Protocol of the Session on June 20, 2013

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU zu Minister Reinhold Gall: Die, die hinter Ihnen sitzen, die sehen das so!)

Das sind zwar gute Leute – ich sehe sie ja –, aber Sie sollten nicht nur auf das engere Umfeld hören. Es darf keine Politik des Weghörens sein, die Sie hier veranstalten.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Aber selbst die Euphorie in der Führungsetage ist mittlerwei le verebbt. Hieß es vor Jahresfrist noch enthusiastisch: „Wir machen etwas richtig Großes“, sagen jetzt landauf, landab und sogar im Innenministerium einige, die viele goldene Sterne auf der Schulter tragen, hinter vorgehaltener Hand und mit Sorgenfalten im Gesicht: „Wir werden das irgendwie hinbe kommen.“

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Niemand hat ge sagt, dass es einfach wird!)

Meine Damen und Herren, die Polizei bekommt immer alles irgendwie hin. Aber eine solche Basta-Mentalität kann nicht der Anspruch an die größte Reform in der Geschichte der Po lizei sein.

Wahr ist – das muss ich leider so sagen –: Sie haben ein aus geklügeltes System zur Besetzung künftiger Führungsstellen entwickelt. Die Hoffnung, eine der begehrten Stellen zu be kommen, schafft Wohlverhalten und verhindert Kritik. Das muss man leider so sagen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Minister Reinhold Gall: Das ist doch überhaupt nicht wahr! – Abg. Nikolaos Sa kellariou SPD: Altes Denken! So war es früher!)

Wo liegen die Konstruktionsfehler? Erstens: Ihre Reform re duziert nicht die Zahl der Dienststellen; das Gegenteil ist der Fall.

(Zuruf des Ministers Reinhold Gall)

Hören Sie zu! – Derzeit haben wir vier Landespolizeidirek tionen und 37 Polizeidirektionen und -präsidien in der Fläche: das sind 41 Dienststellen. Künftig gibt es zwölf regionale Po lizeipräsidien. Weil diese so groß sind, bekommt jedes dieser Präsidien drei Fachdirektionen: eine Direktion Kriminalpoli zei, eine Direktion Polizeireviere und eine Direktion Verkehrs polizei. Insgesamt gibt es 48 Dienststellen, sieben mehr als heute, und das konzentriert an einzelnen Standorten mit ei nem Rückzug aus der Flächenvertretung, die wir heute noch haben.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Zweitens: Ihre Reform bläht die teure B-Besoldung in der Po lizei auf. Heute sind fünf Präsidenten in B 3, 37 Leiter der Po lizeidirektionen in Präsidien sind in A 16 oder B 2. Künftig gibt es 13 Präsidenten in B 3 und 13 Vizepräsidenten in B 2. Da alle qualifiziert geführt werden müssen, wird im Innenmi nisterium ein neues Amt geschaffen, das Amt des Landespo lizeidirektors, der ebenfalls nach B 3 besoldet wird.

Ich sage aber ausdrücklich: Die Aufwertung des Inspekteurs der Polizei nach B 4 halte ich für angemessen.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Na also!)

Summa summarum sind das aber mehr als 20 neue Stellen in der teuren B-Besoldung für einen exklusiven Führungskreis. Für alle anderen gibt es als Zuckerle den vom Innenminister als kostenneutral bezeichneten Einstieg in die zweigeteilte Laufbahn. Das ist reine Kosmetik und bringt auf dem Konto keinen Cent mehr. Das ist eine bittere Pille.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Ulrich Goll FDP/DVP)

Drittens: Kein Mensch begreift die angeblich polizeifachlich festgelegten neuen Gebietszuschnitte. Ich frage Sie nicht zum ersten Mal – und bisher habe ich noch nie eine Antwort dar auf bekommen –: Was sind die polizeifachlichen Gründe, Freudenstadt Tuttlingen zuzuordnen?

(Beifall des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Was hat Göppingen polizeifachlich mit Ulm zu tun? Was ver bindet polizeilich Ravensburg mit Konstanz? Warum wird die größte Polizeidirektion im Land, die Polizeidirektion Heidel berg, ins kleinere Polizeipräsidium Mannheim eingefügt? Wa rum wird der Nordschwarzwald polizeifachlich auf Tuttlin gen und Karlsruhe aufgeteilt und Pforzheim selbst zur poli zeilichen Provinz degradiert?

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Ein absoluter Blöd sinn!)

Die polizeifachliche Antwort von Ihnen ist: Das Ganze soll vergleichbar große Dienststellen schaffen.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Das ist der Grund! – Gegenruf des Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Nein! Fragen Sie mal die Leute!)

Die Wahrheit ist, dass das Präsidium Offenburg 1 242 Stellen und das Mammutpräsidium Karlsruhe 2 380 Stellen haben werden. So viel zum Thema „Vergleichbar große Dienststel len“.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Der Minister gibt kei ne Antwort! – Abg. Peter Hauk CDU: Ein Hohn!)

Viertens: Polizeiliche Erfolgsgaranten wie die bundesweit an erkannte Bereitschaftspolizei werden einfach zerschlagen.

Fünftens: Der Bürger wird die Nachteile spüren.

(Zuruf des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD)

Der künftige Kriminaldauerdienst ist so zentralisiert, dass er ewig braucht, um zum Einsatzort zu kommen, beispielsweise wenn er von Heilbronn aus nach Wertheim muss.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Wie war es früher? – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr berechtigte Frage!)

Nächstes Beispiel: Für einen schweren Verkehrsunfall im Kappelbergtunnel, direkt vor den Toren Stuttgarts,

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Dazu werde ich nachher etwas sagen!)

ist nicht, wie es naheliegend wäre, Stuttgart zuständig, son dern Kirchberg an der Jagst. Aber weil Sie es selbst merkten, schlagen Sie mittlerweile in vielen Bereichen Außenstellen lösungen vor und zerfleddern damit die Konzentrierung wie der.

Es zeigt sich in der Tat: Grün-Rot bringt mehr Polizei auf die Straße, weil die Polizisten lange zu ihrer neuen Dienststelle unterwegs sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Sechstens – und jetzt wird es richtig hart –: Die Reform kos tet dauerhaft richtig viel Geld.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Oh! – Zuruf von der CDU: Genau!)

Nach Ihren eigenen Angaben – das ist im Gesetzentwurf nach zulesen – belaufen sich die Kosten bis zum Jahr 2028 – war um Sie dieses Jahr gewählt haben, bleibt Ihr Geheimnis – auf 336 Millionen €. Mit für uns nicht nachvollziehbaren Gegen rechnungen reduzieren Sie durch erwartete Erlöse diese Sum me auf 123 Millionen €. Selbst wenn diese Kostenbetrachtung halbwegs stimmen sollte – ich kündige an, wir werden es im Innenausschuss und auch in der zweiten Lesung noch inten siv thematisieren und hinterfragen –, bleibt regierungsamtlich festzustellen – das steht im Gesetzentwurf –: Diese Reform kostet nach 15 Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag; das ist Fakt.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Und spart das Viel fache!)

Siebtens: hohe Kosten, wenig Nutzen. Von allen Ankündigun gen ist übrig geblieben: Jedes Revier wird mit zwei Mann – oder Frau – verstärkt. Klar, das werden Sie tun, weil Sie auch wissen, dass wir es nachprüfen.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Sehr gut! Richtig erkannt!)

Was ich wissen will, ist: Wo kommen sie denn her, was haben sie bisher gemacht, und wer macht deren bisheriges Geschäft künftig? Was machen die zwei Mann in diesem Revier? Im Revier Wiesbadener Straße in Stuttgart sind beispielsweise 150 Bedienstete beschäftigt, und es kommen zwei hinzu. Im Revier Nagold sind es 40; da kommen auch zwei dazu. Als zuständiger Wahlkreisabgeordneter darf ich mich dafür wirk lich bedanken. Diese Verstärkung ist herzlich willkommen.

Aber ich sage Ihnen: Eine gezielte Personalplanung sieht an ders aus. Jedes Revier bekommt zwei zusätzliche Kräfte. Egal, ob dort bislang 150 oder 40 Personen beschäftigt sind: Es kommen zwei dazu.

Achtens: Wie gehen Sie eigentlich mit den Mitarbeitern um?

(Zuruf des Abg. Nikolaos Sakellariou SPD)

Im Gesetzentwurf heißt es lapidar: „Kosten für die privaten Haushalte entstehen dadurch nicht.“ Auch die Mitarbeiterin nen und Mitarbeiter der Polizei haben Privathaushalte, meine Damen und Herren. Haben Sie einmal den Konstanzer Krimi nalbeamten gefragt, der künftig jeden Tag nach Friedrichsha fen fahren soll? Allein die Jahreskarte für die Fähre kostet et wa 1 500 €. Den müssen Sie ein paar Mal befördern, damit sich das auf den Privathaushalt nicht negativ auswirkt.

(Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE)

Meine Damen und Herren, das ist ein interessantes Ergebnis einer – in diesem Fall – sozialdemokratisch geführten Politik.

Lassen Sie mich beim Thema Mitarbeiter an dieser Stelle – weil Sie es angesprochen haben, Herr Minister – auf dieses sogenannte Interessenbekundungsverfahren eingehen. Ich wollte das eigentlich zu einem späteren Zeitpunkt machen, aber Sie haben es eben angesprochen. Ja, daran haben sich 16 000 Personen, glaube ich, beteiligt. Warum eigentlich so viele, wenn angeblich gar nicht so viele betroffen sind? Sie haben sich aber beteiligt.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Es gibt eine Ent wicklungschance!)

Jeder durfte drei Wünsche äußern, wo er künftig arbeiten will.