Protocol of the Session on January 22, 2014

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – 1 000 Stellen für die Schulsozialarbeit – mehr Bildungsgerechtigkeit an unseren baden-württem bergischen Schulen – beantragt von der Fraktion der SPD

Es gilt die übliche Gesamtredezeit von 40 Minuten. Ich bitte, die Ausführungen in freier Rede zu machen.

Für die SPD-Fraktion spricht Kollege Hinderer.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich darf für die SPD-Fraktion das Aktuelle-Debat ten-Jahr mit einer Erfolgsmeldung starten: Über 1 000 Stel len gibt es in Baden-Württemberg für die Schulsozialarbeit; bald werden es 1 500 Stellen sein. Wir haben dies verspro chen, und wir haben Wort gehalten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

In den Jahren 2012 bis 2014 geben wir 55 Millionen € für die Jugendsozialarbeit an unseren Schulen aus. Grün-Rot steht an der Seite der Schulen, wir stehen an der Seite der Schülerin nen und Schüler, wir stehen an der Seite der Eltern, der Leh rerinnen und Lehrer, und wir stehen an der Seite der Schulso zialarbeit. Insbesondere stehen wir an der Seite unserer Städ te und Gemeinden.

Mit dem Pakt für Familien mit Kindern mit den kommunalen Landesverbänden haben wir einen wahren Boom an Schulso zialarbeit ausgelöst. 15 Millionen € standen hierfür 2012 zur Verfügung, 15 Millionen € waren es 2013, und im Jahr 2014 werden es 25 Millionen € für die Schulsozialarbeit sein.

Bei diesem Thema geht es aber nicht nur um Geld – es geht auch um Geld, aber es geht nicht nur um Geld. Es geht um das Bewusstsein: Jugendsozialarbeit an Schulen ist im schulischen Alltag angekommen. Sie leistet eine wertvolle Unterstützung ergänzend zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule, und sie wirkt sich insgesamt positiv auf das Schulleben aus.

Wenn ich mir auf den entsprechenden Websites die Selbstdar stellungen und Konzepte der Schulen im Land anschaue, se he ich: Hier wird mittlerweile mit Schulsozialarbeit gewor ben.

Ich habe es noch ganz anders in Erinnerung: Vor gut zehn Jah ren habe ich selbst noch als Vorstand eines diakonischen Trä gers mit verschiedenen Kommunen über die Frage verhandelt, ob Schulsozialarbeit eingeführt werden soll oder nicht. Da ging es etwa um die Fragen: Bekommt der Schulsozialarbei ter ein Büro, oder reicht nicht vielleicht auch ein Schreibtisch im Kopierraum aus? Ist der Schulsozialarbeiter denn über haupt der Schulleitung unterstellt? Ist diese ihm gegenüber weisungsbefugt? Darf der Schulsozialarbeiter, die Schulsozi alarbeiterin an den Lehrerkonferenzen teilnehmen?

Das waren die Fragen, die sich vor gut zehn Jahren noch stell ten. Es herrschte der Eindruck vor: Wo es Schulsozialarbeit gibt, da gibt es Konflikte, gibt es Probleme, gibt es schwieri ge Schüler, gibt es soziale Missstände. Aus der Not heraus wurde Schulsozialarbeit dann eingefordert, mehr gelitten als geliebt. Schulsozialarbeit war etwas für Brennpunktschulen mit sozialen Problemen. Dieses Bild hat sich gewandelt – zum Glück und zum Wohle aller am Schulleben Beteiligten.

Die Schulsozialarbeit ist ein wichtiger Ansprechpartner für die Schüler; dies gilt sicherlich dann, wenn es um Probleme geht, um Probleme in der Schule, im Elternhaus oder im so zialen Umfeld. Dies gilt aber nicht nur in solchen Fällen. Die Jugendsozialarbeiter sind anerkannte Experten und Expertin nen für die Lehrerinnen und Lehrer, für die Kollegien in den Schulen, wenn es um besondere Erziehungsanforderungen geht, aber auch, wenn es um sinnvolle Möglichkeiten der Frei zeitgestaltung geht. Sie sind wichtige Kontaktpersonen für die Eltern, sie sind wichtige Beratungsinstanzen.

Kurzum: Schulsozialarbeit hat sich zu einem Qualitätssiegel für die Schulen in Baden-Württemberg entwickelt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Der Schwerpunkt der Schulsozialarbeit liegt bei den Grund- und Werkrealschulen. Aber auch andere Schularten nutzen zu

nehmend die Landesförderung, um die Schulsozialarbeit aus zubauen. In den weiterführenden und beruflichen Schulen geht es dann vielfach auch um die berufliche Integration – das ist ein ganz wichtiges Thema – bis hin zu Betriebskontakten im Rahmen der dualen Ausbildung.

Dass die Schulsozialarbeit wichtig ist und das Schulleben be reichern kann, ist nun keine ganz neue Erkenntnis. Selbst Sie, Schwarz-Gelb, hatten eine Ahnung davon, dass professionel le Sozialarbeit an den Schulen wichtig sein könnte. Deshalb haben Sie in den Schuljahren 1999/2000 bis 2004/2005 ins gesamt 7,1 Millionen € für Schulsozialarbeit ausgegeben.

(Zuruf des Abg. Felix Schreiner CDU)

Das sind in sechs Jahren immerhin 13 % dessen, was wir in nur drei Jahren an Mitteln bereitstellen. Aber selbst das war Ihnen noch zu viel. 2005 sind Sie aus der Förderung der Schulsozialarbeit ausgestiegen. Sie haben die Schulen hängen lassen. Sie haben die Träger der Schulsozialarbeit hängen las sen. Sie haben die Kommunen hängen lassen. Wir haben da mals in der Opposition diesen Kahlschlag heftig kritisiert, und nun – in der Regierungsverantwortung – stellt sich Grün-Rot dieser Verantwortung. Wir haben den Fehler korrigiert und sind wieder in die Förderung eingestiegen. Demnächst wer den – wie ich bereits gesagt habe – 1 500 Schulsozialarbeite rinnen- und Schulsozialarbeiterstellen durch das Land geför dert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Weil der Erziehungsauftrag von uns als ein umfassender Auf trag anerkannt wird, sehen wir eine gemeinsame Finanzie rungsverantwortung des Landes, der Kreise und der Schulträ ger. Die Schulträger und Kreise sehen dies genauso und ha ben deshalb auch ihren Teil dazu beigetragen. Sie stellen Mit tel zur Verfügung. Aus unserer Sicht sind 16 700 € Landes mittel pro Vollzeitstelle eines Schulsozialarbeiters gut inves tiertes Geld.

Schulsozialarbeit wird noch wichtiger werden, und zwar im Hinblick darauf – beim nächsten Tagesordnungspunkt werden wir zu diesem Thema sprechen –, mehr Schulen zu Ganztags schulen auszubauen und Ganztagsschulen im Schulgesetz zu verankern. Dann wird auch die Schulsozialarbeit weiter an Stellenwert gewinnen. Das ist gut so.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Kunzmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns hier im Haus einig, wenn es um die Wertschätzung für die Schul sozialarbeit geht. Schulsozialarbeit ist notwendig. Jeder von uns ist in den Schulen unterwegs, führt mit den Lehrern, mit den Eltern und natürlich auch mit den Schulsozialarbeitern selbst Gespräche. Schulsozialarbeit ist eine gute Einrichtung. Sie wird von der CDU ausdrücklich unterstützt.

Vor dem Regierungswechsel gab es übrigens bereits 700 Schulsozialarbeiter an unseren Schulen. Es gab auch konkre

te Pläne und Beschlüsse zahlreicher Kommunen, weitere Stel len zu schaffen. Die Schulsozialarbeit ist also keine Erfindung dieser Landesregierung.

(Zuruf von der SPD: Das hat niemand gesagt!)

Schon vor 2011 gab es eine erhebliche Anzahl von Schulso zialarbeitern. Es gab auch schon vor 2011 eine rapide Ent wicklung.

(Zurufe von der SPD: Ohne die Landesregierung!)

Die Zahl der Schulsozialarbeiter wäre auch ohne den Regie rungswechsel deutlich weiter angestiegen. Warum? Weil in den Kommunen das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Schulsozialarbeit geschaffen wurde. Die Kommunen trugen die Schulsozialarbeit in eigener finanzieller Verantwortung. Das war möglich, weil die kommunale Finanzkraft in BadenWürttemberg stark ist, und zwar deutlich stärker als in jedem anderen Bundesland in Deutschland. Das ist auch eine soge nannte Erblast, die wir Ihnen hinterlassen haben. Das ist ein Erfolg. Es gab eine klare Aufgabenverteilung zwischen dem Land und den Kommunen, worauf sich die Kommunen stets verlassen konnten. Damit war auch klar geregelt, dass die Schulsozialarbeit als Teil der Jugendsozialarbeit eine originär kommunale Aufgabe war.

Jetzt freuen sich natürlich die Kommunen darüber, dass sie mehr Geld bekommen, und wir freuen uns darüber, dass sie das Geld nicht einfach nur mitgenommen haben, sondern tat sächlich in weitere Schulsozialarbeiter investiert haben.

(Zuruf des Abg. Rainer Hinderer SPD)

Wir wünschen uns aber auch, dass Sie jetzt den Kommunen das Geld nicht wieder auf der anderen Seite wegnehmen, z. B. bei den zusätzlichen Geldern des Bundes an die Kommunen bei der Eingliederungshilfe.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Jo chen Haußmann FDP/DVP)

Sie sagen, die Schulsozialarbeit gehöre an jede Schule, sie sei Bestandteil des pädagogischen Konzepts. So steht es im Ko alitionsvertrag. Warum nehmen Sie dann die Schulen in frei er Trägerschaft, in privater Trägerschaft, ausdrücklich davon aus? Warum benachteiligen Sie die Schülerinnen und Schü ler, die an einer privaten Schule zur Schule gehen?

(Zuruf des Abg. Rainer Hinderer SPD)

Eines hat die SPD, haben Sie, Herr Hinderer, vergessen: Wer finanziert nun den Landesanteil an der Schulsozialarbeit? Ich hätte ja Respekt gehabt, wenn Sie dafür ein Prestigeprojekt zurückgefahren oder eingestellt hätten. Sie hätten weniger Be richte und Gutachten in Auftrag geben können oder weniger Geld an Interessenverbände ausschütten können.

(Lachen des Abg. Thomas Poreski GRÜNE)

Zur Gegenfinanzierung haben Sie aber das Landeserziehungs geld abgeschafft – eine der wenigen direkten und unmittelba ren sozialen Leistungen.

(Zurufe von der SPD)

Das Landeserziehungsgeld war eine wichtige Unterstützung für einkommensschwache junge Familien. Sie haben es abge schafft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb wird Ihr Pakt für Familien mit Kindern in Wirklich keit von einkommensschwachen jungen Familien bezahlt.

(Lachen des Abg. Peter Hofelich SPD)

Deshalb bitte ich Sie: Feiern Sie das Ganze jetzt nicht zu dreist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Jo chen Haußmann FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht der Kollege Poreski.