Protocol of the Session on March 26, 2014

Vom 11. bis 13. März 2013 hat der 6. ÖPNV-Innovationskon gress in Freiburg stattgefunden. Dort wurde seitens des MVI berichtet, dass man für das Netz 1 – es wurden alle Netze be schrieben, aber auf Netz 1, das durch den großen Verkehrs vertrag abgedeckt wird, möchte ich eingehen – im vierten Quartal 2013 die Ausschreibungen vornehme und mit einer

Inbetriebnahme ab Juni 2017 rechne. Wir wissen schon jetzt, dass es einen extremen Zeitverzug gibt. Ich bin hier etwas vor sichtig und teile den Optimismus des SPD-Kollegen Haller ausdrücklich nicht.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist der Pessimis mus der Opposition!)

An dieser Stelle möchte ich an den Verkehrsminister vier zen trale Fragen richten. Die erste Frage lautet: Wann beginnt das Vergabeverfahren konkret? Zweitens: Wann starten die neu en Verträge? Wird das 2017 sein? Ich gehe davon aus, dass dies 2018 der Fall sein wird. Drittens: Warum gibt es bisher noch keine offiziellen Verhandlungen mit der Deutschen Bahn im Hinblick auf die Übergangsverträge? Meine vierte Frage lautet: Wie schätzen Sie die finanziellen Auswirkungen des extremen Zeitdrucks, den wir jetzt haben, ein? Dieser Zeit druck wird möglicherweise dazu führen, dass bestimmte An bieter kein Angebot mehr abgeben, weil sie inzwischen in an deren Bundesländern oder vielleicht auch in anderen Ländern auf Ausschreibungen hin Aufträge erhalten haben. Grund für die Verzögerung kann doch nicht sein, dass man eine landes weite Harmonisierung des Fahrradmitnahmeverkehrs anstrebt. Ich denke, es muss noch andere Faktoren geben.

Ich darf daran erinnern, dass hinsichtlich der Kapazität der In dustrie ein Knackpunkt besteht. Wir haben letzte Woche – das soll beispielhaft sein – im Verkehrsausschuss des Verbands der Region Stuttgart u. a. darüber gesprochen, dass wir wei tere S-Bahnen bei Bombardier bestellen möchten. Wenn man die S-Bahnen bis zum Sommer 2014 bestellt, werden diese frühestens im zweiten Quartal 2017 geliefert. Dabei handelt es sich nur um zehn Fahrzeuge. Ich will das nur einmal an sprechen und verbinde damit die Frage, wie der Verkehrsmi nister den Zeitraum einschätzt, der benötigt wird, bis die Pro duktion der Neufahrzeuge abgeschlossen ist. Insofern ist es in der Tat zwingend, zu wissen, wie man das zeitlich einschätzt. Es reicht eben nicht aus, zu sagen, der Vergabekalender sei nun in Bearbeitung.

Ich möchte ausdrücklich sagen: Der Verkehrsminister trägt nicht die Verantwortung für den großen Verkehrsvertrag. Das steht außer Frage. Aber der Verkehrsminister trägt natürlich die Verantwortung für die verspätete Ausschreibung und die möglichen wirtschaftlichen Folgen sowie Einbußen auch im Bereich der Fahrzeugqualität bei den Übergangsverträgen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Deswegen, sehr geehrter Herr Minister Hermann, ziehen Sie bitte die Reißleine! Es ist höchste Eisenbahn.

(Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Die Mühen der Ebene sind in diesem Bereich sehr deutlich zu erkennen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Thomas Marwein und Muhte rem Aras GRÜNE)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Hermann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Her ren! Die heutige Aktuelle Debatte gibt mir Gelegenheit, eini ge Dinge klarzustellen. Auch heute sind wieder viele Fragen gestellt und auch Vorwürfe erhoben worden. Ich würde das gern systematisch abarbeiten.

Für diese Koalition war von Anfang an klar, dass wir den öf fentlichen Personennahverkehr stärken und ausbauen wollen und dass ein zentrales Element dieses öffentlichen Personen nahverkehrs der Schienenpersonennahverkehr ist, und hier insbesondere die Umsetzung des großen Verkehrsvertrags in neue Ausschreibungsverfahren.

Wenn man den Blick über Baden-Württemberg hinaus schwei fen lässt, kann man feststellen: Kein anderes Bundesland der Republik hat eine so große Ausschreibungs- und Vergabewel le vor sich, wie wir sie aufgrund des großen Verkehrsvertrags vor uns haben.

(Vereinzelt Beifall)

Das ist sozusagen die eigentliche Herausforderung, vor der wir stehen und vor der wir gestanden sind. Ich würde Ihnen heute gern sagen, wie wir sie bewältigt haben.

Wir haben im vergangenen Jahr die neue Münstertalbahn ein weihen können. Sie musste zuvor elektrifiziert werden. Das war sozusagen die erste erfolgreiche Umsetzung.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Im letzten Jahr lief die Ausschreibung der Zollernbahn; die Ausschreibung ist nun beendet. Jetzt wird bereits nach einem neuen System gefahren.

(Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Wir haben im letzten Jahr einen Übergangsvertrag in Karls ruhe abgeschlossen. Das war von Karlsruhe selbst so ge wünscht, weil man in Karlsruhe erhebliche Personalprobleme hatte – das haben Sie vielleicht gelesen – und man sich nicht einig war, wie es weitergehen sollte. Deswegen haben die Stadt Karlsruhe und das Land sich verständigt und gesagt: „Wir machen erst einen Übergangsvertrag, um dann zu einem späteren Zeitpunkt zu einem neuen, länger laufenden größe ren Ausschreibungsvertrag zu kommen.“

Inzwischen – Frau Razavi, auch wenn Sie es noch nicht wahr genommen haben – laufen eine ganze Reihe von Ausschrei bungsverfahren: Es laufen die Verhandlungen zum neuen AVG-Vertrag, dem Nachfolgevertrag des Übergangsvertrags. Dann läuft das Verfahren für das Teilnetz Main-Neckar-Ried. Bei diesen Verfahren wird deutlich, dass wir bei vielen Ver trägen nicht allein handeln. Sie sagen immer: „Da hätte der Minister...“ oder: „Da müsste man...“ In sehr vielen Berei chen sind wir aber von vielen anderen Beteiligten abhängig, in diesem Fall von Hessen. Wir sind außerdem gerade dabei, das Verfahren Dieselnetz Allgäu in die Wege zu leiten. Die Ausschreibung läuft bereits. Das Projekt machen wir zusam men mit Bayern.

Wir haben, anders als Sie gerade behauptet haben, noch im Dezember 2013 das erste RheinNeckar-Los ausgeschrieben.

Das war spät im vergangenen Jahr, aber wir haben es getan. Auch die Ortenau-S-Bahn – das haben Sie eben bestritten – ist inzwischen im Vergabeverfahren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Volker Schebesta CDU)

Ich bin gefragt worden: Wie geht’s weiter? Was läuft außer dem im Jahr 2014? 2014 werden die Stuttgarter Netze ins Ver gabeverfahren gehen. Das betrifft – das haben Sie gesagt – 20 Millionen Zugkilometer; das ist der größte Brocken. Da für werden 40 % des landesweit vorhandenen Volumens auf gewendet. Das ist richtig viel. Dieses Netz ist für uns in der Tat am wichtigsten; wir teilen es in drei Netze bzw. in ver schiedene Lose auf.

Außerdem werden wir in diesem Jahr die Breisgau-S-Bahn angehen. Wir werden das zweite Los RheinNeckar ausschrei ben; auch dies wird in Absprache mit Hessen und RheinlandPfalz umgesetzt – das ist übrigens auch einer der Gründe, wes halb das alles länger dauert: Man muss dies mit vielen klären und besprechen, und es gibt auch Differenzen.

Dann wird die Westfrankenbahn kommen. Hier gibt es Ab stimmungsbedarf mit Bayern, weil die Strecke mit Bayern zu sammenhängt. Schließlich werden wir – das bin ich von Herrn Haußmann gefragt worden – noch im Mai mit den Übergangs vertragsverhandlungen mit der Deutschen Bahn und vielleicht auch mit anderen bezogen auf die Stuttgarter Netze starten.

Ich habe immer darauf hingewiesen, dass wir diesen großen Verkehrsvertrag zerlegen und ihn auch zeitlich und räumlich strecken müssen. Das schaffen wir nur mit Übergangsverträ gen.

Herr Haußmann, Sie haben es wieder angesprochen. Ich fin de es putzig, wenn man sich hier lauthals beklagt, dass immer noch die Silberlinge fahren. Es ist nun einmal ein Wesenszug dieses großen Verkehrsvertrags, dass man der Bahn u. a. er laubt, bis zum Ende 2016 mit genau diesen alten Fahrzeugen, die Sie lauthals beklagen, fahren zu dürfen. Das ist doch das Drama.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Nicole Razavi CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Wir können diesen Vertrag auch nicht vorzeitig ablösen, son dern wir müssen alles ab Ende 2016 aufsetzen. Wir brauchen Übergangsverträge, damit es zukünftig gestaffelt ist und kei ne oder keiner meiner Nachfolgerinnen oder Nachfolger je ei ne solche Bugwelle vor sich findet, die kaum zu bewältigen ist. Es muss entzerrt und gestaffelt werden.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abg. Razavi?

Bitte schön.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Seit wann lässt der denn Zwischenfragen zu?)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass die Deutsche Bahn AG schon 2010 bereit war, aus dem großen Verkehrsvertrag einzelne Strecken herauszubrechen, um sie gestaffelt auszuschreiben – also früher? Ist Ihnen be wusst, dass auf der Remsbahn schon heute neue Fahrzeuge im Einsatz wären, wenn Sie es nicht ausgebremst hätten?

(Abg. Nikolaus Tschenk GRÜNE: Wieso habt ihr das nicht gemacht? – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Wann war das? 2010?)

Zu Ihrer ersten Frage: Wenn es so war, dann wundere ich mich, warum Sie bzw. die damalige Regierung das nicht umgesetzt haben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Die Bahn hat immer wieder – das wissen wir – mit zahlrei chen Abgeordneten und Bürgermeistern gesprochen und hat gesagt: Wir würden gern, wir täten gern usw. Das hat uns die Bahn auch erzählt. Doch die Bahn hat das auch immer an Be dingungen geknüpft.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Das ist halt ein Unterneh men!)

Wir haben der Bahn klipp und klar gesagt: Wir können keine Geschäfte machen, die nicht rechtskonform sind, sondern wir müssen förmliche Ausschreibungsverfahren machen, die kla gefest sind. Deswegen kann man nichts dealen und nichts ma chen. Wenn die Bahn mit neuen Fahrzeugen dort fahren will, kann sie es jederzeit tun. Wenn sie beweisen will, dass sie ein modernes Unternehmen ist, kann sie das tun. Wir machen re guläre Verfahren. Sie kann es auch anbieten, wenn wir diese Übergangsverträge verhandeln.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wir mussten den Vergabekalender in der Tat mehrfach verschieben. Das ist wahr. Ich hätte mir – das sage ich ganz persönlich – am Anfang nicht vorstellen können, wie kompliziert es ist. Ich konnte mir zu Anfang auch nicht vorstellen, dass wir am Schluss alles, was vorliegt, noch mals überprüfen und nachrechnen müssen und welche Prob leme und Lücken man findet, wenn man etwas kritisch an sieht.

Ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin sehr froh, dass wir eine hoch kompetente Beratungsfirma gefunden haben, die bun desweit Einblick in Ausschreibungsverfahren hat und schon viele Ausschreibungsverfahren begleitet hat. Denn durch die se Beratung sind tatsächlich einzelne Ausschreibungen, die schon von den Vorgängern und von der Nahverkehrsgesell schaft vorbereitet waren, noch einmal genau angeschaut wor den. Es hat sich wirklich gelohnt, dass wir diese Beratungs firma engagiert haben, denn sie hat in einzelnen Bereichen zweistellige Millionenbeträge herausgeholt. Hier konnte sie zeigen: Man kann mit anderen Umläufen, mit anderen Fahr zeugeinsätzen und mit deutlich weniger Geld das gleiche An gebot machen.

Wir mussten streng rechnen und auf das Geld achten. Denn es ist ganz schwierig, wenn man auf der einen Seite auf die

nächsten zehn, zwölf Jahre hin ausschreiben muss und auf der anderen Seite bis zum heutigen Tag nicht weiß, wie es mit den Regionalisierungsmitteln, die die Grundlage dieser Finanzie rung sind, weitergeht.

Die CDU ist jetzt drei Legislaturperioden in Folge verantwort lich für die Bundespolitik. In dieser Legislaturperiode haben Sie von der CDU es nicht geschafft, die Regionalisierungs mittel zu verlängern und eine klare Perspektive zu geben. Die Regionalisierungsmittel laufen in diesem Jahr aus. Das ist der eigentliche Skandal.