Protocol of the Session on November 7, 2013

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Der Grund liegt sicherlich darin, dass eine zu weitreichende gesetzliche Regelung dazu führen kann, dass die Europäische Kommission ihre Bewertung der kommunalen Zusammenar beit in Deutschland überdenken könnte – mit eventuell weit reichenden Folgen für Bereiche, in denen sich bisherige kom munale Strukturen bewährt haben, und für Bereiche, in denen wir keine weiter gehenden privatwirtschaftlichen Öffnungen wünschen.

Gerade für die angesprochenen Bereiche der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung ist grundsätzlich der Bezug von Lieferun gen und Leistungen öffentlich auszuschreiben, auch dann, wenn es sich um Leistungen zwischen öffentlichen Auftrag gebern und öffentlichen Auftragnehmern handelt.

Das deutsche System der kommunalen Zusammenarbeit ist auf EU-Ebene leider nicht die Regel. Der Europäische Ge richtshof hat auch in Fällen, in denen Kommunen über Eigen gesellschaften, aber auch im Wege kommunaler Zusammen arbeit Aufgaben erledigt haben, anerkannt, dass im Einklang mit der internen Verwaltungsautonomie der Mitgliedsstaaten das EU-Vergaberecht keine Anwendung findet. Dabei war aber mit von ausschlaggebender Bedeutung, dass die kooperieren den Einrichtungen nicht marktorientiert sind und diesen Un ternehmen das Prinzip der Daseinsvorsorge zugrunde liegt.

Genau dieses Argument wird aber dann geschwächt, wenn die Kommunen durch eine etwaige Neuregelung in die gleiche Position wie freie Unternehmer am Markt gesetzt würden. Das ist bei allen Überlegungen und Prüfungen, gesetzliche Rege lungen für kommunale Unternehmen in diesem Bereich zu verändern, in unseren Augen strikt zu beachten.

Wie eingangs erwähnt, ist die CDU-Landtagsfraktion offen für eine Modernisierung der interkommunalen Zusammenar beit und wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen – aller dings in dem von mir genannten Rahmen und innerhalb der gebotenen rechtlichen Grenzen. Dennoch bieten sich sowohl für den hoheitlichen als auch für den wirtschaftlichen Bereich Handlungsoptionen, die die kommunale Selbstverwaltung in den angesprochenen Bereichen stärken können. Auf den be reits im Jahr 2010 ausgearbeiteten Gesetzentwurf darf ich nochmals verweisen.

Diese Möglichkeiten sollten und könnten wir nutzen, um den Kommunen Planungssicherheit in rechtlicher Hinsicht für not wendige Investitionen zu geben. Dies bedarf jedoch nach un serer Auffassung eines sorgfältig ausgearbeiteten Gesetzent wurfs auf der Grundlage eines Abstimmungs- und Abwä gungsprozesses mit allen Beteiligten und nicht nur, Herr Rau felder, der Stellungnahme zu einem Antrag durch das Umwelt ministerium.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt kann der Kollege Schwarz seine Frage stellen.

Herr Kollege Klein, Herr Raufelder hat die dezentrale Energieversorgung angesprochen. Sie haben dem auch zugestimmt, was mich gefreut hat. Dann sind Sie auf das Örtlichkeitsprinzip eingegangen. Ich möchte Sie fragen, ob Sie mit uns der Überzeugung sind, dass es wich tig ist, die Kommunen, die inzwischen überlokal tätig sind, und die Stadtwerke, die regional tätig sind, in ihrer Rechtspo sition abzusichern.

Ich bin mit Ihnen einer Meinung. Aber es muss abgesichert sein, dass dies eine kommunale Zusam menarbeit ist, in die die betreffenden Kommunen alle einbe zogen sind. Sie müssen ihr Einvernehmen erklärt und die ent sprechenden Beschlussfassungen im Gemeinderat herbeige führt haben. Dies sind wichtige und grundlegende Vorausset zungen, damit wir bereit sind, den Weg mitzugehen.

Herzlichen Dank. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Heiler das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen, meine Damen, meine Herren! Baden-Würt temberg kann stolz auf seine Kommunen sein. Wir haben le bens- und liebenswerte Städte und Gemeinden. Dass dies so bleibt und noch besser wird, ist ein erklärtes Ziel der grün-ro ten Koalition. Wir brauchen daher eine Stärkung der kommu nalen Selbstverwaltung. Wir brauchen eine Stärkung der Kommunen insgesamt. Wir müssen den Kommunen das not wendige Rüstzeug für die Zukunft an die Hand geben.

Es ist der SPD-Fraktion deshalb auch ein Anliegen, den Hand lungsspielraum der Kommunen im Bereich ihrer wirtschaft lichen Betätigung klar zu definieren und, wo immer es not wendig ist, zu erweitern. Das gilt natürlich auch und insbe sondere im Bereich der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung. Die Stichworte Wettbewerb und Energiewende wurden bereits genannt. Insofern habe ich bisher vernommen, dass wir alle in einem Boot sitzen.

Lassen Sie mich mit einem Thema beginnen, das gerade zu einer Nachfrage geführt hat, nämlich dem Thema Örtlichkeits prinzip. Wir sind der Auffassung, dass die wirtschaftliche Tä tigkeit einer Kommune nicht umfassend sein kann, sondern an einem öffentlichen Zweck ausgerichtet sein muss. Das ist in § 102 Absatz 1 der Gemeindeordnung so definiert. Das hat sich über Jahre bewährt, und dabei sollte es grundsätzlich blei ben.

Das bedeutet andererseits, dass die Kommunen – das ist auch in § 102 der Gemeindeordnung festgeschrieben – die Mög lichkeit haben, überörtlich wirtschaftlich tätig zu werden. Das stößt immer dann an seine Grenzen, wenn in die Gebietsho heit einer anderen Kommune und damit auch in das kommu nale Selbstverwaltungsrecht einer anderen Kommune einge griffen wird. Bislang wurde das so gehandhabt, dass die Kom munen miteinander geredet haben. Üblicherweise findet eine Güterabwägung statt: Solidarität der Kommunen, Rücksicht nahmegebot in der kommunalen Familie, wie es so schön im Kommentar heißt. An diesen bewährten Strukturen sollten wir vom Prinzip her festhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Ich habe vom sehr geschätzten Kollegen Klein vernommen, dass die CDU im Jahr 2010 bei ihrem damaligen, offensicht

lich übermächtigen Koalitionspartner Wünsche angemeldet hat und damit gescheitert ist. Kollege Raufelder, das wird uns nicht passieren. Denn wir haben klare Vorstellungen.

Jetzt komme ich zum Thema: Eine selbstständige Kommunal anstalt könnten wir uns sehr gut vorstellen. Das heißt, wir füh ren so etwas in Form einer rechtsfähigen Anstalt des öffentli chen Rechts als zusätzliche Alternative zu Eigenbetrieben ei nerseits und Betrieben, die in der Rechtsform des privaten Rechts als Aktiengesellschaft oder GmbH geführt werden, an dererseits ein. Daraus ergeben sich, denke ich, wesentliche Vorteile. Solche rechtsfähigen Anstalten sind ein Mittelding zwischen den beiden genannten Formen. Gegenüber dem Ei genbetrieb bestünde eine größere Selbstständigkeit, und ge genüber den Unternehmen in Privatrechtsform bestünde durch die öffentlich-rechtliche Form eine engere Bindung an die Ge meinde und insbesondere an die dortigen Gremien.

Wir werden also dieses Thema angehen. Herr Kollege Klein, Sie und Ihre Fraktion sind herzlich eingeladen, sich daran ak tiv zu beteiligen.

(Zuruf des Abg. Karl Klein CDU)

Wir werden – da sind wir uns auch weitgehend einig, Herr Kollege Raufelder – auch im Bereich der Subsidiaritätsklau sel etwas machen müssen. Da will ich einmal kurz in die Ge schichte einsteigen. 2005 war das hier – nicht in diesem Saal, sondern noch im alten Plenarsaal – ein heißes Thema. Denn damals wurde die Gemeindeordnung dahin gehend geändert, dass die Gemeinden im Bereich der wirtschaftlichen Betäti gung – ein öffentlicher Zweck war natürlich immer vorausge setzt – nachweisen mussten, dass sie die Aufgaben besser er füllen konnten als ein privater Betrieb. Was war denn damals? Das war die berühmte „Lex Föll“. Damals hat man einen Kuh handel zwischen CDU und FDP/DVP betrieben. Man hat ver einbart, dass man Kämmerer werden kann, ohne dass die not wendigen Vorbildungen vorhanden sein müssen. Im Gegen zug hat man § 102 der Gemeindeordnung geändert und diese strenge Subsidiaritätsklausel eingeführt. Das wollen wir wie der abschaffen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Wir wollen eine Regelung, wie sie vor 2005 bestanden hat, wieder einführen. Wir wollen, dass die Gleichwertigkeit wie derhergestellt wird und eine wirtschaftliche Tätigkeit auch dann durch die Kommune angeboten werden kann, wenn die Kommune dies zumindest genauso gut leisten kann wie ein privater Betrieb.

Um zum Thema zurückzukommen: Was die Strom-, Gas- und Wärmeversorgung anbelangt, sollte für die mit dem Haupt zweck verbundenen Dienstleistungen – ich denke an Energie handel, Energieberatung, Energiemanagement – eine Klarstel lung im Gesetz erfolgen, damit die Kommunen Planungs- und Rechtssicherheit haben.

Zusammenfassend darf ich festhalten, dass die grün-rote Ko alition gewillt ist – über Einzelheiten müssen wir noch spre chen –, eine Änderung der Vorschriften des § 102 der Gemein deordnung vorzunehmen. Wir wollen die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen deutlich verbes sern und so wieder einmal beweisen, dass die neue Regierung

und die sie tragenden Fraktionen verlässliche Partner und die wahren Freunde unserer Kommunen sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Lachen bei Abgeordneten der CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Die wahren Freunde! – Zuruf: Elf Freunde müsst ihr sein!)

Das Wort für die Frakti on der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Glück.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar, dass wir diesen Antrag der Fraktion GRÜNE im Plenum behandeln. Es wurde schon angesprochen: Es geht vor allem um § 102 der Gemeindeordnung. Herr Heiler, Sie haben gerade gesagt, die ser habe sich bewährt. Ich darf Absatz 1 dieser Vorschrift ein mal vorlesen:

Die Gemeinde darf ungeachtet der Rechtsform wirtschaft liche Unternehmen nur errichten, übernehmen, wesent lich erweitern oder sich daran beteiligen, wenn...

jetzt kommt nach zwei anderen Punkten das Entscheidende –

bei einem Tätigwerden außerhalb der kommunalen Da seinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaft lich durch einen privaten Anbieter erfüllt wird oder er füllt werden kann.

Gleiches gilt im Übrigen auch, Herr Heiler, wenn sich eine Kommune überörtlich, z. B. über einen Zweckverband, enga gieren möchte. Da ist es einfach wichtig, zu wissen – so, wie Sie das vorhin gesagt haben, konnte das falsch ankommen –: Bereits jetzt gibt es sehr wohl die Möglichkeit, dass sich kom munale Unternehmen, z. B. in Form eines Zweckverbands, überörtlich engagieren.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Das wird auch in der Stellungnahme zu dem vorliegenden An trag so dargelegt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ein privates Unternehmen eine Aufgabe wirtschaftlich zumindest gleich gut leisten kann, dann darf die Kommune diese Aufgabe nicht wahrnehmen. Da ist in der Tat die Handschrift der FDP zu le sen.

Mir bereitet es ein bisschen Bauchweh, wenn, obwohl wir ei ne gute Regelung haben, die funktioniert,

(Zuruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

in der Begründung des vorliegenden Antrags zu lesen ist:

Die Landtagsfraktion GRÜNE vertritt die Auffassung, dass eine Veränderung und Öffnung dieser Beschränkun gen, insbesondere im Bereich von § 102 GO, erforderlich ist,...

Das bereitet nicht nur mir Sorge, sondern auch dem Hand werkskammertag. Warum wollen Sie diese Ausweitung der staatlichen Aufgaben? Das verstehe ich nicht. Akzeptieren Sie

doch, dass gerade private Unternehmen erfolgreich in diesem Land investieren und Arbeitsplätze in diesem Land schaffen. Akzeptieren Sie doch, dass gerade das Handwerk – Sie schaf fen damit eine Konkurrenz zum Handwerk – das Rückgrat der baden-württembergischen Wirtschaft ist. Akzeptieren Sie, dass diese Unternehmen, an die Sie jetzt Hand anlegen möchten, letztlich auch für den Wohlstand in Baden-Württemberg mit verantwortlich sind.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Dieses Bekenntnis zu den privaten Unternehmen fordere ich von Ihnen ein.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Minderheitenvo tum!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich verstehe ganz prinzipiell nicht: Warum soll der Staat eine Aufgabe überneh men, wenn ein privates Unternehmen diese Aufgabe genauso gut oder sogar besser übernehmen kann?

(Abg. Walter Heiler SPD: Dann bekommt es sie ja!)