Protocol of the Session on July 10, 2013

In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit werde ich mich auf die zentralen Punkte beschränken.

Der Anlass für diese Debatte ist klar. Mit dem ab dem 1. Au gust geltenden Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab der Vollendung des ersten Lebensjahrs ist ein sehr großer Druck entstanden. Das ist eine gigantische Herausfor derung, eine Herausforderung, die aktuell in keiner Weise be wältigt ist. Bundesweit fehlen rund 100 000 Betreuungsplät ze. Es ist allerhöchste Zeit, die Anstrengungen zu verstärken, und zwar auf allen Ebenen und in allen Bereichen.

Der Ausbau der Kindertagespflege ist ein Weg, mit dem rela tiv kurzfristig neue Betreuungsplätze geschaffen werden kön nen.

Der Landesverband der Tagesmütter-Vereine Baden-Württem berg hat mit massiver finanzieller Unterstützung des Landes inzwischen ein flächendeckendes Netz von örtlich und auf Kreisebene tätigen Tagesmüttervereinen aufgebaut. Das ist ein Riesenerfolg.

Die SPD-Fraktion hat mit ihrer Großen Anfrage, deren Bera tung schon mehrfach verschoben wurde, und mit einem kon tinuierlichen Kontakt zu den Tagesmüttervereinen dafür ge sorgt, dass dieser Bereich größere Aufmerksamkeit erfährt.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Das Land lässt sich das richtig etwas kosten. Das Land gibt zweistellige Millionenbeträge für die Kindertagespflege aus. Allein in diesem Jahr sind Landesmittel in Höhe von 43,8 Mil lionen € in die Städte und Landkreise geflossen, um den Aus bau der Kleinkinderpflege voranzubringen. Das entspricht ei ner Verdreifachung der Mittel seit 2011.

Dem steht eine nicht ganz so erfolgreiche – man muss fast sa gen: eine magere – Bilanz gegenüber, nämlich ein Anstieg der Betreuungsquote von 2,9 % im Jahr 2011 auf gerade einmal 3,3 % im Jahr 2012. Das ist deutlich zu wenig. Da muss mehr kommen; da muss vor allem von den Kommunen mehr kom men. Dort liegt der Ball, und zwar in puncto Platzangebot und Qualität.

Ich möchte nun fünf zentrale Bereiche, praktisch die inhaltli che Matrix, noch einmal kurz darstellen, wie sie die SPDFraktion gemeinsam mit dem Landesverband der Tagesmüt ter-Vereine presseöffentlich kommuniziert hat.

Erstens: Angleichung der Elternbeiträge für die Betreuung durch Tagesmütter oder Tagesväter auf der einen Seite und der Elternbeiträge für Kindertageseinrichtungen auf der ande ren Seite. Dass das funktionieren kann, zeigt das Beispiel Stuttgart.

Zweitens: Abbau von bürokratischen Hemmnissen und insbe sondere pauschalisierte Zuwendungen an Tageseltern, also keine Spitzabrechnungen. Denn nur so kann es zu einem ver lässlichen und halbwegs planbaren Einkommen kommen. Sonst hilft auch die noch so umtriebige Rekrutierung und Qua lifizierung vonseiten des Landesverbands nichts, wenn von dort kommuniziert wird, dass dieser Verband zwar jährlich 1 000 Tagesmütter und Tagesväter ausbildet und qualifiziert, aber pro anno auch wieder 1 000 verliert, nämlich immer dann, wenn sie auf ihren Gehaltszettel oder Steuerbescheid schauen.

Drittens: Es muss über Festanstellungsmodelle für Tagespfle gepersonen diskutiert werden. Das können Betriebe sein, das können Einrichtungen sein. Da gibt es auch Fördermöglich keiten des Bundes. Es gibt praktische Beispiele und gute Pra xiserfahrungen, beispielsweise in Mannheim.

Viertens: Ausbau der sogenannten TigeR-Stellen. Gemeint ist die Tagespflege in geeigneten Räumen. Das ist ein ganz be sonders markantes Entwicklungsfeld. Hier sehe ich ein Ent wicklungspotenzial, das relativ schnell zu einer erhöhten Platz quote führen kann. Das ist auch ein gutes Referenzmodell für die Kommunen, was die Qualität angeht.

Last, but not least fünftens: Qualitätssicherung durch einen Fachberatungsschlüssel. Eine sozialpädagogische Fachkraft für 90 zu betreuende Kinder ist eine Marke, die fast noch nir gends erreicht wurde, aber dringend geboten ist, und zwar aus Qualitätsgesichtspunkten und auch Jugendschutzgesichtspunk ten.

Meine Damen und Herren, ich weiß, solche Vorschläge sind sehr umfangreich. Sie realisieren sich nicht von allein. Sie müssen mit den Beteiligten diskutiert werden, sie müssen ko ordiniert werden, und sie müssen dann auch umgesetzt wer den. Ein runder Tisch mit den kommunalen Landesverbänden ist eine gute Möglichkeit dafür, aber ein solcher runder Tisch ist längst angekündigt, meine Damen und Herren. Die Vorar beiten laufen. Es ist ein Termin vor den Sommerferien avi siert. Wir haben längst gehandelt. Deswegen ist der Antrag der CDU, möchte ich einmal sagen, auch ein bisschen ein lä cherlicher,

(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Na, na!)

ein fast plagiatöser Antrag, ein Versuch, auf einen längst fah renden Zug aufzuspringen. Vielleicht ärgern Sie sich, dass Ihr Firmenlogo nicht vorn auf der Lokomotive zu sehen ist. Aber die Verantwortlichen haben schon längst gehandelt. Das ope rative Geschäft können Sie getrost den Verantwortlichen aus dem Kultusministerium überlassen.

Ich fasse zusammen: Mit einer einheitlichen Kostenstruktur, einem einheitlichen Betreuungsschlüssel und einem Abbau von bürokratischen Hemmnissen muss die Kindertagespflege nicht in Konkurrenz zur Kita, sondern neben der Kita zu ei nem starken, einem stabilen und bedarfsgerechten sowie gleichwertigen Betreuungsangebot ausgebaut werden.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Die Kindertagespflege kann mit sehr flexiblen Angeboten auch zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen. Sie kann unter Beweis stellen – wie erst neulich in einer Un tersuchung in Wien wieder belegt –, dass sich die persönliche Bindung zwischen Tageseltern und Kindern ausgesprochen positiv auf die kognitive Entwicklung der Kinder auswirkt. Sie kann – ich würde sogar sagen: sie muss – zu einer echten Wahlfreiheit der Eltern beitragen. Sie wird zur Erfüllung des Rechtsanspruchs gebraucht.

Tagespflege hat mehr Beachtung verdient. Wir brauchen sie. Wir werden in der Kontinuität unserer Bemühungen Ende die ser Woche, am Samstag, hier in diesen Räumen eine Veran staltung mit Betroffenen durchführen, zu der sich schon über 300 Personen angemeldet haben. Wir hoffen, dass auch von dieser Veranstaltung Impulse für die Entwicklung dieses Be rufsfelds ausgehen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Wald das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir, die CDU-Fraktion, setzen neben der verantwortungsvollen Betreuung durch die Eltern auf den Dreiklang in der Kinder- und Familienpolitik: qualifizierte Betreuung in den Kindertagesstätten, das Betreu ungsgeld für Familien mit Kindern unter drei Jahren sowie in dividuelle und familiennahe Betreuung durch die Tagesmüt ter und Tagesväter.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Wenn das qualifiziert ist!)

Die Kindertagespflege hat in Baden-Württemberg eine lange Tradition und einen großen Stellenwert. Insbesondere beim Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren

(Zuruf der Abg. Muhterem Aras GRÜNE)

kommt der Kindertagespflege eine besondere Bedeutung zu. Da die Kindertagespflege ein sehr flexibles Betreuungsange bot ist, das es schafft, die individuellen Bedarfslagen von Kin dern und deren Familien aufzunehmen, müssen wir den Aus bau weiter vorantreiben, und zwar schneller und besser als bisher von der grün-roten Landesregierung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei Ab geordneten der Grünen)

Es freut uns, dass nun endlich auch die SPD-Fraktion und Tei le der Landesregierung dies erkannt haben. Seit Monaten wer den vom Landtagskollegen Schmiedel – ich vermisse ihn bei diesem wichtigen Thema hier –

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Wir wer den ihm berichten, dass Sie ihn vermissen! – Zuruf von den Grünen: Das richten wir ihm aus!)

große Sonntagsreden gehalten. Seit Monaten warten wir im Bereich der Kindertagespflege gespannt auf den großen Wurf der Landesregierung und der SPD-Landtagsfraktion. Er wur de groß angekündigt, bisher ist aber nichts passiert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Nach Monaten ward nun die Lösung geboren. Schuld an dem schleppenden Ausbau der Tagespflege seien die Landkreise, Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg. Typisch für die grün-rote Landesregierung ist es, mit der Gießkanne groß zügig Steuergelder zu verteilen und sich anschließend zu wun dern, dass die Fördergelder nicht passgenau ankommen. Statt das eigene Versagen einzugestehen, wird die Schuld bei den Landkreisverwaltungen gesucht.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Was ist denn das für ein Quatsch? – Abg. Beate Böhlen GRÜNE zur CDU: Habt ihr denn niemanden, der was von der Sache ver steht? – Gegenruf des Abg. Thaddäus Kunzmann CDU)

Frau Aras, schauen Sie einmal die Pressemeldungen von Herrn Schmiedel von letzter Woche an, in denen er detailliert kritisiert, die Landkreise gingen nicht verantwortungsvoll mit ihren Geldern um. Schauen Sie einmal diese Unterlagen an.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, gute Kinder- und Familienpolitik ist differenzierter. Es bedarf einer detaillierteren Analyse der Schwachstellen und der Herausforderungen.

Damit die Kindertagespflege – optimal vertreten durch den Landesverband der Tagesmütter-Vereine – zu einer gleichwer tigen dritten Säule in der Kinderbetreuung wird, sind sicher lich weitere finanzielle Mittel erforderlich. Die Finanzausstat tung ist jedoch nicht alles.

Meiner Meinung nach müssen die gesamten Rahmenbedin gungen wesentlich verbessert werden. Für uns ist erfreulich,

dass Herr Schmiedel ebenfalls einen runden Tisch zur Verbes serung der Rahmenbedingungen vorgeschlagen hat.

(Abg. Peter Hauk CDU: Der ist gar nicht da!)

Die CDU-Landtagsfraktion fordert in dem vorliegenden An trag einen Pakt für Tagespflege, eine Art Taskforce, die sich mit wichtigen Fragen auseinandersetzt. An diesem runden Tisch sollten nach unserer Vorstellung der Tagesmütterver band, der Gemeindetag, der Landkreistag, der Städtetag, der Landesfamilienrat, die Kita-Träger, vor allem auch die Agen tur für Arbeit, die Landtagsfraktionen und die Spitzenverbän de der Wirtschaft teilnehmen.

Wir sehen dies als eine gesamtgesellschaftliche Herausforde rung und nicht nur als Aufgabe von einigen wenigen Grup pierungen. Warum? Ich meine, in der Kindertagespflege steckt sehr viel Potenzial, welches es zu heben gilt. Nur so wird die Tagespflege zu einer echten dritten Säule neben Familie und Kindertagesstätte.

Der runde Tisch sollte sich mit Fragen beschäftigen, die ähn lich sind wie die, die Sie, Herr Bayer, vorgeschlagen haben, um die Rahmenbedingungen so zu ändern, dass die Tagespfle ge ebenso attraktiv wird wie die Kindertagesstätte. Wie kann gemeinsam für die Qualifikation zur Tagesmutter bzw. zum Tagesvater geworben werden? Wie kann der Vorgang der Leis tungsabrechnung für die Tageseltern entbürokratisiert wer den? Wie kann die Organisationsform der TigeR, der Tages pflege in geeigneten Räumen, als flexibles Angebot der Kin derbetreuung den Betrieben kommuniziert werden bzw. de ren Einrichtung unterstützt werden?

Die baden-württembergischen Unternehmen können TigeR schon einrichten und in ihren Geschäftsräumen Kindertages pflege flexibel anbieten. So können Betriebe ihre Attraktivi tät für qualifizierte Mitarbeiter steigern und zugleich den Fachkräftebedarf sichern. Dies ist eine weitere gute Möglich keit, Familie und Beruf in Einklang zu bringen.

Diese moderne Form ist – das ist das Problem – vielen Unter nehmen nicht bekannt. Wenn ich sie vorstelle, sagen viele: „Herr Wald, davon haben wir noch nichts gehört.“ Da setzt für mich der runde Tisch auch entsprechend an.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lachen bei Ab geordneten der Grünen – Abg. Muhterem Aras GRÜ NE: Herr Wald kommt auch nicht viel rum!)

Mehr als Sie, Frau Aras.

(Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)