Protocol of the Session on June 30, 2011

Ihre Absicht, ein erfolgreiches Projekt Ihrer Vorgängerregie rung zu deckeln und nicht weiter auszubauen, obwohl es von den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort sowie von den Schul trägern stark nachgefragt wird, ist überhaupt nicht nachvoll ziehbar und atmet einen kleinmütigen und dirigistischen Geist. Kleinmütig ist Ihre Stellungnahme, denn Sie setzen sich dem Verdacht aus, dass Sie offenbar ein erfolgreiches und von al len Beteiligten gelobtes Projekt nur deshalb nicht fortsetzen wollen, weil es von einer christlich-liberalen Regierung ins Leben gerufen wurde.

(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD)

Dirigistisch ist Ihre Stellungnahme, weil Sie entgegen zahl reichen Beteuerungen in der Bildungspolitik nicht davon las sen können, den Menschen vorzuschreiben, was gut für sie ist und was nicht.

Die FDP/DVP-Fraktion appelliert deshalb eindringlich an die Landesregierung: Lassen Sie Vielfalt in der Bildungspolitik zu.

(Lachen bei den Grünen und der SPD – Beifall der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Es freut mich, dass Sie dem zustimmen.

Lassen Sie den Verantwortlichen vor Ort die Freiheit, zu ent scheiden, ob und, wenn ja, in welcher Form ihr Kindergarten und ihre Grundschule miteinander verzahnt werden sollen, ob als Bildungshaus oder in anderer Form. Stellen Sie die hier für notwendigen Ressourcen sicher, und trauen Sie den Bür gerinnen und Bürgern zu, dass sie die sie betreffenden Ange legenheiten für sich am besten entscheiden können.

Dem Antrag der CDU-Fraktion, Drucksache 15/173, können wir zustimmen, weil wir davon ausgehen, dass es in Zukunft neben den Bildungshäusern selbstverständlich auch noch an dere Elemente der frühkindlichen Bildung geben wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die Landesregie rung erhält Herr Staatssekretär Dr. Mentrup das Wort.

Herr Präsident, Kolle ginnen und Kollegen! Gern darf ich im Namen der Landesre gierung zum Thema Bildungshaus Stellung nehmen.

Ich darf zunächst einmal feststellen, Herr Wacker, dass es, was die von Ihnen vorgestellten und anvisierten Ziele im Bereich der frühkindlichen Bildung angeht, weiterhin eine große Über einstimmung mit dem Kultusministerium gibt. Das ist schön, weil man mit dem Wechsel in die Opposition mitunter ja doch Veränderungen erlebt.

All den anderen Zielen, die Sie ansprechen – nahtlose Über gänge, den Kindern Lernfreude vermitteln, Fachkräfte, Grund schule und Kindergarten sollen zusammenarbeiten, frühes In teresse am Lesen und Schreiben –, können wir uns alle hier im Haus, denke ich, und kann sich auch die Fachverwaltung anschließen. All das ist auch das Bemühen der verschiedenen Projekte um Verbesserungen im Bereich der frühkindlichen Bildung und darüber hinaus.

Lassen Sie mich aber noch etwas zur Systematik des Bil dungshauses erklären, was vielleicht auch für Sie, Herr Kern, an der einen oder anderen Stelle noch eine wichtige Entschei dungsvoraussetzung ist.

An einem Bildungshaus gibt es zunächst einmal einen Grund stock an Investitionen und an Personalmitteln, um eine Ko operation zwischen Grundschule und Kindertagesstätte zu er reichen. Das ist sonst noch nicht flächendeckend der Fall.

Es ist selbstverständlich, dass eine solche Ausstattung für ei ne solche Kooperation überall als sehr positiv erlebt wird, weil hier gedankliche Hürden eingerissen werden, Informationen ausgetauscht werden und es ein gemeinsames Miteinander von Kindertagesstätte und Grundschule gibt.

Ein zweites Element des Bildungshauses ist, dass sich diese Kooperation aber auch in institutionsübergreifenden Projekt gruppen darstellen soll. Für jede einzelne dieser Projektgrup pen gibt es in der ersten Tranche des Bildungshauses in der Projektphase drei Lehrerdeputatsstunden pro Woche und in der zweiten Ausbaustufe zwei Lehrerdeputatsstunden pro Wo che.

Das führt dazu, dass wir 7,5 Millionen € ausgeben müssen, um den Standard an diesen 200 Bildungshäusern zu erhalten.

Diesen Standard stellen wir seit 2007 schrittweise sicher. Das heißt: Wenn man 7,5 Millionen € braucht, um einen solchen Standard an 200 Einrichtungen herzustellen, überlegen Sie sich einmal, welche Mittel und wie lange man bräuchte, um das an 2 500 Grundschulen und insgesamt 8 000 Kindertages stätten herzustellen.

Daher stellt sich erstens durchaus die Frage: Welche Elemen te des Bildungshauses sind denn für die guten Ergebnisse ver antwortlich? Natürlich gibt es die Rückmeldung – sie ist auch durch andere Studien vielfach belegt –, dass es überall da, wo die Voraussetzungen für eine Kooperation zwischen Kinder tagesstätte und Grundschule geschaffen werden, zu weniger Angst vor dem Übergang, mehr Zufriedenheit aller Beteilig ten und einem reibungsloseren Bildungsablauf kommt.

Eine solche Kooperation ist übrigens, Herr Kern, in unserem Bundesland schon vorgesehen. Es gibt eine verpflichtende Verwaltungsvorschrift, die genau dies vorschreibt. Die alte Landesregierung hat es aber bis heute nicht fertiggebracht, hierfür auch nur eine einzige Deputatsstunde an jeder einzel nen Grundschule zur Verfügung zu stellen. Dieser Realität müssen Sie sich stellen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf von der SPD: So sieht es aus!)

Deswegen müssen wir uns die Ergebnisse der wissenschaftli chen Evaluation anschauen. Wir müssen aber sehr genau schauen: Welche Elemente des Bildungshausprojekts führen denn zu welchen Ergebnissen? Dann müssen wir uns überle gen: Sind diese Elemente und die dafür eingesetzten Ressour cen geeignet, auf einem Zeitstrahl aus 200 Bildungshäusern in dieser Ausstattungstiefe am Ende 2 500 Grundschulen und 8 000 Kindertagesstätten zu bedienen, oder sollten wir nicht endlich eine Kooperation zwischen Grundschule und Kinder tagesstätte in einer ganz neuen, flächendeckenden Weise ein führen, wovon in den letzten Jahren immer geredet, was aber letztlich nie durch entsprechende Ressourcen umgesetzt wur de?

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Dazu kann ich Ihnen zwei Zahlen nennen. Es geht am Ende darum, ob man weiterhin 7,5 Millionen € zur Verfügung stellt, um 200 Bildungshäuser zu bedienen, und einen Aufwuchs macht, der, wenn ich das hochrechne, am Ende auf 90 Milli onen € kommt, oder ob man nicht erst einmal mit 9 Millio nen € anfängt, um 180 Deputate an den Grundschulen zur Ver fügung zu stellen, was ausreichen würde, um allen 2 500 Grundschulen für jede erste Klasse eine Stunde Lehrerdepu tat zur Kooperation zwischen Kindertagesstätte und Grund schule zur Verfügung zu stellen.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Unser Ziel wäre es, Herr Kern, dass wir diese Ausstattung al ler Grundschulen erst einmal flächendeckend vornehmen und zu unserem ersten Ziel machen, auf die alle Grundschulen schon warten, weil sie aufgrund des Mangels diese verpflich tenden Verwaltungsvorschriften häufig nur durch ehrenamt lich Tätige umsetzen können.

Wenn wir das umgesetzt haben, müssen wir uns zweitens die Frage stellen: Ist die Ausstattung der Kindertagesstätten über

haupt ausreichend, um die Kinder auf die Grundschule vor zubereiten? Denn hier wird immer so getan, als sei das nur ein Übergangs- und ein Schnittstellenproblem. Aber wir wissen, dass der Orientierungsplan bis heute in den Personalressour cen nicht ausreichend ausgestattet wurde, um ihn flächende ckend umzusetzen. Auch das wäre aus unserer Sicht fachlich prioritär gegenüber einem Ausbau der Bildungshäuser.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Drittens: Es wird noch immer Kinder geben, die auch in der Grundschule einen erhöhten Förderbedarf haben. Dafür ist im Koalitionsvertrag vorgesehen, dass wir ein Unterstützungs system an den Grundschulen schaffen sollen und dass wir ei nen verstärkten Ausbau der Ganztagsschulen mit echten Ganz tagsschulen brauchen. Auch das würden wir aus fachlicher Sicht für prioritär gegenüber einem Ausbau der Bildungshäu ser in dieser Weise halten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Daher wäre unsere fachliche Empfehlung: Stimmen Sie Ab schnitt I zu, wenn er denn hier zur Abstimmung gestellt wird. Denn es ist selbstverständlich – Sie könnten sich dem nie ent ziehen, selbst wenn Sie hier keinen entsprechenden Beschluss fassen –, dass wir Sie über die Ergebnisse der Evaluierungs aktion in Kenntnis setzen.

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist aber nett!)

Viertens: Legen Sie sich hier nicht schon jetzt auf eine Prio risierung der verschiedenen notwendigen Investitionen im frühkindlichen Bereich und in der Grundschule fest, sondern lassen Sie uns dann darüber diskutieren, und helfen Sie mit, wie wir die Einführung des Orientierungsplans flächende ckend, die Einführung einer Kooperation zwischen Grund schule und Kindertagesstätte flächendeckend und einen Aus bau der Unterstützungssysteme und des Ganztagsschulange bots in den Grundschulen flächendeckend herstellen. Wenn dann noch Geld übrig ist, ist auch unsere „Abteilung“ sicher lich gern bereit, diese besondere Ausstattung der Bildungs häuser auch an verschiedenen Punkten fortzusetzen.

Abschließend möchte ich noch sagen: Wir schlagen Ihnen nicht vor, auf das Bildungshauskonzept zu verzichten, son dern wir möchten diese Inseln gelungener Kooperation wei terentwickeln,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Okay!)

sie aber in einen Rahmen überführen, mit dem dies auch flä chendeckend möglich ist

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das heißt, weniger Mittel?)

und mit dem es gelingt, dass das Etikett „Bildungshaus“ für eine gute Kooperation zwischen Grundschule und Kinderta gesstätte steht, von der auch andere Standorte profitieren kön nen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Also eine Be standsgarantie? – Abg. Volker Schebesta CDU: Das heißt, vor Ort weniger Mittel?)

Was die derzeitige finanzielle Ausstattung betrifft, so sind in der mittelfristigen Finanzplanung noch nicht einmal die 200 im Moment bereits bestehenden Bildungshäuser abgesichert.

(Zuruf: Was?)

Hier wird immer so getan, als könnten wir eine weitere Stei gerung locker bewältigen. Herr Wacker, Sie betonen immer, welch wichtiges Projekt die Bildungshäuser seien. In der mit telfristigen Finanzplanung sind hierfür jedoch gar keine Mit tel vorgesehen. Auch das ist ein Widerspruch.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir halten am Image und an der Wertschätzung der Bildungs häuser als einer gelungenen Kooperation fest.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Aber sie bekommen weniger Geld! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und am Bestand auch, nicht wahr, Herr Staatssekre tär?)

Wir schlagen Ihnen aber vor, dass wir uns die Ausstattungs kriterien kritisch anschauen und dass wir dann die von mir an gesprochenen Projekte in einer fachlichen Priorisierung vor ziehen, damit das erreicht wird, was Sie, Herr Wacker, wol len. Sie haben gesagt, Sie wollten gleiche Startchancen schaf fen. Wenn wir nur auf das Bildungshaus mit der bestehenden Ausstattungstiefe setzen, werden wir das nicht schaffen. Wir brauchen den Orientierungsplan für alle, wir brauchen Ganz tagsschulen und die entsprechenden Unterstützungsangebote für alle, und wir brauchen eine verpflichtende Kooperation zwischen Grundschule und Kindertagesstätte, die überall mit Deputaten unterlegt wird. Das wäre für dieses Ziel zunächst einmal prioritär.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Das lässt sich für den Anfang nicht schlecht an!)