Protocol of the Session on June 29, 2011

sondern auch die Missachtung der Rolle derjenigen, die dafür verantwortlich sind, dass die Kassenbücher so geführt wer den, dass Einnahmen und Ausgaben dieselbe Höhe haben. Denn das ist kennzeichnend für den Mittelstand in BadenWürttemberg.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Sie scheinen Ihren Finanzminister aber schlecht zu bewerten!)

Dasselbe gilt natürlich auch für Sie, Herr Rülke. Sie haben den Vorwurf gemacht, wir hätten in die Bücher geschaut.

(Zuruf: Ja, ja!)

Der frühere Finanzminister Stächele hat einmal gesagt: Schau in die Bücher, dann schreien dich die Zahlen an.

(Zuruf: Genau! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/ DVP: Wenn man sie versteht!)

Genau das ist passiert.

Herr Hauk, jetzt fangen wir einmal dort an, wo wir uns einig sind. Wir sind uns darin einig, dass für die nächsten Jahre in der Finanzplanung der alten Landesregierung eine Deckungs lücke zwischen 1,3 und 2,4 Milliarden € besteht. Schon allein das ist Wahnsinn. Man sollte sich aber überlegen, dass in die se Deckungslücke schon jetzt Steuermehreinnahmen in der Größenordnung von aktuell 1 Milliarde € eingepreist sind. Wahnsinn! Wenn man sich dann noch überlegt, dass Sie die

Haushaltsrücklage plündern, das, was die schwäbische Haus frau für schlechte Zeiten im Nachttisch aufbewahrt,

(Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

dann ist noch einmal 1 Milliarde € weg, ausgegeben, und trotzdem besteht diese Deckungslücke. Wahnsinn! Dann ha ben Sie auch noch dort, wo man Finanzmasse hat, um Grund stücke, die man braucht, kaufen zu können, indem man ande re verkauft, den Grundstock geplündert. Geld raus, verbraucht. Wahnsinn!

(Heiterkeit bei der SPD und den Grünen – Abg. Hel mut Walter Rüeck CDU: Er muss doch jetzt selbst über die Scheinheiligkeit lachen! Herr Schmiedel!)

Herr Kollege, das ist nicht scheinheilig. Herr Hauk hat doch wieder dieselbe Nummer wie beim letzten Mal probiert. Ich habe es jetzt nicht mitgebracht. Ich habe gedacht, er hätte es verstanden. Beim letzten Mal habe ich das betreffende Blatt aus der mittelfristigen Finanzplanung mitgebracht. Da hat er sich wieder einmal gelobt und gesagt, man habe ja schon für 2014 die Nettonull angesteuert.

(Abg. Peter Hauk CDU: Natürlich! – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Oben steht dann aber: „Nettokreditaufnahme: null“, und un ten steht: „Deckungslücke: 3 Milliarden €“.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Abg. Peter Hauk CDU: Ja, natürlich! – Gegenruf des Abg. Wolf gang Drexler SPD: Das muss man doch decken!)

Aber so kann man doch nicht arbeiten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und den Grünen)

Sie haben doch nicht hineingeschrieben: „Um diese De ckungslücke zu schließen, verzichten wir auf erstens, zwei tens, drittens, viertens...“.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das ist doch Sache des Haushalts!)

Vielmehr haben Sie gesagt: „Weil wir mehr für Bildung aus geben, lassen wir die Hochschulen liegen.“ Wenn dazu gesagt wird: „Wir haben das ausgegeben, was notwendig ist“, dann frage ich: Warum regnet es denn in Tübingen durchs Dach?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: So ist es! Genau! Wa rum regnet es hinein? – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das liegt am OB! – Abg. Friedlinde Gurr- Hirsch CDU: Ins Technische Rathaus regnet es hin ein!)

Frau Kollegin Gurr-Hirsch, wir gehen einmal in technische Institute.

(Zuruf von den Grünen: In Tübingen?)

Universitäten müssen aus ihren knappen Mitteln in ihr Gebäu de – das dem Land gehört – noch einmal ein Häuschen hin einbauen, damit die Sintflut von oben abgeleitet wird und nicht im Computer landet. So sieht es aus.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist Baden-Würt temberg! – Abg. Peter Hauk CDU: Dafür kauft man in Tübingen Weinberge! Das ist die Alternative!)

Wenn man jetzt noch einmal die Deckungslücken anschaut – über die wir uns ja einig sind – und gleichzeitig weiß, dass Aufgaben auf uns zukommen, die in der mittelfristigen Fi nanzplanung gar nicht aufgeführt sind – – Ich nenne z. B. Auf wendungen für den Hochwasserschutz, die man nicht länger aufschieben kann. Oder sollen wir Mannheim beim nächsten Jahrhunderthochwasser etwa absaufen lassen? Das geht doch nicht.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Für die CDU schon, bei dem Wahlergebnis!)

Sollen wir die Polizei ohne Kommunikation arbeiten lassen? Wir müssen den Digitalfunk also einführen. Überhaupt fehlt es bei der Polizei an der technischen Ausstattung hinten und vorn.

(Beifall bei der SPD)

Das alles kommt also noch hinzu. Wahnsinn!

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Und nun: Es war eine ganz besonders inakzeptable Nummer,

(Abg. Walter Heiler SPD: Wie so oft!)

Herr Kollege Rülke: Sie werfen dem damaligen Finanzminis ter Stratthaus Taschenspielertricks vor.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: „Wahn sinn“! – Heiterkeit bei der FDP/DVP und der CDU)

Das ist nicht Wahnsinn, das ist unverschämt. Denn er war es, der hier von diesem Pult aus die Rechnung aufgemacht hat und verglichen hat, wie es im Ranking bei den monetären Haushaltsschulden aussieht. Baden-Württemberg sei da spit ze. Er fragte aber weiter, wie es denn aussehe, wenn man die Pensionsverpflichtungen mit berücksichtige, und zwar sowohl bei den anderen als auch bei uns. Dann liege Baden-Württem berg am Ende. Was soll denn da der Taschenspielertrick sein?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist so!)

Aber die Art und Weise, wie Sie auf seine Haushaltsaussagen und seine Reden von Wahrheit und Klarheit reagiert haben, sprechen auch Bände. Sie haben gesagt: Einer, der eine sol che Rechnung aufmacht, muss entlassen werden.

(Heiterkeit bei der SPD)

Das war Ihre Antwort – anstatt den Hinweis ernst zu nehmen und die notwendigen Rücklagen zu schaffen, damit nicht noch weitere Verpflichtungen in Höhe von 68 Milliarden € da sind.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Natürlich steht den Mitteln, die außerhalb des Haushalts ge führt werden – Extrahaushalte –, auch Vermögen gegenüber.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das hat er aber weggelassen! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Es geht um die Bewertung!)

Jetzt wollen wir einmal schauen, wie Sie das behandeln. Es gibt ein Vermögen, das in einer stillen Einlage des Landes bei der Landesbank Baden-Württemberg besteht. Damit das Land diese stille Einlage finanzieren kann – es musste das Geld auf nehmen; es hat es ja nicht gehabt –, bekommt es diese stille Einlage als Darlehen mit einem Zinssatz von 5 % von der Lan desbank Baden-Württemberg. Die Landesbank Baden-Würt temberg verzinst dem Land diese stille Einlage mit 6 %. Das ist an und für sich ein gutes Geschäft; 1 % bleibt übrig; damit kann man etwas anfangen. Was Sie aber gemacht haben, ist, dass Sie die Einnahmen, die von der stillen Einlage bei der Landesbank in den Haushalt kommen, für die nächsten Jahre bereits verkauft haben.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das ist doch der Punkt! Da ist gar kein Gegenwert mehr da!)

Das haben Sie gemacht, damit Sie Kasse machen können. Das ist noch einmal so eine Sondernummer. Sie verkaufen zukünf tige Einnahmen, damit Sie jetzt Kasse machen können und so tun können, als hätten Sie anständig gewirtschaftet. Blöd ist es nur, wenn die Landesbank keinen Gewinn macht. Dann gibt es überhaupt keine Verzinsung der stillen Einlage. Das ist be sonders blöd. Dann haben Sie diese nicht nur verkauft, son dern müssen auch noch nachzahlen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aber Steuergeld!)

Das kommt dann alles auf uns zu. Das ist eine Erblast, wie wir sie in vielen Bereichen haben: unseriös gewirtschaftet, auf den Moment geachtet, Lasten in die Zukunft geschoben, aber keine Konsolidierung. Das ist eine Scheinkonsolidierung, Herr Kollege Hauk, aber keine echte Konsolidierung.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Peter Hauk CDU: Was ist denn daran neu? Wo ist der Neu igkeitswert, und wo ist das Problem?)

Wir hätten das alles auch sein lassen können. – Sie haben na türlich recht: Nicht alles ist neu.