Nach der Einbringung des Gesetzentwurfs hat ein intensiver Anhörungsprozess stattgefunden. Es war ein Dialog, der die sen Namen verdient. Wichtige und weiterführende Anregun gen haben wir nämlich aufgenommen.
Im Fokus der Diskussion standen die ambulant betreuten Wohngemeinschaften mit der Begrenzung auf acht Bewohne rinnen und Bewohner. Weil es Fragezeichen gab bei der Be grenzung, weil es Fragezeichen gab bei der Wirtschaftlich keit, haben alle Fraktionen – GRÜNE, SPD, CDU und FDP/ DVP – hierzu eine Änderung beantragt; diese wurde aufge nommen. Wir öffnen die ambulant betreuten Wohngemein schaften für bis zu zwölf Personen. Das steht so im Gesetz entwurf und verdient Zustimmung.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mit der ambulant be treuten Wohngemeinschaft schaffen wir eine Wohnform, die attraktiv ist für den ländlichen Raum, gerade für die kleine ren Gemeinden. Dort nämlich, wo das Potenzial für ein Pfle geheim nicht vorhanden ist, kann vor Ort eine ambulant be treute Wohngemeinschaft eingerichtet werden. Mit diesem
Gesetz stärken wir den ländlichen Raum, und das ist nicht ei ne Etikette, sondern wir tun etwas für die pflegebedürftigen Menschen und – dieser Begriff ist noch nicht gefallen – für die Familien. Wir stärken dieses Element.
Sehr geehrte Damen und Herren, für ein Ja zum Gesetz spricht ein ernst zu nehmender sozialer Grund: die zunehmende Ein samkeit und Vereinsamung im Alter. Die Wohngemeinschaf ten bieten neue Möglichkeiten für das Zusammenleben in ei ner Gemeinschaft, und sie führen heraus aus der Vereinzelung. Gerade um der älteren und alten Menschen willen verdient dieser Gesetzentwurf unsere Zustimmung.
Weiter bringt das Gesetz Planungssicherheit. Wer künftig als Initiator eine ambulant betreute Wohngemeinschaft anbieten möchte, hat verlässliche Grundlagen: 25 m2 Wohnraum pro Person und eine Präsenzkraft rund um die Uhr sind nötig. In den größeren Einheiten ab neun Personen ist – da gilt es ge nau zuzuhören – „in der Regel“ ein Einzelzimmer vorzusehen und zusätzlich für zwölf Stunden eine qualifizierte Präsenz kraft.
Mit diesen Bestimmungen setzt das Gesetz praxistaugliche Maßstäbe und eröffnet weitestgehende Gestaltungsmöglich keiten. Wirtschaftlichkeit für die Betreiber und Qualität für die Menschen lassen sich miteinander verbinden. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Risiko in puncto Qualität ein zugehen ist nicht gut; das ist mit uns, der SPD und den Grü nen, nicht zu machen. Die formulierten Bestimmungen sind richtig und gut. Wir wollen keine Berliner Verhältnisse.
Sehr geehrte Damen und Herren, an zwei Stellen werden sehr wichtige Dinge aufgenommen. Zum einen sind das die Ver besserungen bei der Prüfung von Einrichtungen. Dazu gehört alles, was unter das Schlagwort „Doppelprüfungen“ fällt. Wir alle kennen die Thematik. Das geplante Gesetz fordert die Be teiligten zur Zusammenarbeit auf. Es wird Modellprojekte ge ben mit dem Ziel der Vereinfachung, damit Bürokratie abge baut wird und mehr Zeit für die Pflege bleibt. Zum Zweiten brauchen wir eine Richtlinie für die Erstellung von Berichten der Heimaufsicht. Diese müssen einheitlicher werden und mehr Transparenz und Verbraucherschutz schaffen.
Das alles setzen wir mit diesem Gesetz um. Es ist nicht ange messen, den Blickwinkel auf die ambulant betreuten Wohn gemeinschaften zu verengen.
Was noch wichtig ist: Wir brauchen weiterhin die stationären Einrichtungen. Sie sind ein wichtiger Eckpfeiler für die Ver sorgung von pflegebedürftigen Menschen. Alle, die in diesen Heimen gute Arbeit leisten, verdienen höchste Anerkennung, Wertschätzung und unseren Dank.
Zum Schluss möchte ich all denen danken, die sich in den ver gangenen Monaten so engagiert in den Gesetzgebungsprozess eingebracht haben. Ein Dank geht an unsere Ministerin Kat rin Altpeter, die ein offenes Ohr hatte für alle Anliegen, die die Arbeit mit ihrem zuständigen Mitarbeiter im Ministerium,
Herrn Schmolz, wirklich gut umgesetzt hat, die Offenheit ge zeigt hat, sodass wir damit ein gutes Gesetz haben werden. Wir können diesem Gesetzentwurf zustimmen, weil es BadenWürttemberg in die Spitzenposition bei den Wahlmöglichkei ten der Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf bringt. Das Gesetz verdient unsere Zustimmung.
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Notwendigkeit des neuen Gesetzes für unterstützende Wohnformen, Teilha be und Pflege und zur Änderung des Landesverwaltungsge setzes ist für alle Fraktionen hier im Landtag von Baden-Würt temberg unbestritten. Es gibt aber zahlreiche Gründe, warum die FDP/DVP-Landtagsfraktion dem vorliegenden Gesetzent wurf heute nicht zustimmen kann. Diese will ich Ihnen erläu tern.
Bemerkenswert ist – diese Anmerkung sei mir an dieser Stel le gestattet, wenn wir im Gesamtzusammenhang über die Pfle gepolitik in Baden-Württemberg sprechen – das aktuelle Al tenpflegebarometer der Evangelischen Heimstiftung, das der Landesregierung, der Pflegepolitik im Land eine schlechte Note ausstellt. Das kommt nicht von der Opposition, sondern es kommt von einem Träger, der wesentliche Erfahrung in der Pflege in Baden-Württemberg einbringt.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist nach wie vor – ich habe das auch schon in der ersten Lesung gesagt – viel zu mutlos. Er hat viele Kritikpunkte nicht aufgegriffen, die man jetzt in der Anhörung auch noch einmal hätte diskutieren können. Wenn man sagt, wir hätten uns daran nicht beteiligt, darf ich daran erinnern, dass die FDP/DVP-Fraktion sehr frühzeitig 17 Änderungsvorschläge eingebracht hat. Wenn diese dann im Ausschuss in nur einer Stunde diskutiert werden sollen, ist das natürlich schwierig. Deswegen hatten wir uns entschie den, diese Änderungsvorschläge sehr frühzeitig einzubringen. Immerhin ist es gelungen, drei dieser Vorschläge so aufzuneh men, dass sie Eingang in den Gesetzentwurf gefunden haben.
(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das ist doch gar nicht schlecht für eine so kleine Partei! Und da stimmen Sie nicht zu?)
Es verbleiben trotzdem 14 Punkte, die ebenfalls wichtig sind und bei denen wir uns gewünscht hätten, dass sie aufgenom men werden.
Lassen Sie mich einige Punkte exemplarisch ausführen. Es wurde angesprochen, dass man die Zahl der Bewohner für die ambulant betreute Wohngemeinschaft von maximal acht auf maximal zwölf Personen angehoben hat. Jawohl, das ist rich tig. Das war auch eine der Forderungen. Sie haben dies aber nach dem Motto gemacht: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“, indem Sie die Hürden wieder so hoch gezo gen haben, dass es schwierig wird, solche Projekte umzuset zen. Frau Kollegin Mielich, es ist für die Heimaufsicht in der Regel natürlich alles andere als einfach, die Rechtsbestim mung entsprechend anzuwenden. Wir hätten uns gewünscht, dass man einfach gesagt hätte: Die Zahl der Plätze wird von
acht auf zwölf erhöht, ohne dass zusätzliche Anforderungen an die ambulant betreuten Wohngemeinschaften vorgesehen werden.
Wir hätten uns gewünscht, dass eine zusätzliche Flexibilität eingebaut wird, sodass auch Projekte im Bestand die Mög lichkeit gehabt hätten, in ambulant betreute Wohngemein schaften überzugehen. Mit den jetzt gemachten Auflagen wird es wahnsinnig schwierig. Das sollte man auch unter folgen dem Aspekt sehen: Wenn man auch vonseiten der Politik be klagt, dass die Pflege wirtschaftlich gesehen immer aufwen diger und teurer wird, dann sollte die Politik eigentlich einen Beitrag dazu leisten, dass man flexibler wird, dass es Mög lichkeiten gibt, diesen Entwicklungen gerade hier entgegen zutreten. Das haben Sie mit den Auflagen eben nicht gemacht. Damit werden viele mögliche Projekte aus dem Bestand lei der von vornherein nicht möglich sein.
Warum dürfen sich nur zwei Wohngemeinschaften desselben Anbieters in unmittelbarer Nähe ansiedeln? Das ist eine Re gelung, die sich uns nicht erschließt. Warum gibt es nur Ab weichungsmöglichkeiten bei ambulant betreuten Wohnge meinschaften von Menschen mit psychischen Einschränkun gen? Auch das erschließt sich uns nicht.
Unser Vorschlag, die gemeinsamen Prüftätigkeiten des MDK und der Heimaufsicht vor Ort zu kanalisieren, wurde leider nicht aufgenommen. Sie wissen, wie viel Aufwand durch die Doppelprüfungen entsteht. Mit der Regelung, die Sie vorge sehen haben – das hat auch die Liga noch einmal angespro chen –, schaffen Sie Unklarheiten im Bereich der Eingliede rungshilfe.
Die Erprobungsregelungen, die Sie im Gesetz vorsehen, ha ben Sie auf vier Jahre befristet. Demjenigen, der eine neue Idee hat, eine neue Wohnform umsetzen will – die Heimauf sicht sagt sogar: „Ja, das können wir probieren“ –, wünsche ich viel Spaß bei der Finanzierung, wenn er der Bank sagt: „Das ist aber nur für vier Jahre gesichert.“ Ich kann mir nicht vorstellen, wie das funktioniert. Vielleicht haben Sie da bes sere Ansätze.
Schade, dass Sie die Projekte im Bestand unter eine Käseglo cke stellen und nicht zulassen, dass Projekte, die so gemacht werden sollen wie diejenigen, die jetzt unter Bestandsschutz gestellt werden, in ähnlicher Form realisiert werden können.
und es wird nicht die Impulse bringen, die wir in Baden-Würt temberg mit diesem Gesetz setzen könnten. Der Kollege Kunzmann hat es zum Ausdruck gebracht, und ich setze eben falls darauf: Die Enquetekommission „Pflege“ wird die Din ge nachholen, die Sie jetzt versäumt haben.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute in zweiter Lesung den Entwurf des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes. Lassen Sie mich zu nächst feststellen: Wir haben in Baden-Württemberg die bes te pflegerische Infrastruktur bundesweit.
Dazu nur zwei Beispiele: Wir haben moderne, wohnortnahe Pflegeheime, die sich in den nächsten Jahren noch weiterent wickeln werden zu Hausgemeinschaftskonzepten mit Einzel zimmern, mit kleinen Wohngruppen und mit größtmöglicher Normalität. Wir haben im ambulanten Bereich mit über 700 Betreuungsangeboten die bundesweit intensivste Einbindung von ehrenamtlichen Strukturen zur Entlastung der häuslichen Pflege. Diese Betreuungsangebote fördern wir mit über 2 Mil lionen € im Jahr weiter intensiv.
Mit dem WTPG werden wir unsere guten Strukturen weiter entwickeln und das Heimrecht an die neuen gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen. Denn die Menschen wollen bei al len Wohnformen ein Höchstmaß an Häuslichkeit, an Norma lität und an Privatheit.
Im alten Heimrecht gab es als Alternativen nur Heim oder ei gene Häuslichkeit. Mit dem Wohn-, Teilhabe- und Pflegege setz gehen wir hier einen völlig neuen Weg. Denn wir ermög lichen zwischen den beiden Polen „eigene Häuslichkeit“ und Heim eine große Vielzahl von neuen Wohnangeboten.
Allerdings schert das WTPG – das war und ist unser Anspruch und wird unser Anspruch sein – die neuen Wohnangebote nicht einfach alle über einen Kamm. Deshalb ist die Schutz funktion der Heimaufsicht im neuen Recht nicht mehr starr, sondern flexibel und abgestuft geregelt. Vereinfacht gespro chen: Je weniger ein Mensch dazu in der Lage ist, seine An gelegenheiten selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu re geln, umso größer ist sein Schutzbedarf, umso mehr ist die Heimaufsicht gefordert, diesen Schutz zu gewährleisten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Privatheit und Nor malität erfordern kleinräumige Wohnformen. Wir haben des halb in dieser Weise als erstes Bundesland die ambulant be treuten Wohngemeinschaften konzipiert, die unter der Verant wortung eines Anbieters stehen. Denn die Menschen, die sich für eine solche Wohngemeinschaft entscheiden, möchten ge rade nicht in der Institution leben, sondern sie bevorzugen ein familiäres Wohnumfeld, in dem sie ihr Leben und die tägli chen Abläufe teilweise selbst bestimmen können. Gleichzei tig sichert ein Anbieter ihre Versorgung und übernimmt die Organisation der Wohngemeinschaften.
Mit der Wohngemeinschaft für bis zu acht Personen beschrei ten wir bewusst einen neuen Weg, um die gemeinschaftliche Versorgung eng an der eigenen Häuslichkeit auszurichten. Deshalb orientieren wir uns bei den Anforderungen auch nicht an den stationären Wohnformen, sondern am Leben wie zu Hause, an einer privaten Wohnatmosphäre mit überschauba ren Alltagsabläufen.
Dieser Ansatz ist in der Tat neu, auch konzeptionell neu. Wir kennen ihn in der Bundesrepublik so noch nicht. Deshalb ha ben wir auch für die ambulant betreuten Wohngemeinschaf ten nur wenige, einfach zu erfüllende Vorgaben gemacht. Die Bewohnerinnen und Bewohner müssen ihre Pflegeleistungen frei wählen können, es muss eine Präsenzkraft anwesend sein, in der Wohnung müssen insgesamt 25 m2 pro Person zur Ver fügung stehen, und die Wohngemeinschaft darf nicht mehr als acht Personen umfassen.
Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass dieser eng an der Häuslichkeit angelegte Weg von Wohngemeinschaften mit bis zu acht Personen der Weg der Zukunft ist. Entgegen manchen – teilweise schrillen – Unkenrufen belegen die Kal kulationen, dass sich eine solche WG auch wirtschaftlich rech nen kann, und zwar bei Eigenanteilen, die mit den Zuzahlun gen im Pflegeheim durchaus vergleichbar sind.
Allerdings hat sich in der Diskussion über die Größe der Wohngemeinschaften gezeigt, dass noch nicht alle in ihrem Denken schon so weit sind, sich vom stationären Kleinstheim zu entfernen. Um auch diesen Anbietern gerecht zu werden und auch um für die Umstellung etwas Zeit zu lassen, lassen wir zusätzlich Wohngemeinschaften mit bis zu zwölf Bewoh nerinnen und Bewohnern zu, die sich an stationären Konzep ten orientieren. Aber – das sage ich sehr bewusst – auch in solchen Wohngemeinschaften müssen Privatheit, Häuslich keit und Sicherheit der Betroffenen gewährleistet werden.
Dem muss über die baulichen Anforderungen Rechnung ge tragen werden. Das heißt in der Regel: Einzelzimmer, entspre chende Sanitäreinrichtungen. Es muss auch der zusätzliche Einsatz einer weiteren qualifizierten Präsenzkraft gewährleis tet sein.