Protocol of the Session on June 19, 2013

Meine Damen und Herren! Ich er öffne die 71. Sitzung des 15. Landtags von Baden-Württem berg.

Urlaub für heute habe ich Herrn Kollegen Rau erteilt.

Krankgemeldet sind Frau Kollegin Haller-Haid und Herr Kol lege Dr. Rösler.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich Herr Mi nisterpräsident Kretschmann, Frau Ministerin Altpeter und ab 14:30 Uhr Herr Minister Stoch.

Entschuldigt ist Herr Minister Untersteller ab 13:30 Uhr.

Dann habe ich noch eine schlechte und eine gute Nachricht für Sie. Die schlechte Nachricht: Hitzefrei gibt es nicht. Die gute Nachricht: Der Jackettzwang ist aufgehoben.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Das macht doch norma lerweise Herr Drexler!)

Meine Damen und Herren, der Landtag hat in seiner 13. Sit zung am 28. September 2011

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

gemäß § 41 Absatz 2 Satz 2 des Landesmediengesetzes vier Abgeordnete als Vertreter des Landtags in den Medienrat der Landesanstalt für Kommunikation gewählt, deren Amtszeit fünf Jahre beträgt und am 12. Februar 2017 endet.

Die Fraktion GRÜNE hat am 12. Juni 2013 mitgeteilt, dass Herr Abg. Manfred Kern als Vertreter des Landtags zum 30. Juni 2013 aus dem Medienrat der Landesanstalt für Kom munikation ausscheiden soll. Herr Abg. Kern hat mit Schrei ben vom 13. Juni 2013 gegenüber mir und dem Präsidenten der Landesanstalt für Kommunikation, Herrn Thomas Lang heinrich, seinen Verzicht auf das Amt im Medienrat zum 30. Juni 2013 erklärt.

Die Fraktion GRÜNE hat als Nachfolgerin für Herrn Abg. Manfred Kern Frau Abg. Brigitte Lösch vorgeschlagen (An lage). Kann ich davon ausgehen, dass Sie diesem Wahlvor schlag, für den die Fraktion GRÜNE das Vorschlagsrecht hat, in offener Wahl zustimmen? – Es erhebt sich kein Wider spruch. Dann ist es so beschlossen.

Meine Damen und Herren, im E i n g a n g befindet sich die Mitteilung des Rechnungshofs vom 13. Juni 2013 – Um setzung des Zukunftsinvestitionsgesetzes – Fachförderungen und Staatlicher Hochbau. Sie ist Ihnen als Drucksache 15/3636

zugegangen. Ich schlage vor, die Mitteilung des Rechnungs hofs an den Innenausschuss, an den Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren sowie an den Ausschuss für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und federführend an den Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Hochwasserschutz in Baden-Württem berg – beantragt von der Fraktion GRÜNE

Das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte eine Gesamtrede zeit von 40 Minuten festgelegt. Für die einleitenden Erklärun gen der Fraktionen und für die Redner in der zweiten Runde gilt jeweils eine Redezeit von fünf Minuten. Ich darf die Mit glieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vor gegebenen Redezeitrahmen zu halten.

Schließlich darf ich auf § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.

Das Wort für die Fraktion GRÜNE erteile ich dem Kollegen Marwein. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bilder von bis zu den Dächern überfluteten Wohnhäusern, von Seenland schaften, wo sonst Felder sind, oder den Hangabrutschen spre chen eine deutliche Sprache. Elf Jahre nach der großen Flut von 2002 stehen bzw. standen große Teile Süd- und Ost deutschlands erneut unter Wasser, haben Menschen, Kommu nen, ganze Landkreise erneut mit den existenziellen und fi nanziellen Folgen zu kämpfen.

Wir können feststellen: Der Klimawandel ist da, und die Jahr hunderthochwasser werden Normalzustand. Diese Koalition und diese Regierung nehmen die Herausforderungen an. Wir verwirklichen einen effektiven und dauerhaften Hochwasser schutz.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die Einsichten, die dem Hochwasser folgen, sind stets diesel ben, nämlich dass ein funktionierender Hochwasserschutz Schlimmeres verhindern kann, dass dieser Hochwasserschutz nicht umsonst zu haben ist, dass hier investiert werden muss, mehr Personal bei der Wasserwirtschaft und den Katastro phenhilfsdiensten benötigt wird, dass Bund, Länder und Kom

munen besser zusammenarbeiten müssen und dass beim nächsten Hochwasser natürlich alles besser wird.

Die Einsichten gab es wohl. Aber: Die bisherigen Landesre gierungen haben die Ausgaben für den Hochwasserschutz viel zu gering angesetzt. Erst bei einem erneuten Hochwasser gab es einen Schluck aus der Pulle. Versäumnisse müssen und wer den wir ausbügeln.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Dafür stehen diese Landesregierung und der Umweltminister.

Was ist zurückblickend in Baden-Württemberg beim Hoch wasserschutz erreicht worden? Es war ja nicht so, dass nichts unternommen worden wäre,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist aber nett! – Zuruf von der CDU: Aha!)

aber es wurde zu wenig Geld in die Hand genommen.

Mit dem Integrierten Rheinprogramm, dem Integrierten Do nauprogramm und der Integrierenden Konzeption NeckarEinzugsgebiet setzt Baden-Württemberg großräumige Hoch wasserschutzprojekte um. Hier arbeitet das Land über institu tionelle und räumliche Grenzen hinweg. Diese Hochwasser schutzstrategien für integriertes Handeln haben sich bewährt.

Die Hochwasserschutzmaßnahmen der vergangenen Jahre ha ben sich bei dem aktuellen Hochwasser ausgezahlt. Die ent standenen Schäden sind vergleichsweise gering. Wir hatten allerdings auch Glück. Das Hochwasser in Baden-Württem berg war verglichen mit dem in Ostdeutschland insgesamt ge ring.

Mit den Poldern Altenheim und Söllingen/Greffern oder dem Kulturwehr Kehl/Straßburg sind drei von 13 Hochwasserrück halteräumen des Integrierten Rheinprogramms umgesetzt. Das Hochwassermanagement funktioniert.

Die kommunalen Hochwasserrückhaltebecken und Über schwemmungsgebiete haben ebenfalls funktioniert. Die Deichsanierungen an den Gewässern erster Ordnung wurden teilweise realisiert. Aber es muss noch mehr umgesetzt wer den, als bisher bereits realisiert wurde. Diese Aufgabe wird uns über Jahrzehnte hinweg beschäftigen.

Doch allein auf den technischen Hochwasserschutz zu setzen ist keine Lösung.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt kommt’s!)

Immer mehr Dämme, Deiche und Polder zu bauen darf nicht die einzige Antwort auf diese Naturereignisse sein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das scheint manchen Kollegen von der FDP und der CDU/ CSU im Bund immer noch nicht einzuleuchten. Wie sonst las sen sich Äußerungen von Rainer Brüderle oder Arnold Vaatz über eine „grüne Dagegen-Politik“ oder eine „Vetokratie“ in der Presse erklären?

Wir, die Grünen, und sicherlich auch die von Brüderle und Vaatz völlig zu Unrecht kritisierten Bürgerinitiativen und Na turschutzverbände sind nicht per se gegen Hochwasserschutz.

Wir sind für eine kluge, nachhaltige Hochwasserschutzpoli tik. Wir, die Grünen, sind für eine Hochwasserschutzpolitik, die auch dann gemacht wird, wenn die Flüsse normale Pegel stände aufweisen.

(Beifall bei den Grünen)

Wir sind für eine Hochwasserschutzpolitik, die sich nicht nur auf kurzfristige Ad-hoc-Lösungen beschränkt, sondern auch nach langfristigen, ökologischen Lösungen sucht.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Alfred Wink ler SPD)

Der technische Hochwasserschutz erfüllt bei der Verminde rung und Vermeidung von Schäden in besiedelten Gebieten eine wichtige Aufgabe. Dies darf jedoch nicht dazu führen, weitere hochwassergefährdete Gebiete, die grundsätzlich als Hochwasserrückhalteflächen zu erhalten sind, zu überbauen.

Nach der Flut von 2002 waren sich parteiübergreifend alle da rüber einig, dass Flüssen mehr Raum gegeben werden muss. Doch der CDU-regierte Freistaat Sachsen hat beispielsweise von den 530 Millionen €, die dort für den Hochwasserschutz bereitgestellt wurden, lediglich 5 Millionen € in die Schaffung neuer Überschwemmungsgebiete investiert.

Beim Hochwasserschutz ist langfristiges Denken gefordert. Was heißt das? Was das heißt, ist längst bekannt: Potenzielle Überflutungsflächen ausweisen bzw. bereitstellen, Flächen versiegelung stoppen, Renaturierung der Gewässer, Gewäs serentwicklungspläne umsetzen, naturnaher Gewässerausbau, die Wasserrahmenrichtlinie als Ziel setzen, Flüssen mehr Raum geben, natürliche Hochwasserrückhalteräume schaffen – denn Hochwasserschutz braucht Fläche – und keine Bebau ung mehr in Flussnähe, wo dies möglich ist.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Auch darauf müssen unsere Anstrengungen gerichtet sein. Hierbei sind vor allem die Kommunen gefordert, denn die Pla nungshoheit liegt bei ihnen. Bei der Bauleitplanung darf der Hochwasserschutz von den Gemeinderäten und den Bürger meistern nicht als Einschränkung der Planung, sondern muss als notwendige Maßnahme der Daseinsvorsorge angesehen werden.

Angesichts der Milliardenschäden durch das Hochwasser muss dafür gesorgt werden, dass so etwas nicht mehr passiert. Hier ist ein verantwortungsbewusstes und weitsichtiges Han deln der Kommunen gefragt.