Protocol of the Session on July 20, 2016

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, wer dann in einer Pres sekonferenz lapidar antwortet: „Ich mauschle schon immer“, der tritt dieses Ansehen, das er bei den Menschen genießt – mit Verlaub –, mit Füßen. Das ist ein schlechtes Signal für die Regierung.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der FDP/ DVP, der AfD und fraktionslosen Abgeordneten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich appelliere hier vor al lem an die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktio nen. Ich habe hier im Parlament im Jahr 2010 etwas erlebt, was ich so nie wieder erleben möchte. Wir hatten damals die Entscheidung über den Ankauf der EnBW-Anteile zu treffen, und wir haben als Oppositionsvertreter, und zwar Grüne und SPD, das Gefühl gehabt, dass hier eine Regierung – und zwar nur ganz wenige in dieser Regierung – Herrschaftswissen hat te und dass die Abgeordneten – so wurde es vorausgesetzt – wie die Lemminge hinterherlaufen.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ich habe an Sie zu ap pellieren: Der Auftrag Ihrer Wählerinnen und Wähler ist, dass Sie Ihre Verantwortung wahrnehmen. Das heißt nicht, dass Sie die Geheimniskrämerei aufseiten der Regierung guthei ßen, sondern das heißt, dass Sie die Rechte des Parlaments einfordern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der FDP/DVP, der AfD und den fraktionslosen Abgeordneten – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Unterirdischer Vergleich! – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Für die FDP/DVP-Frakti on erteile ich das Wort dem Fraktionsvorsitzenden Dr. Rülke.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, Sie ha ben hier am heutigen Tag gesagt, dass Sie Transparenz üben wollen, soweit sinnvoll. Das muss man einmal für einen Au genblick im Raum stehen lassen und sich überlegen, was da mit gemeint ist: „Transparenz, soweit sinnvoll“. Das kann doch nur heißen: Transparenz ist gut für die Sonntagsreden.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

Wenn man irgendwo im Land unterwegs ist, wenn man wohl klingende Regierungserklärungen ohne inhaltliche Substanz hält, dann wird von Transparenz geredet. Wenn es aber um Macht geht, wenn es um Regierungshandeln geht, dann ist Transparenz hinderlich und lästig, und dann beginnt die Ge heimniskrämerei.

(Beifall bei der FDP/DVP und fraktionslosen Abge ordneten – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los]: Genau!)

Das ist offensichtlich Ihr Politikbild, Herr Ministerpräsident. Nicht alles, Herr Ministerpräsident Kretschmann, was hinkt, ist ein Vergleich.

Der Vermittlungsausschuss, haben Sie gesagt, berät auch nicht öffentlich – so wie unsere geheimen Nebenabsprachen. Herr Ministerpräsident, ich habe aber noch nie etwas von einer ge heimen Absprache des Vermittlungsausschusses gehört, da von gehört, dass der Vermittlungsausschuss irgendetwas be schlossen hätte und dies dann geheim gehalten worden wäre und zu dem der Öffentlichkeit etwas anderes erzählt worden wäre. Also hören Sie doch auf, der Öffentlichkeit und auch den eigenen Fraktionen mit solchen Vergleichen Sand in die Augen zu streuen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Sie, Herr Ministerpräsident, sprachen von Konfliktvermei dung. Sie machen diese geheimen Nebenabsprachen, von de nen die Regierungsfraktionen nichts wissen, von denen Ihre Parteien nichts wissen, von denen die Öffentlichkeit nichts weiß, von denen die Medien nichts wissen, um Konflikte zu vermeiden. Wenn Sie Konflikte vermeiden wollen, warum ma chen Sie es dann geheim? Oder gehen Sie davon aus, wie es der Kollege Stoch formuliert hat, dass diese Regierungsfrak tionen alles absegnen, was Sie im Geheimen besprochen ha ben, dass die Konflikte, wenn das Ganze dann an die Öffent lichkeit kommt, nicht doch irgendwie ausgetragen werden müssen?

Vor allem – wenn Sie von Konfliktvermeidung sprechen –: Es hat ja am gestrigen Tag Sitzungen der Regierungsfraktionen gegeben. Herr Ministerpräsident, wurden Sie von allen Abge ordneten für das gelobt, was da gelaufen ist? Oder, Herr

Strobl, wie war es denn in der CDU-Fraktion? Haben da alle gesagt: „Super, Thomas, so muss man es machen“?

(Heiterkeit – Zurufe)

Ja, genau so war es. Wunderbar.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Wolfgang Rein hart CDU: Wir haben sogar gefeiert, Herr Kollege!)

Gefeiert wurde sogar. Das ist ja wunderbar. Also, wir hal ten fest:

(Abg. Andreas Stoch SPD: Die CDU ist wieder da, wo sie war!)

Wenn die CDU-Fraktion etwas nicht weiß und wenn der stell vertretende Ministerpräsident und Parteivorsitzende erklärt: „Das mache ich ohne euch, das geht euch nichts an, das braucht ihr nicht zu wissen“, dann wird er bei der nächsten Fraktionssitzung gefeiert.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP sowie Ab geordneten der AfD und fraktionslosen Abgeordne ten)

Das ist das Selbstverständnis der CDU-Fraktion.

Herr Schwarz, haben Sie den Ministerpräsidenten auch gefei ert? Wie war es bei den Grünen? Haben Sie gesagt: „Super, Winfried, so macht man Politik; das ist Transparenz; da krie gen wir von der Basis nur Lob, nachdem das Ganze jetzt öf fentlich geworden ist“? Sie können dazu ja nachher Ausfüh rungen machen. Auch in der grünen Fraktion herrschte wahr scheinlich große Begeisterung und haben alle gesagt: „Genau dafür haben unsere Wählerinnen und Wähler uns gewählt.“

(Beifall bei der FDP/DVP)

Oder war es vielleicht so, Herr Ministerpräsident und Herr Strobl, dass Sie irgendwann am Wochenende gesagt haben: „Jetzt müssen wir doch einmal die Fraktionen mit einbezie hen“, dann gemeinsam zur „Südwest Presse“ gegangen sind und dem Herrn Muschel das Blatt in die Hand gedrückt und gesagt haben: „Das kannst du jetzt veröffentlichen, denn wir müssen endlich Transparenz schaffen“? Das ist „professionel les“ Regierungshandeln. Ich gratuliere, meine Herren!

(Beifall bei der FDP/DVP und den fraktionslosen Ab geordneten)

Herr Ministerpräsident, Sie haben erklärt, sonst habe man die Konflikte bei jeder Haushaltsberatung. Auch dieses Verständ nis vom Parlament und von den Regierungsfraktionen muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

Wenn also der Haushalt auf der Tagesordnung steht, wenn man sich die Frage stellen muss, welche Projekte man in den anstehenden ein oder zwei Jahren vorhat, wie die Haushalts lage ist, beispielsweise die Steuereinnahmen, was möglich und was nicht möglich ist, dann ist man in der Tat im Kon flikt. Dann muss man darum ringen, einen Haushalt aufzustel len. Das ist Ihnen aber lästig. Vor allem ist es lästig, wenn dann möglicherweise noch Menschen mitreden, die sich Par lamentarier nennen.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: „Die sich Parla mentarier nennen“! Was meinen Sie mit Ihrem Satz? Was soll denn das?)

Deren Mitspracherecht kann man ja dadurch ausschalten, dass man eine Geheimabsprache trifft. Anschließend kann man den Fraktionen im Wege der Konfliktvermeidung sagen: „Freun de, freut euch, ihr seid ohne jeden Konflikt. Denn wir haben bereits geheim abgesprochen, was ihr zu beschließen habt.“ Das nennen Sie „Konfliktvermeidung“, Herr Ministerpräsi dent.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und fraktionslosen Abgeordneten)

Von „reinen innerkoalitionären Überlegungen“ haben Sie, Herr Ministerpräsident Kretschmann, gesprochen.

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Betrifft das nur Ihre Koalition, was Sie da abgesprochen ha ben? 700 Millionen € zusätzliche strukturelle Ausgaben, 2 Milliarden € Gesamtausgaben, ist das rein innerkoalitionär? Was ist denn das für ein Verständnis vom Land Baden-Würt temberg? Dieses Land ist doch nicht Ihr Eigentum! Da kön nen Sie doch nicht sagen: „Es ist ein rein innerkoalitionäres Thema, wie der Haushalt aussieht.“ Was für ein Verständnis haben Sie denn von unserem Bundesland Baden-Württem berg, Herr Ministerpräsident?

(Beifall bei der FDP/DVP, Abgeordneten der SPD und der AfD sowie fraktionslosen Abgeordneten)

Der Gipfel war ja das, was Sie sich im Zusammenhang mit dem Land Hessen geleistet haben.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

Das ist schon toll. Denn Sie haben ja nicht nur am gestrigen Tag behauptet, in Hessen gebe es auch Absprachen. Das hat heute der schwarz-grüne, hessische Regierungssprecher de mentiert – Ihre Partner. Sie haben sich vielmehr dazu verstie gen, noch zu sagen: „Die haben noch sehr viel mehr abgespro chen, noch sehr viel länger.“ Und dann stellen Sie sich ein fach hier hin und sagen: „Ich habe mich geirrt.... Ich muss das in Zukunft wirklich sorgfältiger machen.“

Wie kommt man denn zu einer solchen Aussage: „Wir haben 14 oder 17 Seiten Geheimabsprachen, und die Hessen haben noch mehr“, und hinterher haben Sie sich einfach geirrt? So etwas kann man doch als seriöser Politiker nicht einfach in den Raum stellen. So kann man auch nicht zwischen Bundes ländern zusammenarbeiten, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der FDP/DVP, der SPD und den frakti onslosen Abgeordneten sowie Abgeordneten der AfD)

Nein, Herr Ministerpräsident, Ihr heutiger Auftritt war alles andere als eine Sternstunde dieses Parlaments. Das hat man sogar beim Applaus Ihrer eigenen Fraktion gemerkt, Herr Mi nisterpräsident.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

Nicht von uns, von der Opposition, sondern in Ihren eigenen Reihen sei – ich habe es irgendwo gelesen – vom Fehlstart dieser Landesregierung die Rede gewesen. Das war nicht nur ein Fehlstart, Herr Ministerpräsident, das waren zwei oder drei. Bei der Leichtathletik wären Sie für das, was Sie sich hier geleistet haben, bereits disqualifiziert und aus dem Ren nen genommen worden.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der SPD, der AfD und fraktionslosen Abgeordneten)

Für die AfD-Fraktion er teile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Dr. Merz das Wort.

Sehr geehrter Herr Ministerprä sident, Ihre Botschaft hört’ ich wohl, allein, mir fehlt der Glau be. Wie vorher erwähnt, kann es durchaus hilfreich sein, ei nen Koalitionsvertrag zu konkretisieren. Die Kritik unserer seits bezog sich neben dem Inhalt vor allem auf die Art. Die Geheimhaltung dieses Dokuments belegt, dass man dem Bür ger etwas vorenthalten wollte. Da kann die Antwort eben nicht lauten: Das ist durchaus üblich.