Aber in der Zusammenstellung, in der Wucht der Verpflich tungen, die uns jetzt auferlegt werden – das muss einmal deut lich werden –, ist es Wahnsinn.
Jetzt sage ich Ihnen: Wir hätten das auch sein lassen können. Dann täten wir uns nämlich leichter. Wir hätten Ihre Politik der verschwiegenen Schuldenverschiebung in die Zukunft fortsetzen können. Dann fiele es uns doch viel leichter, zu sa gen: Nehmen wir die Steuereinnahmen, und dann können wir richtig loslegen. Das können wir ja gerade nicht, weil wir eben die Dächer reparieren müssen, die Straßen in Ordnung brin gen müssen,
weil wir Hochwasserschutz betreiben müssen und all die an deren Dinge, die Sie in die Zukunft verschoben haben, weil wir die Landesbank, die Förderbank des Landes wieder an ständig ausstatten müssen – alles Dinge, wo Sie geplündert
haben, auch die Rücklage geplündert haben, alles geplündert, um eine Scheinkonsolidierung darzustellen. Aber wir machen Schluss damit.
Ich bin dem Finanzminister und der Landesregierung außer ordentlich dankbar, dass sie in schonungsloser Offenheit die Wahrheit der Finanzen des Landes dargelegt haben, nachles bar, für jeden nachvollziehbar, obwohl wir uns das politische Leben in den nächsten Jahren dadurch nicht erleichtern, son dern erschweren.
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Wolf gang Drexler SPD: So ist es! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wahnsinn!)
Der Finanzminister hat gesagt, die Regierung sei fleißig, ein fallsreich und sparsam. Richtig. Das Gegenteil davon
(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: Haben Sie vorher einen Ju risten konsultiert?)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der weiteren Aussprache hat nun Finanzminister Dr. Schmid das Wort. – Bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vorteil dieser Debatte ist: Zahlen kann man nicht mit Polemik beiseitewischen. Deshalb gab es von der Oppositionsseite au ßer wenigen Details, die in dem Bericht, der dem Landtag zu geleitet worden ist, dann auch zutreffend dargestellt worden sind, keinerlei Kritik an den Zahlen, die wir vorgelegt haben. Das stimmt mich insofern optimistisch, als mich das hoffen lässt, dass wir eine gemeinsame Erkenntnisgrundlage für das weitere Verfahren der Haushaltsplanung in dieser Legislatur periode haben.
Das, was dazu gesagt wurde, wie denn eine solche Vermö gensbilanz auszusehen hat, war alles richtig. Deshalb haben wir auch gesagt: Es ist ein Kassensturz und natürlich keine umfassende Vermögensbilanz. Diese werden wir erarbeiten; das haben wir uns selbst auferlegt. Das werden wir sehr gern tun. Dass in der Tat bei zusätzlichen Verbindlichkeiten in Ex trahaushalten – jedenfalls für den Fall von Unternehmensbe teiligungen – auch Vermögenspositionen bestehen, etwa bei der EnBW und auch bei der LBBW, ist jedem klar, der sich mit solchen Rechnungslegungen auskennt. Dies ist auch in dem Bericht ausdrücklich vermerkt worden. Das Problem ist nur: Wir wissen nicht, wie hoch diese Vermögenspositionen sind.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Dann wis sen Sie aber auch nicht, wie hoch die Schulden sind, die Sie da berechnen!)
Jedenfalls bei der EnBW lässt der Bericht zumindest einmal den Schluss zu – deshalb habe ich das auch in der Regierungs erklärung ausgeführt –, dass darin erhebliche Risiken stecken.
Das Zweite ist – Herr Schmiedel hat schon darauf hingewie sen –, dass wir die impliziten Verschuldungen, soweit sie Pen sionsverpflichtungen berücksichtigen, dann in einer Gesamt tabelle zusammenfassen. Das war nicht unsere Idee, sondern das ist bei Wirtschaftsforschungsinstituten Usus. Herr Raffel hüschen, der die Grundlagenarbeit geleistet hat, auf die schon Herr Stratthaus in seiner Amtszeit zurückgegriffen hat, hat ge nau dies getan. Das ist für die Darstellung nicht weiter kritik würdig.
Es geht um etwas ganz anderes – da sind Sie ausgewichen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP/ DVP –: Der Kassensturz dient der klaren Zuordnung politi scher Verantwortung. Demokratie lebt davon, dass nicht nur wir hier drinnen, sondern vor allem auch die Bürgerinnen und Bürger draußen wissen, wem sie die Verantwortung für poli tisches Handeln zuweisen dürfen. Deshalb ist es ein Gebot der Transparenz, aber auch ein Gebot einer demokratischen Ge sellschaft, dass wir am Anfang dieser Legislaturperiode ge nau diesen Kassensturz durchgeführt haben. Denn wir wollen die Bürger in die Lage versetzen, unbefangen, auf der Grund lage von Tatsachen politische Verantwortung zuzuweisen. Das, was Sie in Ihren Redebeiträgen getan haben, war, politi sche Verantwortung für Ihr Handeln zu verweigern.
Stattdessen wurde von einem Konsolidierungspfad schwad roniert, den die unionsgeführten Landesregierungen einge schlagen hätten.
Ich sage Ihnen: Der Kassensturz weist nach, dass dieser ver meintliche Konsolidierungspfad mitten in den Verschuldungs sumpf geführt hat, Herr Hauk.
Das freiwillig durchzuführende Vorgriffsstundenmodell ha ben Sie als große Errungenschaft des ausgeprägten Sparwil lens der alten Regierung angepriesen. Als wir die Regierung übernommen haben, gab es noch nicht einmal eine Rechts grundlage für dieses Vorgriffsstundenmodell.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: So ist es! – Abg. Peter Hauk CDU: Das ist ja völlig neu! – Zuruf der Abg. Helen Hebe rer SPD)
Sie weisen darauf hin, dass Sie in den vergangenen Jahren au ßerordentlich konsolidiert hätten. Wir haben durch den Kas sensturz am Beispiel Grundstock, am Beispiel L-Bank, am Beispiel des Jahres 2011 herausgearbeitet, dass Sie mit vielen
Einmaleffekten zulasten der Vermögenssubstanz des Landes gearbeitet haben. Das ist alles andere als Konsolidierung. Das ist versteckte Verschuldung, Herr Hauk, nichts anderes.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Wo konsolidieren Sie? Neben der Ana lyse, so falsch sie sein mag, erwarte ich Handlung!)
Sie weisen darauf hin, dass die Versorgungsrücklage 2005 endlich eingeführt worden ist, nachdem andere längst gehan delt haben. Aber ausgerechnet bei der großartigen Versor gungsrücklage haben wir feststellen dürfen, dass in dieser Rücklage keine Vorsorge für die im Rahmen der Bildungsof fensive geschaffenen Stellen getroffen worden ist. Das wer den wir selbstverständlich korrigieren.
Jetzt geht es darum, ausgehend von diesem Kassensturz soli de Finanzpolitik zu betreiben. Was dabei überhaupt nicht ziel führend ist, ist eine punktuelle Betrachtung allein der explizi ten Verschuldung. Der gesamte pädagogische Effekt des Kas sensturzes wäre verfehlt, wenn wir uns nur darauf konzent rierten, wie sich die explizite Verschuldung zu einem be stimmten Zeitpunkt gestaltet. Dann wäre die ganze Mühe um sonst gewesen. Dies würde ich sehr bedauern.
Wir im Haus haben uns große Mühe gegeben, die Landesre gierung hat sich große Mühe gegeben. Aber der Sinn und Zweck des Kassensturzes ist gerade – Sie selbst haben das aufgegriffen, als Sie die Vermögensbilanz thematisierten –, den Blick zu weiten: weg von der expliziten Verschuldung, die implizite Verschuldung des Landeshaushalts aufdecken. Deshalb wird die Leitlinie dieser Landesregierung sein, die Schuldenlast, das, was wir künftigen Generationen hinterlas sen, insgesamt zu minimieren und abzubauen. Dies betrifft so wohl die explizite wie die implizite Verschuldung. Deswegen wird selbstverständlich auch im Nachtragshaushalt bei der Verwendung der Steuermehreinnahmen beides eine Rolle spielen.
Sie haben recht: Wir haben es noch nicht formuliert. Der Grund ist, dass wir dies in der Tat gemeinsam mit dem Parla ment besprechen wollen.
So verstehen wir politische Arbeit, Zusammenarbeit zwischen Landesregierung und Parlament. Wir werden im Parlament besprechen, wie wir die Steuermehreinnahmen verwenden. Lediglich zu meinen, man sei der Held der Konsolidierung, wenn man mit Steuermehreinnahmen nur die explizite Ver schuldung auf null bringt, aber Landesgebäude und Landes straßen weiter verrotten lässt, das ist wirklich zu kurz gedacht.
Eines gehört auch zur Ehrlichkeit der haushaltspolitischen De batte: die Frage, wie mit Steuern umgegangen wird. Wir wis sen aus den Kommunen, aus dem Land, aus dem Bund, dass die öffentlichen Haushalte stark angespannt sind – Sanie rungsstau auf allen Ebenen, Verschuldungslast. Doch wir ha ben herausragende Zukunftsaufgaben, müssen in Bildung und Betreuung investieren, wollen die Quellen unseres Reichtums pflegen und müssen dort natürlich auch investieren. Das ist der Spannungsbogen der Finanzpolitik, der sich auf jeder Ebe ne der öffentlichen Haushalte darstellt. In einer solchen Situ
Jetzt haben wir über Jahre erlebt, dass immer die gleiche Plat te aufgelegt worden ist. In guten Zeiten sagt man: Jetzt geht es uns so gut, jetzt muss der Staat etwas an die Bürger zurück geben. Und auch in schlechten Zeiten hat man immer gesagt: Man muss die Steuern weiter senken, denn man muss die Wirtschaft ankurbeln. Das Ergebnis dieser Politik ist, dass die öffentlichen Haushalte unterfinanziert sind.
Deshalb sage ich ganz deutlich: Jetzt, wo es gut geht, müssen wir die Verschuldung – explizit wie implizit – vorrangig ab bauen. Das ist die Hauptaufgabe von Steuerpolitik in dieser Zeit.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Zulasten der Bürgerinnen und Bürger! Sagen Sie es doch: zulasten der Menschen!)