Protocol of the Session on June 29, 2011

Diese Regierungserklärung ist nichts anderes als das Ver schleiern Ihres Unvermögens oder Ihres Unwillens, die Kon

solidierung in diesem Land weiter aufrechtzuerhalten und Ih ren Part dabei zu übernehmen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. An dreas Schwarz GRÜNE: Große Defizite!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich zitiere:

Durch eine sofortige Senkung der Schulden könnten Zins ausgaben eingespart werden, die für die dringend not wendige Verbesserung der Unterrichtsversorgung an den Schulen des Landes verwendet werden sollten.

Dies erklärte Herr Dr. Nils Schmid zum Nachtragshaushalt 2007 und 2008 am 17. Juli 2007. Das ist heute so richtig wie damals. Nur haben Sie jetzt Regierungsverantwortung und können Ihren wohlfeilen Worten aus der Opposition auch Ta ten folgen lassen. Wir hindern Sie ausdrücklich nicht daran, Herr Minister, sondern wir würden Sie dabei unterstützen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sind jetzt in der Regierungsverantwortung. Das Wenige, bei dem Sie bisher gehandelt haben, ist, dass Sie faktisch zwei neue Ministerien geschaffen haben, darunter das Integrationsministerium. Das Wirtschafts- und das Finanzministerium bestehen ja nach wie vor weiter; es gibt dort lediglich die Personalunion bei der po litischen Spitze, nicht einmal bei den politischen Beamten. Das war das Einzige, bei dem Sie durch Handeln aufgefallen sind.

Sie haben am 12. Mai bei der Regierungsübernahme ein wohl bestelltes Feld erhalten.

(Lachen bei den Grünen und der SPD – Abg. Wolf gang Drexler SPD: Nicht zugehört!)

Meine Damen und Herren, wir hätten vor wenigen Monaten, Anfang des Jahres, wohl kaum erneut ein AAA erhalten – es waren externe Berechnungen, wohlgemerkt, keine internen Berechnungen – und damit, was die Frage der Zinsbelastung durch die vorhandenen Schulden angeht, auch Sie in der Zu kunft vor höheren Zinsen bewahrt. Baden-Württemberg hat neben Bayern das beste Kreditrating aller Länder; das ist ein externes Rating, kein internes. Moody’s hat dies aktuell wie der bestätigt, und das können Sie auch durch einen schlecht gerechneten Kassensturz nicht schlechtreden.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wolf gang Drexler SPD: Das wollen wir auch gar nicht!)

Unstreitig dürfte sein, dass Baden-Württemberg bei der expli ziten Verschuldung im Ländervergleich einen Spitzenplatz im positiven Sinn einnimmt. Insoweit sind wir uns einig; darauf haben Sie auch hingewiesen. Hier zeigt sich aber gleichzei tig, dass Sie auf die Einholung eines Expertenrats bei Ihrem Kassensturz verzichtet haben, indem Sie explizite und impli zite Verschuldung zusammengerechnet haben und auf dieser Basis dann neue Ländervergleiche anstellen.

Ich will zwei Beispiele nennen:

Die Risikoabschirmung bei der LBBW ist als verzinsliches Bardepot bei der LBBW hinterlegt. Ein weiterer Betrag ist die Kapitalerhöhung bei der LBBW, die damit an Werthaltigkeit

gewinnt. Es ist schlichtweg unseriös, dies einfach den Schul den zuzurechnen, weil das etwas mit der Vermögensrechnung zu tun hat und nicht mit der Frage der Verschuldung.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Zweifelsohne sind das Risiken. Das will ich gar nicht – –

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Aber Risiken sind etwas anderes als Verschuldung. Bei den Unternehmensbeteiligungen, in welcher Form auch immer, stehen den Risiken auch Chancen gegenüber. Das dürften Sie zumindest noch wissen.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Die EnBW-Beteiligung ist gleichermaßen mindestens in Hö he der Bürgschaft werthaltig, sodass die Nettoposition des Haushalts in diesen Fällen nicht tangiert ist. Wir erwirtschaf ten daraus derzeit faktisch sogar Überschüsse.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Derzeit! – Abg. Wolf gang Drexler SPD: Wie viel ist denn die EnBW wert?)

Herr Minister Dr. Schmid, Sie sprechen in Ihrem Kassensturz u. a. die künftig steigenden Pensionsausgaben an und verwei sen dabei auf die Beratende Äußerung des Rechnungshofs zu diesem Thema. Es ist wahr: Die Pensionsverpflichtungen sind höher als in anderen Ländern, weil wir aus den Siebzigerjah ren einen höheren Personalbestand hatten. Das stimmt. Wahr ist allerdings auch, dass es in allen Bereichen – in der gesetz lichen Rentenversicherung, bei den Pensionsverpflichtungen anderer Länder und des Bundes – außer in Baden-Württem berg und Rheinland-Pfalz nirgendwo sonst überhaupt Rück lagenfonds gibt –

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Was sagt uns das?)

nirgendwo! –, sondern auf der Basis des Generationenvertrags die heutigen Lasten – Renten, Pensionen – von den heutigen Einnahmen finanziert werden müssen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Finden Sie das rich tig?)

Das war schon immer so.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aha!)

Das ist auch nichts Neues. Nur die Darstellung dessen hat Neuigkeitscharakter und Neuigkeitswert.

Neben Rheinland-Pfalz, das seinen Pensionsfonds aber aus schließlich aus Schulden finanziert,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

sind wir das einzige Land, das überhaupt angefangen hat, ei nen solchen Pensionsfonds aufzubauen. Natürlich könnte noch mehr Geld drin sein; das ist überhaupt keine Frage. Ich rufe Ihnen nur zu: Machen Sie es! Wir werden Sie dabei unterstüt zen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wolf gang Drexler SPD: Aha!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, hinzu kommt, dass Sie überall dort, wo in der Vergangenheit die damaligen Lan desregierungen Stelleneinsparprogramme beschlossen haben, diese bekämpft haben. Ich erinnere an die Verwaltungsreform. Ich erinnere an weitere Stelleneinsparprogramme. Immerhin haben wir heute in den Fachverwaltungen des Landes netto über 10 000 Stellen weniger als noch vor 15 Jahren. Diese ha ben wir allerdings im Bereich der Bildung komplett kompen siert, und zwar zu Recht. Ich meine, mich noch gut daran er innern zu können, dass die heutigen Regierungsfraktionen, auch die heutige Regierungsfaktion SPD, in der Vergangen heit immer mehr Personal statt weniger Personal gefordert ha ben. Das ist doch ein Teil der Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es! – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Wenn wir Ihren Anträgen gefolgt wären und kein Personal eingespart hätten und wenn wir auf Sie gehört hätten, als Sie jeweils Mehrbedarf angemeldet haben, wären die Pensions verpflichtungen aus der Rechnung heute noch viel höher. Sie konterkarieren sich damit letztendlich selbst.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Falsch!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die unionsgeführte Landesregierung hat mit der Versorgungsrücklage und dem Pensionsfonds Vorsorge getroffen. Diese könnten höher sein. Aber wir sind damit bislang Spitzenreiter und Vorbild in ganz Deutschland gewesen.

Wir haben in den vergangenen Jahren Stellen eingespart und im Gegenzug in den Bildungsbereich investiert. Es steht au ßer Frage, dass wir in den nächsten Jahren entlang der demo grafischen Entwicklung und der Entwicklung bei den Schü lerzahlen reagiert hätten. Das erwarten wir auch von Ihnen. Dies sollte maßvoll, aber auch unter Beachtung der Konsoli dierung des Landeshaushalts geschehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Finanzminister hat vorhin auf die vermeintlichen Versäumnisse beim Hoch bau hingewiesen. Jeder Euro lässt sich nur einmal ausgeben. Wenn das Land mehr Geld für die Bildung in die Hand nimmt, kann es nicht gleichzeitig mehr Geld für die Landesgebäude und mehr Geld für die innere Sicherheit ausgeben. Die uni onsgeführte Regierung hat in der Vergangenheit mit den zur Verfügung stehenden Mitteln Baden-Württemberg in jedem Bereich auf einen Spitzenplatz gebracht und dort auch gehal ten. Das war nur möglich, indem die insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel bedarfsgerecht auf die wichtigen Politikfel der verteilt wurden.

Das Land ist Eigentümer von 8 000 Gebäuden mit rund 11 Millionen m2 Nutzfläche; das ist bereits vom Finanzminis ter akribisch beschrieben worden. Wir haben für die Sanie rung und Modernisierung dieser Gebäude in den Jahren 2005 bis 2008 340 Millionen € aufgewendet. Herr Finanzminister, das sind genau 1,5 % eines Betrags, den Sie vorhin selbst er rechnet haben, nämlich von 22 Milliarden €. Das, was an In vestitionen erforderlich gewesen ist, haben wir investiert. Wir haben sogar mehr investiert. Wir haben die Konjunkturpro gramme des Bundes und die, die wir selbst zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise aufgelegt haben, dazu ge

nutzt, dass wir in der Bauverwaltung allein im letzten Jahr ei nen Umsatz von 1 Milliarde € getätigt haben, um damit Sa nierungsrückstände, die es gibt und deren Abbau dringend not wendig ist, früher abzubauen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das heißt, von einem Sanierungsstau kann nicht die Rede sein.

(Lachen der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Wir sind fast in vorauseilendem Gehorsam dem neuen Ver kehrsminister zuvorgekommen, indem wir zehn, 15 Jahre lang aufgrund von Investitionen in die Bildungspolitik im Bereich des Landesstraßenbaus weniger investiert haben. Das ist wahr. Wir haben im Jahr 2011 allerdings klar gesagt, für die nächs ten Jahre müssen Investitionen in den Straßenbau Priorität ha ben, und haben im Dritten Nachtragshaushalt die Straßenbau mittel noch einmal auf 105 Millionen € erhöht. Es war unse re klare Absicht – nicht nur Absicht, sondern auch klares Pro gramm –, diese Zahlen fortzuschreiben.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Na, na, na! – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: 50 Millionen € stehen in der mit telfristigen Finanzplanung!)

Damit hätten wir die berechneten Unterhaltungsmaßnahmen und Investitionsmaßnahmen von etwa 100 Millionen € jähr lich auch auf Dauer erfüllen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, all dies zeigt, dass die alte Regierung und die Regierungsfraktionen von CDU und FDP/DVP „up to date“ waren. Deshalb ist jetzt die kon sequente Ausrichtung der Haushaltspolitik auf Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit notwendig und gefordert. Die Schlüsselfrage, die sich für Sie, Herr Dr. Schmid, als Finanz minister und für die ganze Regierung stellt: Wollen Sie den von Ihnen immer postulierten Anspruch auf Nachhaltigkeit auch für die Haushaltspolitik gelten lassen oder nicht? Wenn Sie ihn für die Haushaltspolitik gelten lassen wollen, dann müssen Sie jetzt, hic et nunc, zur Nullneuverschuldung im Jahr 2011 zurückkehren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)