Eines möchte ich auch in aller Deutlichkeit sagen: Sie fordern Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht. Würden Sie mit Ihren Vertretern in den Gremien intensiver reden – ich kom me später noch einmal darauf zu sprechen –, dann wüssten Sie: Wir haben versucht, das Urteil abzuwarten. Vor dem Som mer war nicht absehbar und war nicht herauszufinden, wann das Bundesverfassungsgericht zu einem Urteil kommen wür de. Es war überhaupt nicht klar, ob das in einem Jahr, in zwei oder in drei Jahren geschehen würde. Zu diesem Zeitpunkt ha ben wir uns entschlossen, nicht mehr länger zuzuwarten.
Das Bundesverfassungsgericht – Sie wissen das aus anderen Bereichen – ist eben nicht dazu da, der Politik zu sagen, was sie zu vollziehen hat. Vielmehr hat die Politik die Aufgabe, selbst zu handeln, selbst abzuwägen. Das Bundesverfassungs gericht prüft dies gegebenenfalls. Wir sind uns sehr sicher, dass die Anliegen, über die im Moment aus den genannten Gründen verhandelt wird, berücksichtigt werden. Sie haben ja – das wurde bereits mehrfach angesprochen – bei diesem Vertrag auch keine Kritik in Bezug auf mangelnde Staatsfer ne geübt. So sehen wir es auch.
Wir haben dem Bundesverfassungsgericht unseren Respekt erwiesen, indem wir das Anliegen, das dort verhandelt wird, implizit bei der Erarbeitung des Staatsvertrags berücksichtigt haben.
Herr Dr. Goll, Sie haben heute Morgen gesagt, ich hätte ge sagt, ich wüsste schon, was das Bundesverfassungsgericht sa gen wird. Das habe ich natürlich nicht gesagt. Ich habe ledig lich auf eines hingewiesen – das kann ich heute aus gegebe nem Anlass wiederholen –: In der mündlichen Verhandlung hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass es vermutlich in einem Punkt Kritik an der Gremienzusammen setzung des ZDF hat, nämlich in dem Punkt, dass es keinen angemessenen Frauenanteil gibt. Genau das wurde von Ihnen jetzt wieder kritisiert. Wo ist denn da Ihr Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht, wenn Sie so tun, als wäre eine ver bindliche Quotierung, eine harte verbindliche Quotierung – „hart“ heißt in diesem Fall: halbe-halbe; genau so stellt sich das Geschlechterverhältnis, zumindest soweit mir bekannt ist,
derzeit dar – kritisch zu beurteilen, während das Bundesver fassungsgericht in der mündlichen Verhandlung gerade dar auf hingewiesen hat, dass dies heutzutage ein angemessener Anspruch an ein Gremium ist, das die Gesellschaft vertreten soll?
Dann noch einmal zu Ihrem Vorwurf der Klientelpolitik: Bis lang waren die Vertreter des ländlichen Raums allein auf die Bauernverbände beschränkt. Wir wollen dies jetzt insofern än dern, als nun neben den Bauernverbänden auch der Landfrau enverband umfasst ist. Was diese Absicht mit angeblicher grün-roter Klientelpolitik zu tun hat, weiß ich nicht. Mir ist auch nicht bekannt, dass Muslime per se Anhänger von Grün oder Rot sind und deshalb als unsere „Vorfeldorganisation“ betrachtet werden könnten. Auch vom VdK, von der EuropaUnion oder den Migrantinnen in den Kommunalparlamenten ist mir so etwas nicht bewusst. Aber Sie scheinen das anders zu sehen.
Wir haben uns die Gremienzusammensetzung sehr genau an geschaut. Wir haben sorgfältige und schwierige Abwägungen angestellt. Wir haben punktuelle Veränderungen vorgenom men, um die gesellschaftlichen Kräfte besser abzubilden. Ich glaube, an diesem Punkt wird ein Grundproblem deutlich, das die CDU gelegentlich hat: Sie betrachten Veränderungen in der Gesellschaft als Angriff auf Ihre etablierten Pfründe.
Dann komme ich noch zu den anderen Punkten, die von Ih nen angesprochen wurden. Sie sagten, wir würden eine will kürliche Verkürzung der Amtszeiten vornehmen. Interessant dabei ist, dass Sie Bedenken formulieren, die die Vertreter der Gremien, die dies betrifft, überhaupt nicht äußern und somit offenbar nicht haben. Das finde ich interessant.
Im Übrigen gibt es ein Urteil in Bezug auf den NDR, mit dem das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber ausdrücklich einen weiten Gestaltungsspielraum zugesteht, was die Amts zeiten angeht. Das Gericht sähe nur in dem Fall Anlass für Kritik, wenn eine Regierung die Amtszeit deshalb verkürzt, weil ihr die aktuelle Besetzung des Gremiums nicht passt und sie mit diesem Verfahren genau diejenigen Personen vorzei tig aus ihren Ämtern entfernen will.
Das kann schon deshalb gar nicht sein, weil wir die Amtszeit verkürzung bereits zu einem Zeitpunkt beschlossen hatten, als das Gremium noch gar nicht so zusammengesetzt war, wie es jetzt der Fall ist.
Sie haben das Redaktionsstatut kritisiert. Ich rede in der Re gel über Staatsferne, Sie hingegen haben über Politikferne ge sprochen. Aber gerade unter dem Gesichtspunkt der Politik ferne finde ich Folgendes spannend: Wenn redaktionelle Strei tigkeiten – darum geht es beim Redaktionsstatut – in Zukunft in einem ordentlichen und transparenten Gremium innerhalb des SWR diskutiert werden und Sie monieren, dass diese im Rundfunkrat diskutiert werden sollten, dann weise ich Sie da rauf hin, dass dies bedeutet, dass die Abgeordneten dann mit
Ich habe es Ihnen schon erläutert: Wir haben das Redaktions statut auch im Dialog mit dem SWR so gestaltet, dass dies ein schlankes Gremium ist, dass der Intendant das Erstvorschlags recht hat und insofern selbst an der Bildung des Gremiums beteiligt ist. Wir sind also sehr zuversichtlich, dass wir hier bei zu einer sinnvollen und pragmatischen Regelung gelan gen. Auch wir haben großes Vertrauen in den SWR-Intendan ten.
Ihre Kritik, wir hätten den Staatsvertrag einfach so gemacht, wie er uns als Grün-Rot oder Rot-Grün gefällt, muss ich in al ler Deutlichkeit zurückweisen. Zum einen haben wir viel mit den Gremien geredet, und wir haben den Staatsvertragsent wurf in sehr transparenter Weise früh der Öffentlichkeit vor gestellt. Es gab hierzu mehrere Debatten, auf die ich gleich noch zurückkommen will. Zum anderen haben wir sehr wohl auch mit den Fraktionen im Landtag geredet – auch mit der CDU-Fraktion; vielleicht erinnern Sie sich daran.
Insofern zeigt dieser Vorwurf ein interessantes Vorgehen bei einer Fraktion, die im Rahmen der Erarbeitung immer in den Dialog eingebunden war.
Noch einmal zu den Gremien – das ist wirklich spannend –: Das Grundzügepapier des Staatsvertrags wurde in den SWRGremien, und zwar in einer gemeinsamen Sitzung des Ver waltungsrats und des Rundfunkrats, bei vier Enthaltungen oh ne Gegenstimmen angenommen. In der vorangehenden De batte gab es zum Einzelpunkt „Quotierungen“ vier Gegen stimmen und ansonsten Zustimmung. Das waren – in der jet zigen Zusammensetzung – die Gremien, von denen Sie sagen, sie spiegelten die Gesellschaft sehr viel besser wider als die von uns beabsichtigte Zusammensetzung. Die Gremien in der von Ihnen präferierten Zusammensetzung haben mit übergro ßer Mehrheit, ohne Gegenstimmen, gesagt: Der Staatsvertrag ist so, wie er in seinen Grundzügen angedacht ist, genau rich tig. Vielleicht hören Sie einmal auf die Gremien.
Aber dass es eine Diskrepanz zwischen Ihnen und Ihren Ver tretern in den Gremien gibt, merkt man auch beim Thema Or chester.
Auch von meiner Seite muss ich noch einmal deutlich sagen: Ich weiß nicht, mit welcher Begründung Sie mir einfach un terstellen können, die Regierung würde bei diesem Thema wegtauchen. Ich weiß nicht, auf welcher Grundlage Sie zu diesem Urteil kommen. Ich zumindest habe vor der Entschei dung im SWR mit den entsprechenden Gremien – sowohl mit den Gremien, die sich mit dem Orchester in Stuttgart befas sen, als auch mit den „Orchesterrettern“ in Freiburg – selbst verständlich Gespräche geführt. Ich habe ihnen meine Grün
de, weshalb ich – als Mitglied des Verwaltungsrats – die Fu sion als sinnvoll und notwendig erachte, erläutert. Ich habe in den Gremien auch entsprechend abgestimmt – ebenfalls aus drücklich als Mitglied des Verwaltungsrats und nicht als Mi nisterin.
Vielleicht schauen Sie sich das Abstimmungsverhalten Ihrer Vertreter in den Gremien noch einmal an. Ich wäre wirklich dankbar, wenn die Politikferne, die Sie anführen, allmählich dazu führt, dass Sie die Entscheidungen der SWR-Gremien dazu, wie sie die Struktur des SWR, auch in der Orchesterfra ge, in die Zukunft führen, respektieren und sich vonseiten der Politik diesen Entscheidungen anschließen.
Zum Schluss möchte ich noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, der mir wirklich wichtig ist: Ich glaube, der öffent lich-rechtliche Rundfunk braucht dringend mehr Fürsprecher. Wir haben bei der Gebührendebatte gemerkt, wie dünn der Boden der Akzeptanz inzwischen leider geworden ist. Ohne das Argument überstrapazieren zu wollen, glaube ich, dass die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Bedeu tung eines Qualitätsjournalismus, für die Gesellschaft und die Demokratie gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Ich persönlich bin fest überzeugt, dass es einen Ministerprä sidenten wie Berlusconi in einer gut aufgestellten Presseland schaft nicht geben kann. Da schützen uns der öffentlich-recht liche Rundfunk und der Qualitätsjournalismus vor einem Ver fall der politischen Kultur.
Wir stehen in einer sehr kritischen Situation, weil das Alters spektrum, das den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in An spruch nimmt, sehr einseitig ist, weil die Jüngeren da weitge hend außen vor sind. Mit „Jüngeren“ meint man in diesem Zu sammenhang auch Menschen mit meiner Haarfarbe, nämlich die unter 50-Jährigen.
Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Jüngeren nicht mehr erreicht. Denn wenn es der Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist, für Mei nungsvielfalt, für verlässliche Informationen zu sorgen, das Grundbedürfnis einer guten Informiertheit abzudecken, dann darf sich das nicht auf eine bestimmte Generation beschrän ken. Das heißt, wir müssen dringend dafür sorgen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zukunft auch die Jüngeren erreicht. Das tun wir.
Wir beauftragen explizit eine Onlineberichterstattung und da mit Trimedialität. Wir ändern die Struktur, damit sie sich nicht mehr an den Ausstrahlungswegen orientieren muss. Wir tre ten – um auch das kurz zu sagen – auch beim Jugendkanal da für ein, dass die Sieben-Tage-Regelung wegkommt, damit die Öffentlich-Rechtlichen online präsent sein können. Wir un terstützen und stärken den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerade auch mit diesem SWR-Staatsvertrag. Für die CDU und für die FDP/DVP heißt das: dabei sein oder dagegen sein.
Wir kommen daher in der Zweiten Beratung zur A b s t i m m u n g über den Gesetzentwurf Drucksache 15/4223. Ab stimmungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Stän digen Ausschusses, Drucksache 15/4366. Der Ständige Aus schuss empfiehlt Ihnen, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.