Da gibt es in diesem Haus keinen Dissens. Das heißt im Klar text: Plebiszitäre Elemente können und sollen diese ausdrück lich ergänzen – das ist unser aller Wunsch; das ist auch mein Wunsch –, aber nicht gänzlich und vollständig ersetzen.
In diesem Zusammenhang gilt es auch das Zusammenspiel bei Volksbegehren und Volksabstimmungen zu klären – auch hier haben wir in der Arbeitsgruppe in den zurückliegenden Monaten keinen großen Dissens gehabt – und sicherzustellen, dass etwa bei einer angestrebten Verfassungs- oder Gesetzes änderung auf plebiszitärem Weg eine hinreichende Legitima tion derer, die dafür eintreten, vorhanden ist. Deshalb reden wir über Quoren, über Unterschriften, über Zustimmungshür den, die es zu bewältigen gilt. Da sind wir uns noch nicht ganz einig; aber wir haben uns in all diesen Themenbereichen, die dort diskutiert werden – beispielsweise Zustimmungsquoren für Bürgerentscheide, erforderliche Zahl der Unterschriften bei Volksbegehren oder bei der Volksabstimmung –, im Kor ridor so weit angenähert, dass eine Lösung, eine Einigung kurz bevorstehen sollte. Jedenfalls ist das nach meiner Wahrneh mung in der heutigen Debatte und auch in der Vergangenheit unser aller Wunsch gewesen.
Herr Goll, Sie haben das Thema „Kommunale Vertretung“ an gesprochen, also die Arbeit unserer Gemeinderäte, unserer Ortschaftsräte und unserer Kreisräte. Für sie gilt natürlich der gleiche Ansatz. Sie werden auch in Zukunft das Prä bei Ent scheidungen haben. Die engagierte Mitarbeit derer, die sich in den zurückliegenden Jahren eingebracht haben, geben wir mit den neuen Elementen natürlich nicht auf. Ich sehe viel mehr die Chance, dass den Menschen eröffnet werden kann, welche Mitwirkungsmöglichkeiten durch eigenes Zutun in diesen Gremien bestehen, wenn sie sich bei Wahlen zur Ver fügung stellen.
Darüber hinaus werden wir die Gemeinderatsarbeit und die Tätigkeit derer, die ihren Dienst für die Allgemeinheit leisten, transparenter machen. Deshalb werden wir in diesem Zusam menhang – Sie haben von einem Gesamtpaket gesprochen – auch die Öffentlichkeit bei Gemeinderatssitzungen ausweiten. Wir werden den Kommunen die Darstellung der Thematiken, Diskussionen und Entscheidungen dieser Sitzungen beispiels weise im Internet ermöglichen, was gegenwärtig noch nicht in ausreichendem Maß der Fall ist.
Insgesamt möchte ich sagen: Die interfraktionelle Arbeits gruppe, die im Übrigen in den zurückliegenden Jahren keine Selbstverständlichkeit für die parlamentarische Arbeit in Ba den-Württemberg war, ist meines Erachtens auf einem sehr guten Weg. Wir sollten dies nicht mit einzelnen Forderungen belasten, die erfüllt werden sollen. Denn dann ist dieser ge meinsame Weg nur schwer zu begehen. Wenn man ihn wirk lich will, dann könnte man dem, was wir gemeinsam bespro chen haben, auch zustimmen, selbst wenn es beim Planungs leitfaden keine Einigkeit geben sollte, wovon ich jedoch nicht ausgehe.
Nach all dem, was wir bisher gemeinsam erarbeitet haben, worüber wir diskutiert haben, vielleicht auch gestritten haben oder einfach Ansichten ausgetauscht haben – was meiner Mei nung nach ein ganz normaler Vorgang ist –, werden wir in Kürze einen Planungsleitfaden, zu dem Frau Erler noch eini ge Ausführungen machen wird, vorlegen können. Ich bin mir ziemlich sicher, die CDU kann dann keine Ausrede mehr an führen, sodass wir in diesem wichtigen Themenbereich ge meinsam vorankommen.
Das Innenministerium wird sich deshalb weiterhin intensiv mit Expertisen, aber auch mit den Erfahrungen und dem Sach verstand aus der Landesverwaltung in Baden-Württemberg in diese Diskussion einbringen.
Ich bin sehr optimistisch, dass es uns gemeinsam gelingt, die direkte Demokratie in Baden-Württemberg weiter auszubau en, hin zu einer modernen Bürgergesellschaft, die sich enga giert und sich einbringt, die auch bereit ist, gemeinsam Ver antwortung zu übernehmen für das, was man gemeinsam be schlossen und entschieden hat.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem Gesamtzusammenhang der direkten Demo kratie und der Verwaltungsvorschrift Planungsleitfaden noch ein paar Worte beisteuern.
Natürlich gibt es ein Gesamtkonzept der Landesregierung, das aus diversen Bauteilen besteht. Zum einen besteht es aus den Punkten, über die Sie im Zusammenhang mit der direkten De mokratie diskutieren. Ich verstehe nicht, warum Sie diese noch nicht gemeinsam beschlossen haben, zumal die trennenden Elemente tatsächlich so gering sind. Das verstehe ich einfach nicht.
Ich habe auch nicht verstanden – das muss ich noch einmal erwähnen –, warum Herr Hauk vor der Sommerpause in der Presse verlautbart hat, er könne die Einigung nicht weiterver folgen, weil der Planungsleitfaden ausstehe.
Ich werde kurz auf den Planungsleitfaden eingehen. Die Grund strukturen des Planungsleitfadens, die wesentlichen Inhalte, stehen seit Monaten fest. Sie werden auch in der Ressortab stimmung – so gern das in der Presse auch anders dargestellt wird – nicht verändert werden. Die Ressortabstimmung be schäftigt sich im Kern mit der Frage der Ressourcen. In die sem Zusammenhang gibt es natürlich einen Abgleich von In teressen. Da Regierungspräsidien häufig der Ansicht sind, sie hätten generell zu wenig Stellen, sind hier die Sorgen groß.
Durch die Verwaltungsvorschrift soll im Kern erstmalig in ei nem Bundesland das umgesetzt werden, was überall disku tiert wird, nämlich die Bürgerbeteiligung in Infrastrukturpro jekte einfließen zu lassen, und zwar so, dass die Verfahren nicht ungebührlich verlängert werden, dass aber dennoch die Bürgermeinungen ernsthaft berücksichtigt werden.
Das ist bisher nirgendwo geregelt. Es geht um die Verzahnung von früher Beteiligung mit der anschließenden Entscheidung der Behörden. Im Wesentlichen geht es um Planfeststellungs verfahren und Genehmigungen auf den Gebieten Immissions schutz und Hochwasserschutz. In diesen Bereichen sollen die Bürger angehört werden. Wenn sie gute Vorschläge unterbrei ten, die das Verfahren intelligenter machen, geht es darum, wie dies nach Abwägungen und nach weiteren Prüfungen in der Verwaltungsentscheidung tatsächlich berücksichtigt wer den kann.
Das Frustrationspotenzial im Land resultiert daraus, dass die Beteiligung bei Infrastrukturverfahren keine Abstimmung ist. Es geht nicht um Abstimmungen. Die Bürger werden vielmehr im Sinne von Gutachten und Beratung angehört. Hier liegt das Missverständnis darin, dass die Bürger häufig der Meinung sind, die frühe Beteiligung käme Abstimmungen gleich. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dieses Frustrationspoten zial herauszunehmen. Man muss immer aufklären, wie groß die Entscheidungsspielräume sind, was die Bürger gestalten können, ob es um das Ob oder um das Wie geht. Hier besteht Klärungsbedarf.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Restminderheit! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: 85 % sind Restminderheit!)
Ich möchte noch einmal sagen: Es ist so, dass die Menschen vor Ort – Anwohner einer Straße, Bewohner einer Gemeinde oder 8 000 Einwohner in einer Großregion – kein Vetorecht haben, wenn es z. B. um Landes- oder großkommunale Vor haben geht.
Wir müssen in diesem Land auch für die Zukunft klären – auch wenn es andere Regierungen gibt, die die Bürgerbeteili gung mit uns praktizieren werden; das wollen Sie ja –, wer auf welcher Ebene zuständig ist.
Für den Nationalpark ist das Land und sind Sie zuständig. Die Bürgermeister haben natürlich das Recht, Abstimmungen durch zuführen. Dies fördert jedoch das Missverständnis der Betei ligung noch einmal.
(Abg. Peter Hauk CDU: Das haben doch nicht wir angekündigt, sondern das war Ihre Regierung! – Wei tere Zurufe von der CDU)
Wir führen jetzt keine Nationalparkdebatte. Ich spreche jetzt hier darüber, in welchem Kontext der Planungsleitfaden kommt. Zu den Vorwürfen, die Staatsrätin handle unprofessionell, ver stehe nichts vom Geschäft, der Leitfaden sei handwerklich falsch ausgearbeitet, möchte ich sagen, dass diese Verwal tungsvorschrift jetzt allen Häusern vorgelegt wird, dass sie ein Modell ist, das auf höchstem Stand die Überlegungen zur Bür gerbeteiligung, die in Deutschland praktiziert wird, widergibt. Sie wurde in Abstimmung mit Juristen, Verwaltungswissen schaftlern und Praktikern und in monatelanger Zusammenar beit mit den Regierungspräsidien ausgearbeitet. Sie wird nun verabschiedet. Bei der Raumordnung wird es eine Bürgerbetei ligung geben. Vor der Planfeststellung wird es ebenfalls eine verzahnte Bürgerbeteiligung geben. Dies steht bereits im Bun desrecht. Während der Bauausführung wird es dann nochmals eine Bürgerbeteiligung geben.
Herr Goll, noch ein paar Worte zur Wirtschaft: In dem Pla nungsleitfaden sind nur Großvorhaben, ist jedoch nicht der Mittelstand erfasst. Es geht nur um Großvorhaben des Landes, für die wir uns selbst verpflichten. Für den Rest der Wirtschaft
geht es um Freiwilligkeit. Nach diesem Prinzip arbeite ich. Wir sind sehr eng mit dem VDI abgestimmt, der seine eige nen Unternehmen auffordert, die Planung der Vorhaben im gleichen zeitlichen Rahmen möglichst früh – zum Zeitpunkt der Planfeststellung und später auch in der Bauausführung – mit den Bürgern zu organisieren. Ich bitte Sie, dies zur Kenntnis zu nehmen. Bei den Verlautbarungen in der heutigen Zeitung, in denen von einem Mehrbedarf von 50 Stellen die Rede ist, handelt es sich um eine Zeitungsente.
Ich bin in die interfraktionelle Arbeitsgruppe gekommen mit der Bitte um Ihre konkreten Stellungnahmen. Ich habe jedoch nie eine konkrete Stellungnahme bekommen. Ich bin davon überzeugt, dass das, was wir vorgelegt haben, schon heute weitgehend mit Ihren Vorstellungen übereinstimmt und dass Sie keine fachliche Kritik haben. Sie haben nie eine fachliche Kritik geäußert.
Deswegen hoffe ich, dass Sie diese „Aufschieberitis“ endlich beenden und für die direkte Demokratie stimmen, und wir werden den Leitfaden vorlegen.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Eigentlich wollte ich Ihnen, Herr Binder, gar nicht zuvorkommen. Ich habe nur noch einige wenige An merkungen.
Ich bin hier sozusagen nicht der Zensor, der das alles zu be urteilen hätte. Fassen Sie es also nicht als Anmaßung auf, wenn ich sage, dass aus meiner Sicht diese Debatte äußerst erfreulich verlaufen ist. Außer bestimmten Abgrenzungen, die klar sind, ist nun wirklich ein großer Konsens zum Vorschein gekommen. Übrigens: Der 24. Oktober steht bei mir im Ka lender.
Aber bis jetzt habe ich nie die Teilnahme an diesen Terminen zugesagt, sondern bin einfach immer hingegangen. Bei mir war klar, dass ich hingehe.
Herr Sakellariou, gerade Ihr Beitrag hat deutlich gemacht, dass man nicht weit auseinander ist. Mich hat jedoch eine Stelle irritiert. Nach dem, was Sie bezüglich Sportgroßereignissen gesagt haben, muss man sich fragen, warum gerade wir die Fußballweltmeisterschaft 2006 bekommen haben. Möglicher weise haben wir wenig genug Demokratie. Aber ich fasse das eher als scherzhaften Hinweis auf.
Sie haben gesagt, der Leitfaden habe den Charakter des Re gierungshandelns. Das stimmt. Trotzdem wurde er auch von Ihrer Seite als Materie, als einer der drei Punkte mit einge bracht. Es ist natürlich dreimal leichter, den Leitfaden kon sensfähig zu machen, als zu sagen: Wir reden jetzt über die sen Punkt nicht mehr, weil er zum Regierungshandeln gehört.
Herr Präsident, einen Punkt darf ich noch ansprechen, bei dem mir ein bisschen der Atem gestockt hat, ohne dass ich den Konsens jetzt infrage stellen möchte. Herr Innenminister Gall, als Sie sagten, Beteiligung hätte es überall gegeben, ist mir die Spucke weggeblieben. So etwas sagt der für die Polizei reform zuständige Minister, obwohl diese durchgezogen wur de, ohne dass man nur ein Jota aufgrund konstruktiver Kritik verändert hätte.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! – Abg. Thomas Blenke CDU: So ist es! Gut, dass Sie das noch einmal sagen! – Zuruf des Ministers Reinhold Gall – Glocke des Präsidenten)
(Abg. Walter Heiler SPD: Das haben Sie jetzt davon! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt ist die Zeit um!)
Ja, ich bekomme jetzt die Kurve. Ich werde immer wieder unterbrochen. Deswegen wä re es nett, wenn ich noch einen Nachschlag an Redezeit zu dieser schönen Debatte bekäme.