Sehr geehrter Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Löffler, die SPD-Fraktion ist eine sehr geschichtsträchtige Fraktion, die sich durchaus in der Geschichte auskennt. Wir sind davon aus gegangen, dass Sie von Xerxes I. gesprochen haben, dessen Auspeitschung des Meeres in den Dardanellen stattgefunden hat.
Um das richtigzustellen: Die Seeschlacht hat bei Salamis statt gefunden, und die Auspeitschung des Meeres in den Darda nellen. Kollege Löffler, vielleicht sollten Sie dem Vorbild von Xerxes folgen, der sich nach der Niederlage in dieser Schlacht in seine Hauptstadt Susa – bei Ihnen wäre es Stuttgart – zu rückgezogen und von dort die Niederlage seines Landheers verfolgt hat. Vielleicht nehmen Sie sich an Herrn Xerxes ein Beispiel.
Nach diesem kleinen Ausflug in die Geschichte zurück zum Thema: Durch Wirtschaftskriminalität entstehen Milliarden schäden. Allein in Baden-Württemberg betrug die Schadens summe im Jahr 2012 rund 960 Millionen €. Das bedeutet auch einen enormen Schaden und Wettbewerbsnachteil für die ba den-württembergischen Unternehmen, die sich gesetzeskon form verhalten.
Herr Kollege Dr. Goll, Sie haben erwähnt, dass man, wenn man hier Änderungen vornehmen würde, alle Unternehmen, auch die mittelständischen Unternehmen, treffen würde. Sie missverstehen das. Wir treffen mit dem Strafgesetzbuch auch nicht jeden Bürger und jede Bürgerin, sondern nur die, die sich nicht gesetzeskonform verhalten. Das ist bei einer Aus weitung des Wirtschaftsstrafrechts genauso. Wir wollen nicht die mittelständischen Unternehmen in Baden-Württemberg, die sich gesetzeskonform und ordentlich verhalten, die wett bewerbsfähig sind, strafen, sondern wir wollen die, die uns ei nen Schaden zufügen, besser kontrollieren. Das voranzubrin gen ist das Ziel einer Ausweitung des Wirtschaftsstrafrechts, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Um einen Verhaltenskodex der Wirtschaft selbst aufzugreifen, zitiere ich aus der „Süddeutschen Zeitung“ Herrn Dr. Man fred Gentz, Vorsitzender der Regierungskommission Deut scher Corporate Governance Kodex und ehemaliger DaimlerFinanzvorstand, also aus Baden-Württemberg:
In einer freiheitlichen Demokratie, in einer Marktwirt schaft müssen alle Unternehmen, das gilt vor allem für die großen, sich so verhalten, dass die Gesellschaft ihr Verhalten akzeptieren kann, weil es dem Bild eines ehr baren Kaufmanns entspricht. Wenn diese Akzeptanz ver loren geht, ist das System gefährdet, und wir werden die Einschränkung der Freiheit durch den Staat erleben.
Insofern ist es richtig, dass wir eine Ausweitung des Wirt schaftsstrafrechts vorantreiben. Das heißt aber im Umkehr schluss, dass die Regelungen des Staates so formuliert sein müssen, dass sie auch greifen, wenn sich Unternehmen straf rechtlich relevant verhalten.
Wenn selbst eine vom baden-württembergischen Justizminis terium – das haben Sie zitiert, Herr Kollege Goll – eingerich tete Arbeitsgruppe mit leitenden Staatsanwälten – Herr Kol lege Löffler, Sie sprachen von einem Armutszeugnis der Straf verfolgungsbehörden – zu dem Schluss kommt, dass sie trotz ihrer Ermittlungen und trotz ihres enormen Aufwands, was die Wirtschaftskriminalität anbelangt, nicht vorankommen, weil sie bei den gesetzlichen Vorgaben Grenzen sehen und das bestehende System der Verbandsgeldbuße und der Vermögens abschöpfung bei Unternehmen ein rechtspolitisches Optimie rungspotenzial hat, ist dies ein Tipp und eine Empfehlung aus der Praxis, die wir gern aufnehmen wollen. Denn wir wollen die Strafverfolgungsbehörden dort unterstützen, wo sie unse re Hilfe brauchen. Deshalb wollen wir die gesetzlichen Grund lagen verändern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Bei aller Kritik, die die FDP/DVP-Fraktion am NRW-Vorstoß hat, ist auch festzuhalten: Es werden auch Anreize für Unter nehmen geschaffen. Sie haben es selbst in der Hand, diesem
Verdacht durch die Schaffung von verlässlichen ComplianceStrukturen zu entgehen. Wir unterstützen deshalb den Justiz minister beim notwendigen Kampf gegen Wirtschaftsstrafta ten im Interesse der vielen baden-württembergischen Unter nehmen, die sich rechtskonform und tadellos verhalten, und appellieren insbesondere an die FDP/DVP-Fraktion, dies in gleicher Weise zu tun.
Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Thema dieser von der Fraktion der FDP/DVP bean tragten Aktuellen Debatte soll die Ausweitung des Unterneh mensstrafrechts sein. Dazu muss ich Ihnen leider sagen: In Deutschland gibt es bisher gar kein Unternehmensstrafrecht, das ausgeweitet werden kann. Die von Nordrhein-Westfalen angestoßene Diskussion dreht sich um die Frage, ob ein sol ches in Zukunft überhaupt eingeführt werden soll.
Die Handreichung aus meinem Haus für die Staatsanwalt schaften hingegen betrifft allein das geltende Recht. Es ist da bei schon bemerkenswert, was Sie, Herr Kollege Dr. Goll und Herr Kollege Dr. Löffler, zum geltenden Recht gesagt haben. Das von der Fraktion der FDP/DVP für diese Aktuelle Debat te gewählte Thema führt deshalb in die Irre.
Herr Dr. Rülke, Sie haben in der ersten Pressemitteilung auf unsere Verlautbarung hin kundgetan, der Minister plane, künf tig Unternehmen als Ganzes für Fehler einzelner Mitarbeiter zu bestrafen. Da wäre es vielleicht gut gewesen, wenn Sie Ih ren Kollegen Dr. Goll einmal zurate gezogen hätten.
Er hätte Ihnen vielleicht ein paar Grundbegriffe beibringen können, etwa den Unterschied zwischen einer Straftat und ei ner Ordnungswidrigkeit – falls Ihnen dieser Unterschied nicht geläufig sein sollte.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Auch für Ordnungswidrigkeiten kann man bestraft werden! Das wissen nicht nur Juristen!)
Meine Damen und Herren, die hervorragende Arbeit der ba den-württembergischen Justiz ist gerade auch für Unterneh men zu einem Standortfaktor geworden. Die Unternehmen in Baden-Württemberg können sich darauf verlassen, dass Aus einandersetzungen, die sich nur noch vor Gericht klären las sen, dort gründlich, schnell und effektiv verhandelt werden. Im Jahr 2012 lag Baden-Württemberg im Hinblick auf die Dauer der Verfahren bundesweit auf dem zweiten Platz – und das mit der geringsten Personaldichte im Bereich der Richter und der Staatsanwälte.
Die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Verfahrens und die daraus resultierende Entscheidung führen zweifellos zu einer Rechtssicherheit, die für die Arbeit der Unternehmen un abdingbar ist. Ich selbst erlebe häufig, dass Unternehmen wie der nach Deutschland zurückkehren, weil sie die Sicherheit des Standorts, gerade in rechtlicher Hinsicht, zu schätzen wis sen, etwa in Bezug auf das Arbeitsrecht.
Aber kriminelle Machenschaften durch Unternehmen führen zu Wettbewerbsverzerrungen. Die große Mehrzahl, die geset zestreuen Unternehmen sind daher darauf angewiesen, dass eine schnelle und konsequente Strafverfolgung im Bereich der Wirtschaftskriminalität gewährleistet ist. Diesen berechtigten Anspruch löst das Land Baden-Württemberg ein.
Wenn hier nun ein künstlicher Gegensatz zwischen der Wirt schaft und unserer Justiz geschaffen wird, dann kann ich dem natürlich nur widersprechen. Die Diskrepanz, die Sie beschrei ben – die Kollegen Binder und Filius haben dies bereits be leuchtet –, gibt es nicht. Im Gegenteil: Die Wirtschaft vertraut unserer Justiz. Unsere Rechtskultur beruht u. a. darauf, dass die Wirtschaft in die Justiz einbezogen ist; denken Sie etwa an die Teilnahme an Prozessen in den Arbeitsgerichten durch Richter, die von der Wirtschaft benannt werden, oder durch Richter, die in den Kammern für Handelssachen die Wirt schaftsseite vertreten. Dies trägt zu einer Rechtskultur bei, die seit Jahren mit Erfolg gepflegt wird.
Der von Nordrhein-Westfalen vorgestellte Gesetzentwurf will einen Beitrag zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität leisten, die in Zeiten komplexer werdender Handlungsabläu fe in der Tat großen Schwierigkeiten gegenübersteht. Daher sollen nach diesem Entwurf zukünftig nicht nur die einzelnen verantwortlich handelnden Personen, sondern auch das Un ternehmen selbst strafrechtlich belangt werden können. Ich sage ausdrücklich: Gemäß diesem Entwurf soll die Vorausset zung in materieller Hinsicht sein, dass Zuwiderhandlungen zugunsten des Verbands des Unternehmens unter Verletzung von den Verband betreffenden Pflichten vorgenommen wer den.
Ich darf Ihnen einmal vortragen, was die Justizministerkon ferenz hierzu gesagt hat. Es ist durchaus nicht so, dass hier nun der Weg in ein Unternehmensstrafrecht beschritten wür de. Vielmehr haben die Justizminister Folgendes verabschie det: Sie begrüßen den Vorstoß aus Nordrhein-Westfalen als geeignete Diskussionsgrundlage, um Chancen und Risiken ei ner originären Strafbarkeit von Unternehmen zu prüfen. Das ist der Tenor dieser Entscheidung.
Wenn Sie die Koalitionsverhandlungen im Bund aufmerksam verfolgen – Sie von der FDP/DVP haben wahrscheinlich kei nen so guten Draht mehr nach Berlin, aber der Kollege Löff ler hat diesen Draht vielleicht schon –, dann werden Sie fest stellen, dass dieses Thema in den Koalitionsverhandlungen keine Rolle spielt.
Meine Damen und Herren, wir gehen in Baden-Württemberg einen anderen Weg. Wir gehen im Rahmen des geltenden Rechts vor. Ebendarum geht es bei der Handreichung für die Staatsanwaltschaften, die manche in den letzten Tagen offen bar in Aufregung versetzt hat. Die entscheidende Frage lau tet: Wie kann man mit den durch das Gesetz schon jetzt zur Verfügung gestellten Mitteln wirksam gegen Wirtschaftskri
minalität vorgehen? Die Antwort darauf lieferte die Arbeits gruppe, die diese Handreichung für die Staatsanwaltschaften erarbeitet hat.
Dass bei diesem Thema Lernbedarf besteht, zeigt Ihre Äuße rung, Herr Dr. Rülke, bezüglich der „Sippenhaftung“. Auch jetzt, nach geltendem Recht, gilt, dass eine Verbandsgeldbu ße gerade ein Handeln verantwortlicher Personen im Interes se des Unternehmens bzw. das Nichtvorhandensein von Com pliance-Systemen erfordert.
Erst recht nicht nachzuvollziehen ist die auch in öffentlichen Reaktionen zu lesende Ansicht, dass aus krummen Geschäf ten gezogene Gewinne nicht abgeschöpft werden sollen. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: „dass aus krummen Geschäften gezogene Gewinne nicht abgeschöpft werden sollen“. Ja sollen diese Gewinne denn bei dem, der kriminell handelt, verbleiben? Ist das ernst gemeint?
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wer sagt das denn? Wer sagt das konkret? Nicht immer nur im Ne bel herumstochern!)
Herr Dr. Rülke, ich meine, es müsste Grundkonsens in un serer Wirtschaftsordnung sein, dass wir ein Interesse an der Durchsetzung unseres Rechtsstaats haben
Was wir jetzt tun, ist Folgendes: Wir schulen unsere Staatsan wälte. Wir machen sie mit der geltenden Rechtslage noch bes ser vertraut, damit sie entsprechend tätig werden können – im mer im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts.
Hierzu wiederhole ich noch einmal den Hinweis von Herrn Binder und Herrn Filius: Der Rahmen für die Geldbuße, die verhängt werden kann, wurde im Sommer dieses Jahres von der Bundesregierung von 1 Million € auf 10 Millionen € er höht. Ich nehme an, daran waren die zuständige Ressortmi nisterin Leutheusser-Schnarrenberger und der zuständige Wirt schaftsminister Dr. Rösler beteiligt – der eine oder andere von Ihnen wird sich an diese Regierungsmitglieder noch erinnern.