Ich frage, ob das besonders mutig ist. Sie sagen, dass wir das große Glück hätten, dass die Lei tungen in Philippsburg enden;
Baden-Württemberg sei also kaum davon betroffen. Ist es mu tig, wenn wir den Strom aus Norddeutschland erhalten, zu äu ßern: „Gott sei Dank haben wir mit dem Widerstand nichts zu tun“?
heit. Mich hat vorhin die Aussage gewundert, wir würden uns nicht um dieses Thema kümmern. Heute Nachmittag gibt es im Bundeswirtschaftsministerium einen Termin, an dem Bay ern und Baden-Württemberg in Person der beiden für Ener giepolitik verantwortlichen Minister, Vertreter der Netzbetrei ber und der zuständige Staatssekretär des Bundeswirtschafts ministeriums teilnehmen werden. Dabei geht es um die Fra ge der Versorgungssicherheit in Süddeutschland.
Ich bin zuversichtlich, dass wir hier wieder einen Schritt wei terkommen. Warum? Aktuell und auch in den nächsten Jah ren besteht kein Versorgungssicherheitsproblem. Darüber bin ich mir auch mit den Spitzenvertretern der Industrie in BadenWürttemberg einig. Dazu hat mein Haus einen Monitoringbe richt vorgelegt, der mit den Spitzen des LVI, der IHKs, des VCI und anderen diskutiert wurde. Demnach besteht hier in den nächsten Jahren kein Problem. Aber wenn Philippsburg 2 im Jahr 2019, Neckarwestheim II im Jahr 2022 und die bay erischen Anlagen vom Netz gehen, werden wir 2020 – Zubau und Abbau betrachtet – in Süddeutschland ein Delta von et wa 7 200 MW haben.
Dann geht es um die Frage: Wie schaffen wir in Süddeutsch land neue Kapazitäten, seien es flexible Gaskraftwerke, seien es Speicher oder vielleicht auch als kostengünstigste Möglich keit abschaltbare Lasten?
Wir haben in einem Gutachten nachgewiesen, dass Bayern und Baden-Württemberg zusammen theoretisch rund 830 MW an im Zweistundenbereich abschaltbaren Lasten hätten.
Wie bekommen wir die Kapazitäten in den Markt? Ich habe dazu, wie Sie vielleicht wissen, vor zwei Jahren schon einen Vorschlag gemacht – Stichwort „Fokussierter Kapazitäts markt“. Darüber wird heute Mittag, denke ich, auch diskutiert werden. Im Kern geht es darum, dass wir in diesem und im nächsten Jahr eine Debatte über die Frage brauchen: Wie sieht das Strommarktdesign für das Jahr 2020 und die darauffol genden Jahre aus? Denn hinsichtlich der Kapazitäten, die wir brauchen, um mittelfristig die Versorgungssicherheit in Süd deutschland zu gewährleisten, müssen wir Planungszeiten, Genehmigungszeiten und Bauzeiten berücksichtigen. Deshalb ist es notwendig, dass wir bis 2015 eine Entscheidung darü ber herbeiführen: Wie sehen die Rahmenbedingungen aus? Können sich diejenigen, die die Kapazitäten schaffen, darauf einrichten?
Bei dem heutigen Marktdesign wird kein Zubau erfolgen. Be standsanlagen, die abgeschrieben sind, werden abgeschaltet; aber niemand baut neue Anlagen. Deswegen ist es gut und richtig, dass es auf Anregung des Vorstandsvorsitzenden der EnBW zu diesem Termin heute Mittag in Berlin kommt.
Zu den Leitungen: Herr Kollege Stächele, Sie müssen Folgen des sehen: Es gibt einen Bundesbedarfsplan; dieser gilt wie ein Gesetz. Der Bundesbedarfsplan ist mit dem Bundesbe darfsplangesetz im Bundestag und im Bundesrat verabschie det worden. In diesem Bundesbedarfsplan sind mehr als 50 Projekte, die im Bereich der Übertragungsnetze relevant sind, festgeschrieben.
Übrigens muss man nicht fordern, dass der Bund für die Um setzung zuständig sein soll; denn er ist es schon. Es war aus drücklicher Wunsch des Bundes, dass die Bundesnetzagentur für die länderübergreifenden Projekte bei Raumordnungsver fahren und Planfeststellungsverfahren zuständig ist. Auch da rüber hat man heute Morgen manches gehört, was mit der Re alität nichts zu tun hat.
Im Bundesrat, Herr Kollege Stächele, hat das Land BadenWürttemberg ebenso wie das Land Bayern diesem Bundesbe darfsplangesetz zugestimmt. Aber dass wir anschließend sa gen: „Das, was im Bundesbedarfsplan steht, bekämpfen wir; wir fordern ein Moratorium“ – das macht Bayern –, das wer den Sie von uns nicht erleben.
Wer so etwas macht, gefährdet mittelfristig die Versorgungs sicherheit in Süddeutschland, in diesen wichtigen Industrie regionen.
Wenn ich das gemacht hätte, dann hätten mich die Oppositi on und die Industrie hier im Land an die Wand genagelt.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Abg. Willi Stächele CDU meldet sich.)
Ach so. Zur Aussage zu den Leitungen, die im Norden en den, die Sie angesprochen haben, sage ich noch einen Satz. Es ist nun einmal so – da haben Sie mich falsch verstanden –, dass diese großen Projekte, die Gleichstromtrassen, in Phil ippsburg bzw. nördlich von Neckarwestheim, in Großgartach, enden. Das habe ich damit gemeint. Das heißt, ein Großteil des Landes südlich davon ist von diesen beiden Großprojek ten, von den Gleichstromtrassen, nicht betroffen.
Nichtsdestotrotz nehmen wir dieses Thema sehr ernst. Wir ha ben beispielsweise vor drei Wochen einen Netzkongress ver anstaltet, auf dem wir noch einmal die Bedeutung deutlich ge macht haben, mit dem wir aber auch die Ängste der Bürgerin nen und Bürger in diesen Regionen sehr ernst genommen ha ben. Die Gleichstromtrassen sind Großprojekte. Dabei geht es auch um Eingriffe in die Landschaft und die Natur. Es ist notwendig, dass man sehr frühzeitig – auch wenn der genaue Trassenverlauf noch nicht bekannt ist; an diesem Punkt ste hen wir noch immer – mit den Betroffenen in den jeweiligen Regionen in die Diskussion kommt. Das ist in erster Linie ei ne Aufgabe der Netzbetreiber – bei uns z. B. von TransnetBW –, aber wir sehen es auch als eine Aufgabe der Landesregie rung an, hier unterstützend und gemeinsam mit dem Netzbe
Mit zwei Zahlen möchte ich dies noch einmal verdeutlichen: Der Verbrauch in Baden-Württemberg liegt bei jährlich 79 Milliarden kWh. Die Erzeugung liegt aber bei 59 Milliar den kWh. Das zeigt, wie notwendig es ist, dass wir – zusätz lich zum Ausbau der erneuerbaren Energien und anderer Ka pazitäten in Baden-Württemberg – den Netzausbau von Nord nach Süd vorantreiben. Hier stehe ich hinter dem Bundesbe darfsplan.
Die Frage war noch nicht beant wortet. Vielleicht haben Sie das übersehen. Sie sagen, die Aus sage, dass Fessenheim am Netz bleibe, werde wohl stimmen.
Nein, das kann ich nicht erkennen. Ich habe die se Aussage auch in der „Welt“ gelesen. Wir brauchen Fessen heim nicht, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Es interessiert uns schon, ob die Landesregierung der Auffassung sein könnte, dass Fessenheim bestehen bleiben muss, um Versorgungssicherheit zu gewähr leisten.
„Ein Vorteil ist“ – ich zitiere Ihre Aussage sinngemäß –, „dass die beiden großen Trassen in Phi lippsburg und bei Neckarwestheim enden und daher nur kur ze Strecken in Baden-Württemberg ausmachen.“ Das ist eine Aussage, die vor allem die Länder begeistert, die den Strom transport zu uns über längere Distanzen hinweg ertragen müs sen.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen Punkt ansprechen, nämlich das Thema Eigenverbrauch. Vorhin wurde dargestellt, wie die Regelung im Bereich der Industrie ist: Sowohl die In dustrie, die unter die Besondere Ausgleichsregelung fällt, als auch die sonstige produzierende Industrie werden mit 15 % belastet, während Gewerbe, Handel, Dienstleistungen, also das Handwerk, Supermärkte, Logistikunternehmen usw., die Fotovoltaikanlagen auf dem Dach installieren lassen, beim Ei genverbrauch zukünftig mit 50 % der EEG-Umlage belastet werden; das sind etwa 3,1 Cent pro Kilowattstunde.
Wir haben die Befürchtung – das ist nicht aus der Luft gegrif fen –, dass, wenn man dies so belässt, weite Teile des Foto voltaikausbaus zum Eigenverbrauch im Bereich Gewerbe, Handel, Dienstleistungen zum Erliegen kommen. Der Eigen verbrauch bietet jedoch aus mehreren Gründen Vorteile: Wir entlasten damit die Netze. Das ist auch ein Beitrag zur Ener giewende. Deswegen wäre uns daran gelegen, in den weite ren, noch stattfindenden Gesprächen über diesen Punkt, also über die Frage der 50-%-Belastung im Bereich Gewerbe, Han del, Dienstleistungen, nochmals zu sprechen.
Um es einmal auf den Punkt zu bringen: Es kann doch nicht sein, dass die Industrie unabhängig von der Art des Eigenver brauchs – beispielsweise durch den Kauf einer Kraftwerks scheibe, die ja durchaus mit CO2 -Belastung zu tun haben kann – mit 15 % belastet wird, während jemand, der sich für erneu erbare Energien, beispielsweise für KWK, entscheidet, mit 50 % belastet wird. Deswegen ist es uns ein Anliegen, und wir werden auch alles daransetzen, im weiteren Verfahren in die sem Punkt – ebenso wie bei der Stichtagsregelung – noch zu Verbesserungen zu kommen.