Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Kollege Kunzmann, auch eine grün-ro te Erfolgsgeschichte passiert natürlich nicht einfach so, wie Sie gerade zu suggerieren versucht haben. Sie ist vielmehr be wusst gestaltet worden. Es ist natürlich schon ein Witz, wenn Sie sagen, es wäre auch von allein passiert.
Wir wissen aus ganz vielen Bereichen – von der Kinderbe treuung, vom Ausbau der Ganztagsschulen –, dass man im mer beide Partner im Boot braucht. Das Land oder der Bund kann und muss die entsprechenden Anreize geben. Dann funk tioniert es auch. So ist es auch in diesem Fall. Alles andere ist aus meiner Sicht Geschichtsklitterung.
Sie haben auch suggeriert, die Kommunen hätten es eigent lich gar nicht gebraucht. Das halte ich für hochinteressant. Das können wir im Kommunalwahlkampf vielleicht dann vor Ort vertiefen. Vielleicht sagen Sie das dann auch Ihren Gemein deräten. Diese werden sich außerordentlich bei Ihnen bedan ken.
Wir haben hier eine grün-rote Erfolgsgeschichte, die meiner Meinung nach nicht kleingeredet werden kann. Wir haben hier etwas erreicht, was sowohl für das Land als auch für die Schu len sehr erfreulich ist. Ich freue mich übrigens auch ganz per sönlich darüber, zumal ich jahrelang ehrenamtlich Vorsitzen der eines freien Trägers der Jugendhilfe mit der Kernkompe tenz Schulsozialarbeit war.
Wir haben uns hier darüber verständigt, wie wichtig Schulso zialarbeit ist. Das war auch nicht immer so. Schulsozialarbeit war früher ein Stigma. Die Meinung war: Die Schule braucht halt Schulsozialarbeit, weil es dort viele benachteiligte Kin der gibt. Diese Ansicht hat sich auch geändert. Auch das ist ein Erfolg. Schulsozialarbeit ist ein Qualitätsmerkmal. Schu len werben damit. Inzwischen möchten auch Gymnasien sie einführen. Darüber können wir uns alle freuen.
Schulsozialarbeit unterstützt Kinder und Jugendliche in schwie rigen Lebensphasen. Dabei geht es nicht nur um benachteilig te Kinder und Jugendliche, sondern sie setzt auch da an, wo die Schule selbst Probleme macht. Sie baut Brücken zu Schu
len, zu Lehrerinnen und Lehrern sowie Eltern. Sie erschließt Hilfsmöglichkeiten, hilft bei Kontakten zu Behörden, in die Wirtschaft, in den Sozialraum. Das hilft zu einem guten Teil dabei, das Ziel, das wir uns gesetzt haben, dass nämlich sozi ale Herkunft und Bildungserfolg entkoppelt werden sollen, zu erreichen. Schulsozialarbeit leistet also einen Beitrag zur Stei gerung der Bildungsgerechtigkeit, weil hier Sozialpolitik und Bildungspolitik in beispielhafter Weise zusammenspielen.
Dieses Markenzeichen ist, wie Kollege Hinderer bereits ge sagt hat, mit Zahlen hinterlegt. In diesem Jahr haben wir vo raussichtlich 1 500 Vollzeitstellen in der Schulsozialarbeit. Das ist gegenüber 2011 eine Verdopplung. An 2 600 Schulen gibt es Schulsozialarbeit. Auch das ist gegenüber 2011 eine Verdopplung. Es gibt sie dann an der Hälfte aller Schulen. Da für gibt es in Baden-Württemberg einen Landeszuschuss in Höhe von 25 Millionen € pro Jahr.
Lieber Kollege Kunzmann, die Streichung des Landeserzie hungsgelds hat in diesem Jahr noch einen sehr viel geringe ren Gegenwert. Daher ist Ihre Behauptung zur Gegenfinan zierung ein Märchen. Sie wissen auch ganz genau, woher wir das Geld geholt haben. Wir haben es nicht von der Straße ge holt, auch nicht vom Landeserziehungsgeld, sondern aus den Mehreinnahmen aus der Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Das war einer der Punkte, bei denen Sie sich am Anfang die ser Legislaturperiode unglaublich aufgeblasen haben in dem Sinn: „Das ist der Untergang des Abendlands oder der Bau wirtschaft.“ Nichts dergleichen ist eingetreten. Es ist auch nicht so, dass es irgendwo anders geklappt hätte.
(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Das ist jetzt eine arrogante Behauptung! Sie müssen viele Leute fra gen! – Gegenruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)
Sie können es ja an den Fakten gegenchecken und werden sehen: So, wie Sie das darstellen, läuft das nicht.
Zur Ehrlichkeit in der Debatte gehört ganz einfach: Mit de nen, die heute in der Opposition sind, hätte es das alles nicht gegeben. Sie haben 2005 alle Landeszuschüsse gestrichen. Die Kommunen haben sich bedankt, denn danach gab es in diesem Bereich einen Sinkflug.
Wir haben 2012 die Drittelfinanzierung eingeführt und ver zeichnen seither einen durchschlagenden Erfolg.
Wir konsolidieren zum einen den Haushalt; das ist völlig rich tig. Wir tragen zum anderen Ihre verdeckten Schulden ab, und wir investieren in den sozialen Zusammenhalt und in Bil dungsgerechtigkeit. Deshalb sage ich: Ja, es ist gut, dass GrünRot die Schulsozialarbeit ausbaut.
Ebenso gut ist aber auch, dass alles solide finanziert wird und nicht mit irgendwelchen Luftnummern, die Sie hier angedeu tet haben, finanziert wird. Denn wir wollen beides: Wir wol len ein starkes Land, und wir wollen starke Kommunen. Viel leicht denken wir im Kommunalwahlkampf auch daran.
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erinnere mich noch sehr gut: Im Land tagswahlkampf war in meinem Wahlkreis auch Schulsozial arbeit ein Thema für die Kommunen. Wir haben uns dort auch mit Schulen, mit Oberbürgermeistern, mit Bürgermeistern da rüber unterhalten. Es wurde auch dargestellt, wie wichtig In formation, Beratung und Unterstützung bei Schulschwierig keiten und Konflikten sind. Das gilt sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für Eltern und in immer größerem Maß auch für Lehrerinnen und Lehrer.
Ja, die Schulsozialarbeit ist ein wichtiger Bestandteil im Schulalltag. Viele problematische Entwicklungen, die Schü ler aus dem privaten Umfeld, aus den Familien oder aus dem sozialen Umfeld in die Schule mitbringen, können durch das Wirken von Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbei tern abgefedert werden.
Ich hatte damals auch gesagt: Das Land kann sich einen Wie dereinstieg in die Schulsozialarbeit sicherlich vorstellen.
Im Februar 2011 wurde – darauf möchte ich ausdrücklich hin weisen – zwischen dem Land Baden-Württemberg und den kommunalen Landesverbänden ein Pakt zur Stärkung der Chancengerechtigkeit geschlossen. Darin hat man vereinbart, dass die Finanzierung der Pädagogischen Assistentinnen und Assistenten verdoppelt wird – eine Erhöhung von 20 Millio nen € auf 40 Millionen € –, dass man in der nächsten Legis laturperiode einen Gesetzentwurf zur Verankerung der Ganz tagsschule im Schulgesetz einbringt – das hat die FDP/DVP ja auch gemacht; wir werden über diesen Gesetzentwurf heu te noch diskutieren – und dass die Schulsozialarbeit von den Kommunen getragen wird.
Da herrschte Konsens. Es wurde eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, und es wurde vereinbart, nach drei Jahren, im Jahr 2014, eine gemeinsame Bilanz zu ziehen. Man hat sich auch darauf verständigt: Sollte es für die Kommunen schwie rig sein, steigt auch das Land wieder mit in die Finanzierung ein.
Man hatte damals auch die Haushaltssituation im Blick. Ich darf daran erinnern: 2011 hatte das Land Baden-Württemberg ein Haushaltsvolumen von 35 Milliarden €, inzwischen ist Grün-Rot bei 41 Milliarden €. Man hat das Ganze im Lichte der Konsolidierung des Haushalts gemacht und nicht eine Haushaltspolitik à la Staatsministerium betrieben, das einmal kurz und knapp 1,5 Millionen € mehr für den Tag der Deut schen Einheit ausgibt und dies erst hinterher feststellt.
Bei der grün-roten Bildungspolitik bleibt kein Stein auf dem anderen. Der Kollege Hinderer hat heute diesen Jubeltag pos tuliert. Balsam auf die Seele der SPD ist in diesen Tagen si cherlich auch notwendig.
Aber das gibt Gelegenheit zur Analyse dieser Bildungsgerech tigkeit. Bildungsgerechtigkeit ist eben weit mehr als Schulso zialarbeit. Der Kreis hat 360 Grad, meine sehr geehrten Da men und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Schauen wir uns das Ganze einmal an. Ich fange einmal mit den Pädagogischen Assistentinnen und Assistenten an. Wir haben im letzten Jahr eine Kleine Anfrage eingebracht. Ich darf aus der Antwort des Kultusministeriums darauf einen Satz zitieren:
Die einzelne Schule soll dann... selbst entscheiden, ob sie eine ihr von ihrer Bedarfssituation „an sich“ zukommen de Lehrerstelle zur Finanzierung einer Pädagogischen Assistentin... verwenden will.
Das wäre gerade so, als wenn man sagen würde: Sie können entscheiden: Wollen Sie eine Lehrerstelle, oder wollen Sie ei nen Schulsozialarbeiter? Das kann mit Sicherheit nicht Bil dungsgerechtigkeit in Baden-Württemberg sein.
Ich bin geschockt über diese unpädagogische und fern von der Schulrealität gemachte Antwort. Hier wurde ei ne Aussage gemacht, die einmal mehr eine eklatante Un wissenheit widerspiegelt. Grün-Rot hat sich die Migrati onspolitik auf die Fahne geschrieben, und jetzt diese Quit tung.
Ich darf daran erinnern, dass unter Grün-Rot die Ergänzungs stunden zusammengestrichen wurden. Ein Oberbürgermeis ter schrieb mir, er sei enttäuscht und erschrocken über diese Bildungspolitik. Ergänzungsstunden im Bereich der Unter stützung bei Lese-Rechtschreib-Schwäche, im Bereich von Orchesterunterricht und vieles mehr könne nun nicht mehr stattfinden. Bildungspolitik habe er sich in Baden-Württem berg anders vorgestellt.
Ich möchte auch noch auf das erfolgreiche Programm STÄR KE hinweisen – darüber wurde auch schon mehrfach gespro chen –, das wir in Baden-Württemberg seit vielen Jahren ha ben. Wir wissen, dass Sie dieses Gutscheinsystem, das auch von Wissenschaftlern entsprechend gut bewertet wurde, jetzt umschichten wollen. Bildungsgerechtigkeit in Baden-Würt temberg sieht anders aus.
Die Krönung des Ganzen ist, dass Sie sozusagen Schulsozi alarbeit machen und dann in Schüler erster und zweiter Klas se differenzieren. Denn Sie haben die Schulsozialarbeit nicht für Schulen in freier, in privater Trägerschaft vorgesehen.
Es war interessant: Bei der Beratung eines Antrags im Sozi alausschuss wussten Sie noch nicht einmal, wie es überhaupt um die Schulsozialarbeit bei Privatschulen bestellt ist.
Wir haben dann im Mai 2013 einen Bericht bekommen, wo nach ein Drittel aller privaten Schulen bereits Schulsozialar
Ein Drittel aller Schulen in freier Trägerschaft haben bereits Schulsozialarbeit und finanzieren sie selbst. Zwei Drittel wür den es gern machen. Das scheitert aber an der finanziellen Un terstützung.
Insofern ist das aus unserer Sicht ein erheblicher Widerspruch zu Ihrem Koalitionsvertrag, in dem Sie schreiben, dass Sie die Schulsozialarbeit flächendeckend anbieten möchten. Weder die Landesverfassung noch das Privatschulgesetz sehen eine Diskriminierung von Schülerinnen und Schülern vor.
Ich verstehe jetzt Ihren Wortbeitrag nicht ganz. Sie sagen, die alte Landesregierung, die Sie auch mitgetragen haben, habe die Schulsozialarbeit in erster Linie nicht als bezuschussungs fähig gesehen, sondern andere bildungspolitische Projekte. Jetzt machen wir eine Drittelfinanzierung für die staatlichen Schulen, und jetzt sagen Sie, das sei zu wenig. Vorher haben Sie gesagt: „Das ist aus haushaltstechnischen Gründen nicht möglich.“