A u s w i r k u n g e n d e s U r t e i l s d e s B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t s z u m Z D F S t a a t s v e r t r a g a u f d e n S W R - S t a a t s v e r t r a g
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die Worterteilung. Die Frage, die wir heute stellen, ist nach dem gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF und
Wir alle sind zumindest in Teilen über die Weite des Urteils überrascht. Das Urteil ist aber auf jeden Fall richtig. Das muss der Landtag, müssen die Vertreter der politischen Seite insge samt feststellen. Wir stehen hinter dem Urteil.
Heute wird nun die Frage, die auch gestern bereits angespro chen wurde, nochmals befeuert, nämlich welche Auswirkun gen dieses Urteil analog bzw. indirekt auf die ARD-Anstalten hat. Dazu kann man sich kontrovers unterhalten. Manche ha ben auch schon klare Botschaften verlauten lassen. Der WDRRundfunkrat hat sich heute als Musterbeispiel angeboten; das kann man zumindest einer dpa-Meldung entnehmen. Der NDR hat gesagt, er sehe keinen wesentlichen Änderungsbe darf.
Natürlich ist das Urteil auch für uns wichtig. Wir haben den SWR-Staatsvertrag geändert und sind dort positiv vorange schritten. Daher stellen sich für uns die Fragen, die wir an die Regierung richten möchten, wie die Regierung das Urteil be wertet und welche Auslöser dem Urteil zugrunde gelegen ha ben. Ich meine, es ist auch wichtig, noch einmal darauf hin zuweisen, warum es diese Verhandlung vor dem Bundesver fassungsgericht überhaupt gegeben hat.
Eine weitere wichtige Frage ist: Wie wurde die Staatsferne in dem jetzt novellierten SWR-Staatsvertrag bereits verstärkt? Außerdem interessiert uns, was sich im SWR-Staatsvertrag hinsichtlich der Inkompatibilitätslösung verbessert hat. Eben so wurde vom Bundesverfassungsgericht der Gleichstellungs auftrag an exponierter Stelle angesprochen. Außerdem möch te ich fragen, welche Auswirkungen das Gebot der Staatsfer ne, das im Bundesverfassungsgerichtsurteil explizit für die Besetzung der Gremien angesprochen worden ist, darüber hi nausgehend noch hat.
Es stellt sich weiter die Frage, wie sich die Politik, die nicht im Rundfunkrat bzw. im Verwaltungsrat vertreten ist, in das Ganze einmischt. Hier kommen wir wieder auf den Auslöser des ganzen Verfahrens zurück.
Mich würde also Ihre erste Einschätzung dazu interessieren, welche darüber hinausgehenden Auswirkungen dieses Urteil hat. Gestern wurde auch bereits die Frage nach den Auswir kungen auf die Transparenz hinsichtlich der Freundeskreise angesprochen, die es beim ZDF, aber auch bei allen anderen Anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt.
Sehr geehr te Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das wa ren jetzt eine Menge Fragen auf einmal. Ich hoffe, ich kann sie in der vorgegebenen Zeit beantworten. Sonst müssten Sie gegebenenfalls einzelne Fragen wiederholen, wenn meine Antwort jetzt zu Beginn sie nicht umfasst.
Hintergrund des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsge richt war ein Vorgang im ZDF. Der ZDF-Verwaltungsrat, der von staatsnahen Vertretern relativ dominiert ist – derzeit be trägt deren Anteil 43 % –, hat gegen die Verlängerung des Ver trags des damaligen Chefredakteurs Brender ein Veto einge legt und damit die geplante Verlängerung verhindert. Das war der Auslöser des Verfahrens. In der Presse stand dabei der da malige Ministerpräsident von Hessen, Roland Koch, sehr stark im Mittelpunkt. Das war der Anlass für die Klagen.
Wir begrüßen sowohl das Verfahren – das hat das Land Ba den-Württemberg in der Stellungnahme auch so ausgedrückt – als auch jetzt das Ergebnis des Bundesverfassungsgerichts, weil es Klarheit hergestellt hat. Zum einen hat es die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestärkt und bekräftigt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in der heutigen Zeit, in der durch das Internet eine noch vielfältigere Medienland schaft besteht, seine Wichtigkeit nicht verloren hat. Zum an deren geht es darum, wie eine deutliche Präzisierung der Bin nenpluralität in den öffentlich-rechtlichen Anstalten zu ge währleisten ist. Das können wir nur sehr begrüßen.
Wir sind auch erfreut darüber, dass unser Staatsvertrag, der zu Beginn dieses Jahres in Kraft getreten ist, in den allerwesent lichsten Teilen schon die Punkte abbildet, die jetzt vom Bun desverfassungsgericht angemahnt worden sind. Wir sind im Moment in der Prüfung. Unter Umständen werden wir in ein zelnen Teilen sehr begrenzt nachsteuern müssen. In ganz vie len Fragen, die im Urteil angesprochen wurden, haben wir die Regelungen schon abgebildet. Dies gilt für die Transparenz. Wir haben auch eine verbindliche Frauenquote verankert. Wir haben die Staatsferne ausgebaut. In der Zusammensetzung der Gremien haben wir auch auf Entwicklungen in der Gesell schaft Rücksicht genommen. Wir haben sogar schon diese jetzt vom Verfassungsgericht ins Gespräch gebrachte Flexibi lisierung der Gremien über das von uns eingeführte Körbe system quasi abgebildet.
In einem ersten Eindruck – natürlich müssen wir dies noch vertieft prüfen – gehen wir davon aus, dass es nur sehr be grenzt Nachsteuerungsbedarf gibt und wir ganz viele Anlie gen und Forderungen in dem Urteil des Bundesverfassungs gerichts im neuen Staatsvertrag schon abgebildet haben.
Frau Ministerin, Sie haben gerade gesagt, das Bundesverfassungsgericht habe in den allerwe sentlichsten Teilen den Staatsvertrag bestätigt. Ich glaube, das ist eine sehr einseitige Sicht der Dinge. Bei der Frage hinsicht lich der Aufsichtsgremien, mit der sich das Urteil vor allem beschäftigt, hat bereits die Anhörung des BVG im letzten Herbst gezeigt, wohin die Reise gehen könnte. Wir haben Sie damals aufgefordert, aus Respekt vor dem Bundesverfas sungsgericht das Urteil abzuwarten. Sie haben den Staatsver trag trotzdem durchgezogen.
Nun hat das Bundesverfassungsgericht im Ergebnis vorgege ben, dass die Zusammensetzung des Verwaltungsrats korri giert werden muss. Das ist ein sehr wesentlicher Teil eines Staatsvertrags über den Rundfunk. Für Sie ist es eine ziemli
che Niederlage, nur weil Sie nicht abwarten wollten, bis das Bundesverfassungsgericht das Urteil spricht.
(Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE: Frage! – Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Wo ist die Frage? – Gegen ruf des Abg. Volker Schebesta CDU: Einleitende Be merkungen dürfen vorangestellt werden!)
Sind Sie bei der Prüfung von gestern bis heute auch zu dem Ergebnis gekommen, dass der Verwaltungsrat neu zusammen gesetzt werden muss? Immerhin muss dazu nur die Rechen aufgabe „18 geteilt durch 3“ bewältigt werden. Im Verwal tungsrat sind sieben oder – wenn man die kommunalen Ver treter dazurechnet – gar neun staatsnahe Vertreter. 18 Mitglie der hat der Verwaltungsrat insgesamt. Damit ist auf jeden Fall das Drittel überschritten. Welche Ideen haben Sie, um die not wendigen Anpassungen vorzunehmen? Müssen Sie dazu wie der ins Parlament, weil es eine Überarbeitung, eine neue Be schlussfassung zum Staatsvertrag braucht? Das sind meine Fragen.
Herzlichen Dank für die Fragen. – Sehr geehrter Herr Abg. Rau, sehr ge ehrte Damen und Herren, beleuchten wir einmal, wie lange das Verfahren für den neuen Staatsvertrag gedauert hat. Wir hatten im Frühsommer 2012 den ersten Entwurf, die Eckpunk te mit einer Synopse online gestellt. Das Inkrafttreten des Staatsvertrags erfolgte zum 1. Januar 2014. Wenn man die Grundrechenarten beherrscht, dann kommt man auf eine Dau er von eineinhalb Jahren. Hinzu kam noch, dass wir eine Über gangsregelung für die Gremien gemacht haben, die auch ein einhalb Jahre dauert. Es liegen also drei Jahre zwischen dem Beginn der Arbeit an dem Staatsvertrag – eigentlich nicht ein mal dem Beginn, sondern der Vorlage des ersten öffentlichen Entwurfs – und der Veränderung der Gremien.
Hätten wir das Verfahren, das Sie, Herr Abg. Rau, gerade vor geschlagen haben, gewählt, wären wir in der Situation, dass wir jetzt ein Verfahren, das uns in der transparenten Art, in der wir es durchgeführt haben, drei Jahre gekostet hat, in einem Jahr abwickeln müssten, da die Übergangsfrist für das ZDF bis 2015 dauert und ich davon ausgehe, dass wir zeitgleich mit dem ZDF die Vorgaben des Verfassungsgerichts erfüllen wollen. Ich wüsste nicht, wie das zu bewältigen wäre, zumal wir gemeinsam mit dem Landtag und der Regierung von Rheinland-Pfalz agieren müssen. Hätten wir also – wie Sie es vorgeschlagen haben – auf das Urteil gewartet, hätten wir jetzt ein richtiges Problem, weil wir bei null anfangen müssten.
Ein weiteres großes Problem wäre, dass der Staatsvertrag, den die früheren CDU-Regierungen verhandelt haben, dann noch gültig wäre, wodurch die Vorgaben des Bundesverfassungs gerichts wesentlich deutlicher verfehlt würden und in viel mehr Punkten Nachsteuerungsbedarf bestehen würde. Wir wä ren also in der Situation, dass Baden-Württemberg nur ein Jahr Zeit hätte, um einem hohen Änderungsbedarf nachzukommen. Jetzt sind wir, da der neue Staatsvertrag bereits in Kraft ist, Gott sei Dank in der Situation, dass wir nach einem ersten Überblick lediglich einen überschaubaren Nachsteuerungsbe darf im Verwaltungsrat haben und in allen anderen Punkten so aufgestellt sind, dass es nicht zu Konflikten kommt.
Es gibt noch eine neue, offene Frage. Wenn die Vertreter der kommunalen Verbände als „Staatsbank“ gewertet werden, müssen wir dies natürlich vertieft beleuchten. Ich gehe nicht
davon aus, dass viele mit solch einer Definition von „Staats bank“ gerechnet haben. Also werden wir auch diesen Aspekt noch prüfen und im Verfahren abbilden müssen.
Ich bin wirklich sehr froh, dass wir dieses Verfahren gewählt haben. Wir haben, was die Gremienfrage angeht, erst einmal auf das Bundesverfassungsgericht gewartet. Wir haben dann aber weitergemacht, als wir gemerkt haben, dass der Zeitplan so nicht funktioniert. Ich bin sehr froh, dass wir jetzt sagen können, dass wir einen Staatsvertrag haben, der die Vorgaben schon weitestgehend erfüllt. Wir haben einen überschaubaren Nachsteuerungsbedarf, dem wir – davon gehe ich aus – in dem einen Jahr, das zur Verfügung steht, auch gut entsprechen kön nen.
Sehr geehrte Frau Staatsminis terin, welche Bedeutung hat das Gebot der Staatsferne über die Staatsverträge hinaus?
Das ist, fin de ich, eine wichtige Frage; denn das Gebot der Staatsferne müssen wir nun im Rahmen des SWR-Staatsvertrags disku tieren. Allerdings bezieht sich das Gebot der Staatsferne nicht nur auf Gremienzusammensetzungen, sondern definiert allge mein das Verhältnis zwischen Regierung, Landtag und ande ren dem Staat zugezählten Vertretern gegenüber den öffent lich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Darüber hinaus ist es auch für die eine oder andere Debatte, die hier im Land ge führt wird, ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich Regierun gen und Landtage nicht in die innere Willensbildung, die in nere Programmgestaltung, die inneren Strategieprozesse und die inneren Personalangelegenheiten von öffentlich-rechtli chen Anstalten einschalten sollen.
Frau Staatsministerin, ich stel le Ihnen jetzt eine Frage, die vielleicht ein bisschen schwer zu beantworten ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat Abgeordnete zu Staatsver tretern erklärt. Dies halte ich für ziemlich problematisch. Wir sind keine Staatsvertreter, sondern gewählte Vertreter der Bür gerschaft
Volksvertreter –, aber es verfestigt sich in dieser Gesellschaft zunehmend der Eindruck, wir verträten den Staat. Das ist aber nicht so.
Können Sie sich erklären – ich räume ein, dass auch Ihnen das Urteil erst seit Kurzem vorliegt –, warum das Bundesverfas sungsgericht den dramatischen Schritt – so empfinde ich es – gemacht hat, Abgeordnete zu Staatsvertretern zu erklären und sie damit wie Regierungen in Vertretungsorganen, wie z. B. in Gremien des SWR, zu behandeln? Das ist eine völlig an dere Darstellung eines Abgeordneten, der sich nicht als Staats vertreter fühlt.
Sehr geehr ter Herr Abgeordneter, dazu kann ich Ihnen gern etwas sagen. Ich betone allerdings, dass ich noch nicht viel Zeit hatte, um mich mit diesem Urteil vertieft zu befassen. Ich habe vernom men, dass das Bundesverfassungsgericht Probleme in Bezug auf die Staatsferne beschrieben hat, die insbesondere Abge ordnete betreffen; denn das Bundesverfassungsgericht formu liert, dass es insbesondere bei Gremienvertreterinnen und -vertretern, die sich öffentlichen Wahlen stellen müssen, ei nen Regulierungsbedarf sieht. Das ist die Kernfrage, die das Bundesverfassungsgericht in den Mittelpunkt stellt.
Insofern stehen Abgeordnete aus Sicht des Bundesverfas sungsgerichts sogar besonders im Mittelpunkt der Aufmerk samkeit. Sie sollen unter den Vertreterinnen und Vertreter nicht überhandnehmen und auch nicht Beschlüsse dominie ren dürfen.
Das Bundesverfassungsgericht ist da also ganz anderer Auf fassung. Es legt explizit Wert darauf, dass es im Kern um in Wahlen antretende Vertreter geht. Deswegen sind z. B. auch die Wahlbeamten auf kommunaler Ebene mit umfasst, die dann in dieser Logik mit gemeint sind. Das ist sicherlich eine Auffassung, die bisher nicht so sehr im Mittelpunkt stand. Vielmehr ging es bisher eher um Regierungen.
Ein Grund dafür liegt sicherlich darin, dass in der mündlichen Verhandlung von einzelnen Vertretern relativ unverblümt die Rolle der Freundeskreise geschildert wurde. Nach allem, was ich bisher mitbekommen habe, hat das Bundesverfassungsge richt insbesondere das Agieren der Freundeskreise mit einem gewissen Erstaunen zur Kenntnis genommen. Diese sollen zu mindest im ZDF die beeinflussende Macht sein; so wurde es dargestellt. Daher hat das Urteil den Schwerpunkt auf die Fra ge gelegt, wie man die Dominanz der Freundeskreise bei der Willensbildung wieder zurückdrängen kann. Die Logik ist, dass Menschen, die in Wahlen antreten, gleichgerichtete Inte ressen haben und dazu neigen, sich gemeinsam abzusprechen und Gremien zu dominieren.
Wie gesagt, das Bundesverfassungsgericht legt sogar explizit Wert auf die Abgeordneten, aber auch auf die Regierungen.
Frau Ministerin, als die Klage an hängig war, war von vornherein klar, dass es vor allem um die Frage der Gremien gehen wird. Der Kollege Rau hat bereits darauf hingewiesen – das tat auch schon der Kollege Pauli in der ersten Lesung des Gesetzes zu dem SWR-Staatsvertrag im November letzten Jahres, also gerade einmal vor einem Vierteljahr –, dass man doch füglich das Urteil des Bundes verfassungsgerichts abwarten solle.