Protocol of the Session on April 11, 2013

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Fraktion der FDP/ DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Goll das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Zunächst eine Vorbemerkung: Ich werde angesichts der vorgerückten Stunde bei diesem Plenar tag –

(Zurufe von der SPD: Ja!)

wohlgemerkt aus diesem Grund – nicht alles wiederholen, was an Richtigem gerade auch zur Leistungsfähigkeit und zum sehr guten Zustand der Justiz gesagt worden ist. Dem kann man sich nur anschließen. Es geht ja auch aus der Antwort auf die Große Anfrage hervor, dass unsere Richterinnen und Rich ter zwar mit die meisten Fälle zu bearbeiten haben, aber sie haben eben auch die besten Erledigungszeiten. Wir sind also bei der Personalsituation im unteren Drittel und bei der Leis tungsfähigkeit im oberen Drittel. So etwas kann man sich ei gentlich nur wünschen. Diesen Zustand gilt es zu pflegen und zu erhalten.

Immer wieder taucht die Frage auf: Wie ist eigentlich eine sol che Leistung richtig vergütet? Ganz einfach ist diese Frage nicht zu beantworten; denn das ist ja im Kontext des gesam ten öffentlichen Dienstes zu behandeln, übrigens auch im Kontext dessen, dass wir aus vielen Gründen, die ich jetzt nicht detailliert darlegen muss, die Staatsanwälte, die nun Be amte sind, nicht schlechter behandeln wollen als die Richter.

Interessant sind zunächst einmal internationale Vergleiche, aber sie sind auch mit Vorsicht zu genießen. Interessant sind sie deswegen, weil es da gewaltige Unterschiede gibt. Es kommt heraus, dass die Bezahlung in Deutschland sicher nicht übertrieben, aber auch nicht ganz mager ist. Sie liegt sozusa gen irgendwo zwischendrin. Vergleiche sind, wie gesagt, ris kant; man muss auch schauen, wie die Justiz woanders auf gebaut ist, wie viele Richter es gibt, wie viele zuarbeiten. Da muss man immer das ganze System vergleichen. Die Frage ist also schwer zu beantworten.

Tatsache ist, dass hier im Großen und Ganzen ordentlich, aber sicher nicht üppig bezahlt wird. Ich verstehe natürlich den Ruf nach Verbesserungen, schon vor folgendem Hintergrund: Wenn man einmal richtig durchrechnet, kommt man auf den Punkt, den Sie in der Antwort originellerweise schamhaft ver schweigen, nämlich die letzte Absenkung bei der Eingangs besoldung um 8 %. Darüber habe ich mich etwas gewundert; denn das erweckt ein falsches Bild.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist ja nur zeitlich befristet!)

Aber das ist jetzt die Realität. – Wenn man diese 8 % ein rechnet und ferner einrechnet, dass es in den vergangenen Jah ren zu einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit kam, dann

kommt man – das ist vielleicht für alle interessant – auf einen Stundenlohn in der Eingangsstufe für einen Richter bzw. ei ne Richterin oder einen Staatsanwalt bzw. eine Staatsanwäl tin von knapp unter 20 €. Das ist natürlich im Grunde genom men nicht viel für diese Leistung.

(Zuruf: Das stimmt aber nicht!)

Ich habe gerade gesagt: Ein Stundenlohn von unter 20 € ist nicht üppig. Vor allem ergibt sich seit 1995 eine Steigerung um nur sechs Komma noch was Prozent. Das ist natürlich sehr weit entfernt von der Entwicklung im wirtschaftlichen Be reich.

Deswegen kann man jetzt sagen: Okay, es gibt andere Vortei le. Herr Binder, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sagen Sie einmal etwas zur Endstufe!)

Ja, gut, da wissen wir: Wenn wir anfangen, in Endstufen zu vergleichen, dann dürfen wir den Vergleich zu Führungsfunk tionen in der Wirtschaft endgültig nicht mehr anstellen. Da sind wir uns – –

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Keine Führungspositi onen! Einfache Endstufe ohne Beförderung! – Ge genruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wir gehen nicht von Fraktionsvorsitzenden aus!)

Wobei man sagen muss: Da sprechen wir über einen sehr lan gen Zeitraum, bis die Stufen jeweils erreicht sind. Aber ich glaube, auch dort ergibt sich keine zu üppige Bezahlung.

Umgekehrt kann man Forderungen verstehen, diese Situation möglichst weiter zu verbessern.

Ich komme an einen kritischen Punkt zurück: Herr Schmie del, es mag ja sein, dass die Älteren besser bezahlt werden. Aber wir wollen eben von den Jüngeren die Besten. Herr Bin der hat zu Recht gesagt, dass Justizbedienstete bestimmte Vor teile auf dem Arbeitsmarkt haben. Aber es hat alles seine Grenzen. Die vorgenommene Absenkung um 8 % erinnert mich ein bisschen an den Kalauer vom Bauern, der sagt: „Jetzt habe ich es geschafft, meiner Ziege das Fressen abzugewöh nen, und nun ist sie gestorben!“ Irgendwann wird es also kri tisch, wenn es um die Nachwuchsgewinnung geht; wir sind uns sicherlich einig, dass dies ein sehr gefährlicher Weg ist. Deshalb ist für mich insbesondere diese achtprozentige Ab senkung der Eingangsbesoldung mittelfristig eine sehr gefähr liche Maßnahme, auch mit Blick auf die Qualität der Justiz.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Winfried Mack CDU – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sie haben selbst einmal eine Absenkung um 4 % vorgenommen! War das dann nicht gefährlich?)

Davon war vorhin die Rede, und wir haben auch schon öf ter darüber gesprochen. Ich möchte es einmal so sagen: Sie merken den grundsätzlichen Unterschied nicht. Wenn Sie sich aber die Entwicklungen im öffentlichen Dienst der letzten Jah re anschauen, dann werden Sie feststellen, dass mit der Re gierung Oettinger ein deutlicher Kurswechsel eingetreten war. Wir haben damals gesagt: Wir wollen dem öffentlichen Dienst außer einigen schon lange beschlossenen Maßnahmen keine weiteren Kürzungen zumuten.

Diese Linie ist durchgehalten worden; hierzu können Sie bei der GEW, bei den Gewerkschaften gern nachfragen. So ist es. Sie aber fangen nicht nur erneut damit an, sondern Sie tun noch mehr, als wir damals gemacht haben.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist doch Käse!)

Deswegen sage ich: Irgendwann ist einmal eine Grenze er reicht, von der aus man nicht mehr weitermachen kann. Des wegen rate ich Ihnen da zur Umkehr, und ich rate Ihnen, wie es auch schon Kollege Löffler getan hat, darüber nachzuden ken, wie wertvoll die Justiz ist, die wir hier haben, und wie wichtig es ist, dass deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Gefühl haben, dass sie angemessen bezahlt werden.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das gilt auch für andere Beamte!)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Stickelberger das Wort.

Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Die Große Anfrage bietet Gelegenheit – dafür bin ich dankbar –, einiges zur Justiz in Baden-Württemberg auszuführen. Wenn ich Ihre Ausführungen, Herr Kollege Dr. Löffler, allerdings verfolge und dies in einen Bezug zur Justiz setze, habe ich schon den Eindruck: Zwei fremde Welten begegnen sich, aber sie haben eigentlich nichts miteinander zu tun, und sie verste hen sich auch nicht.

Deshalb möchte ich einige Bemerkungen voranschicken: Ich bin dankbar, dass die Kollegen Filius und Binder das Weltbild zurechtgerückt haben und deutlich gemacht haben, wie die Justiz wirklich aussieht. Eines muss ich schon sagen: Ihre Große Anfrage bezieht sich auf Richterinnen und Richter und auf Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Wir haben etwa 2 500 Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Wir haben aber insgesamt 19 500 Beschäftig te in der Justiz. Diese sollten wir bei dieser Gelegenheit nicht vergessen. Sie alle leisten wertvolle Arbeit,

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP)

ob als Beamte im gehobenen oder im mittleren Dienst, ob als Servicekräfte in den Haftanstalten, in den Notariaten. Da zeigt sich ein breites Bild mit hoher Leistungsfähigkeit, und das macht die Qualität der Justiz in diesem Land aus. Dazu tra gen alle bei.

Ein Weiteres möchte ich voranschicken: Sie haben die statis tischen Zahlen hinterfragt, und Sie haben sich gewundert, dass wir die Kennzahlen anderer Bundesländer in anonymisierter Form wiedergegeben haben. Die CDU hat ja in vielen Bun desländern in der Vergangenheit die Regierung gestellt, und sie war insbesondere an den Abkommen beteiligt, die zum In halt haben, dass sich Länder nicht gegenseitig vorführen, son dern ihre eigenen Daten veröffentlichen und die Daten ande rer Bundesländer nur in anonymisierter Form wiedergeben. Daran haben sich die CDU-regierten Länder immer gehalten und die anderen Länder natürlich auch. Insofern scheint mir Ihr Eindruck doch weit weg von der Realität zu sein.

Aber ich bin froh, auf dieser Grundlage neben den nur auf Ba den-Württemberg bezogenen statistischen Daten allgemein ei niges zur Situation in der Justiz sagen zu können und so auch Grundlagen für einen Vergleich der Leistungsmerkmale der baden-württembergischen Justiz und der Justiz in anderen Bundesländern zu haben. Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, dass die Justiz in Baden-Württemberg im bundeswei ten Ranking einen Spitzenplatz hinsichtlich der Anzahl Rich terinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staats anwälte bezogen auf 100 000 Einwohner belegt. Je weniger es in diesem Zusammenhang gibt, umso besser. In keinem an deren Bundesland gibt es so wenige Richterinnen und Rich ter pro 100 000 Einwohner wie bei uns. Die Beschäftigten in unserer Justiz arbeiten sehr effizient. Sie werden der Flut der Fälle Herr und haben die kürzesten Verfahrensdauern und mit die höchsten Erledigungszahlen im Bundesvergleich.

Wir sind uns einig: Die Richterinnen und Richter sowie die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Baden-Württemberg leisten Überdurchschnittliches. Sie sind hoch motiviert und bringen zweifelsohne überobligatorischen Einsatz. Die An forderungen an die persönliche und fachliche Qualifikation sind mit die höchsten auf dem Arbeitsmarkt für Juristen. Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden: Wir stellen seit Jah ren nur Spitzenleute ein.

Ich bedaure natürlich, dass wir diese Spitzenleistungen, die unsere Juristinnen und Juristen erbringen, nicht mit Spitzen gehältern belohnen können, sondern nur mit einer sogenann ten amtsangemessenen Vergütung. Diese amtsangemessene Vergütung teilen die Richterinnen und Richter mit den Beam tinnen und Beamten. Die Besoldung der Richterinnen und Richter ist seit über 60 Jahren an die Beamtenbesoldung ge koppelt. Ich habe während meiner zwölfjährigen Zugehörig keit zu diesem Landtag nie ein Wort von Ihrer Seite dazu ge hört, dass Sie von der CDU die Besoldung der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte von der Beamtenschaft abkoppeln wollen. Das ist mir völlig neu. Das ist völlig neu.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Jetzt haben Sie es gehört!)

Herr Kollege Binder und auch Herr Kollege Filius haben da rauf hingewiesen: Sie haben keine Anträge gestellt, dass wir irgendwelche Besoldungserhöhungen vornehmen sollen. Da kneifen Sie.

(Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Ich kneife doch nicht!)

Natürlich kneifen Sie.

(Abg. Der. Reinhard Löffler CDU: Ich sage es doch! – Vereinzelt Heiterkeit)

Sie beklagen eine Situation, sagen im Ergebnis, die Richte rinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Baden-Württemberg bekämen zu wenig Geld, sagen aber nicht, was diese bekommen sollten.

(Abg. Sascha Binder CDU: Genau!)

Da müssen Sie schon die Karten offenlegen, wenn Sie redlich argumentieren wollen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Im Übrigen sollte man auch nicht verschweigen, dass wir im Bundesvergleich gar nicht so schlecht dastehen. Nur in Hes sen werden die Richter, die die Endstufe erreicht haben, bes ser besoldet. Alle anderen Bundesländer einschließlich Bay ern weisen ein niedrigeres Besoldungsniveau aus. Für die Ein gangsbesoldung gilt dieser Vergleich nicht; das ist zutreffend gesagt worden. Hier liegen andere Bundesländer vorn.

Ich kann Ihnen, Herr Dr. Löffler, in diesem Zusammenhang noch einmal die Statistik empfehlen, die der Deutsche Rich terbund auf Bundesebene vorgelegt hat. Ich gebe sie Ihnen nachher gern zu Ihrer Information. Wenn Sie die Zahlen ver gleichen, dann werden Sie sehen, dass Baden-Württemberg im Ländervergleich gar nicht so schlecht dasteht, sondern bei den Gehältern, die bezahlt werden, eher an der Spitze steht. Aber Grund zu Jubeln haben wir deshalb natürlich nicht, das ist ganz klar.

Uns ist übrigens auch die angeführte Kienbaum-Studie be kannt. Tun Sie doch nicht so, als würden wir hinter dem Mond daheim sein.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Betrach tungsweise!)

Jetzt haben Sie sich einmal in Ihrem Leben mit der Richter besoldung befasst. Wir befassen uns damit schon seit Jahren, schon als wir noch in der Opposition waren, und seitdem wir regieren erst recht. Wir stehen natürlich in intensivem Kon takt mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Daher kennen wir auch die Kienbaum-Studie, wonach die Besoldung der Richter hinter der Einkommensentwicklung vergleichbar qualifizierter Juristen in der Privatwirtschaft zurückgeblieben ist. Allerdings sei mir hierbei der Hinweis gestattet, dass die zweifelsohne gegebene vergleichbare Qualifikation nicht all zu viel darüber aussagt, ob auch die konkreten Tätigkeiten vergleichbar sind. Die Redner der Regierungsfraktionen ha ben zutreffend ausgeführt, dass man hier ein sehr differenzier tes Bild hat.

Schwerer wiegt in meinen Augen das Argument, dass die Be soldung der Richterinnen und Richter hinter der allgemeinen Preisentwicklung zurückbleibt. Das lässt sich nicht allein mit der Arbeitsplatzsicherheit im öffentlichen Dienst begründen. Angst vor Arbeitslosigkeit haben hoch qualifizierte Juristen in der Regel nicht.