Protocol of the Session on June 29, 2011

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das ist der wichtigste Punkt. Diese Debatte um einen ver meintlichen Kassensturz ist doch nur ein billiges Ausweich manöver, damit Sie nicht klar bekennen müssen, dass Sie die Nullneuverschuldung nicht erreichen wollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Fried linde Gurr-Hirsch CDU: So ist es!)

Es geht nicht um das Können. Das ist doch das Entscheiden de.

Sie leisten doch noch einen Beitrag dazu, dass die Lasten in der Zukunft erneut steigen werden. Sie können die Lasten der Zukunft deutlich verringern oder sogar gar nicht erst entste hen lassen, wenn Sie die 800 Millionen €, die im Haushalt ste hen, schlichtweg tilgen, herunterfahren, auf null fahren. Da durch hätten Sie keine Zinslasten für die Zukunft und auch keine Rückführungsverpflichtungen.

Herr Finanzminister, erst war 2019 im Gespräch, jetzt ist 2020 im Gespräch. Das steht ja im Grundgesetz. Ich erinnere Sie daran: Wir haben noch eine Landeshaushaltsordnung.

(Abg. Volker Schebesta CDU: So ist es!)

Sie haben damals gefordert, dass die Schuldenbremse, die in der Landeshaushaltsordnung steht, in die Verfassung aufge nommen werden müsse – ich kann mich noch gut erinnern; davon ist schon gar keine Rede mehr – und dass damit die Schulden, die wir 2010 und 2011 aufgenommen haben – Fi nanz- und Wirtschaftskrise; das war antizyklisch –, innerhalb von sieben Jahren wieder abgebaut werden müssen. Machen Sie jetzt den Anfang, und tragen Sie schon einmal die Rück baulast, die bis zum Jahr 2017 entstehen würde, ab, indem Sie sie erst gar nicht aufbauen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wir haben vorgesorgt. Das strukturelle Defizit der mittelfris tigen Finanzplanung kommt doch nicht von ungefähr. Das kommt doch deshalb, weil wir in der Rückzahlung der Ver pflichtungen eine Nullneuverschuldung im Jahr 2014 und nicht erst im Jahr 2020 angestrebt haben.

(Abg. Volker Schebesta CDU: So ist es!)

Daher kommt das strukturelle Defizit der mittelfristigen Fi nanzplanung zu ganz wesentlichen Teilen. Das ist doch der ganz entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Sie prolongieren den Weg in die nächste Legislaturperiode und hoffen inständig, dass es die Union ist, die dann wieder den Karren herausziehen muss.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Das ist doch wahr.

(Zuruf)

Ich bin gespannt auf den Vierten Nachtrag. Sie haben jetzt noch etwas Zeit, ihn zu verabschieden, aber es gelingt ja im mer weniger. Von wegen Einbeziehung des Parlaments und stärkere Einbindung und dergleichen mehr!

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Der Ministerprä sident freut sich schon darauf!)

Wir werden dann überfallen. Wahrscheinlich gibt es den Nach tragshaushalt in gebundener Form erst zwei Tage vor der Ein bringung in den Landtag. So wird es wahrscheinlich kommen, nachdem er vom Kabinett bisher noch gar nicht verabschie det ist. Da gibt es also noch einigen Nachholbedarf.

Sie prolongieren den Weg der Nullneuverschuldung bis 2020. Das ist der ganz entscheidende Punkt. Wir hätten sie im Jahr 2014 wieder erreicht.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Grobe Bilanztäu schung!)

Das ist der Hauptgrund dafür, dass wir in der mittelfristigen Finanzplanung Deckungslücken zwischen 2 und 3 Milliar den € haben.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Jetzt die Steuermehr einnahmen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu kommen auch strukturelle Mehreinnahmen im Bereich der Steuern, und zwar schon nach der Mai-Steuerschätzung. Vermutlich wird dieses Ergebnis durch die November-Steuerschätzung noch einmal übertroffen werden, auch durch die Steuereingänge. Das zeichnet sich ein Stück weit ab.

Das heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren der Re gierungsfraktionen: Strengen Sie sich einfach an! Strengen Sie sich an, dass Sie den Kurs der Konsolidierung dieses Haushalts und dieses Landes

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Na, na, na!)

im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und vor allem im Interesse der nächsten Generation fortsetzen. Le ben Sie nicht auf Kosten der nächsten Generation, sondern kommen Sie auf einen Pfad der Konsolidierung zurück,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

und verschleiern und täuschen Sie nicht weiter.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, in der weiteren Aussprache erteile ich der Vertreterin der Fraktion GRÜNE, Frau Kollegin Sitzmann, das Wort.

Herr Präsident, meine Da men und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute mit dem Kassensturz, den der Finanzminister vorgelegt und vorgestellt hat, endlich eine komplette Bestandsaufnah me über die Finanzsituation hier in Baden-Württemberg. Herr Kollege Hauk, Herr Kollege Rülke, es hilft alles nichts: Sie können die Augen nicht länger vor den Tatsachen verschlie ßen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wenn sie denn kämen, die Tatsachen!)

Die Daten und Dokumente, die in diesem Kassensturz zusam mengetragen sind, sind Unterlagen und Vorlagen aus Ihrer Re gierungszeit. Es sind valide, solide Daten,

(Abg. Volker Schebesta CDU: Ei, ei, ei! Sag mal! – Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

und es wurde allerhöchste Zeit, sie einmal zusammenfassend darzustellen und Transparenz herzustellen, auch für die Bür gerinnen und Bürger, die wissen sollen, wie es um die Finan zen in Baden-Württemberg steht.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Volker Schebesta CDU: Welche Unterlagen waren denn bis her nicht transparent?)

Man kann von der Bürgerschaft schwerlich erwarten, dass sie Nachtragshaushalte, Haushalte, Rechnungshofberichte usw. liest.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Aber von Ihnen kann man es verlangen!)

Jetzt ist es zum ersten Mal klar und transparent dargestellt,

(Abg. Volker Schebesta CDU: Habt ihr als Oppositi on versagt, oder wie?)

und wir stellen fest, dass das Ergebnis nach 58 Jahren CDURegierung in Baden-Württemberg erschreckend ist, werte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Die Bestandsaufnahme zeigt, dass Schulden, verlagerte Ver pflichtungen und bewusst verursachte finanzielle Risiken – ich betone: Risiken – über 70 Milliarden € betragen. Zu die sen 70 Milliarden € kommen noch weitere Verpflichtungen für die Pensionen hinzu. Herr Kollege Hauk, Sie haben ge sagt, es gebe einen Pensionsfonds. Das ist richtig. Allerdings bleibt trotz dieses Fonds eben noch eine ungedeckte Verpflich tung in Höhe von 68 Milliarden € übrig. Das haben Sie leider nicht gesagt.

Zusammengerechnet ergeben diese Posten eine Summe von unglaublichen 138 Milliarden €. Das ist mehr als das Dreifa che der Verschuldung, die bislang im Haushalt ausgewiesen wurde. Das ist das Geld, für das die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler schließlich aufkommen müssen. 138 Milliarden € sind das Vierfache des gesamten Landeshaushalts, und 138 Milliarden € entsprechen dem Steueraufkommen von fünf Jah ren, einer ganzen Legislaturperiode.

(Abg. Peter Hauk CDU: Tarnen und täuschen, das ist Ihre Maßgabe!)

Wenn das keine erschreckende Bilanz ist, werte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben heute trotzdem wieder behauptet, und zwar wider besseres Wissen, dass die Vorgängerregierung ein wohl bestelltes Feld hinterlassen habe. Das kann ja wohl nicht sein, wenn Ihnen, wie Sie sagen, diese Tatsachen schon längst bekannt sind. Öffentlich gesagt haben Sie immer nur das, was Ihnen gut in den Kram gepasst hat. Viele der erschre ckenden Tatsachen, die heute auf dem Tisch liegen, wurden öffentlich wenig diskutiert. Deshalb kommen wir zu dem Er gebnis, dass es endlich an der Zeit ist, diese Tatsachen offen zulegen und zu zeigen, wie die Realität in Baden-Württem berg nach Ihrer jahrzehntelangen Regierungszeit aussieht. Da ist klar: Optik und Realität klaffen weit auseinander.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Sie von der CDU haben das Landesvermögen heruntergewirt schaftet, Herr Hauk.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Jetzt hört’s aber auf!)