Protocol of the Session on July 13, 2011

Ob die konventionelle oder die ökologische Produktion bes ser ist, hängt von der spezifischen betrieblichen und familiä ren Situation ab. Beide haben ihre Berechtigung. Auch hatten wir noch nie, meine Damen und Herren, so rückstandsarme Nahrungsmittel – und zwar in beiden Produktionsarten – wie heute.

(Vereinzelt Beifall)

Der ökologische Landbau ist in der Mitte der Gesellschaft an gekommen; das zeigen auch die Betriebsgrößen. Das große Verdienst der ökologischen Landwirtschaft ist zudem, dass sie in den letzten 40 Jahren auch begleitend darauf eingewirkt hat, dass man im Umgang mit Dünger und mit Pflanzenschutz mitteln sensibler geworden ist. Dies hat dazu beigetragen, den alten Slogan „Viel hilft viel“ zu überwinden. Jeder Landwirt ist Ökonom genug, um rechnen zu können. Beispielsweise wird heute bedarfsgerecht gedüngt, auch deshalb, weil wir hervorragend ausgebildete junge Landwirtinnen und Land wirte haben – nicht nur studierte, sondern praktisch wirklich gut ausgebildete; studierte Landwirte haben wir natürlich auch. Die können das mit dem Computer gut. Aber das reicht nicht unbedingt aus für die ökologische und die konventionel le Landwirtschaft.

Meine Damen und Herren, dass problematische Pflanzen schutzmittel, Hormone in Futtermitteln oder Fütterungsanti biotika bereits in den Achtzigerjahren verboten wurden, ist natürlich auch der Tatsache zu verdanken, dass man schon seit Langem auch hier über das gesamte Thema diskutiert.

Wurde früher der ökologische Landbau vor allem von soge nannten idealistischen Sonderlingen, wie man sie bezeichne te, betrieben, sind heute professionell arbeitende Profis am Werk. Übrigens hat das alles nichts mit Romantik zu tun und auch nichts mit Kleinstbetrieben. Ein Beispiel haben wir ja vor Augen: Unser Kollege Martin Hahn beweist, wie man ökologische Großlandwirtschaft betreiben kann.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Bravo!)

Aber ich darf eines auch klar sagen: Der ökologische Land bau sieht nicht mehr so aus wie früher. Die Betriebe sind größer geworden, der Biomarkt ist international – die Ökobi lanz lässt grüßen –, die Vermarktung findet zunehmend über den Lebensmitteleinzelhandel statt.

Der Ökomarkt ist eine Branche mit Chancen. Der Staat hat hier gute Rahmenbedingungen gesetzt, und zwar in BadenWürttemberg schon seit Längerem.

Noch einmal: Der Staat hat nicht direkt in den Markt einzu greifen. Das, was auf dem Markt passiert, ist vor allem Sache der Marktbeteiligten. Das sind vor allem Erzeuger und Ver braucher sowie der Handel.

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, Landwirtschaft hat in all ihren Facetten in Baden-Württemberg aufgrund der Kaufkraft, aufgrund der Struktur eine hervorragende Zukunft. Ich freue mich, dass alle in diesem Haus dies, glaube ich, so erkannt haben.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Jetzt hat sich der Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Minister Bonde.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Da men und Herren! Man merkt, wie grün die Republik gewor den ist, wenn man sich FDP/DVP-Reden heute anhört.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Aber es ist ja auch schön, in einem für die Verbraucherinnen und Verbraucher wie auch für die Landwirtschaft so wichti gen Thema ein solch großes Maß an Einigkeit hier zu haben.

Baden-Württemberg hat eine reich gegliederte und abwechs lungsreiche Kulturlandschaft sowie eine funktionierende Struktur von bäuerlichen Familienbetrieben. Es ist das Ziel dieser Landesregierung, diese Struktur auch zu halten, weil das genau die Betriebe sind, die nachhaltige und umweltge rechte Bewirtschaftungen vornehmen. Das ist das, was sich viele Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen: hochwer tige Qualitätsprodukte aus heimischer Erzeugung.

Da reden wir nicht über die Frage: Bio oder konventionell? Da reden wir vielmehr über eine Struktur, mit der wir das ins gesamt hinbekommen.

(Beifall des Abg. Karl Rombach CDU)

Qualitätsprodukte spielen da eine große und zunehmende Rol le. Gerade für die klein- und mittelbäuerliche Landwirtschaft liegt da ein erhebliches Potenzial. Auch das ist wieder unab hängig von der Frage: Ökologisch oder konventionell?

Gerade beim ökologischen Landbau, gerade bei den ökologi schen Lebensmitteln nutzen wir in Baden-Württemberg die Marktchancen noch nicht. Gerade da gibt es noch eine ganze Reihe unerschlossener Potenziale.

Der Vorteil ist: Der Markt ist da. Baden-Württemberg hat da auch eine Marke. Es ist richtig, dass Baden-Württemberg das Bundesland mit der längsten Tradition im Ökolandbau ist. Zwei der großen Ökoverbände – Demeter und Bioland – wur den in Baden-Württemberg gegründet. Aber die Spitzenposi tion haben wir längst verloren. Wir sind im Mittelfeld ange kommen. Mit Verlaub, es ist das Ziel der neuen Landesregie rung, mit Baden-Württemberg auch da wieder an die Spitze zu kommen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die Zahl, die Sie vorhin genannt haben, ist richtig: Wir haben insgesamt 6 400 kontrollierte Ökobetriebe in Baden-Württem berg. Wenn man sich die Zahlen jedoch genau anschaut, sieht man: Wir reden über 3 000 landwirtschaftliche Betriebe im engeren Sinn. Wenn man dann zurückschaut, stellt man fest: Vor acht Jahren, im Jahr 2003, waren es auch schon 2 800 der artige Betriebe. An dieser Stelle sieht man, was in diesem Be reich an Dynamik verloren gegangen ist und welche Chancen in einem deutlich wachsenden Nachfragemarkt ungenutzt blei ben, weil wir die Nachfrage in Baden-Württemberg nicht mehr selbst bedienen.

Die Zahlenverwirrung kommt daher, dass die übrigen Ökobe triebe – auch das ist wichtig – ausschließlich Streuobstflächen bewirtschaften. Genau damit werden hier seit Jahren die doch sehr geringen Anstiege der Zahl der Betriebe im Ökobereich in den Statistiken aufgehübscht. Aber davon haben wir alle nichts. Es muss darum gehen, unseren Bäuerinnen und Bau ern hier auch tatsächlich Chancen zu geben.

In Baden-Württemberg befinden sich 107 000 ha in ökologi scher Bewirtschaftung; das sind 7,5 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Da gibt es ein leichtes Wachstum. Aber wenn man sich einmal in der Nachbarschaft umschaut, sieht man, dass beispielsweise Österreich schon im Jahr 2009 bei einem Anteil der Fläche in ökologischer Bewirtschaftung von 20 % angekommen ist. Das erklärt übrigens, warum das mas sive Wachstum der Importe auch die österreichische Land wirtschaft stützt und nicht unserer Landwirtschaft zugute kommt. Das ist, glaube ich, ein Punkt, an dem wir jetzt ge meinsam aktiv werden müssen. Da müssen wir auch schauen, was alles nicht passiert ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Natürlich gibt es Beratungsunterstützung für Ökobetriebe in Baden-Württemberg. Allerdings sind gerade einmal fünf der vielen Beratungsdienste auf ökologische Wirtschaftsweise spezialisiert. Natürlich gibt es bei uns gute Berufs- und Fach schulen, aber, mit Verlaub, der Unterricht zum Thema Öko landbau ist, vorsichtig gesagt, doch noch mehr als ausbaufä hig.

Das Land fördert im Bereich Vermarktung regionale Kenn zeichnung, Bioprodukte und Vermarktungsaktivitäten.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig!)

Das ist gut, und darauf lässt sich aufbauen. Aber wir haben auch da wieder direkt vor der Tür in der Nachbarschaft, näm lich in Bayern, das Beispiel dafür, dass man da wesentlich mehr machen kann und mehr machen muss, wenn man den Markt für seine Landwirte tatsächlich sichern will.

Für Verbrauchervertrauen sind Transparenz und Sicherheit wichtig. Deshalb ist es richtig, dass wir hier in Baden-Würt temberg mit dem Ökomonitoring ein Instrument haben, das sicherstellt, dass dort, wo Bio draufsteht, auch Bio drin ist. Das ist erfolgreich; das werden wir fortsetzen. Das ist eine gu te Nachricht für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Ergebnisse des Ökomonitorings, nämlich dass ökologisch pro duzierte Lebensmittel hundertmal weniger Rückstände haben, dass zwei Drittel der Proben gänzlich rückstandsfrei waren, sind Gründe, weshalb die ökologische Landwirtschaft und biologisch erzeugte Produkte ein solch hohes Verbraucherver trauen genießen.

(Beifall bei den Grünen)

Das ist einer der Gründe, weshalb die Bioproduktion insge samt steigt und vor allem die Nachfrage nach Bioprodukten steigt. Damit kommen wir zum entscheidenden Punkt für un ser Land. Denn die Nachfrage steigt wesentlich stärker als das regionale Angebot. Baden-Württemberg mit seinen 10,7 Mil lionen Einwohnern ist längst eine große Importregion für Öko produkte. In den letzten Jahren haben sich die Importe ver doppelt. Das ist doch der Punkt, über den wir jetzt einmal ge nau reden müssen: Wie bekommen wir es hin, dass unsere Landwirte von dieser Nachfrage profitieren? Nichts gegen Ös terreich, nichts gegen Übersee, aber unsere Aufgabe muss doch sein, unseren Bäuerinnen und Bauern, die in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld unterwegs sind, zu ermögli chen, von dieser Nachfrage zu profitieren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Marktforschungsergebnisse zeigen, dass 67 % der Verbrau cher in Baden-Württemberg regelmäßig Bioprodukte kaufen und 80 % dieser Verbraucher sich wünschen, wesentlich mehr regional erzeugte Bioprodukte kaufen zu können. Der ent scheidende Punkt an dieser Stelle ist daher: Wie können wir diese Nachfrage von hier aus bedienen? Da ist, mit Verlaub, in den letzten Jahren eben nicht gerade unheimlich viel pas siert.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Eine entscheidende Schwäche haben wir auch in der Frage: Wie bringen wir unsere Struktur von Bioangeboten in den Le bensmitteleinzelhandel mit seinen Vermarktungsstrukturen? Da haben wir als Land eine wichtige Moderatorenrolle. Wir sitzen deshalb jetzt als neue Landesregierung auch mit den Verbänden am Tisch, um zu überlegen, was man verbessern kann, um tatsächlich Vermarktungschancen zu eröffnen. Denn wir wissen, dass wir im Premiumsektor natürlich auch die Möglichkeiten zur hochwertigen Weiterverarbeitung nutzen müssen und die Partnerschaft mit dem Handel dabei eine ganz wichtige Rolle spielt.

Aber wir werden an dieser Stelle auch die Sicherheiten bie ten müssen, die notwendig sind, damit sich Landwirte, die ih ren Hof auf ökologische Bewirtschaftung umstellen wollen, auch tatsächlich dazu entscheiden können. Da sind wir jetzt bei ein paar Punkten, bei denen in Baden-Württemberg eben nicht viel passiert ist. Junglandwirte und auch junge Gärtner bekommen in ihrer Ausbildung oft nicht die Chance, auch in den Ökolandbau hineinzuschnuppern und sich dann zwischen zwei unterschiedlichen Möglichkeiten zu entscheiden.

Auch die Unsicherheit bei den Umstiegshilfen hat zu dieser sehr geringen Steigerung der Zahl der Betriebsumstellungen in den letzten Jahren beigetragen. Sie haben im Jahr 2004 das MEKA in Baden-Württemberg gedeckelt, sodass bis 2007 der Neueinstieg in den Ökolandbau mit Umstiegshilfen nicht möglich war. Das gleiche Spiel haben Sie jetzt 2011 wieder gemacht, als der Neueinstieg in die Agrarumweltförderung und damit auch die Förderung der Umstellung auf Ökoland bau gestoppt wurden. Verlässlichkeit sieht anders aus. Wenn Sie hier überhaupt über die Frage des Marktes reden, dann ist das einer der wichtigen Punkte. Wenn sich jemand entschei det, muss er wissen: Kann ich in Baden-Württemberg sinn voll, ökonomisch darstellbar auf Ökolandbau umsteigen oder nicht?

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Deshalb gilt: Wer diese Marktchance ergreifen will, der muss in der schwierigen Phase der Umstellung für Verlässlichkeit und Kontinuität der Förderung sorgen. Deshalb haben wir als neue Landesregierung entschieden, genau diese Verlässlich keit endlich wiederherzustellen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

In Baden-Württemberg werden Betriebe wieder ohne Unter brechung zwischen den Förderperioden mit dem Umstieg be ginnen können, sich auf freiwilliger Basis neu orientieren kön nen und dieses Geschäft, an dem wir alle ein gemeinsames In teresse haben, angehen können.

Bezüglich der Ausbildung der Landwirte und Gärtner werden wir gemeinsam mit den Verbänden diskutieren, wie wir den deutlichen Nachholbedarf befriedigen können. Ich bin zuver sichtlich, dass es bei vielen, die jetzt die Nachfolge an den Hö fen antreten, Interesse an der Umstellung gibt, wenn man ih nen ein faires Informationsangebot macht. Da werden unsere landwirtschaftlichen Landesanstalten auch mehr Angebote, z. B. aus dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau, of fensiv nutzen. Es ist schön, dass gegenwärtig beim Kompe tenzzentrum Obstbau in Bavendorf die Versuchsfläche für ökologischen Obstbau erheblich erweitert wird. Ich denke, da hat das Land eine Reihe von ungenutzten Möglichkeiten.

Auch in Beratungsprojekte für den ökologischen Landbau muss man in den nächsten Jahren gezielt einsteigen. Beispiel haft nenne ich das Beratungsprojekt für Milchviehbetriebe im Südschwarzwald. Das ist ein gutes Projekt; das wollen wir weiterführen. Einer der Schwerpunkte ist auch hier die Um stellung auf die Ökomilcherzeugung.

Insofern haben wir – da hat die Opposition recht – vieles in Baden-Württemberg, an das wir positiv anknüpfen können. Aber wir haben uns zu lange auf alten Lorbeeren ausgeruht. Auch in diesem Bereich hat man vergessen, dass man, um Neues zu erwirtschaften, auch immer neues Schaffen und Dy namik braucht. Diese Landesregierung bekennt sich zu einem fairen Miteinander von konventionellem und ökologischem Anbau. Sie wird aber auch dafür sorgen, dass die Bäuerinnen und Bauern die Chance wahrnehmen können, die sich daraus ergibt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Bio produkte aus der Region wollen. Dafür werden wir mehr un ternehmen, als Sie es getan haben. Wenn Sie uns dabei unter stützen, sind Sie herzlich willkommen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Im Rahmen der verbleibenden Re dezeit erteile ich nun Herrn Abg. Locherer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Da men und Herren! Herr Minister Bonde, Sie haben die ganz entscheidende Frage nicht beantwortet bzw. keinen Hinweis darauf gegeben, woher Sie das Geld nehmen, um eine entspre chende Umstellung zu fördern und zu finanzieren. Entweder gibt es dafür frisches Geld aus dem Haushalt – Sie wissen das –, oder Sie nehmen es möglicherweise jemand anderem durch eine Umschichtung weg. Sie sind damit die Antwort auf eine ganz wichtige Frage schuldig geblieben.