Protocol of the Session on June 19, 2013

Das Wissenschaftsministerium stellt ferner eine „hohe Akzep tanz gegenüber der Thematik sowie eine entsprechende Be deutungsbeimessung auf allen Entscheidungsebenen inner halb der Hochschulen“ fest. Das ist sehr erfreulich, verwun dert mich jedoch in keiner Weise. Denn wer wollte nicht das Potenzial der erstklassig ausgebildeten Frauen in Forschung und Lehre heben? Es liegt doch im Eigeninteresse der Uni versitäten und der übrigen Hochschulen, die besten Köpfe zu fördern und zu halten, ganz unabhängig von Geschlecht und Herkunft.

Deshalb behaupte ich: Eine hervorragende und wirkungsvol le Frauenförderung wäre die Förderung des Wettbewerbs un ter den Hochschulen. Würde die Finanzierung der Hochschu len beispielsweise auf eine Pro-Studierenden-Bezuschussung umgestellt, wie es die FDP/DVP mit den Studiengutscheinen fordert, könnte es sich definitiv keine Hochschule mehr leis ten, nicht den besten Bewerber bzw. die beste Bewerberin auf eine Professur zu berufen.

Kommen dann noch in ausreichendem Umfang gut gemach te Kinderbetreuungsangebote und gezielte Programme wie z. B. das Brigitte-Schlieben-Lange-Promotions- und Habili tationsstipendium dazu, würde sich das Problem des letzten, aber für die Karriere häufig entscheidenden Schritts ganz von selbst lösen – und zwar ohne Quote; seitens der FDP/DVP kann ich die Regierungsfraktionen nur auffordern, die Finger davon zu lassen.

(Zuruf des Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE)

Gerade wenn man allein die Leistung sprechen lassen will – und wir Liberalen wollen dies –, gerade zum Wohle der Frau en, ist die Quote ein höchst problematisches Instrument.

(Abg. Charlotte Schneidewind-Hartnagel GRÜNE: Wie immer! – Zuruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜ NE)

Sie sorgt eben nicht dafür, dass kompetente Frauen und Män ner gleiche Chancen erhalten, sondern macht Leistungsanrei ze kaputt, indem sie Wettbewerbsbedingungen unfair verzerrt.

Ich bin deswegen auch einigermaßen überrascht, dass jetzt doch bei den Hochschulräten eine Frauenquote von 40 % ein geführt werden soll.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Sehr gut!)

Denn nach unseren zähen Debatten über das grün-rote Vorha ben, die Hochschulräte zu entmachten, hatte ich eigentlich ge dacht, der Groschen sei auch bei Grün-Rot gefallen und die Landesregierung wolle die Eigenständigkeit der Hochschulen und ihrer Gremien nicht weiter einschränken.

Gegen das selbst gesteckte Ziel, 40 % der Stellen und Positi onen in Hochschulgremien mit Frauen zu besetzen, ist aus Sicht der FDP/DVP nicht nur nichts einzuwenden, sondern man muss aus den eben geschilderten Gründen mit aller Kraft an seiner Umsetzung arbeiten.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Aha!)

Dieses Ziel ist übrigens keine grün-rote Erfindung, sondern dies hat sich bereits die christlich-liberale Vorgängerregierung zum Ziel gesetzt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregie rung erteile ich das Wort der Ministerin für Wissenschaft, For schung und Kunst, Frau Bauer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wo stehen wir heute in Bezug auf die Gleichstellung von Männern und Frauen in der Wissenschaft? Das ist das Thema der Großen Anfrage und der Antwort des Ministeri ums. Wir haben versucht, diese Große Anfrage zu nutzen, um einen umfassenden Überblick herzustellen. Das dient der Be wertung, welche der bisherigen Maßnahmen sich bewährt ha ben und wie wir weiter vorgehen müssen und können.

Mir ist wichtig, der Bilanz, wo wir heute stehen, folgende Punkte voranzustellen:

Es gibt an allen baden-württembergischen Hochschulen Gleichstellungsbeauftragte. Alle baden-württembergischen Hochschulen kommen ihren gesetzlichen Verpflichtungen im Gleichstellungsbereich nach. Es gibt an vielen Hochschulen Gleichstellungskommissionen; diese gibt es auch auf Fakul tätsebene, obwohl sie an dieser Stelle nicht verpflichtend einzurichten sind.

Die Hochschulen kümmern sich auch zunehmend um Gender Mainstreaming und um das Thema Diversity, also um die so ziale Vielfalt.

Die Mehrheit der baden-württembergischen Universitäten ist bei den forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der DFG mittlerweile in den Rängen 3 und 4. Das ist ordentlich, aber immer noch deutlich steigerungsfähig.

Die Hälfte der Hochschulen in Baden-Württemberg verfügt heute bereits über ein Gleichstellungsbüro.

Mir ist wichtig, dass auf allen Ebenen und bei allen Entschei dungen die Gleichstellung mitbedacht wird, also bei der Stel lung eines Antrags auf Fördermittel, bei Berufungsverfahren oder bei Begutachtungsverfahren.

Dennoch – alle Redner haben es zu Recht festgestellt –: Wenn man den Professorinnenanteil von 17,3 % – das ist eine Zahl

aus dem Jahr 2011 – betrachtet, dann sieht man, dass da noch deutlich Luft nach oben ist. Es ist für uns ein Auftrag, an der Erhöhung dieses Anteils weiter intensiv zu arbeiten.

Das Ziel einer Gleichstellung von Frauen und Männern in der Wissenschaft ist – um es mit den Worten des Wissenschafts rats zu sagen – die Verbesserung der Qualität und die Steige rung unseres Innovationspotenzials. Denn wir haben Grund, zu vermuten, dass hinter diesem geringen Frauenanteil nicht entdeckte und nicht erschlossene Ressourcen stehen. Die Tat sache, dass der Frauenanteil gering ist, obwohl Frauen in ih rer Bildungskarriere so gut abschneiden, spricht dafür, dass wir eher ein Problem haben, Qualität zu entdecken und sie zu erschließen, als umgekehrt.

Die Hochschulen des Landes arbeiten engagiert an diesem Thema. Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, insbesondere den Gleichstellungsbeauftragten zu danken. Denn ihre Arbeit verdient großen Respekt. Sie haben oft eine Aufgabe zu bewältigen, die ihnen nicht leichtfällt, die ihnen nicht leicht gemacht wird und bestimmt nicht immer karriere fördernd ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt: Frauenförderpro gramme allein reichen nicht aus, um hier entscheidend voran zukommen. Wir müssen darüber hinaus an strukturellen Ver änderungen arbeiten und müssen dazu geeignete Instrumente finden, die diesen strukturellen Wandel voranbringen. Lassen Sie mich ganz kurz ein paar Ansatzpunkte für diese struktu rellen Veränderungen nennen.

Der erste Ansatzpunkt ist das Landeshochschulgesetz. Eine Novelle des Landeshochschulgesetzes befindet sich in Erar beitung. Wir wollen diese Novelle 2014 verabschieden. Wir werden – darauf ist gerade schon hingewiesen worden – mit der Novelle des Landeshochschulgesetzes eine Quote in Be zug auf die Hochschulräte einführen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Es ist noch nicht sehr lange her – das ergaben die regelmäßi gen Abfragen, die es früher gab, als die heutige Opposition noch in der Regierungsverantwortung und die heutigen Re gierungsfraktionen noch in der Opposition waren –,

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das war nicht die schlechteste Zeit!)

dass der Frauenanteil in den Hochschulräten bei etwa 23 % lag. Eine der ersten Ansagen, die ich als Ministerin gegenüber den Hochschulratsvorsitzenden und auch gegenüber den Rek toren gemacht habe, lautete: Wir werden in etwa zwei Jahren, sofern der Landtag die entsprechende Regelung verabschie det, eine Quote für die Hochschulräte einführen, um eine Frau enbeteiligung von 40 % abzusichern. Und siehe da: Seither finden sich Frauen für diese Aufgabe.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Ein Wun der!)

Inzwischen sind wir bei einem Frauenanteil bei den Hoch schulräten von etwa 39 % angekommen. Daher kann es kein Qualitätsproblem gewesen sein. Das ernsthafte Streben da

nach, die Potenziale zu erschließen, weckt Kreativität und die Bereitschaft, etwas zu tun. Daher freue ich mich, dass es der Quote selbst gar nicht bedurft hat. Ihre Ankündigung hat schon die nötigen Energien freigesetzt. Wir werden die Quo te dennoch festschreiben, weil es sinnvoll ist, dass man an be stimmten Standards – die inzwischen auch EU-Standards sind – festhält.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Ich bin mir sicher, die LHG-Novelle wird eine Gelegenheit bieten, auch andere geeignete Instrumente zur Stärkung von Gleichstellung in den Hochschulen zu verankern. Wir sind im Moment in der Phase der Prüfung möglicher Schritte und wer den gute Ideen und Initiativen im Laufe der nächsten Mona te dazu entwickeln.

Der zweite Anknüpfungspunkt ist das Professorinnenpro gramm. Es ermöglicht mit Mitteln des Bundes, den Anteil von Frauen auf Professorenstellen in Baden-Württemberg schnell zu erhöhen. Wir freuen uns, dass sich die Hochschulen in Ba den-Württemberg sehr aktiv an diesem Programm beteiligen. Wir haben für die neue Ausschreibungsrunde dieses Pro gramms mit Stichtag Ende März 22 Anträge aus baden-würt tembergischen Hochschulen erhalten. Fast die Hälfte aller Hochschulen beteiligt sich an dieser Ausschreibung. Was ebenfalls wichtig ist: Neben der Gewinnung von zusätzlichen Frauen bedeutet dieses Programm, dass sich die Hochschulen als Ganzes in Sachen Gleichstellung profilieren wollen, denn sie committen sich damit gleichermaßen zu einem Gleichstel lungskonzept. Wir haben dieses Programm dadurch unter stützt, dass im Fall einer Regelprofessur, die mit einer Frau besetzt wird, das Land mit 30 000 € jährlich zusätzlich das Umsetzen dieses Gleichstellungskonzepts noch einmal finan ziell bezuschusst.

Der dritte Bereich struktureller Veränderungen ist die Verein barkeit von Beruf, Wissenschaft und Familie. Ich brauche das hier nicht lange auszuführen, Sie haben in der Debatte wich tige Punkte dazu genannt. Nachdem wir den Bereich der Kin derbetreuung in den letzten Jahren ganz ordentlich entwickelt haben, und zwar in den Hochschulen und natürlich in den Kommunen, die in diesem Jahr den Rechtsanspruch umset zen müssen, ist in diesem Bereich viel passiert. Wir brauchen aber noch mehr zeitlich flexible Angebote, die den besonde ren Bedarfen von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen gerecht werden.

Aber ein wirklicher Schlüsselbereich, den wir anpacken und verändern müssen, sind die Themen Arbeitsverträge, Beschäf tigungsverhältnisse und ihre Befristung. Ich bin davon über zeugt, dass hier eine ganz wesentliche Ursache liegt; denn dies ist gerade für Frauen im Alter von 30 bis 40 Jahren relevant, in einem Alter, in dem sie in der Regel ihre Kinder bekom men. Wenn man in dieser Zeit über keine verlässliche Pers pektive verfügt, dann entscheidet man sich unter Umständen vielleicht doch für ein anderes Arbeitsfeld. Wenn man in der Zeit doch eine Familie gründet, dann gibt es häufig keinen An schlussvertrag. Daher fallen Frauen genau in dieser Phase aus dem Wissenschaftsbereich heraus. Ich würde mich sehr freu en, wenn wir dieses Thema miteinander mutig weiter bearbei ten und weiter anpacken.

Ein kleiner, aber wichtiger Beitrag der Hochschulen, um ihre Frauen- und Familienfreundlichkeit sichtbar zu machen, sind die verschiedenen Auditierungsverfahren. Das sind Initiativen wie das „audit familiengerechte hochschule“, das in BadenWürttemberg rund 20 Hochschulen mittlerweile durchgeführt haben, und das Prädikat „Total E-Quality“ von weiteren sechs Hochschulen in Baden-Württemberg. Das sind gute Maß nahmen, mit denen man Hochschulen dafür gewinnt, sich in Gänze damit auseinanderzusetzen, wo sie stehen und was sie für mehr Gleichstellung tun können.

Wir haben zurzeit eine umfassende Evaluation all unserer För derprogramme und Fördermaßnahmen begonnen, die im Be reich der Gleichstellung in der Wissenschaft aufgesetzt sind. Wir haben im Landeshaushalt jährlich rund 4,1 Millionen €, die wir für verschiedene Fördermaßnahmen ausgeben im Be reich der Kinderbetreuung, für ein Stipendienprogramm für Nachwuchswissenschaftlerinnen mit Kind, das Brigitte-Schlie ben-Lange-Programm, das Margarete-von-Wrangell-Habili tationsprogramm und das Mathilde-Planck-Lehrauftragspro gramm. All diese Programme, die zum Teil schon über viele Jahre hinweg laufen, werden zurzeit evaluiert. Wir treten mit den Programmempfängerinnen und den Absolventinnen der diversen Maßnahmen in Verbindung und versuchen zu über prüfen, wie wirksam diese Frauenförderprogramme bislang waren.

Wir versuchen anhand dieser Evaluation, eine Anpassung bei der Fortsetzung unserer Frauenfördermaßnahmen vorzuneh men. Ich hoffe, dass wir im Laufe dieses Jahres mit differen zierten Ergebnissen aus diesen Evaluationen rechnen können und dann neue Maßnahmen in die Wege leiten können.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Sehr gut!)

Ich bin mir sicher: Frauenförderung – Herr Abg. SchmidtEisenlohr hat es gerade gesagt – muss im Wesentlichen von denen getragen werden, die Hochschule machen und Hoch schule jeden Tag leben. Wir können Gleichstellung nicht mit einer reinen Top-down-Strategie oktroyieren. Aber ohne gute und fördernde Rahmenbedingungen und ohne ein präzises Nachfragen, wie weit wir bei der Etablierung von Gleichstel lungsplänen sind, kommt man nicht voran. In dieser Kombi nation – die richtigen Rahmenbedingungen, gute Anreizpro gramme, die gezielt wirken, und mit der Bereitschaft der Hochschulen selbst und zum Glück auch der Wissenschafts organisationen selbst, die zunehmend präzisere Anforderun gen in Sachen Gleichstellung stellen – werden wir sicher schnell weitere Fortschritte in Sachen Gleichstellung in unse ren Hochschulen erreichen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Mir liegen keine wei teren Wortmeldungen vor. Damit ist die Große Anfrage be sprochen und Punkt 8 der Tagesordnung erledigt.

Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung.