die hervorragende Arbeit in diesem Bereich, für die Sensibilisierung unserer Gesellschaft und für die vielen guten Vorschläge in seinem Bericht von Herzen danken. Herr Dr. Blume, ich kann Ihnen zusagen, dass der große Teil dieses Parlaments Ihre Empfehlungen sehr ernst nehmen wird.

(Beifall bei der SPD, den Grünen und der CDU so wie Abgeordneten der FDP/DVP)

Herr Abg. Stoch, lassen Sie ei ne Zwischenfrage der Frau Abg. Dr. Baum zu?

Nein, Frau Präsidentin. – Leider kann ich mich nicht darüber freuen, dass dieses Land BadenWürttemberg überhaupt einen Antisemitismusbeauftragten braucht.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Den brauchen wir auch nicht!)

Ich glaube, kein anständiger Mensch in diesem Land kann sich über diese Tatsache freuen. Wenn ich erlebe, wie brandaktu ell die Aufgaben eines solchen Beauftragten heute, fast 75 Jah re nach dem Ende der Nazizeit und der Menschheitskatastro phe der Judenverfolgung, sind, dann – das sage ich Ihnen ganz offen – wird mir kalt.

Dem Antisemitismus zu begegnen, sollte in unserem Land im 21. Jahrhundert Aufgabe für alle sein, und zwar im Sinne der Prävention, der Aufklärung, aber auch im Sinne der Begeg nung. Es sollte bedeuten, das Wissen um die Ungeheuerlich keiten des 20. Jahrhunderts wachzuhalten – ein Wissen, das uns niemals verloren gehen darf; denn daraus erwächst keine Schuld, aber daraus erwächst Verantwortung, liebe Kollegin nen und liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP)

Es sollte auch bedeuten, dass auch ein ganzes Menschenleben nach dem Ende des sogenannten Dritten Reiches weiter an ei nem Miteinander von Menschen jüdischen Glaubens und Menschen anderen Glaubens gearbeitet wird, aber auch an ei nem Miteinander zwischen unserem Land und dem Staat Is rael. Stattdessen erleben wir nun, im Herbst 2019, dass wir darüber nachdenken müssen, wie jüdische Gotteshäuser bes ser gegen mörderische Angriffe geschützt werden können. 81 Jahre nach der Reichspogromnacht müssen wir die Aufgabe in Angriff nehmen, Synagogen besser durch die Polizei zu schützen und ihre Türen zu panzern.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, dies ist eine Katastro phe! Dies ist eine Schande – und es bleibt auch eine Schande, wenn Antisemiten in deutschen Parteien eine Heimat oder zu mindest freundschaftliche Nachbarschaft finden. Dagegen müssen sich alle Anständigen in diesem Land wehren.

(Beifall bei der SPD, den Grünen, der CDU und der FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen,

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

der Bericht des Beauftragten gegen Antisemitismus – –

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Sie disqualifizieren sich selbst durch Ihre Zwischenrufe!

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bericht des Beauftrag ten gegen Antisemitismus ist auf traurige Weise hochaktuell geworden. Das Ereignis von Halle ist für uns alle ein Schock. Das Ereignis von Halle steht aber nicht allein, und die Dis kussion über die Frage, ob es sich um einen Einzeltäter han delt, führt in eine falsche Richtung. Denn es entsteht ein ge sellschaftliches Klima, ein gesellschaftlicher Sumpf, auf dem diese Taten gedeihen.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dürfen wir uns nicht mit einzelnen Taten allein beschäftigen, sondern müssen uns mit der Frage beschäftigen: Wie kann es zu sol chen Taten kommen? Wie konnte eine gesellschaftliche At mosphäre überhaupt entstehen, in der solche Angriffe denk bar und möglich sind?

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Das ist unsere Aufgabe, liebe Kolleginnen und liebe Kolle gen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Genau deswegen sollten wir zur Kenntnis nehmen, was vom Antisemitismusbeauftragten empfohlen wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Heiner Merz AfD)

Er macht nämlich sehr gute Vorschläge zu Prävention, zu Bil dung, zu Begegnung und Aufklärung. Das ist dringend, und wir sollten uns dies auch dringend zu Herzen nehmen. Beson ders dringend ist eine angemessene Reaktion auf alle Formen des Antisemitismus, also auch auf verbalen Antisemitismus, egal, aus welcher Richtung, auf Anfeindungen, auf Hassmails, auf unerträgliche Anspielungen in der politischen Kommuni kation.

Tatsächlich scheint eben nicht mehr selbstverständlich, was noch vor zwei Jahrzehnten in diesem Land selbstverständlich war, und das zeigt uns der Bericht deutlich: Die Aufklärung

über die Judenvernichtung lässt nach, die pädagogische Be gleitung ist oft veraltet und findet nur noch pro forma statt.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Welche Partei ist noch mal in der Bundesregierung? – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Wir brauchen dringend Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer. Wir brauchen Prävention und das Erleben von jüdi schem Leben heute. Es geht nicht nur um die Betrachtung der Vergangenheit, sondern wir brauchen aktuelle Bezüge,

(Abg. Stefan Räpple AfD: Wer regiert gerade?)

damit die Menschen verstehen, worum es geht –

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Wer ist gerade in der Bundesregierung?)

nämlich um ein Zusammenleben in Toleranz und Freiheit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe, als der An tisemitismusbeauftragte eingesetzt wurde, den irisch-briti schen Staatsphilosophen Edmund Burke zitiert: