Protocol of the Session on March 27, 2014

Mit dieser Vielfalt wohnortnaher Angebote stärken wir auch die bestehenden sozialen Beziehungen der unterstützungsbe dürftigen Menschen. Das ist familienfreundlich und stabili siert die so wichtigen familiären und sozialen Beziehungen, weil nicht viel Zeit auf der Straße bleibt und keine großen Di stanzen zu weiter entfernten Großeinrichtungen zurückzule gen sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, klar und kompro misslos sehen wir bei allen Ansprüchen der Wirtschaftlichkeit auch den Schutz und das Wohl der hilfsbedürftigen Menschen. Für uns Sozialdemokraten ist das wichtig. Wir wollen mit den neuen Wohnformen keine Option für eine Dumpingbetreuung schaffen. Jeder pflegebedürftige Mensch hat Anspruch auf ein würdiges Wohnen und eine würdige Betreuung. Wohnmodel le, die wie z. B. in Berlin dem Missbrauch Tür und Tor öffnen und eher Gelddruckmaschinen gleichen, wollen wir bei uns in Baden-Württemberg nicht. An erster Stelle stehen die Si cherheit und die Zuverlässigkeit für die Bewohnerinnen und Bewohner. Dies ist in allen Modellen gewährleistet, und dar auf legen wir Wert.

Zum Schluss möchte ich die Kompetenz unseres Ministeri ums hervorheben. Es wurde mit Weitblick und auch mit gro ßem Sachverstand am Gesetzentwurf gearbeitet. Das Gesetz trägt die Handschrift unserer Sozialministerin, und es ist zu spüren, dass ihr Herz, das in der Praxis verankert ist und eben das Herz einer staatlich anerkannten Altenpflegerin ist, in die sem Gesetz schlägt. Deshalb einen ganz besonders herzlichen Dank an Katrin Altpeter.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Reusch-Frey, kommen Sie bitte zum Schluss.

Wir freuen uns nun auf je de Rückmeldung zum Gesetzentwurf und nehmen diese wirk lich gern in unsere Beratungen mit auf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die FDP/DVP-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Haußmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege ReuschFrey, ich empfehle Ihnen, sich einmal Ihre E-Mails anzuschau

en. Ich bekomme jeden Tag E-Mails von Betroffenen, die sich sehr deutlich zu dem Vorhaben äußern. Wir haben in der An hörung sicherlich noch Gelegenheit, uns auch über diese The men auszutauschen. Denn in der ersten Lesung können wir wegen der Kürze der Zeit natürlich nur auf einige Themen ein gehen.

Ich glaube, die Notwendigkeit dieses Gesetzes ist über alle Fraktionen hinweg unbestritten. Das ist gar keine Frage. Wenn wir uns die demografische Entwicklung anschauen und sehen, dass sich beispielsweise die Zahl der Menschen über 80 Jah ren in Baden-Württemberg von 1999 bis 2009 um über 50 % erhöht hat, dann wissen wir, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Wir behandeln beim nächsten Tagesordnungspunkt das Thema Pflegeenquetekommission. Dann komme ich dar auf zurück.

In den vorliegenden Gesetzentwurf wurden Kritikpunkte auf genommen – jedoch nur einige, die sehr deutlich herausge stellt wurden. Wie ich vernommen habe, sprechen Sie, Frau Sozialministerin, von einem mutigen Gesetzentwurf. Ich ha be jedoch eher den Eindruck, dass der richtige Mut hier etwas fehlt. Wir würden die Chance vergeben, ein kreatives und in novatives neues Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teil habe und Pflege zu verabschieden, wenn es keine weiteren Änderungen mehr gäbe.

Die harsche Kritik an der ersten Fassung des Gesetzentwurfs ist denjenigen, die sich mit dem Thema beschäftigen, gut ver traut. Jeden Tag erhalten wir von Kommunen, von Trägern und von Betroffenen ähnliche Reaktionen, wie dies im letz ten Jahr der Fall war.

Es fehlt also ein Stück weit das Vertrauen in die Verantwor tung der Bürgergesellschaft. Ich glaube, wir sollten Vertrau en in die Bürgergesellschaft in Baden-Württemberg setzen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich möchte nur einige Hauptkritikpunkte ansprechen. Kolle ge Rüeck hat angesprochen, dass bei ambulant betreuten Wohngemeinschaften die Personenzahl auf acht begrenzt ist. Das ist für viele Projekte ein Dolchstoß.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Genau!)

Herr Kollege Reusch-Frey, wenn Sie das Soziale betonen, je doch gleichzeitig die Personenzahl auf acht Personen be schränken – ich habe vom Kollegen Lucha gehört, dass man einen atmenden Deckel habe; vielleicht entwickelt sich dies noch –, dann ist doch klar, dass man im Prinzip die Kosten nur auf die acht Personen herunterrechnen kann und dann nicht von einem sozialen, sondern nur von einem zutiefst un sozialen Gesetz sprechen kann,

(Zuruf des Abg. Manfred Lucha GRÜNE)

weil im Prinzip nur diejenigen sich diese Betreuung leisten können, die etwas im Geldbeutel haben. Ich glaube, das ist nicht das, was die Sozialdemokraten möchten, meine sehr ge ehrten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Denn eine Rundumbetreuung durch eine 24-Stunden-Präsenz kraft will natürlich auch finanziert werden.

Interessant ist, dass 2008 sowohl die Fraktion GRÜNE als auch die SPD-Fraktion in Änderungsanträgen zum Heimge setz – Drucksache 14/2774 – die Platzzahl mit zwölf vorge geben hatten. Ich frage mich: Woher kommt jetzt die neue Er kenntnis, diese auf acht zu reduzieren? Hierzu erwarte ich in der Anhörung deutliche Kritik und hoffe, dass Sie nachsteu ern.

Von Bürokratieabbau kann keine Rede sein. Sie haben zwar einige Punkte aufgegriffen; die Kontrollanforderungen an den stationären Bereich steigen jedoch weiter. So gibt es beispiels weise die Verpflichtung, dass die Heimträger jederzeit alle Ge schäftsunterlagen bereithalten müssen. Das zeigt die Praxis ferne. Die §§ 10 und 12 enthalten Vorschriften, die für die sta tionären Träger mehr Aufwand bedeuten.

Sie schränken die Flexibilität ein. Es gibt eine Ungleichbe handlung: Warum darf es in unmittelbarer Nähe nur zwei Wohngemeinschaften geben? Für Menschen mit Behinderun gen haben Sie diese Vorgabe jetzt aufgehoben.

(Zuruf des Abg. Manfred Lucha GRÜNE)

Warum gibt es diese Unterschiede? Die Rechtsbestimmungen sind unklar, und es gibt eine nicht sachgerechte Ungleichbe handlung, denn Sie geben Kriterien vor – wie Fläche und Prä senzkraft – und haben diese für Menschen mit psychischen Einschränkungen inzwischen wieder aufgehoben. Warum gibt es in dem einen Bereich eine Öffnung und in dem anderen Be reich nicht? Das sollten Sie auch verdeutlichen und erklären.

(Abg. Manfred Lucha GRÜNE: Das sind zwei Paar Schuhe!)

Das lässt sich nur schwer nachvollziehen.

Es gibt also eine ganze Menge handwerklicher Fehler. Dies wird dazu führen, dass bei einem gut gemeinten Gesetz, das wir im Prinzip auch unterstützen, weil es Innovationen brin gen könnte, durch eine zu starke Einschränkung viele Projek te nicht realisiert werden können – das sieht man auch an den Stellungnahmen, die jetzt kommen – oder viele Projekte nur denen zugutekommen können, die es sich leisten können und diese Beträge bezahlen können.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: So ist es!)

Wir haben uns Projekte angeschaut – beispielsweise in Tau berbischofsheim –, die sehr gut funktionieren, die aber schon bei einer Zahl von zwölf Personen vor großen Herausforde rungen stünden. Ich glaube, das sollten Sie aufgreifen. Denn sonst vertun wir die Chance, ein neues und gutes Gesetz zu verabschieden. In der vorliegenden Form ist es unsozial, mut los und wenig innovativ.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Mir liegen keine wei teren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist damit beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 15/4852 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Arbeit und Sozial ordnung, Familie, Frauen und Senioren zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist so beschlossen und Tagesordnungspunkt 5 erledigt.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der CDU, der Fraktion GRÜNE,

der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP – Einsetzung einer Enquetekommission „Pflege in Ba den-Württemberg zukunftsorientiert und generationen gerecht gestalten“ – Drucksache 15/4977

b) Wahl der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder

der Enquetekommission

Die Fraktionen haben folgende Redezeiten für die Ausspra che vereinbart: zehn Minuten für die CDU-Fraktion und im Übrigen sieben Minuten je Fraktion.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Kunzmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor wenigen Wochen hat un ser Kollege Rüeck im Arbeitskreis Soziales der CDU-Land tagsfraktion vorgeschlagen, zur zukünftigen Sicherung der Pflege eine sogenannte Enquetekommission einzusetzen.

Jetzt bin ich hier im Landtag noch relativ neu. Ich gebe zu, dass mir damals die Tragweite und Bedeutung eines solchen Vorschlags nicht klar war. Ich habe mich daraufhin mit dem Thema auseinandergesetzt, habe im Internet recherchiert und die folgende Definition zu einer Enquetekommission gefun den:

Enquetekommissionen sind überfraktionelle Arbeitsgrup pen, die langfristige

und bedeutende –

Fragestellungen lösen sollen, in denen unterschiedliche juristische, ökonomische, soziale oder ethische Aspekte abgewogen werden müssen. In einer Enquetekommission soll eine gemeinsame Position erarbeitet werden.

Der Begriff „gemeinsam“ ist gefallen. Die vorhandenen Pro bleme sind gemeinsam einer Lösung zuzuführen,

die von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung (auch von dem Teil, der sich nicht durch die jeweilige Mehrheitsfraktion vertreten fühlt) mitgetragen werden kann.