Ich halte es gern noch einmal hoch. Ein paar Punkte sind schon heruntergefallen. Es waren sogar noch mehr.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Frau Wölfle, das sind arme Regionen! – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Münsingen!)
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das müssen Sie den Frauen sagen, dass die sich aufstellen lassen! – Un ruhe – Glocke des Präsidenten)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt lassen Sie doch bitte die Kollegin Wölfle ihre Rede halten. Sie brauchen keine Zwischenrufe zu machen.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Selbstverständlich, Herr Präsident! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Des halb bleiben wir da!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann ja sehen, dass Sie sich aufregen, und Sie regen sich vielleicht auch zu Recht auf. Aber man sollte sich über die Sa che aufregen.
(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und wie machen Sie das? – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wir wollen die Roten nicht mehr sehen!)
Was gab es in Baden-Württemberg nicht alles für Program me: Mentorinnenprogramme, Seminare, Veranstaltungen. Und wie viele Akteure waren beteiligt, und wie mager war am En de das Ergebnis. Denn wirklich weitergebracht hat uns das al les nicht. Wenn wir so weitermachen, wird der Frauenanteil in den Gemeinderäten in Baden-Württemberg erst in 25 Jah ren bei knapp 45 % liegen. Nein, liebe Kolleginnen und Kol legen, das ist zu langsam. Wir brauchen mehr Schnelligkeit, und wir müssen vor allem handeln.
Vor einem Jahr hatten wir anlässlich des Internationalen Frau entags hier eine Veranstaltung, und viele engagierte Frauen waren da, allerdings sehr wenige Männer. Wären mehr Män ner da gewesen, hätten sie sich anhören müssen, dass die Ge duld der Frauen erschöpft ist. Der Ruf nach einer gesetzlichen Regelung wurde laut, und der Landesfrauenrat begann sehr
motiviert und engagiert eine Kampagne für den sogenannten Reißverschluss auf den Kommunalwahllisten und für eine ge setzliche Regelung ähnlich dem Parité-Gesetz in Frankreich.
Nun kam Fahrt in die Diskussion, denn auch die beiden Re gierungsfraktionen haben in ihrem Koalitionsvertrag ange kündigt, diesbezüglich aktiv zu werden. Wir haben dann nach einer verfassungsrechtlich wasserdichten Lösung gesucht. Es wurden mehrere Gutachten erstellt, und am Ende war leider klar: Eine verfassungskonforme Regelung zu einer zwingen den paritätischen Aufstellung der Liste würde es wegen star ker verfassungsrechtlicher Bedenken leider nicht geben.
Aber das Gutachten, das die SPD in Auftrag gegeben hat, hat klar den Auftrag an die Parteien gerichtet, selbst für Parität zu sorgen, sei es durch eine Quote oder sei es vor allem durch ei ne Liste, auf der abwechselnd männliche und weibliche Kan didaten aufgeführt sind.
Ich komme zurück zu der Karte, die ich vorhin hochgehalten habe. Eine besondere Häufung der roten Punkte, also der frau enfreien Gemeinderäte, ist im Landkreis Biberach festzustel len.
Ich habe einmal nachgesehen, wie sich dort die Parteien ver halten. Bis zu zehn Wahlvorschläge konnten gemacht werden. Die CDU schlug zehn Männer vor, nicht eine einzige Frau, die Freie Wählervereinigung neun Männer und auf dem letz ten Platz eine Frau. Die FDP schlug ebenso neun Männer und eine Frau vor; die Linken vier Personen, nur Männer. Nur bei den Wahlvorschlägen der SPD und beim Ökologisch Grünen Bündnis ist der Reißverschluss fast verwirklicht worden.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Und wie viele Frauen wurden in den Gemeinderat gewählt? – Abg. Karl Zimmermann CDU: Wahlergebnis!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit verstehen Sie viel leicht auch unseren heutigen Beschlussvorschlag, der Ihnen ja vorliegt. Nicht die Frauen müssen sich weiterentwickeln, sondern die Parteien, die im 21. Jahrhundert frauenfreie oder nahezu frauenfreie Wahlvorschläge einreichen.
Die Grünen und auch wir, die SPD, haben bereits eine Quote in den Parteistatuten verankert. Wir, die SPD, haben zusätz lich im letzten Herbst auch noch das verbindliche Reißver schlussverfahren aufgenommen.
Den Einfluss der Entscheidung zwischen quotierten und un quotierten Listen kann man an den Ergebnissen der Kommu nalwahlen der letzten Jahre deutlich ablesen. SPD und Grüne haben dadurch deutlich mehr Frauen in den Kommunalparla
menten, die Parteien ohne solche Regelung eben nicht. Wer nun behauptet, man brauche keine Quote, scheint diesen Zu sammenhang also einfach nicht zu begreifen.
Hier empfehle ich der CDU und auch der FDP, unsere Erfah rungen mit der Quote einmal genauer zu betrachten und dies ins Verhältnis zu ihren Frauenanteilen zu setzen.
Erschreckend finde ich auch die in der Antwort aufgeführte Aussage der Freien Wähler, dass eine Kommunalwahl eine Persönlichkeitswahl sei und man eben Kandidaten wähle, die durch ehrenamtliche oder berufliche Tätigkeit bekannt seien. Was ist denn das für eine Aussage? Wie entlarvend ist das? Zählt denn dann der örtliche Bauunternehmer mehr als die en gagierte Erzieherin oder Altenpflegerin? Wenn ich mir anse he, wie wenige Frauen auf diesen Listen zu finden sind, ist dies anscheinend so. Zudem sind gerade Frauen in vielfälti ger Weise ehrenamtlich tätig. Hier scheint die gleiche Tätig keit doch geschlechterspezifisch sehr unterschiedlich bewer tet worden zu sein,
Es geht eben nicht nur um tolle Programme und Seminare. Es geht um Bewusstseinsbildung dahin gehend und um die Ak zeptanz dessen, dass Frauen ein Recht auf politische Partizi pation in angemessener Anzahl haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Frauen sind es leid, in diesem Land immer nur vertröstet zu werden. Sie wollen Ta ten und vor allem einen erkennbaren Fortschritt sehen.
Wir alle sind aufgerufen, hier dazu beizutragen, dass das Kom munalwahlergebnis im kommenden Jahr in dieser Hinsicht ei nen deutlich erkennbaren Schritt nach vorn macht.
Wenn wir also vorankommen wollen, sind andere und besse re Wege nötig. Das Stichwort heißt „Vorbilder“. Solange Frau en in der Politik überwiegend Männer sehen und erleben und Frauen dort in exotischer Minderheit vorhanden sind, werden Frauen auch nicht zu überzeugen sein, für ein Mandat zu kan didieren. Es muss ein Anfang gemacht werden. Die Zahlen müssen sich nach oben bewegen.
(Beifall der Abg. Rosa Grünstein SPD, Nicole Ra- zavi CDU und Charlotte Schneidewind-Hartnagel GRÜNE)
Neben allen Maßnahmen, die es gab, die es gibt und die es in Zukunft geben wird, müssen sich vor allem die männlichen kommunalen Mandatsträger öffnen und den Frauen in ihren Fraktionen gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen.
In der Antwort auf die Große Anfrage fällt auf, dass sowohl der Gemeindetag als auch der Städte- und der Landkreistag zwar die Kommunen im Bereich Gleichstellung beraten und auch Fortbildungsmaßnahmen anbieten, sich aber – das kann
man den Stellungnahmen auch entnehmen – auch der Neut ralität verpflichtet fühlen und hier keine Beeinflussung vor nehmen wollen. Dem kann ich nur Folgendes entgegenhalten:
Das Recht auf die Gleichstellung von Frauen und Män nern setzt voraus, dass Lokal- und Regionalbehörden al le entsprechenden Maßnahmen treffen und alle geeigne ten Strategien anwenden, um die ausgewogene Vertretung und Mitwirkung von Frauen und Männern in allen Berei chen der Entscheidungsfindung zu fördern.
Dieser Satz stammt nicht von mir; er ist der Europäischen Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern auf lo kaler Ebene entnommen worden. Er wurde so vom Rat der Gemeinden und Regionen Europas und seinen Partnern un terschrieben.
Wir fordern die kommunalen Landesverbände damit auf, mit zuhelfen, dass Städte und Gemeinden aktiv an der Verbesse rung der Rahmenbedingungen arbeiten, in Form von famili enfreundlichen Sitzungszeiten, der Übernahme der Kosten der Kinderbetreuung und der Sensibilisierung kommunaler Man datsträger vor Ort, sich stärker mit Frauen zu vernetzen, ihr Potenzial zu nutzen und sie auch aktiv zur Kandidatur aufzu fordern.