Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung – Aktuelle Situation und Perspekti ven des Rettungsdienstes in Baden-Württemberg – Druck sache 15/2858 (geänderte Fassung)
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt,
wobei gestaffelte Redezeiten gelten, und hat für das Schluss wort der die Große Anfrage stellenden Fraktion eine Redezeit von fünf Minuten festgelegt.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! In der Debatte vorhin war zu Recht die Rede davon, wie wichtig es ist, in kritischen Situationen Menschenleben zu retten. Vorhin ging es um Brände. Bei dem Punkt, den wir jetzt zu behandeln haben, geht es um die Not fallrettung, aber auch um den Krankentransport und um die Frage, ob schnell genug Hilfe kommt. Ich muss nicht beto nen, dass das ein Thema ist, das die Menschen zu Recht be wegt. Wie geht es weiter, wenn ich einen Unfall habe? Wie schnell und wie qualifiziert wird mir geholfen?
Ich glaube, dass es die Bedeutung dieses Themas rechtfertigt, dass wir eine Debatte über die Situation des Rettungsdienstes führen. Deswegen haben wir von unserer Fraktion einmal al les abgefragt, was man abfragen kann, um die Situation des Rettungsdienstes in Baden-Württemberg gründlich zu be leuchten.
Ich sage Ihnen schon vorweg: Es ist im Grunde genommen ein konsensorientiertes Unternehmen. Ich halte wenig davon, mit Fingern aufeinander zu zeigen und zu versuchen, einan der irgendwelche Versäumnisse anzukreiden. Ich glaube, es wäre vielmehr besser, diese Debatte und die Antwort auf die Anfrage zu nutzen, um gemeinsam konstruktiv über Verbes serungen nachzudenken.
Zunächst möchte ich mich für die solide, ausführliche und of fene Beantwortung der Großen Anfrage bedanken. Das haben wir – in Klammern ausgedrückt – nicht immer so erlebt. Über diese Antwort kann man sich nicht beklagen. Sie bietet eine wirklich taugliche Grundlage, um über Verbesserungen zu dis kutieren.
Bevor wir das tun, möchte ich – da finde ich sicher Ihr Ein verständnis – darauf hinweisen: Natürlich gilt auch im Ret tungsdienst, dass wir in Baden-Württemberg eine sehr gute Ausgangssituation haben. Wir haben einen sehr, sehr hohen Standard, um den uns andere außerhalb der Bundesrepublik im Ausland – im europäischen Ausland sowieso –, aber auch innerhalb der Bundesrepublik beneiden. Wir können, glaube ich, wirklich sagen: Wir haben ein vorbildliches System im Rettungsdienst.
Das gibt Anlass, bereits am Anfang allen zu danken, die sich an dieser „Veranstaltung“ beteiligen. Ich sage ausdrücklich „allen“. Das sind in erster Linie die gemeinnützigen Hilfsor ganisationen, das sind aber auch alle anderen, die Beiträge leisten, ob das Kommunen sind oder alle anderen, die helfen, vor allem die Ehrenamtlichen, die ausbilden und schulen, und die privaten Schulungsunternehmen. Zunächst möchte ich al so allen danken, die die an sich gute Situation, die wir haben, herbeigeführt haben.
Jetzt stellt sich die Frage: Worüber reden wir, wenn wir über Verbesserungen reden wollen? Ein Megathema sind natürlich immer die Hilfsfristen in der Notfallrettung. Herr Innenminis ter, da möchte ich am Anfang sagen: Ich neige eigentlich nicht dazu, die Situation zu dramatisieren, wie es gelegentlich pas siert. Man muss auch sagen, dass es in sehr, sehr vielen Fäl len ausgezeichnet klappt. Es ist richtig, dass wir noch Verbes serungsbedarf haben. Es ist auch richtig, dass es zu Verbesse rungen kam. Es ist aber auch richtig, dass diese Verbesserun gen teilweise kompensiert wurden durch die vermehrte Zahl der Einsätze.
Das sehen wir und sehe ich genauso. Ich glaube allerdings – Sie sagten es auch in Ihrer Antwort –, dass man in der Zukunft insbesondere durch den Einsatz moderner Technik, durch ei ne bessere Steuerung der Fahrzeuge zu weiteren Verbesserun gen kommen kann. Wer die Antwort unter diesem Gesichts
punkt liest, dem ist klar: Es gibt Potenzial, die Hilfsfristen in der Notfallrettung weiter zu verkürzen. Ich gehe davon aus, dass dieses Potenzial in den kommenden Jahren auch genutzt wird.
Es lohnt sich ferner, über die Verbesserung der Qualität der Hilfeleistung zu diskutieren. Da kommt es darauf an: Ist schnell jemand da, der auch in der Lage ist, zu helfen? Meine Damen und Herren, die Frage ist ja simpel, aber sie ist entscheidend, sie ist lebensentscheidend: Ist schnell genug jemand da, der auch eine Ahnung hat, was zu tun ist? Auf diese Qualitätsver besserung sollten wir uns in der kommenden Zeit konzentrie ren. Dazu bietet die Antwort natürlich Ansätze. Auch unsere Fragen bieten da Ansätze.
Es fängt an mit der Stärkung des Laienbereichs. Das ist gar nicht so zum Schmunzeln, wie es manche vielleicht tun, die nur in professionellen Kategorien denken. Wir als Liberale haben es natürlich gern gelesen, dass Sie die Laien und Erst helfer als Erstes ansprechen – also eigentlich eine gesellschaft liche Struktur, die aber entscheidend sein kann. Ich halte die weitere und verbesserte Ausbildung von Laien wirklich für ein großes Thema, in dem Potenziale liegen.
Ich halte auch den Einsatz sogenannter Ersthelfer – sprich den Einsatz von Leuten, die ehrenamtlich tätig sind, die aber auch besonders geschult sind – für eine äußerst hilfreiche Sache, wenn gleichzeitig mit den Rettungsdiensten im akuten Fall ortsnah auch die Ersthelfer alarmiert werden. Auch das kann entscheidend sein, dass, bevor ein Rettungswagen und ein Notarzt da sind, jemand beim Verletzten ist, der ihm helfen kann.
Hauptbaustein in diesem Bereich – da, glaube ich, sind wir uns einig – ist der neu geschaffene Beruf Notfallsanitäterin oder -sanitäter. Das Bundesgesetz ist mittlerweile beschlos sen. Der Notfallsanitäter wird eine besonders qualifizierte Fachkraft mit erweiterten Kompetenzen sein. Ich glaube, mit den Notfallsanitäterinnen und -sanitätern kann man im Ret tungsdienst einen wirklichen Sprung nach vorn machen. Das ist unbestritten eine gute Sache.
Sie wissen aber auch, wo die Achillesferse des neuen Kon zepts liegt, nämlich in der Finanzierung der Ausbildung. Wenn wir in der Frage der Finanzierung der Ausbildung nicht zu ei ner überzeugenden Antwort kommen, werden wir Nachwuchs mangel in der Notfallrettung bekommen. Da bin ich mir ganz sicher.
Bisherige Probleme konnten überwunden werden. Gerade der Wegfall des Zivildienstes konnte weitgehend kompensiert werden. Wenn wir es aber bei dieser neuen Ausbildung zum Notfallsanitäter nicht hinbekommen, dass die jungen Leute, die die Ausbildung machen möchten, wissen, dass sie sich aus bilden lassen können, ohne zuerst das Geld für die Ausbildung auf den Tisch legen zu müssen, wenn wir nicht erreichen, dass die Finanzierung der Ausbildung gesichert ist, dann wird in den kommenden Jahren nicht genügend qualifiziertes Perso nal zur Verfügung stehen.
Ich denke, deshalb ist eine der größten Baustellen, zu sichern, dass die Ausbildung bezahlt wird – und zwar nicht von den
Betroffenen. Denkbar ist ein Fonds, der letzten Endes von den bestehenden Kostenträgern übernommen wird. Hier sehe ich zuerst Handlungsbedarf zur Umsetzung dieses an sich guten neuen Bundesgesetzes.
Ich spreche einen weiteren – nur noch einen – Punkt der vie len Themen an, die man natürlich anführen könnte. Ich bin mir bewusst, dass ich an einen kritischen Punkt rühre. Kom men wir noch einmal zum Krankentransport. Ich weiß nicht, ob Sie dieselben Informationen wie wir bekommen. Ich neh me es aber schon an.
Ich sehe hier Herrn Sckerl aus Heidelberg, und ich muss sa gen, dass es in Heidelberg offensichtlich Probleme beim Kran kentransport gibt. Ich glaube, woanders gibt es sie auch.
Beim Krankentransport hat man hierzulande bisher nicht viel über Hilfsfristen nachgedacht, obwohl es in anderen Bundes ländern solche Hilfsfristen gibt. Ich halte allerdings fest, dass bei uns die Krankentransporte in vielen Fällen wahrscheinlich viel zu lang dauern.
Die Antwort auf die Große Anfrage – ich möchte den Duktus der Antwort nicht teilen – geht davon aus, dass beim Kran kentransport generell keine Hilfsfrist nötig sei. Man muss sich jedoch überlegen, was es bedeutet, wenn Kranke schon stun denlang auf den Transport vorbereitet sind, der Krankenwa gen aber nicht kommt. Das ist für die Betroffenen alles ande re als schön. Das kann auch die gesamte Logistik einer Kli nik sehr in Mitleidenschaft ziehen.
Ich sage Ihnen offen: Auf der Grundlage unserer Informatio nen und auch nach dem Lesen der Antwort der Landesregie rung bin ich persönlich und sind wir der Überzeugung, dass in diesem Bereich ohne das Nachdenken über eine Hilfsfrist wahrscheinlich nicht genug passiert.
Es fällt z. B. auf – da rede ich als Liberaler; das wird Sie nicht erstaunen –, dass private Anbieter in der Notfallrettung nicht tätig sein dürfen. Beim Krankentransport dürften sie tätig sein, sind es aber nicht. Warum sind sie nicht dabei? Sie wissen, dass die Betroffenen selbst durchaus Wege aufgezeigt haben, wie man das Angebot in diesem Bereich ausweiten und damit automatisch die Fristen verkürzen könnte. Nur: Wir hören von derselben Seite, dass sich am bisherigen System wahrschein lich nichts ändern wird, wenn man nicht einen bestimmten Anhaltspunkt, eine Vorgabe hat, wie lange ein Krankentrans port dauern darf.
Im Grunde genommen sind das noch einmal zusammenge fasst die Punkte, bei denen wir das System fortentwickeln könnten – angefangen bei den Laienhelfern, den Ersthelfern und weiter professionalisierten Notfallsanitätern, bis hin zum Treffen gezielter Maßnahmen, um die Hilfsfristen beim Kran kentransport zu verkürzen.
Verehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Rettungsdienst ist eine zentrale Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes vertrauen darauf, dass ihnen in entsprechen den Notfällen schnell und zuverlässig die benötigte Hilfe zu teilwird. Daher hat ein guter und leistungsfähiger Rettungs dienst für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu Recht einen immens hohen Stellenwert. Dass schnell und zuverlässig Hil fe geleistet werden kann, ist aber nur dank der vielen ehren- und hauptamtlichen Helferinnen und Helfer in den Rettungs diensten möglich.
Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger sind tagtäglich im Ein satz, z. B. beim Deutschen Roten Kreuz, beim Malteser Hilfs dienst, beim Arbeiter-Samariter-Bund oder bei der Johanni ter-Unfall-Hilfe. Sie alle leisten einen unverzichtbaren Bei trag für unsere Gesellschaft. Ich denke, ich spreche im Namen des gesamten Hohen Hauses, wenn ich ihnen allen an dieser Stelle hierfür unseren herzlichen Dank ausspreche.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle können stolz auf das hohe Versorgungsniveau sein, das wir in der Notfall rettung, der Notfallversorgung in Baden-Württemberg haben. Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, das nicht nur eine Hilfsfrist bezogen auf den Rettungstransportwagen, son dern auch auf den Notarzt festschreibt.
Die CDU-geführte Landesregierung hat mit dem im Jahr 2010 geänderten Rettungsdienstgesetz Weichen für den Erhalt und die Verbesserung dieses hohen Standards gestellt. Insbeson dere die notärztliche Versorgung wurde in den Rettungsdienst bereichen deutlich verbessert, in denen es bis dahin schwie rig war, genügend Ärzte für den Notarztdienst zu gewinnen. So können die Bereichsausschüsse z. B. die Krankenhäuser verpflichten, die jeweils notwendige Anzahl von Notärzten bereitzustellen. Infolge der Novellierung des Gesetzes konn ten von 2010 bis 2012 in allen Rettungsdienstbezirken Ver besserungen der Hilfsfristen, vor allem aber der notärztlichen Hilfsfristen erzielt werden.
Ich würde mir wie mein Kollege Vorredner wünschen, dass über diese Verbesserungen positiv geredet wird und auch die Medien nicht so sehr die Defizite in den Vordergrund stellen, sondern betonen, dass das Glas eben nicht halb leer, sondern halb voll oder mehr als halb voll ist, meine sehr geehrten Da men und Herren.
Aber wir sollten gemeinsam an einer nochmaligen Verbesse rung der Hilfsangebote arbeiten. Ich sehe eine Verbesserungs möglichkeit im Rettungsdienst z. B. bei einer noch besseren Einbindung der Helfer vor Ort. Hierbei handelt es sich nicht um einen Notnagel. Gerade zur Optimierung der Notfallver sorgung stehen heute schon mancherorts Einsatzkräfte zur Verfügung, die durch besondere räumliche Nähe zum Einsatz ort in der Lage sind, die Zeit bis zum Eintreffen des hauptamt lichen Rettungsdienstes mit qualifizierten basismedizinischen Maßnahmen zu überbrücken.
Die Helfer vor Ort sind in der Regel ehrenamtliche Mitarbei ter der Hilfsorganisationen. Diese Freiwilligen sind gut qua lifiziert und mittlerweile auch gut ausgerüstet. Voraussetzung für das zeitgerechte Wirken der Helfer vor Ort ist die frühzei tige Alarmierung durch die zentrale Leitstelle, der entspre chende Dispositionskriterien vorliegen müssen.
Genauso wichtig ist aber, lieber Herr Innenminister, dass die ses Helfer-vor-Ort-System vonseiten des Landes befördert wird. Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus zeigt, dass an dere Länder die Sinnhaftigkeit der Helfer vor Ort erkannt ha ben und vorangehen.
Das hessische Sozialministerium gab z. B. im Jahr 2011 Emp fehlungen zu Ausbildung sowie persönlicher Eignung für die Helfer vor Ort heraus. Die hessische Landesregierung hat da mit, wie ich meine, ein deutliches politisches Signal gesetzt. Vielleicht wäre dies auch in Baden-Württemberg eine Mög lichkeit, untergesetzlich die Notfallversorgung für die Bürge rinnen und Bürger zu verbessern.
Ein guter Rettungsdienst setzt voraus, dass die Einsatzkräfte gut ausgebildet sind. Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt da her die von der Bundesregierung vorangebrachte Novellie rung der Notfallsanitäterausbildung. Mit der fachlich tiefer gehenden Ausbildung und mit der Bezahlung einer Ausbil dungsvergütung wird das Berufsfeld attraktiver. So kann es gelingen, wirklich gute Leute für diesen Beruf zu gewinnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich meine, das The ma Notfallrettung ist viel zu ernst, als dass wir hier parteipo litisches Kapital daraus schlagen sollten. Aus diesem Grund meine ich: Es ist der richtige Weg, diese Debatte heute zu füh ren, in der ja bisher schon deutlich wurde, dass wir alle ge meinsam an einem Strang und vor allem auch in die gleiche Richtung ziehen. Lassen Sie uns dies gemeinsam überpartei lich fortsetzen.