Protocol of the Session on September 25, 2013

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Eu ropa und Internationales zu der Mitteilung der Landesre gierung vom 28. Juni 2013 – Bericht über aktuelle euro papolitische Themen – Drucksachen 15/3703, 15/3748

Berichterstatter: Abg. Joachim Kößler

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Reinhart das Wort.

Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen!

(Zurufe: Frau Präsidentin!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Keinen Blick mehr für Frauen!)

Europa bleibt das entscheidende Zukunftsthema. Gerade der vergangene Sonntag hat gezeigt, wie wichtig und bedeutend das Thema Europa ist. Die Wahl hat vor allem den Kurs der Bundeskanzlerin in der Europapolitik bestätigt und damit be gleitet. Ich glaube, dass das, was wir am Sonntag erlebt ha ben, ein wichtiges Zeichen für Europa war.

(Beifall bei der CDU)

Europa ist auch das große Friedensprojekt. Vor wenigen Mo naten konnten wir Kroatien als neuen Mitgliedsstaat der Eu ropäischen Union begrüßen. Lange Verhandlungen sind vor ausgegangen. Wir haben für Baden-Württemberg den Bei trittsprozess für Kroatien immer aktiv begleitet – Stichwort Donauraumstrategie, Stichworte Gemischte Kommission und Zusammenarbeit. Nirgendwo in Deutschland leben so viele Kroaten wie in Baden-Württemberg.

Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt mit Realismus, aber auch mit Zuversicht vorankommen. Das hat sich auch in dem Ziel, das Angela Merkel ausgegeben hat, nämlich wieder Vertrau en in Europa zurückzugewinnen, gezeigt. Ich denke, darauf wird es ankommen. Das wurde unterstützt.

Wir müssen auch weiterhin den Weg der Reformen, der Kon solidierung und der sinnvollen Regulierung gehen. Dazu ge hört – wie heute in den Zeitungen zu lesen ist – die Banken union. Die europäische Bankenaufsicht ist jetzt vorangekom men. Sie ist auf große systemrelevante Banken konzentriert. Damit wird eine Überforderung der Europäischen Zentralbank

vermieden. Vor allem bleibt es bei einer passgenauen Aufsicht für die regionalen Institute, Stichwort Sparkassen und Volks banken. Das begrüßen wir. Dafür haben wir uns eingesetzt. Das halten wir für richtig.

Meine Damen und Herren, es gilt jetzt auch, einheitliche Re gelungen für die Abwicklung zu entwickeln. Wir sagen: Weit reichende Gläubigerbeteiligung muss Vorrang haben. Das ist auch Konsens. Da gibt es zwischen den Parteien, auch in die sem Haus, keinen Dissens.

Meine Damen und Herren, wir wollen vor allem, dass auf den ESM nur als Ultima Ratio, nur im äußersten Ausnahmefall, zurückgegriffen wird. Wir wollen, dass die bestehenden Ein lagensicherungssysteme unangetastet bleiben. Das halte ich für einen ganz wichtigen Punkt, auch im Sinne von Volksban ken, Sparkassen etc. Bei der Bankenabwicklung muss gelten: Haftung und Risiko müssen in einer Hand bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das muss vor allem auch weiterhin zwischen den Staaten gel ten. Ich will hinzufügen, meine Damen und Herren: Der ver gangene Sonntag hat auch gezeigt, dass das deutsche Volk ei ne uferlose Haftung des deutschen Steuerzahlers und Euro bonds ablehnt. Das sollten wir zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Wir dürfen in Europa keine Politik machen, die viele Staaten gerade in den Abgrund reißt. Nur über eine konsequente Re formagenda führt der Weg aus der Krise.

Damit komme ich auch zu Baden-Württemberg. Wir haben vorhin das Thema Finanzen behandelt. Wir empfehlen – wie auch die Europäische Kommission empfohlen hat –, dass die Schuldenbremse des Fiskalpakts auch in den deutschen Län dern rechtlich verbindlich werden muss. Bayern hat das be reits umgesetzt. In Bayern hat dies Verfassungsrang. Deshalb sagen wir: Das müssen wir auch in Baden-Württemberg durchbringen und dementsprechend handeln. Dann sind wir auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU)

Darum machen wir den Vorschlag, die Schuldenbremse auch in der baden-württembergischen Verfassung zu verankern, weil wir nur so den Fiskalpakt glaubwürdig verwirklichen können. Dies ist ein Weckruf. Ich denke, das Hohe Haus soll te dies mit den Mehrheiten berücksichtigen.

Probleme können in Europa nicht durch mehr Geld gelöst wer den. Deshalb begrüßen wir den Kompromiss des Finanzrah mens 2014 bis 2020. Wir wollen, dass die Abgabe bei 1 % des BIP gedeckelt bleibt. Denn mehr Geld nach Europa zu geben bringt nicht mehr Geld nach Deutschland. Im Gegenteil, je der Euro, der nach Europa überwiesen wird, bringt maximal 25 Cent zurück. Deshalb sagen wir: Kofinanzierung muss sein. Das ist aber die Aufgabe des Landes, die Aufgabe von Deutschland. Wir können dies aber nicht umsetzen vor dem Hintergrund der Überlegung: Mehr Geld nach Europa, sodass nur noch ein Viertel davon zurückkommt. Das halten wir für falsch.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Deshalb begrüßen wir die Deckelung des Abgaberahmens in Höhe von 1 %. Darum, meine Damen und Herren, geht es auch im aktuellen Europabericht. Wir fordern, dass die struk turschwachen Gebiete im Land weiter gefördert werden. Bay ern ist auch hier sehr gut vorangegangen. Dort werden 60 % der EFRE-Mittel für Regionen mit besonderem Handlungs bedarf reserviert. Das ist bei uns derzeit nicht der Fall. Im Ge genteil, hier besteht noch ein Dissens zwischen Herrn Bonde und Herrn Friedrich. Vielleicht ist er inzwischen aufgelöst; dann werden Sie es uns sagen können. Wir sagen: Die dezen tralen Strukturen machten immer die Stärke des Landes aus. Das ist der Vorteil Baden-Württembergs. Deshalb müssen wir auch die ländlichen Räume stärken. Deshalb halten wir es für richtig, auch strukturschwache Räume zu fördern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ebenso müssen wir uns bei der Forschungsförderung erfolg reich beteiligen. Baden-Württemberg war hier immer spitze. Wir bleiben Spitzenreiter, wenn wir uns auch in der For schungsförderung erfolgreich an europäischen Programmen beteiligen.

Deshalb, meine Damen und Herren: Europa ist unsere Zu kunft. Es wird in den nächsten Monaten ein besonderes The ma sein, auch im Hinblick auf Mai 2014. Ich glaube deshalb, es verbindet uns vieles, aber es gibt auch Skepsis. Das haben auch die letzten Monate gezeigt. Deshalb müssen wir alles tun, um die Akzeptanz für die längste Friedenszeit der moder nen Geschichte und das größte Friedenswerk, nämlich für Eu ropa, zu unterstützen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sehr schön!)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Herrn Abg. Frey das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Da men und Herren! Der Bericht des Europaministers macht zwei Punkte deutlich: Baden-Württemberg ist mitten in Europa ver ankert, und Baden-Württemberg nimmt in Europa Verantwor tung wahr. Letzteres kann man von Frau Merkel und jetzt auch von Ihnen, Herr Reinhart, nicht behaupten.

(Lachen bei der CDU)

Sie sagen zwar: In Europa geht es nicht nur um das Geld. Im nächsten Satz stellen Sie aber die Rechnung auf, wie wenig Geld wieder nach Baden-Württemberg zurückkommt. Mit die ser Rechnung bringen wir Europa nicht voran. Wir müssen ei nen gesamteuropäischen Blick haben, wie Europa insgesamt vorankommt, und keine nationalen Tendenzen unterstützen.

(Zuruf des Abg. Andreas Deuschle CDU)

Vielleicht hätten Sie auch die Wahlergebnisse der AfD genau er anschauen und erklären sollen, wie diese Prozentzahlen zu stande kommen. Das sind auch Reaktionen auf die Europapo litik der Bundesregierung, die in Deutschland anderes vorgibt, als sie in Brüssel vertritt.

(Vereinzelt Beifall)

Beim letzten Gipfel hat nämlich die Kanzlerin in einer Nacht- und Nebelaktion telefonisch die Position zur CO2-Minderung revidiert, und die mühsam erarbeiteten Kompromisse in Brüs sel landeten alle im Papierkorb, nur weil sich die Autolobby bei Frau Merkel durchgesetzt hatte.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Darf ich das bei Audi in Ne ckarsulm zitieren?)

Ein weiteres Beispiel: In Deutschland setzt sich die Union für eine Bankenunion ein, und in Brüssel verweigert jetzt Minis ter Schäuble den versprochenen und notwendigen Schritt ei ner Bankenabwicklung. Plötzlich vertritt er die Meinung, wir brauchten die Anpassung europäischer Verträge, was zuvor kein Thema war. Damit gerät dieses wichtige Kriseninstru ment ins Wanken.

Am 18. September 2013 kündigte die Kanzlerin im „Handels blatt“ an, dass in Sachen Europa innerhalb der Union ein Kurswechsel anstehe. Es gehe weg von „mehr Europa“, hin zu „so viel Europa wie nur irgendwie nötig“. Die Bundeskanz lerin distanziert sich damit von Schritten, die mit dem Vertrag von Lissabon eingeleitet wurden, die für die Demokratisie rung der Europäischen Union von Bedeutung sind. Wir, die Grünen, wollen so viel Europa wie möglich, weil dies den Frieden in Europa sichert. Wenn wir wollen, dass die Bürge rinnen und Bürger wieder Vertrauen schöpfen, dann müssen mehr Transparenz und die Bankenregulierung mit der Finanz transaktionssteuer endlich auf den Weg gebracht werden, statt diesen Prozess zu verzögern. Wir brauchen eine Regierung, die einen klaren Kurs hält in Richtung europäische Integrati on und Weiterentwicklung der Europäischen Union.

Sie haben vorhin den Bericht der Europäischen Kommission angeführt. Daraus hätten Sie aber auch noch mehr zitieren können, nämlich dass überfällige Strukturreformen von der EU-Kommission vorgeschlagen werden, ebenso die Abschaf fung des Ehegattensplittings und des Betreuungsgelds.

Auch die Empfehlung der EU-Kommission, den Niedriglohn sektor abzubauen, der bei uns 22,2 % der Beschäftigten be trifft, wurde seit Jahren ignoriert. Deutschland liegt hier nach Auskunft der Hans-Böckler-Stiftung an der Spitze der EU.

Zuletzt hat sich die Bundesregierung aus ihrer Sicht erfolg reich bei den Kürzungen am mehrjährigen Finanzrahmen be tätigt, aber sie hat völlig offengelassen, wie die Mitgliedsstaa ten – das geht bis hin zu den Bundesländern – diese Kürzun gen kompensieren sollen. Dieses einseitig aufs Sparen ausge richtete politische Tun der Bundesregierung ist auch mitver antwortlich für die Spannungen in Spanien, Portugal und Grie chenland. Die sozialen Spannungen und die Jugendarbeitslo sigkeit in diesen Ländern sind Zeitbomben, die dringend ent schärft werden müssen. Hierzu müssen wir dringend Wachs tumsimpulse setzen, die vor allem im Bereich der erneuerba ren Energien liegen können.

(Zuruf: Ja, genau!)

Gerade Griechenland, Spanien und Portugal haben überdurch schnittlich hohe Erdöl- und Erdgasausgaben, die bis zu 80 % der Energieausgaben ausmachen. Diese Ausgaben belasten die Staatshaushalte und die Bürgerinnen und Bürger in diesen Ländern. Aber diese Ausgaben könnten gesenkt werden durch

den Einsatz von Solaranlagen und Windrädern, die zumindest zum Teil in diesen Ländern gebaut werden sollen. Hier wür den wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Staatsausga ben mindern und Arbeitsplätze schaffen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Baden-Württemberg nimmt seine europäische Verantwortung auf vielfältige Weise wahr. Sie können das im Bericht der Landesregierung nachlesen, Herr Reinhart.

Die Donauraumstrategie wird von der Europäischen Kommis sion ausdrücklich gelobt. Von den konkreten Maßnahmen, die hier unternommen werden, habe ich mir beispielhaft vor Ort in Novi Sad selbst ein Bild gemacht und halte dies für einen wichtigen Beitrag zu europäischer Integrationsarbeit.

Doch genauso wie bei der Türkei sehen wir bei Serbien kriti sche Punkte und Verbesserungsbedarf, bis ein Beitritt erfol gen kann. Aber dafür müssen wir miteinander reden. Wir wen den uns entschieden gegen die Absicht der CDU, die Beitritts verhandlungen mit der Türkei abzubrechen. Das Beispiel, dass unlängst der Vertrag zwischen dem Kosovo und Serbien auf Druck der EU abgeschlossen wurde, zeigt, dass die EU hier wirklich Friedenssicherung betreiben und europäische Integ ration vorantreiben kann.