Protocol of the Session on May 15, 2013

Wir stellen fest, dass es eine krasse Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen in unserem Land gibt und es des halb Antworten auf diese Fragen zu finden gilt. Das ist das, was die grün-rote Landesregierung grundlegend von SchwarzGelb im Bund unterscheidet.

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Zum Zeitpunkt der Beantwortung unseres Antrags lag die end gültige Fassung des Vierten Armuts- und Reichstumsberichts der Bundesregierung noch nicht vor. Mittlerweile wissen wir, welchen Stellenwert dieses Thema bei der Bundesregierung hat, nämlich gar keinen. Die Bundesregierung will die bitteren Er kenntnisse, die trotz handwerklicher Fehler aus ihrem Bericht zu entnehmen sind, einfach nicht wahrhaben. Der Bundesregie rung ist eine schöngefärbte Präsentation der sozialen Verhält nisse offensichtlich wichtiger als die nüchterne Analyse, die die notwendigen Voraussetzungen für Handlungsoptionen für ein Umsteuern in der Verteilungsfrage schafft.

(Zuruf des Abg. Werner Raab CDU)

Das bekräftigt uns auch darin, einen eigenen Armuts- und Reichtumsbericht erstellen zu lassen. Der Vierte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung wurde deshalb nicht nur von der Opposition, sondern auch von allen Sozialverbän den zu Recht heftig kritisiert. Die Sozialverbände sind es auch, die im Land sehr wohl wahrnehmen, dass die Landesregie rung diesbezüglich einen anderen Ansatz verfolgt. Die Ver bände als unsere Partner in Sachen Armutsprävention und Ar mutsbekämpfung werden auch in die Berichterstattung und die Entwicklung von Konzepten und Maßnahmen zur Armuts prävention einbezogen.

Der Beirat für den Armuts- und Reichtumsbericht für BadenWürttemberg hat sich konstituiert und tagt bereits. Er soll wei terentwickelt werden zu einem Landesbeirat für Armutsbe kämpfung und -prävention. Dieser Beirat begleitet auch un ser Aktionsprogramm zur Armutsbekämpfung, das in die Be richterstattung eingebettet wird und wofür auch Mittel aus den jährlich zur Verfügung stehenden 500 000 € für Maßnahmen und Projekte entnommen werden können.

Ich denke, die Einbeziehung der Verbände und Sozialpartner kommt bei unseren Partnern richtig gut an und ist ein weite rer Beleg für die dialogorientierte Politik der Landesregierung. Dafür gebührt unserer Sozialministerin ganz ausdrücklich un ser Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Zufrieden sind wir auch mit den Maßnahmen und Initiativen, die bereits zur Armutsüberwindung in die Wege geleitet wur den. In der Stellungnahme wird ausführlich – Sie haben es ge sagt, Herr Kunzmann – darauf eingegangen. Es sprengt jetzt den Zeitrahmen, alle Maßnahmen und Vorhaben nochmals einzeln vorzustellen. Aber ich denke, die Handschrift wird deutlich. Wir arbeiten an einer Verbesserung der Strukturen. Für die direkten Transferleistungen, die die Menschen zumin dest vor absoluter Armut bewahren sollen, ist der Bund zu ständig. Da müssen noch einige Hausaufgaben gemacht wer den.

(Abg. Johannes Stober SPD: Steuererhöhung!)

Wir arbeiten an der Verbesserung der sozialen Infrastruktur. Ich denke, das kann sich sehen lassen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Arbeitsplät ze schaffen!)

Wir setzen an beim Thema „Bildung und Betreuung“, damit die Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen verbes sert werden.

Wir setzen an beim Thema „Gute und sichere Arbeit“, damit die Menschen von dem, was sie verdienen, auch leben kön nen, und damit diejenigen, die aufgrund von Beeinträchtigun gen oder Einschränkungen vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt werden, auch neue Zugangschancen erhalten. Im Übrigen ist ordentliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auch die einzige Chance, um der drohenden Flut einer neuen Al tersarmut Einhalt zu gebieten.

Wir setzen an beim Thema „Bezahlbarer Wohnraum“, damit auch einkommensschwache Mieter anständig wohnen kön nen. Wir setzen an beim Thema Geschlechtergerechtigkeit, damit Frauen die gleichen Teilhabechancen bekommen, Ein kommensgleichheit hergestellt wird und damit Beruf und Fa milie leichter zu vereinbaren sind.

Meine Damen und Herren, sicher, in den genannten Hand lungsfeldern gibt es noch einiges zu tun, und wir könnten viel mehr Geld gebrauchen, als wir haben,

(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Haben wir denn so viel?)

um alles, was auch in unserem Land aus dem Lot geraten ist, wieder in Ordnung zu bringen. Aber wir sehen die Probleme. Wir verschließen nicht die Augen. Wir arbeiten an der Be kämpfung der sozialen Ungleichgewichte und der Not in un serem Land. Ich denke, wir sind auf einem ganz guten Weg.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich das Wort Herrn Abg. Poreski.

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fange einmal mit dem Positiven an. Der Antrag der CDU zeigt im merhin, dass Sie sich für das Thema „Armut und Reichtum“ interessieren.

(Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Eher für Reich tum!)

Gegenüber dem, was Sie früher geäußert haben, ist das ein Fortschritt, sicherlich ein sehr kleiner Fortschritt

(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Wir haben die Ar mut bekämpft und nicht bejammert!)

das haben Sie, Herr Kunzmann, eindrücklich unter Beweis gestellt –, aber sicher ein großer Schritt für die CDU.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Wer sich bisher nicht sicher war, ob ein eigener Armuts- und Reichtumsbericht des Landes Sinn macht, wurde vor knapp drei Wochen im Bundestag eines Besseren belehrt. Die Ant worten der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Grü nen wichen den offensichtlichsten und größten Problemfel dern aus: etwa der verdeckten Armut – denn viele Leistungs berechtigte kommen in Wirklichkeit nicht zu ihrem Recht –, dem Thema Wohnungslosigkeit, die besonders bei unter 25-Jährigen massiv zugenommen hat – übrigens auch in Ba den-Württemberg –, der prekären Situation von Alleinerzie henden, die zu über 40 % armutsgefährdet sind – auch in Ba den-Württemberg –, dem Armutsrisiko von Migrantinnen und Migranten, von Menschen mit Behinderungen und nicht zu letzt der Armut von älteren Menschen. Diese ist in den letz ten Jahren um 15 % angestiegen, doch die große Welle der Al tersarmut steht uns erst noch bevor.

Stattdessen wirft Schwarz-Gelb Nebelkerzen. So sei die Kin derarmut angeblich gesunken. Für diese statistische Aussage gibt es einen ganz einfachen Grund: Es gibt weniger Kinder. Die Armutsquote bei Kindern ist mit 16,5 % im Bund und mit rund 14 % in Baden-Württemberg jedoch nahezu unverändert.

Getrickst wird auch beim Bildungs- und Teilhabepaket. Fast drei Viertel der Berechtigten profitieren angeblich davon. Ge zählt wird aber schon dann, wenn nur eine einzige Leistung in Anspruch genommen wird. In Wirklichkeit kam trotz Mons terbürokratie bei den meisten Kindern nicht mehr an als frü her.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Im brandaktuellen Bericht der Bundesregierung gibt es keine neuen Zahlen zur Frage der Einkommens- und Vermögens konzentration. Die letzten diesbezüglichen Angaben stammen von 2007 und 2008. Gleichzeitig wird aber behauptet – das haben Sie, Herr Kunzmann, auch getan –, die Einkommens spreizung habe von 2006 bis 2010 nicht zugenommen, son dern sei sogar zurückgegangen.

(Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Ich habe „bis heu te“ gesagt!)

Meinetwegen sagten Sie: „bis heute“. – Pardon, aber eine solche Kurzzeitentwicklung hatten wir nach jeder Krise, so beispielsweise auch nach dem Platzen der sogenannten Dot com-Blase 2001.

(Zuruf des Abg. Thaddäus Kunzmann CDU)

Doch danach – hören Sie zu; die langfristige Entwicklung sagt etwas anderes – ist die Schere bei der Einkommensentwick lung immer weiter auseinandergegangen – das können Sie an den Kurven über einen längeren Zeitraum hinweg sehen –,

von der Entwicklung bei der Vermögenskonzentration ganz zu schweigen.

Was wir hier in Baden-Württemberg brauchen, ist also mehr als nur eine länderspezifische Auslegung des Bundesberichts. Wir brauchen vielmehr über weite Strecken eine Korrektur, und diese Korrektur werden wir liefern.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Mit der Steuer erhöhung!)

Der Antrag unseres Koalitionspartners bietet hierfür eine gu te Grundlage.

Wir werden auch über den Bundesrat Konsequenzen ziehen, beispielsweise – ja! – auch über die Steuerpolitik. Starke Schultern müssen wieder einen fairen Lastenanteil tragen, um die große Mehrheit zu entlasten. Die obersten zehn Prozent werden nach unseren Plänen in der Summe moderat belastet; das oberste eine Prozent deutlich. Das zu skandalisieren, wie dies die Opposition in der vergangenen Woche getan hat, zeigt, dass Sie soziale Marktwirtschaft nicht verstanden ha ben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU)

Die Steuerpflichtigen, deren Fälle Herr Hauk hier so tränen reich angeführt hat, werden nach unseren Plänen überwiegend nicht nur nicht belastet, sondern sie werden unter dem Strich sogar entlastet.

Die Kernzuständigkeit des Landes bezieht sich aber auf Struk turen. Hier werden wir aufgrund der Berichtsergebnisse ge nau hinschauen. Wir werden fragen: Was leisten diese Struk turen an Beratung, Unterstützung und Betreuung? Woran man gelt es? Wo müssen wir für Verbesserungen sorgen? Die Lan desregierung hat mit Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, mit Vertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften sowie mit den kommunalen Landesverbänden eine Struktur für den Bericht erarbeitet, die allen Fraktionen zugestellt worden ist.

Darüber hinaus hat die Ministerin nun einen erweiterten Lan desbeirat für Armutsbekämpfung und Prävention angekün digt. In diesem Gremium, das erstmals im Herbst dieses Jah res tagen wird, werden nicht nur die bisherigen Akteure, son dern auch alle Fraktionen des Landtags vertreten sein. Für die se Initiative, die wir Grünen im Vorfeld intensiv unterstützt haben, bin ich Frau Ministerin Altpeter sehr dankbar; dank bar bin ich dabei ausdrücklich auch für die Einbeziehung der Opposition.

Ich würde mich freuen, wenn Sie nach dem ersten kleinen Schritt der Nachfrage nun auch den zweiten Schritt gehen und sich an diesem Beirat beteiligen. Denn die komplexen politi schen Fragestellungen im Kontext von Armut und Reichtum erfordern einen intensiven Dialog mit Wissenschaft und Pra xis. Verstehen Sie das als Angebot der grün-roten Koalition.

Wir, das Land, können das besser als der Bund.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Thaddäus Kunzmann CDU: Was zu beweisen wäre!)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Haußmann das Wort.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Die grün-rote Landesregierung plant, in den nächsten zwei Jahren einen eigenen Armuts- und Reich tumsbericht zu erstellen. Wenn man die Stellungnahmen zu den vorliegenden Anträgen liest, stellt man fest – das ist be merkenswert –, dass die Landesregierung darin angekündigt hat, im Nachgang 2015 bereits einen weiteren, einen zweiten Armuts- und Reichtumsbericht zu erstellen.

(Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Das macht die schwarz-gelbe Bundesregierung auch so!)