Protocol of the Session on July 20, 2016

Sehr geehrter Herr Ministerprä sident, Ihre Botschaft hört’ ich wohl, allein, mir fehlt der Glau be. Wie vorher erwähnt, kann es durchaus hilfreich sein, ei nen Koalitionsvertrag zu konkretisieren. Die Kritik unserer seits bezog sich neben dem Inhalt vor allem auf die Art. Die Geheimhaltung dieses Dokuments belegt, dass man dem Bür ger etwas vorenthalten wollte. Da kann die Antwort eben nicht lauten: Das ist durchaus üblich.

Wenn wir die Bürger unseres Landes wieder für die Politik gewinnen wollen, müssen wir uns auch an deren Erwartun gen orientieren. Da muss man sich auch einmal stellen und offen und ehrlich sein. Es wäre wirklich schön, wenn es sich hierbei nur um politisch ungeschicktes Verhalten handelte und es nicht Ihre Absicht war, die Bürger zu umgehen, oder – noch schlimmer – wenn das bei Ihnen Methode hätte.

Wir hier in Stuttgart sollten genau wissen, was es verursacht, wenn man meint, Entscheidungen hinter verschlossenen Tü ren treffen zu können. Denken wir nur an Stuttgart 21. Unab hängig davon, wie man dieses Projekt beurteilt – und unge achtet dessen, dass es zum Schluss doch noch zu einer Ab stimmung kam –: Wer die Studie der Uni Göttingen dazu kennt, weiß, wie viele Menschen sich infolge dieses Entschei dungsprozesses von der Politik – auch heute finden immer noch Proteste gegen Stuttgart 21 statt –, von den Parteien und vom Parlamentarismus abgewandt haben. Nur weil es den da maligen Politikverantwortlichen zu mühsam war, die Bürger in ehrlicher und offener Weise mit einzubeziehen! Lieber hat man im Hinterzimmer geklüngelt und hat die Menschen über gangen.

Die Grünen sind einst angetreten, das zu ändern. Vielleicht er innern Sie sich einmal wieder daran: Wahrheit, Klarheit und Offenheit haben Sie zumindest noch 2010 skandiert, Herr Mi nisterpräsident.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Wir hoffen, Sie irgendwann einmal wieder daran messen zu können.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Schwarz das Wort.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Unseren Koalitionsvertrag und diese Nebenabsprachen, diese gemeinsamen Verständigungen, ha

ben wir mit dem klaren Bekenntnis abgeschlossen, für BadenWürttemberg Politik zu machen, die dieses Land jeden Tag ein bisschen besser macht, die dieses Land jeden Tag nach vorn bringt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

In den Nebenabsprachen finden Konkretisierungen zu unse ren gemeinsamen Vorhaben statt – sei es die innere Sicher heit, sei es eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur, sei es eine gesunde Natur, seien es starke Familien, seien es Inves titionen in die Digitalisierung. All das ist im Koalitionsver trag und in den Nebenabsprachen ausgeführt.

Die Nebenabreden sind eine Auslegungshilfe für den Koali tionsvertrag. Ich bin dem Herrn Ministerpräsidenten sehr dankbar, dass er hier im Hohen Hause noch einmal klar und deutlich gesagt hat, dass diese Nebenabsprachen eine Ausle gungshilfe – mehr nicht – darstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Die Nebenabsprachen sind ein Arbeitspapier.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Aha!)

Sie konkretisieren die Vorhaben, die wir im Koalitionsvertrag hinterlegt haben. Sie schaffen für diese Vorhaben die notwen dige Klarheit. Sie stellen eine erste Priorisierung dar. Sie stel len das dar, was zum Zeitpunkt der Koalitionsverhandlungen im April und im Mai dieses Jahres nach dem Wunsch der Ko alitionsfraktionen als Erstes angegangen werden muss. Daher schaffen diese Nebenabsprachen eine notwendige Orientie rung für zielgerichtetes Ausgestalten der Politik.

Dieses Arbeitspapier definiere ich als Leitplanken – Leitplan ken, innerhalb derer wir gemeinsam den Koalitionsvertrag hier im Landtag von Baden-Württemberg umsetzen wollen. Mit anderen Worten: Die Nebenabreden ermöglichen ein ge ordnetes, ein gutes Regieren. Sie sind nicht mehr und auch nicht weniger. Die Skandalisierung, meine Herren Kollegen Stoch und Rülke, die Sie heute an den Tag legen, lohnt nicht.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Widerspruch bei der SPD – Abg. Andreas Stoch SPD: Ach so? Ha ben Sie in den letzten Tagen einmal Zeitung gelesen?)

Ich kann für meine Fraktion ganz klar sagen – da beziehe ich auch meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Frakti on ein –: Wir sind keine Statisten. Wir sind keine Lemminge.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Bei diesem Vorwurf, den Sie in den Raum stellen, gehen Sie offenbar von Ihrer eigenen Fraktion aus oder blicken etwas zurück.

(Beifall bei den Grünen)

Oder hat Kollege Rülke noch die Zeit im Dezember 2010 im Kopf, wenn von Lemmingen und Statisten die Rede ist? Aber für die grüne Fraktion kann ich sagen: Wir sind ein selbstbe wusstes Parlament, eine selbstbewusste Fraktion, und auch

die CDU wird das für sich in Anspruch nehmen. Da bin ich mir sicher.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Machen Sie sich da keine Sorgen, Herr Stoch und Herr Rül ke. Ihre Skandalisierung lohnt sich gar nicht. Nehmen wir die zweite Start- und Landebahn. Ich weiß jetzt nicht mehr, ob es Herr Rülke oder Herr Stoch angesprochen hat.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Beide!)

Wir haben die zweite Start- und Landebahn tatsächlich in den Koalitionsverhandlungen diskutiert und haben dann festge stellt, dass es der Ministerpräsident Oettinger war, der dem Bau einer zweiten Start- und Landebahn eine Absage erteilt hat.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Deshalb ha ben Sie es übernommen?)

Deshalb waren wir uns innerhalb der Grünen und der CDU einig, dass wir an dem, was hier im Landtag stets Konsens war, festhalten.

(Unruhe)

Auch Herr Ministerpräsident Oettinger hat es immer wieder erneuert: keine zweite Start- und Landebahn. Daran wollen wir festhalten.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Warum ha ben Sie es dann nicht beraten? – Zuruf des Abg. An dreas Stoch SPD)

Dann überlegt man sich: Muss man einen solchen Punkt, der gar nicht wesentlich ist,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Genau!)

wo wir lediglich das, was hier immer wieder Konsens war, er neuert haben, muss man diesen Punkt in den Koalitionsver trag schreiben? Wir haben gesagt: Der ist nicht so wesentlich.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Also die un wesentlichen Sachen stehen im Koalitionsvertrag?)

Da sind wir uns sowieso einig. Er kommt also in eine Neben absprache. Es ist also eine weitere Konkretisierung unseres gemeinsamen Tuns. Es ist nicht mehr, aber auch nicht weni ger. Das ist kein Anlass, zu skandalisieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen)

Es gibt auch keinen Widerspruch, Herr Rülke. Auch im Be reich der Justiz gibt es keinen solchen Widerspruch. Es ist ja jetzt alles transparent gemacht worden.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Jetzt!)

Sie können es ja nachlesen, Herr Rülke, und zwar auf Seite 76 des Koalitionsvertrags und auf Seite 4 der Nebenabsprachen. Ich will es einfach noch einmal zitieren:

Die Zahl der Amtsgerichte und Landgerichte soll beibe halten werden, um eine bürgernahe, serviceorientierte Justiz auch in ländlichen Regionen sicherzustellen.

Und, Herr Rülke, ich lese auch den folgenden Satz vor:

Wo aus organisatorischen Gründen eine Umstrukturie rung zwingend notwendig erscheint, soll die Bürgernähe durch eine regelmäßige Zahl von Gerichtstagen aufrecht erhalten werden.

So weit das Zitat.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Dann lesen Sie mal die Nebenabreden!)

Schauen Sie jetzt nach, was wir in der Nebenabrede dazu for muliert haben – Zitat –:

Wir wollen die Struktur der Justiz bzw. Gerichte einer Prüfung unterziehen