Es wird höchste Zeit, sich der Frage zu stellen, wie man die Energiewende hinbekommt, bis sich das Zeitfenster im Jahr 2022 schließt. Denn es ist absehbar, meine Damen und Her ren: Wenn das, was jetzt auf Bundesebene geschieht, so wei tergeht, werden wir in absehbarer Zeit wieder über die Lauf zeitverlängerung für Atomkraftwerke diskutieren oder über die Frage, wie wir Atomstrom aus dem Ausland importieren.
Es ist fünf vor zwölf, meine Damen und Herren. Da können Sie schreien, so laut Sie wollen. Es führt kein Weg daran vor bei, dass einschneidende Maßnahmen notwendig sind.
Dazu zählt ganz sicherlich aber nicht das, was uns der Minis terpräsident heute hier vorgestellt hat.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Mäßiger Beifall!)
Ein deutscher Durchschnittshaushalt mit einem Jahresver brauch an Strom von 3 500 kWh hat hierfür im Jahr 1998 49,90 € im Monat für Energie aufgewendet; im Jahr 2013 wa ren es 83,13 €. Meine Damen und Herren, die Energiewende, wie sie jetzt verläuft, wird zur sozialen Frage in diesem Land.
Ihr Parteifreund, ein gewisser Herr Trittin – Sie wollen diesen Namen vielleicht nicht mehr hören –,
hat im Jahr 2004 erklärt, die Förderung der erneuerbaren Ener gien koste den deutschen Durchschnittshaushalt nicht mehr als eine Kugel Eis. Das muss aber teures Eis sein, das Herr Trittin da im Auge hat.
Herr Ministerpräsident, was Sie da in der letzten Woche aus verhandelt haben, führt in keiner Weise weiter. Das ist die Be kämpfung eines Großbrands mit der Spritzpistole. Sie erklä ren zunächst wortreich, dass das, was am Dienstag ausverhan delt wurde, der Gesetzentwurf – –
Sie sagen, für Industrieunternehmen des produzierenden Ge werbes würden Sonderregelungen vorgesehen. Sie führen wortreich aus, dass Sie das für falsch halten. Ich habe die Fra ge an Sie, Herr Ministerpräsident: Reden Sie da für Ihre gan ze Regierung, oder reden Sie nur für den grünen Teil? Denn das, was Sie eben hier vom Rednerpult aus gegeißelt haben, ist dasselbe wie das, was der neue Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gefeiert hat. Was gilt denn jetzt, meine Damen und Herren?
Vor allem ist die Frage an die SPD: Stehen Sie hinter dem, was der Ministerpräsident hier erklärt hat,
oder stehen Sie hinter dem, was Ihr Parteivorsitzender ausver handelt hat und wofür Ihr Parteivorsitzender bejubelt wurde? Das möchten wir nachher von Ihnen wissen.
Dann erklären Sie, Herr Ministerpräsident, die Kostenent wicklung bei der EEG-Umlage sei bis zum Jahr 2017 stabili siert worden. Das glaubt nicht einmal Gabriels eigener Beirat im Wirtschaftsministerium.
Denn dieser Beirat geht davon aus, dass die EEG-Umlage bis zum Jahr 2017 auf mindestens 7,7 Cent anwachsen wird.
Weiter erklären Sie, es bestehe Klarheit, welche Rahmenbe dingungen in Zukunft für den Ausbau der erneuerbaren Ener gien gelten. Aber es zeichnet sich doch schon jetzt ab, dass neue Nachjustierungsrunden notwendig werden, weil es schlicht und einfach so nicht weitergeht.
Das Schönste in Ihrer Regierungsinformation, Herr Minister präsident, war der Satz, ein „künstliches Einbremsen“ der er neuerbaren Energien sei weder für die Energiewende noch wirtschaftlich sinnvoll. Ein „künstliches Einbremsen“! Nach Ihrer Logik ist es also ein „künstliches Einbremsen“, wenn man Subventionen abbaut, und Subventionierung ist offen sichtlich ein natürlicher Prozess. Meine Damen und Herren, das ist grün-rote Wirtschaftspolitik.
Bei Ihrer Politik, Herr Ministerpräsident, haben die Menschen und die Wirtschaft in Baden-Württemberg entweder zu viel Strom, nämlich wenn mittags der Wind weht und die Sonne scheint, oder zu wenig Strom, wenn beides nicht der Fall ist. Aber bei dieser Politik hat Baden-Württemberg niemals die Menge an Strom, die das Land tatsächlich braucht.
Sie machen den zweiten Schritt vor dem ersten: Produktion vor Leitungen und Speichern. Das System muss wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden, meine Damen und Herren. Wir müssen uns jetzt die Frage stellen, wie die notwendigen Speicherkapazitäten geschaffen werden. Wir müssen in die Erforschung von Speicherkapazitäten investieren
Wir müssen uns über Energieeffizienz und über den Leitungs ausbau den Kopf zerbrechen. Das ist die aktuelle Herausfor derung und nicht der immer weitere Ausbau irgendwelcher volatilen erneuerbaren Energieträger.
Zu all diesen Themen haben Sie, Herr Ministerpräsident, zum Ende Ihrer Regierungserklärung zwar einige Stichworte ge
nannt, aber es waren eben nur Stichworte. Sie haben das Stich wort Strommarktdesign, das Stichwort Netzausbau und das Stichwort Energieeffizienz genannt. Da sind wir uns ja einig. Aber wir hätten schon von Ihnen erwartet, dass Sie da etwas konkreter werden, dass Sie sagen, was Sie in diesem Bereich vorhaben, und vor allem sagen, wann Sie in diesem Bereich etwas vorhaben.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)
Es ist notwendig, in die Erforschung von Speicherkapazitäten zu investieren. Es ist auch notwendig, sich die Frage zu stel len, wie man den Leitungsausbau in Baden-Württemberg und in ganz Deutschland durchsetzt. Denn aktuell besteht ja fol gende Situation: Wann immer man sich darüber einig ist, ei ne bestimmte Stromtrasse auszubauen, kommt Seehofer da her und erklärt: „Jetzt aber nicht.“
Deshalb, glaube ich, muss man irgendwann darüber nachden ken, ob es wirklich Sinn macht, dieses Thema so lösen zu wol len, oder ob man nicht eine Bundeskompetenz in diesem Be reich braucht, vergleichbar mit dem Bereich des Bundesfern straßenbaus.
Wir brauchen Einsparungen durch mehr Energieeffizienz. Wir brauchen Einsparungen beim Verbrauch. Denn eine eingespar te Kilowattstunde ist genauso viel wert wie eine produzierte.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Mehr! – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Ganz neue Töne! – Zuruf des Abg. Willi Stächele CDU)
Dann haben Sie wieder Ihr ideologisches Musterbeispiel an geführt. Ich nehme an, der Umweltminister wird sich gleich noch mehr aufregen als gerade eben schon. Sie erklären, der Ausbau der Windkraft in Baden-Württemberg könne endlich beginnen. Tatsächlich, Herr Ministerpräsident? Die vom Bun destag eingesetzte Expertenkommission Forschung und Inno vation ist da anderer Meinung. Diese fordert nämlich die Ab schaffung des EEG oder zumindest einmal ein Moratorium, weil es nämlich überhaupt keinen Sinn macht, ständig weiter irgendwelche Windräder in Gebieten zu subventionieren, wo es gar keinen Wind gibt – wie in Baden-Württemberg.
Ja! Schauen Sie sich doch einmal die Zahlen zu den subven tionierten Windenergieanlagen an. Die Offshoreanlagen an der Nordsee oder der Ostsee leisten 4 260 Jahresvolllaststun den, die Onshoreanlagen in Schleswig-Holstein 2 025 Jahres volllaststunden; selbst im Saarland produzieren diese Anla gen noch 1 605 Jahresvolllaststunden, während es in BadenWürttemberg kümmerliche 1 252 Jahresvolllaststunden sind.